Ecce equus niger von AomaSade (LV x HP) ================================================================================ Kapitel 7: Gefangen ------------------- Er fühlte sich benebelt und sein Kopf dröhnte, als wenn er gestern das ganze Fass Butterbier alleine ausgetrunken hätte. Bei Merlin, war er groggy. Ron musste aufhören, ihn in irgendwelche Kaschemmen zu schleppen. Geburtstage konnten sie auch anders feiern, ohne unschöne Nachwirkungen. Stöhnend drehte er sich auf den Rücken und öffnete mühsam die Augen. Die Realität war ernüchternder als der beste Katertrank. Seine Freunde waren lange tot, der Krieg verloren, Voldemort an der Macht und er war immer noch ein Pferd! Deprimiert rollte Harry sich wieder auf die Seite. Eine Weile lag er einfach mit geschlossenen Augen ruhig im weichen Stroh, die Welt um ihn herum ausblendend, seine Gedanken völlig leer. Dann fiel ihm schlagartig alles wieder ein. Seufzend rappelte er sich auf, kam auf wackligen Beinen zum Stehen. Einen kurzen Moment brauchte er noch, um sein Gleichgewicht zu finden, dann drehte er sich langsam einmal um sich selbst und nahm sein „Gefängnis“ gründlich in Augenschein. Er befand sich in einer Pferdebox, einer sehr geräumigen, schätzungsweise acht mal acht Meter großen Pferdebox und es war ganz offensichtlich die Luxusausführung – alles wirkte edel von den hölzernen Wänden bis zu den beiden kunstvoll verzierten Türen. Eine schien direkt nach draußen auf eine Koppel zu führen, die andere auf den Stallgang. Tageslicht fiel durch die zahlreichen Fenster im Obergeschoß des Stallgebäudes in seine Box. Tageslicht? Scheinbar hatte er mehr als zwölf Stunden geschlafen. Warum hatten sie ihn solange betäubt? Um ihn an einer nächtlichen Flucht zu hindern? Das hatten sie geschafft, aber jetzt war er wach und voller Tatendrang. Die sehr hohen Boxwände sahen extrem stabil aus, unmöglich zu überspringen oder mit den Hufen einzutreten. In den Ecken bei der Tür zum Gang waren jeweils Fresstrog und Heuraufe sowie eine Wassertränke angebracht. Ansonsten war der Raum leer – bis auf ihn. Kein Dark! Eine Minute stand er absolut still und lauschte. Nichts! Keine verdächtigen Geräusche. Sicherheitshalber versteckte er seine magischen Kräfte tief in sich. Seine Fänger hielten ihn für ein echtes Pferd, sonst hätten sie ihn nicht in einem Stall untergebracht. Harry wollte diesen Vorteil fürs Erste nicht verspielen, indem er sich durch die Verwendung von Zaubern oder durch seine magische Aura verriet. Er hatte Angst. Wer weiß, was sie ihm antaten, wenn sie herausfanden, dass er ein Zauberer, geschweige denn Harry Potter war. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen bei dieser schrecklichen Vorstellung. Er musste schleunigst verschwinden. Zuerst versuchte Harry erfolglos die Außentür zu öffnen und wandte sich dann der Innentür zu. Die obere Hälfte bestand aus einem Gitter in Rankenform, in dessen Mitte sich ein dreieckiges Sichtfenster befand und natürlich war auch sie fest verschlossen. Vorsichtig steckte Harry seinen Kopf durch die Fensteröffnung und sah sich im restlichen Stall um. Seine Box befand sich am Ende des Stalles ebenso wie die Sattel- und Futterkammer, durch die offenstehenden Türen konnte er Säcke mit Pferdefutter sowie Unmengen von Zaumzeug, Zügeln, Halftern und einzelne Sättel erkennen. Den Gang hinunter zum Eingangsbereich gab es weitere Pferdeboxen, die leer zu sein schienen, und ganz vorn wohl einen großzügigen Wasch- und Putzplatz. Der Gang endete vor einem großen Stalltor, dessen Oberlicht verschlungene Initialen schmückten. Eindeutig – obwohl spiegelverkehrt auf der Innenseite – erkannte er die drei Großbuchstaben „T. V. R.“, Harry schluckte. TVR wie Tom Vorlost Riddle. Horrorvisionen stürmten plötzlich auf ihn ein. Voldemort hatte ihn gefunden. Er war in Voldemorts Hand. Voldemort und seine Todesser würden ihm wehtun, ihn wieder martern, peinigen, quälen, foltern. Seine Atmung wurde immer hektischer. "Na, endlich aufgewacht, mein Hübscher? Ich hatte mir schon Sorgen gemacht", rief eine freundliche Stimme aus Richtung der Futterkammer. Harry fuhr total überrumpelt herum und erblickte einen älteren Mann, der einen Futtereimer in der Hand hielt und freundlich lächelnd auf ihn zuging. Schnell wich der schwarze Hengst verteidigungsbereit in die hinterste Ecke zurück, kampflos würde er sich nicht ergeben. Als der Mann seine Box betrat, die Tür hinter sich schloss und näher kam, geriet Harry in Panik. Sein Schweif peitschte hin und her, seine Ohren waren nach hinten gerichtet. Mit gebleckten Zähnen lies er seinen potentiellen Feind nicht aus den Augen. „Ganz ruhig, mein Hübscher. Ich tue dir nichts.“ Versöhnlich streckte der grauhaarige Mann seine Hand aus und hielt ihm eine Mohrrübe als Friedensangebot hin. Eine Mohrrübe? Aber Harry lies sich nicht einlullen und schnappte nach dem Arm. Lachend zog der Mann sich zurück. „Ich sehe schon, Aufwachen in einer fremden Umgebung und dann auch noch von einem alten Zausel wie mir angesprochen zu werden, ist ein bisschen viel für den Anfang. Dann lass ich dich mal wieder allein, damit du dich beruhigen und einleben kannst.“ Er kippte das mitgebrachte Futter in den Fresstrog, prüfte die Wassertränke und drehte sich wieder zu dem immer noch aufgeregten Hengst um. Seufzend schüttelte der Ältere den Kopf und verlies die Stallbox. Harry glaubte noch ein gemurmeltes „Wirklich schade!“ gehört zu haben, als sich die Schritte zur Futterkammer hin entfernten. Erleichtert atmete Harry auf, zuckte aber zusammen, als kurz darauf das Stalltor geöffnet und wieder geschlossen wurde. Jemand kam den Gang entlang – energisch, selbstsicher, willensstark. Und diese Person war kein Angestellter oder Untergebener. Nein, diese Person stand an der Spitze der Pyramide, war der geborene Anführer. Sein Erzfeind war unterwegs zu ihm. Denn dessen mächtige magische Aura, die heute geradezu sanft über ihn hinwegstrich, ihn fast liebkoste, würde er überall wiedererkennen, kam sie doch oft in seinen schlimmsten Alpträumen vor. Harrys Herz begann zu rasen. Voldemort liebte es, seine Feinde und auch seine Todesser allein durch seine Anwesenheit einzuschüchtern, zu entmutigen, ihnen Todesangst einzuflößen, aber er genoss es regelrecht, wenn er auf Harry traf. Bei jedem ihrer bisherigen Treffen umhüllte Harry diese schreckliche, bedrohliche Aura, die versuchte, ihn zum Aufgeben, zur Kapitulation zu bewegen. Er erinnerte sich an die Kälte und Hoffnungslosigkeit, die seinen Körper zu lähmen begann, an die Schmerzen, die er glaubte zu spüren. Nur unter sehr großer Anstrengung war es ihm bis jetzt jedes Mal gelungen, seine Gedanken und Gefühle abzuschirmen, nur das Gute und Schöne der Welt zu sehen und so Voldemorts magisch-mentalen Angriff abzuwehren. Und das war immer nur das Vorgeplänkel, sozusagen die Aufwärmphase bevor es richtig zur Sache ging. Wie Harry ihre Begegnungen und Kämpfe überlebt hatte, war ihm heute noch schleierhaft. Wahrscheinlich eine verdammt gute Kombination aus Glück, Intuition, Sturheit und Gryffindor-Mut, anders konnte er es sich jedenfalls nicht erklären wie er die Zusammenstöße mit seinem Todfeind, dem mächtigsten Zauberer der Welt größtenteils heil überstanden hatte. Warum hatte Voldemort ihn im Stall untergebracht? Hatte er ihn wirklich nicht erkannt? Oder spielte sein Feind mit ihm und wollte ihn nur in Sicherheit wiegen, damit er später umso grausamer zuschlagen konnte? Harry brach der kalte Angstschweiß aus. Er stand absolut hilflos vor Voldemort. In seiner Animagusgestalt hatte er bei einer direkten Konfrontation keine Chance. Aber ein kleiner Hoffnungsfunke stahl sich in seine Gedanken: Wenn Voldemort ihn tatsächlich nicht erkannt hatte – und vieles sprach dafür – dann sahen seine Flucht- und Überlebens-Chancen schon viel besser aus. Er durfte sich jetzt auf keinen Fall verraten, musste wie ein ganz normales Pferd handeln. Wie handelten eigentlich normale Pferde? Er war in seinem Leben nur einem einzigen richtigen Pferd begegnet und zwar Dark! Zentauren und Einhörner zählten irgendwie nicht, da sie magische Wesen waren und die verhielten sich niemals „normal“. Was wusste er über richtige Pferde? Sie verstanden keine menschliche Sprache, also nicht auf Worte reagieren! Sie waren zutraulich, ließen sich anfassen, streicheln ... niemals! Da spielte er lieber den wilden Hengst. Er würde jeden angreifen, der versuchte, ihn zu berühren! Sie waren Herdentiere und ... Seltsame Knackgeräusche rissen Harry aus seinen Gedanken. Vorsichtig schielte er zur Geräuschquelle. Das … war absolut surreal! Voldemort hatte das scheinbar gut geölte Rankengitter lautlos geöffnet, lehnte entspannt an seiner Boxtür und aß seelenruhig einen knackigen roten Apfel während er den schwarzen Hengst in der Box eingehend betrachtete. Kein gezogener Zauberstab, kein böser Blick, keine unheilvolle Aura, keine Folterflüche – offenbar die Harmlosigkeit in Person. Harry kniff mehrmals die Augen zusammen, aber die Halluzination verschwand nicht. Einzig sinnvolle Erklärung: Er musste immer noch auf Schlafdrogen sein und hatte äußerst skurrile Träume während er schlief. Aber leider war er hellwach und sein Todfeind befand sich immer noch gemütlich an einem Apfel kauend ein paar Meter vor ihm. ~•~•~•~•~•~ Tom beobachtete Harry, der angespannt in der hinteren Ecke der Pferdebox stand. Angstschweiß bedeckte seinen Körper, seine Beine zitterten leicht, aber er schien trotzdem bereit, sich todesmutig zu verteidigen, falls er auch nur einen Schritt in seine Richtung machen sollte. Langsam aß er seinen Apfel weiter und tat erstmal nichts, um seinen Seelengefährten weiter zu beunruhigen. Anfassen und Streicheln fielen also vorläufig aus, das hatte er aus ihrer Begegnung in der "Ur-Klamm" gelernt. Wie sollte er jetzt am besten vorgehen, um seinem traumatisierten Gefährten zu helfen und für sich zu gewinnen? Mit der Tür ins Haus fallen wäre sicherlich der falsche Weg, das würde ihre Situation nur verschlimmern. Dabei sah gestern morgen noch alles so einfach aus – aber er hätte ahnen sollen, dass mit Harry Potter nichts einfach war. ~•~•~•~•~•~ Smaragdgrüne feurige Augen, seidiges schwarzes Haar, weiche schimmernde Haut, wohlgeformte Muskeln an den richtigen Stellen, ein atemberaubender Körper, der sich verlangend an ihn schmiegte, einladende Lippen … „Meister! Meister, alles in Ordnung?“ Schlagartig saß Tom im Bett und starrte wütend auf seine Schlange, die um einen der Bettpfosten des Kopfteiles gewickelt war und ihn offenbar grundlos geweckt hatte. „NAGINI! Was soll das? Du weist ganz genau, dass ich nicht beim Schlafen gestört werden will, es sei denn, die Welt geht unter. Was allerdings nicht der Fall zu sein scheint“, herrschte er sie an. Er lies sich wieder rückwärts fallen und schloss die Augen, aber an Weiterträumen war nicht mehr zu denken, wenn gelbe Schlangenaugen ihn musterten. „Bitte entschuldige Meister“, sagte Nagini geknickt, „aber ich dachte, du hättest Schmerzen, weil du dich so stöhnend herumgewälzt hast. Da habe ich lieber nachgefragt, ob dir nichts fehlt. Heute wolltest du doch Harry herbringen und wenn du krank bist, dann wird doch nichts daraus, obwohl du versprochen hast, dass er heute Abend bei uns sein würde. Bin ich jetzt eigentlich auch sein Seelentier, wo du doch sein Seelenpartner bist? Fühle ich mich deshalb so wohl in seiner Nähe?“ Schmunzelnd verdrehte Tom gedanklich seine Augen. „Nagini, du plapperst! Kann es sein, dass du aufgeregter bist als ich und es nicht erwarten kannst, dein Zauberpferd wiederzusehen?“ Ertappt senkte die Schlangendame ihren Kopf. „Mein Zauberpferd hatte keine Angst vor mir, auch als Harry wusste, wer ich war, blieb er und half mir. In seiner Gegenwart habe ich mich wohlgefühlt. Das … hat mir sehr gefallen. Neben dir, Meister, ist er die einzige andere Person auf der Welt, mit der ich normal reden kann, weil er eben auch Parsel spricht und versteht.“ Ganz leise zischelte sie noch hinterher: „Und ich glaube, er mag mich ein bisschen.“ Tom setzte sich wieder auf und schwang die Beine aus dem Bett. Tröstend streichelte er den Kopf seiner Schlangenfreundin. „Das denke ich auch. Sonst hätte er nicht soviel riskiert und dich bis vor meine Haustür getragen.“ Überlegend starrte er vor sich hin, seine Antwort hatte ihn auf eine Idee gebracht und ein sardonisches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich weiß jetzt, wie ich meinen eigensinnigen Gefährten ohne Schwierigkeiten aus dem Wald locke! Harry hat doch einen sehr ausgeprägten Retter-Komplex, nicht wahr, meine Liebe?“ Nagini nickte aufgeregt, für eine raffinierte List war sie immer zu haben. Voller Elan machte sich ihr Meister für den Tag fertig und gemeinsam verließen beide gutgelaunt das Schlafzimmer. Nach einem ausgiebigen Frühstück, Tom wusste ja nicht wie lange er brauchen würde, um Harry zu finden und heimzubringen, machte er sich frisch gestärkt auf den Weg in den Verbotenen Wald. Ganz schwach konnte er durch seine anerkannte Seelenbindung fühlen, wo Harry sich ungefähr aufhielt und lief mit einem Unsichtbarkeitszauber getarnt in diese Richtung. Sein Gefährte schien sich eilig zu bewegen. Wo wollte er hin? Etwa doch aus dem Verbotenen Wald fliehen? Tom lief schneller und kam gerade rechtzeitig genug, um einen schwarzen Hengst durch ein verstecktes Felsportal verschwinden zu sehen. Tom war beeindruckt. Die „Ur-Klamm“*, das schützende Tal der Mythen und Legenden! Jetzt fiel ihm wieder ein, was er vor Jahrzehnten einmal darüber gelesen und im Laufe der Zeit vergessen hatte. Natürlich kannte er diesen Ort, seine Bibliothek enthielt einige sehr alte, wertvolle Geschichtsbände und Zauberlexika, teilweise in Parsel sowie Latein, die diese geheimnisvolle Zuflucht beschrieben. Sein Gefährte war wirklich schlau und einfallsreich. Er hatte den einzigen Ort gefunden, an dem er vollkommen sicher vor jedem Feind war. Gegen die uralte Magie der Klamm kam selbst ein Lord Voldemort nicht an, wenn er feindliche Absichten gegen jemanden hegte, der sich innerhalb der Schlucht befand. Nur hatte Harrys Strategie einen entscheidenen Denkfehler, da er nicht alle Fakten kannte. Voldemort war nämlich sehr wohl in der Lage, die „Ur-Klamm“ zu betreten, denn die seltene Gefährtenmagie war eine der reinsten Formen von Schutzmagie ebenso wie die Magie dieses Zufluchtsortes. Ein Seelenpartner, der seinen Gefährten anerkannt hatte, konnte und würde diesem niemals bewusst schaden. Er würde sich immer schützend vor seinen Partner stellen und ihn mit seinem Leben verteidigen. Darum lies die „Ur-Klamm“ Seelengefährten ungehindert eintreten, denn sie stellten keine Gefahr füreinander dar. Ganz anders verhielt es sich aber beim Verlassen des Ortes. Die Klamm würde jeden ohne Ausnahme daran hindern, einen Schutzsuchenden mit Gewalt aus ihr zu entfernen. Und irgendwie bezweifelte Tom stark, dass Harry freiwillig mit ihm kommen würde, wenn er ihn erkannte. Reden und Erklärungen würden auch nichts bringen, solange Harry ihm nicht vertraute und auf Abwehr gebürstet war. Da half nur eine List. Und Voldemort war ein wahrer Meister der Täuschung und als oberster Slytherin würde seine Manipulation perfekt sein. Schnell schickte er einen Boten-Patronus mit Befehlen und Anweisungen nach Riddle Manor, bevor er, immer noch unsichtbar, die Klamm betrat. Das von hohen Felswänden umschlossene Flusstal war malerisch, aber Tom hatte nur Augen für eine ganz besondere Schönheit. Etwas weiter vor ihm lief Harry fast verträumt am Flussufer entlang, ab und zu am Gras naschend. Endlich konnte Tom seinen Seelengefährten in aller Ruhe betrachten. Sein Kennerblick glitt über Harrys herrliche Pferdegestalt, verinnerlichte gierig jede Nuance, jedes klitzekleine Detail des anmutigen Körpers. Hauchzart, kaum wahrnehmbar strich seine Gefährtenmagie über das weiche Fell. Der schwarze Hengst war eine Augenweide ebenso wie der junge Mann aus seinem Traum. Besitzerstolz machte sich in Voldemort breit, Harry gehörte ihm – für immer und ewig – und heute begann ihr gemeinsames Leben. Aber Voldemort war vor allem ein Dunkler Lord, Hinterlist und Heimtücke gehörten zu seinen besonders beliebten Spezialitäten. Das würde sich auch in Zukunft nicht ändern. Allerdings würde Harry nur die abgeschwächte Version dieser Wesenszüge zu spüren bekommen, denn gegen eine leichte Manipulation oder Neckerei war ja nichts einzuwenden. Unbemerkt von seinem Seelenpartner wurde Tom wieder sichtbar und verwandelte sich in seine neue Animagusgestalt, kaschierte seine roten Augen und zauberte mit perfider Genauigkeit zahlreiche Verletzungen sowie einige weiße Holzsplitter eines kaputten Koppelzaunes auf seinen Pferdekörper, um seine ausgedachte Fluchtgeschichte glaubwürdig zu untermauern. Lautlos schlich er sich bis auf wenige Meter an Harry heran, lies seinen Kopf in angeblicher Erschöpfung sinken und begann nach Luft schnappend zu keuchen als wenn er stundenlang galoppiert wäre. Vorsichtig, um den anderen Hengst nicht zu verschrecken, verstärkte er sanft seine Gefährtenmagie, damit sie ihre beruhigende und versöhnende Wirkung entfalten konnte. Wie erwartet versteifte sich Harry plötzlich, als er ihn endlich wahrnahm. Er prüfte den fremden schwarzen Hengst sowie seine Umgebung auf Gefahren und starrte ihn zweifelnd an, kam ein paar Schritte näher und lies, immer noch misstrauisch, seinen Blick jetzt über seinen ganzen Körper gleiten, wobei er auch weiter sein Umfeld im Auge behielt. Aber schließlich gewann doch Harrys Hilfsbereitschaft und er verfing sich arglos in Voldemorts Falle. Gedanklich triumphierend hob Tom anstrengend schnaubend den Kopf und flehte: #Bi-Bitte ... hilf mir, ich ha-habe mich ... verirrt.# Überrumpelt holte sein Gefährte tief Luft und grüßte: #Ähm ... Hallo.# Immer noch skeptisch trat er zögernd näher und schaute auf die Wunden. #Was ist passiert?# Showtime! Zeit, seine Geschichte überzeugend zu erzählen. Auf sein schauspielerisches Talent auch in Pferdegestalt vertrauend blickte er Harry mit schreckgeweiteten Augen an, lies seine Beine und seinen Körper ängstlich beben und begann stockend zu berichten. #Eine Sch-Schlange ... eine rie-riesengroße Schlange … angegriffen ... auf meiner Koppel ... so große Zäh-Zähne ... wegspringen ... über Zaun ... bin hängengeblieben ... eingebrochen ... gelaufen, nur gelaufen#, stammelte er keuchend und änderte seine anscheinend schmerzhafte Standposition etwas. #Ich lief und lief ... nur weg von der Mo-Monsterschlange ... aber dann waren da nur noch Bäume um mich herum … und-und … ich fand nicht zurück … egal in welche Richtung ich lief. Dann sah ich dich durch die Öffnung im Felsen gehen und folgte dir in der Hoffnung auf Hilfe. Bitte hilf mir. Mit tut alles weh und ich will wieder nach Hause zu meiner Familie, aber ich finde den Weg nicht zurück. Bitte! Du kannst mir doch helfen?# Während sein Seelenpartner angestrengt nachdachte, lies Voldemort seine Wunden weiter bluten und atmete dabei wieder schwerer, um Harrys Entscheidungsfindung zu beschleunigen. Seine Hilfsbereitschaft würde ohnehin siegen, so gut kannte er seinen Gefährten inzwischen. Der beste Beweis dafür war Nagini. Wer brachte schon die verletzte Schlangenfreundin seines Todfeindes in die Höhle des Löwen? Und ja, nicht zu vergessen – entkam wie immer hinterher! Das brachte nur Harry Potter fertig. Hatte ihn früher kalte Wut erfasst, wenn seiner Nemesis erneut die Flucht gelang, so war er jetzt richtig Stolz auf das Geschick seines Gefährten, sich aus brenzlichen Situationen zu befreien. Er hörte den anderen Hengst leise seufzen, sah, wie er die Tageszeit abschätzte und ihn schließlich entschlossen anschaute: #Ich werde dir helfen und dich nach Hause bringen. Ruh dich noch etwas aus und versuche ein wenig zu fressen, das Gras ist wirklich lecker.# Tom verzog angewidert das Gesicht, Pferdeanimagus hin oder her, aber Gras würde niemals auf seiner Speisekarte stehen. #Keinen Hunger!# heraus würgend lehnte er dankend das Angebot ab. Völlig unerwartet kam das Schattenpferd in seinem Geist plötzlich freudig aus dem Nebel geschossen und er hörte deutlich Harrys aufmüpfige Gedanken durch die kurzzeitig durchlässige Nebelbarriere: 'Verwöhnte Stallpferde waren sich wohl zu fein für einfaches Grün', während dieser ganz unschuldig weiter das saftige Gras fraß. Tom war sichtlich amüsiert über Harrys Sein und Schein, er hatte sein Feuer also nicht verloren, es war nur kleiner, leiser, verborgener mit den Jahren geworden. Aber Tom würde sein feuriges Temperament schon wieder hervorkitzeln. Warum eigentlich nicht gleich damit beginnen? Der wunderschöne Hengst vor ihm sah einfach zum Anbeißen aus und er konnte nicht widerstehen. Normales Pferdeverhalten nachahmend trat er ganz dicht an Harry heran und begann behutsam an seiner Schulter zu knabbern. Seine Gefährtenmagie flackerte dabei freudig auf, bescherte ihm wohlige Schauer, aber er schirmte sie ab, um sich nicht zu verraten und seinen ausgeklügelten Plan zu ruinieren. Tom hatte mit vielen möglichen Reaktionen gerechnet, aber was dann passierte, war der blanke Horror. Fassungslos beobachtete er, wie der kleinere Hengst sich zu Tode erschrocken aufbäumte, mehrere Meter von ihm wegsprang, hektisch in alle Richtungen schaute und dabei zitterte wie Espenlaub. Erst als die ausgemachte Panikattacke ganz allmählich abgeklungen war, sah Harry verzweifelt zu ihm herüber. #Nicht berühren. Nur nicht berühren#, wimmerte er schwach und konnte sich nur langsam wieder beruhigen. #Ich ertrage Nähe und Berührungen nicht.# Voldemort schluckte. Was war eben passiert? Er hatte Harry garantiert nicht wehgetan, auch seine Magie hatte ihn nur unmerklich gestreichelt. Was hatte er getan, um seinen Seelengefährten dermaßen zu erschrecken? Fragend blickte er den schwarzen Hengst an, der daraufhin erklärte: #Also … Vol … mein Vorbesitzer … ein richtiger Tyrann ... seine To … Knechte haben mich gefolt … sehr schlecht behandelt … ich konnte zum Glück fliehen … aber seitdem ... Bitte … bitte halte Abstand zu mir, dann ist alles in Ordnung, ja?# Tom nickte erschüttert: #Ich werde es mir merken.# Vor ihm taten sich Abgründe der Schuld auf. Er war dafür verantwortlich, dass sein Gefährte damals gefoltert wurde und jahrelang unter den Nachwirkungen gelitten hatte! Und ein Ende seines Leidens war nicht in Sicht. Wenn Harry schon bei der Berührung eines für ihn harmlos scheinenden Tieres ausflippte, was würde dann erst passieren, wenn Lord Voldemort ihn anfasste? Kreislaufkollaps? Herzstillstand? Jetzt begann er sich wirklich Sorgen zu machen. Die Sache war ernst, sehr ernst und würde sehr viel Fingerspitzengefühl erfordern sowie Zeit und Geduld! Harry brauchte dringend selbst Hilfe anstatt sie jedem anderen zu geben. Zum Glück hatte er jetzt einen Gefährten, der sich mit all seinem Wissen, seiner Macht und seiner Zauberkraft um sein Wohlbefinden kümmern würde, ob er wollte oder nicht. Das hatte Harry ohne Widerspruch zu akzeptieren! Darüber gab es keine Diskussion! Voldemort lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Harry, der immer noch angespannt dastand und sicherlich eine kleine Auflockerung vertragen konnte. Mit einer angedeuteten Verbeugung stellte er sich vor: #Übrigens, mein Name ist Dark und danke, dass du mir helfen willst.# Das schien seinem deprimierten Gefährten zu gefallen und aus seiner trüben Stimmung zu reißen. Mit einem verhuschten Lächeln stellte dieser sich ebenfalls vor: #Ich bin Harry.# und ging weiter auf seinen Spaß mit spielerisch schief gelegtem Kopf ein: #Dark wie finster. Hast du den Namen wegen deiner Gemütsverfassung oder aufgrund deines Aussehens erhalten?# Der große Hengst zwinkerte ihm belustigt zu und erwiderte: #Weder noch. Es war sehr finster in der Nacht meiner Geburt im wahrsten Sinne des Wortes, da der Strom ausgefallen war und wohl zur Erinnerung an diese erzwungene Dunkelheit im Stall nannten sie mich „Moment of Darkness“, kurz Dark. Lord Voldemort ...#, brachte er seinen Namen in die Unterhaltung ein, um Harrys Reaktion darauf zu prüfen und ihm entging nicht wie dieser bei der Nennung des Namens zusammenzuckte, #..., mein jetziger Besitzer scherzt manchmal, dass der Name Dark zu meinem finsteren Wesen passt.# Spitzbübisch sah er seinen Gefährten mit großen gefühlvollen Augen an: #Sehe ich wirklich so düster aus, sei ehrlich?# Der schüttelte nur amüsiert den Kopf: #Nein, ich denke nicht. Komm, lass uns noch ausreichend trinken bevor wir aufbrechen. Du brauchst dringend einen Tierarzt.# Harry lief voraus zum Flussufer und begann zu trinken, während Voldemort ihm gemächlich folgte. Sein Seelengefährte zog ihn an wie ein Magnet, er war jetzt schon süchtig nach seiner Gesellschaft und Nähe. Welchen Abstand musste er überhaupt einhalten, damit Harry sich wohl fühlte? Einen Meter, zwei? Nun, Probieren geht über Studieren! Gedacht, getan – einen knappen Meter neben dem kleineren Pferd fing auch das größere Tier an zu trinken. Gleich darauf sprang Harry erneut erschrocken zur Seite und schaute ihn strafend an. Fazit: Zu nah! Reumütig senkte Tom den Kopf: #Entschuldige, ich wusste nicht, dass neben dir stehen, schon dein Unbehagen auslöst. Ich werde zukünftig auf einen größeren Abstand achten. Bitte verzeih mir.# Verstohlen blickte er zu Harry. Konnte er die Wogen wieder glätten? Es sah so aus. Dieser schien danach in Aufbruchstimmung zu sein, was seine Worte unterstrichen: #Okay, lass uns aufbrechen. Wir benötigen ungefähr eine Stunde. Hältst du so lange durch?# Kurz schäumte Voldemorts Temperament auf. Hielt sein Gefährte ihn für schwach und wollte ihn provozieren? So schnell wie der Gedanke aufkam, so schnell verschwand er auch wieder. Nein, sicher nicht, Harry war nur besorgt über seine Verletzungen. Aber nun wurde es wirklich Zeit, dass sein Seelenpartner Riddle Manor – sein zukünftiges Heim – kennenlernte und den Verbotenen Wald für immer verlies. #Ja, machen wir uns auf den Weg. Ich bin bereit, mit dir nach Hause zu gehen!#, erwiderte Voldemort abschließend und ging die Führung übernehmend mit offenbar schmerzhaften Schritten in Richtung Talausgang los. Harry zögerte. Ob er die Zweideutigkeit der Aussage bemerkt hatte? Aber dann hörte er trabende Geräusche hinter sich. Nach dem Verlassen der „Ur-Klamm“ durch das Felsportal lies Voldemort zu, dass der kleinere Hengst ihn überholte und sie beide auf einem sehr schmalen Pfad nach Riddle Manor führte. Sie mussten fast den ganzen Weg hintereinander laufen, so dass eine Unterhaltung unmöglich war. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto unruhiger wurde Harry und prüfte ständig die Umgebung auf Gefahren und den Zustand des Verletzten. Der Wald wurde zum Ende ihrer Reise immer lichter und sie konnten nun nebeneinander gehen. Voldemort hätte sich Harry gleich jenseits der Zuflucht schnappen können, aber er genoss die friedliche Zeit mit seinem noch ahnungslosen Gefährten. Und die Ansicht dieses wunderbaren straffen Pferdepopos, der sich vor ihm fast sinnlich bewegte und ihn an seinen heißen Traum erinnerte, aus dem Nagini ihn heute Morgen so abrupt gerissen hatte, war auch nicht zu verachten. Zur Sicherheit, damit seine geplante Falle auch garantiert ohne Schwierigkeiten funktionierte, lenkte er Harry ab, indem er absichtlich immer langsamer wurde und anfing leicht zu hinken. Sein Gefährte achtete nun mehr auf ihn als auf den Wald ringsherum. Kurz vor dem Waldrand bemerkte der kleinere Hengst dennoch, dass etwas nicht stimmte und blieb stehen, aber es war bereits zu spät. Voldemort hatte seine Untergebenen entdeckt und lief wie verabredet an Harry vorbei als Signal für ihr Eingreifen. Mit einem Illusionszauber fälschte er den eigenen Treffer eines Betäubungspfeiles und täuschte eine Ohnmacht vor, um gleichzeitig den einen echten abgeschossenen Pfeil mit Narkosemitteln zu steuern und in Harrys Hinterbacke zu versenken. Er hatte seinen Pferdepflegern verboten, Betäubungszauber zu verwenden. Harry sollte auf keinen Fall Verdacht schöpfen, dass seine jahrelang erfolgreiche Tarnung aufgeflogen war und der Dunkle Lord wusste, wer sich unter der Pferdeanimagusgestalt verbarg. Als sein Gefährte umkippte und kurz darauf ins Reich der Träume versank, wusste Voldemort, dass der erste Teil seines Planes erfolgreich war, den zweiten Teil musste er aufgrund seiner aktuellen Erkenntnisse über Harrys Verfassung völlig neu überdenken. Es war jetzt kein Spaß mehr, sondern eine bittere Notwendigkeit die Animagusgestalt seines Seelengefährten vorerst beizubehalten, denn Harry fühlte sich unerkannt als Pferd maskiert sicherer, wäre in Voldemorts Nähe weniger aggressiv und abweisend, weil er sich nicht absichtlich verraten wollte. Geschmeidig erhob sich der größere Hengst aus seiner liegenden Position, wobei alle seine Wunden verschwanden, ehe einen Augenblick später der Dunkle Lord in menschlicher Gestalt an gleicher Stelle stand. Rasch kniete er sich neben Harry, zog den Pfeil aus seinem Hinterteil und sprach einen Diagnosezauber, um den Zustand seines Gefährten zu kontrollierten. Alles war in bester Ordnung. Harry würde die nächsten zwölf Stunden friedlich schlummern. Erleichtert holte Voldemort tief Luft. Sein Seelenpartner war jetzt sicher in seinen Händen und endlich konnte er ihn das erste Mal richtig berühren, was derzeit bei einem wachen Harry unmöglich gewesen wäre. Seine Gefährtenmagie entfaltete plötzlich ihr volles Potenzial, rollte einer Flutwelle gleich über den Pferdekörper, hüllte ihn ein, umschloss ihn, überwältigte ihn mit reinen Gefühlen von Geborgenheit, Sicherheit, Wärme und Zuneigung, vertrieb die Alpträume der kommenden Nacht. Tom hatte so etwas noch nie erlebt, seine Magie war lebendiger, prickelnde Schauer jagten durch seinen Körper und Geist, er fühlte sich mächtiger als jemals zuvor. Das war … Er war … Verblüfft blickte er auf den Schlafenden. Tom Vorlost Riddle, Lord Voldemort, der Dunkle Lord, Herrscher über das magische Britannien war … glücklich, einfach nur glücklich, weil er seinem Gefährten nah war. Er fühlte eine nie dagewesene Vollkommenheit, weil sein Seelengefährte bei ihm war. Das war unglaublich. 'Harry, mein Harry!', Voldemort bewunderte die ausgestreckte Pferdegestalt. Sein Partner war ein prachtvolles Geschöpf. Ganz sanft strich er mit der Hand an Harrys Hals entlang, fuhr die Konturen seines Kopfes nach, verweilte bei den weichen Nüstern. Dann, nach kurzer Überlegung, schob er die dichte Stirnmähne zur Seite und starrte andächtig auf die kaum sichtbare, aber doch vorhandene blitzförmige Narbe, den absoluten Identitätsbeweis von Harry Potter, seine Seelenbindungsmarke, seine Markierung des ihn glücklich machenden Gefährten. Ehrfürchtig berührte Tom das Mal. Harry war schon immer sein gewesen und er hatte es die ganzen Jahre nicht bemerkt. Durch seinen damals mörderischen Hass auf die Zaubererwelt lies er sich von einer dummen Prophezeiung irreführen und hätte beinahe das wertvollste Geschenk seines Leben getötet, seinen vom Schicksal nur für ihn bestimmten Seelengefährten. Wie viel Schaden er trotzdem durch sein zerstörerisches Handeln angerichtet hatte, war noch nicht abzusehen. Aber er schwor Besserung. Hast und Eile forcierten Fehlentscheidungen. Er würde diesmal nichts überstürzen und Harry die nächsten Tage nur beobachten, seine nächsten Schritte auf dessen Verhalten und Wohlergehen abstimmen. Sie beide hatten alle Zeit der Welt, sich besser kennenzulernen. Entschieden versteckte Tom die Narbe wieder unter der Stirnmähne, streichelte zum Abschied die samtigen Ohren und richtete sich auf, während er seine in respektvollem Abstand wartenden Pferdepfleger heranwinkte. „Bringt ihn vorsichtig in seine vorbereitete Stallbox, ich habe noch etwas zu erledigen!“, befahl er ihnen und sah sie streng an. Seine Untergebenen brauchten genau genommen keine Ermahnung mehr, denn schon allein die Tatsache, dass Lord Voldemort sich höchstpersönlich am Einfangen eines Pferdes beteiligte, verriet, dass dieser Hengst ihrem Herrn viel bedeutete und sollte ihm etwas passieren … naja, der Cruciatus-Fluch wäre noch das geringste Übel. Schnell zückten sie ihre Zauberstäbe, ließen den schwarzen Hengst behutsam vor ihnen her schweben und transportierten ihn so nach Riddle Manor ins Gestüt. Voldemort sah ihnen eine Weile hinterher, ehe er sich an seine abendfüllende Aufgabe machte und rund um seine Ländereien einen äußerst starken Bannkreis legte, der einen gewissen Gryffindor am Verlassen seiner neuen Heimstatt hindern sollte. Spät nachts betrat ein erschöpfter Voldemort sein Manor, befahl einer Hauselfe ein spätes Abendessen zu bringen und begab sich ohne Umschweife in sein Schlafzimmer. Die Schaffung eines so großen und mächtigen Bannkreises um seine gesamten Ländereien hatte extrem an seinen Kräften gezehrt. Aber Harrys sichere „Verwahrung“ stand an oberster Stelle. Er würde nicht noch einmal riskieren, ihn zu verlieren. Und er kannte seinen Gefährten gut genug, um zu wissen, dass dieser trotz aller anderen Sicherungsmaßnahmen, die ihn vorerst in Riddle Manor festhalten sollten, es bis an diese äußere Barriere schaffen würde. Doch eben nur bis dort und nicht weiter, denn dann würde sein Harry eine Überraschung erleben. Voldemort lächelte kalt. Es gab kein Entkommen! Und es gab nur eine Richtung, in die sein Seelengefährte laufen konnte – hin zu ihm, in seine warmen wartenden Arme. „Wo ist Harry?“, rief Nagini abgehetzt als sie durch die Schlangenklappe ins Zimmer schlüpfte und sich suchend umblickte, denn in den anderen Zimmern des Herrenhauses war er nicht. „Er übernachtet im Gestüt“, antwortete Voldemort trocken. Nagini starrte ihn völlig entgeistert an. „Meister, das ist ja soweit weg. Warum schläft er nicht hier im Haus? So wäre er doch in deiner Nähe … Das finde ich nicht richtig und Harry sicher auch nicht. Das behindert doch die Paarung.“ „Glaub mir, Nagini!“ Voldemort musste sich ein Lachen verkneifen und versuchte ernst zu bleiben: „Harry ist noch nicht bereit, hier einzuziehen und sich zu ... 'paaren'. Er braucht noch ein wenig Bedenkzeit. Aber vertrau mir, bald wird er auch hier wohnen und Riddle Manor sein Zuhause nennen.“ Gähnend begann Tom sich für die Nacht fertig zu machen und verschwand im angrenzenden Bad. „Menschen haben seltsame Paarungsrituale. Bei Schlangen ist alles viel einfacher, man riecht sich, sieht sich und kriecht zusammen – fertig. Das ist doch nicht schwer“, grummelte Nagini vor sich hin als sie es sich vor dem Kamin bequem machte. „Gute Nacht, Meister.“ „Gute Nacht, Nagini“, rief Tom durch die offene Badezimmertür. Ausgepowert, aber voller Vorfreude, nachdem er schnell sein Abendbrot gegessen hatte, fiel der Dunkle Lord eine halbe Stunde später in einen tiefen erholsamen Schlaf. ~•~•~•~•~•~ Voldemort griff langsam, um seinen Gefährten nicht zu erschrecken, in seine Manteltasche und holte einen zweiten Apfel hervor. Harry dachte sicher, sein Todfeind würde seinen Zauberstab zücken, so entsetzt wie er ihn ansah und sich anspannte. „Du bist wirklich wunderschön, mein Schwarzer …", sprach Tom mit ruhigen Worten und hielt Harry den neuen Apfel hin, aber der Hengst funkelte ihn nur entrüstet an. "... mmh, kein Apfel?“, bemerkte er schmunzelnd und kaute an seinem eigenen Apfel weiter. „Ich sehe schon, heute werden wir keine Freunde", seufzte Tom theatralisch. "Vielleicht wirst du etwas zutraulicher, wenn ich deinen Pferdekameraden Dark später mit dir zusammen auf die Koppel lasse“, sinnierte der Dunkle Lord laut vor sich hin. Harrys Ohren zuckten. Aha, er war der ganzen Sache also nicht abgeneigt. Sein langjähriger Stallmeister und hochrangiger Todesser im Ruhestand kam aus der Futterkammer und stellte sich neben seinen Lord an die Boxtür. „Hat sich meine Neuerwerbung gut eingelebt, Angus?“ Der alte Mann hatte einen ebenso guten Pferdeverstand wie er selbst. Auf sein Urteil konnte er sich stets verlassen. „Der Hübsche scheut Berührungen, mein Herr. Sein früherer Besitzer muss ihn schwer misshandelt haben.“ 'Wie recht du doch hast', konnte Voldemort ihm nur in Gedanken zustimmen. „Wirklich schade! Solche traumatisierten Tiere bauen sehr schwer wieder Vertrauen auf, wenn überhaupt. Meiner Meinung nach hat er auch sehr lange frei gelebt. So ein Tier ist kaum zu zähmen, wenn es überhaupt möglich ist. Wirklich schade um den Hübschen!“ „Und was schlägst du vor? Soll ich ihn wieder freilassen?“ Voldemort schaute entschieden zu dem schwarzen Hengst: „Ich werde diesen prachtvollen Hengst nie mehr hergeben. Und er wird sicher bald ganz folgsam sein und mir aus der Hand fressen, das haben schließlich alle meine Pferde getan.“ Harry schnaubte empört und Tom lächelte. „Er ist Menschen gegenüber sehr scheu, lässt sich überhaupt nicht anfassen, aber bei Euch scheint er besonders schreckhaft zu sein. Das ist merkwürdig, sonst lieben Euch doch alle Pferde ohne Ausnahme, mein Herr“, sagte Angus etwas verwirrt. „Dieses scheint ein … besonderes Tier zu sein, einer von der hartnäckigen Sorte“, Voldemort blickte den schwarzen Hengst scharf an, Harry war sichtbar zusammengezuckt bei seiner Sprach-Pause, er hörte also genau zu. „Wo habt Ihr den Hübschen überhaupt her?“, die Augen seines Stallmeisters glitten bewundernd über den Körper des grazilen Hengstes, der in der hintersten Ecke der Box stand und sie voller Argwohn beobachtete. „Er wurde gestern Abend am Waldrand zusammen mit noch einem Pferd von ein paar Pferdepflegern entdeckt, sie haben ihn betäubt und hergebracht. Ich habe mich gleich in die schlafende Schönheit verliebt als ich ihn hier im Stroh liegen sah“. Voldemort schmunzelte, als Harry ein röchelndes Schnauben ausstieß, scheinbar erstickte er fast an den gehörten Worten. Darum würde er das Necken noch ein wenig weiter fortsetzen „Wie du schon sagtest, scheint er ein herrenloses, sehr verwildertes Pferd zu sein. Eine kleine Herausforderung also! Ich werde ihn behalten und persönlich zähmen.“ Der Hengst hatte jetzt vor Entsetzen die Augen weit aufgerissen und rührte sich nicht mehr. Aber dann kam Leben in das Tier, er bäumte sich auf, schüttelte wild und wie es schien verneinend den Kopf, stieg und schlug aus, traf dabei auch mehrmals die Box-Rückwand. 'Ja, eindeutig eine Herausforderung', dachte Tom fröhlich. Und ein frustrierter, wütender Harry war allemal besser als ein ängstlicher, mutloser Harry, der still und verschreckt in einer Ecke stand. „Gut, gut. Wenn er sich wieder beruhigt hat, kannst du ihn auf die Weide lassen.“ Voldemort wandte sich zum Gehen um und schlenderte in Richtung Ausgang, wobei er den Apfelgriebsch in einen der Abfalleimer im Stallgang warf und kräftig in den anderen, von Harry verschmähten Apfel biss. „Ich werde später noch einmal nach meinem Neuzugang sehen.“ rief er Angus noch zu, bevor er das Stalltor öffnete und nach draußen ging. Harry hatte seine letzten Worte sicher auch vernommen und wäre vielleicht bei ihrer nächsten Begegnung nicht mehr ganz so eingeschüchtert, weil er sich darauf vorbereiten konnte. Doch nun wollte Tom erst einmal ausgiebig frühstücken und bei einer starken Tasse Kaffee über seine nächsten Schritte nachdenken. Wenn Harry in seiner jetzigen Verfassung erfuhr, dass Lord Voldemort sein Seelengefährte war, verschreckte er ihn damit bis ans Lebensende. Nein, mit seinen Psychosen und Ängsten musste er sehr behutsam umgehen. Zum Glück hatte er sich Harry unerkannt im Verbotenen Wald genähert, um ihn herauszulocken. So hatte er viel mehr über seinen Seelenpartner erfahren als in all den Jahren ihrer Kämpfe, hatte den privaten Harry kennengelernt, welcher sich völlig vom öffentlichen Retter der Zaubererwelt unterschied. Harry war hilfsbereit, freundlich, humorvoll, sensibel. Aber Tom hatte auch die Verletzlichkeit und den Schmerz gesehen. Sein Seelengefährte war stark und zerbrechlich zugleich. Voldemort musste sehr vorsichtig sein und zu völlig ungewöhnlichen Mitteln greifen, um seinen Partner zu erobern. Nein, nicht erobern sondern umwerben, pflegen, hegen, schützen … lieben. _________ * Auszug aus „Ultimi mille anni magicorum mundi, conscriptor Albertus Jonathan Bardon, MDCXXIV“ (Übersetzung: Die letzten tausend Jahre der magischen Welt, Autor Albertus Jonathan Bardon, 1624), letzte existierende Ausgabe, Bibliothek Riddle Manor Tief verborgen im Verbotenen Wald gibt es einen magischen Ort – dem Elysium gleich –, der Schutz vor jedem Feind gewährt und der Weg dorthin wird sich dem Schutzsuchenden in Zeiten der Not offenbaren. Ein gewaltiges Felsmassiv umschließt und schützt das idyllische Tal, welches von einem Fluss mit kristallklarem Wasser, gespeist von einem großen Wasserfall, durchströmt wird. Zu beiden Seiten des Ufers erstrecken sich malerische Wiesen und lichte Wäldchen, die reichlich Nahrung für jeden innerhalb der Zuflucht bieten. Wie ein Dach überspannen die hohen Felswände die Schlucht und sind mit riesigen mystischen Schutzsymbolen geschmückt. Vor dem versteckten Eingang im Felsen prüft die mächtige uralte Magie jeden Verfolgten, ob er den Schutz der Klamm verdient. Wer für würdig befunden wird oder mit schützender Gesinnung Einlass begehrt, darf durch das imposante Felsportal eintreten in den sicheren Hort, findet Frieden oder Schutz bis die Gefahr außerhalb gebannt. Hinaus geht es nur mit freiem Willen, niemals durch Feindeshand. So heißt es in den Legenden und Sagen der magischen Wesen des Verbotenen Waldes. Diesen Ort gab es schon seit Anbeginn der Zeit und sie nannten diese Zufluchtsstätte ehrfurchtsvoll die „Ur-Klamm". Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)