Child of Wisdom von Ireilas (Fortsetzung von Lost Prince) ================================================================================ Kapitel 15: Ab in die Kindheit (Teil 2) --------------------------------------- „Was ist so schlimm an diesem Furah?“, wollte Aira noch unterwegs wissen. „Weist du, Aira…“, Siri versuchte es ihr zu erklären, „Eigentlich nicht viel. Einsamkeit zerfraß nach und nach seinen gesunden Geist; es kommt manchmal vor, dass er zwischen Gut und Böse nicht unterscheiden kann.“ „…Aber Avrial war doch genauso einsam…“, Aira sah zwischen Siri und Lyze hin und her, „Kann er also auch nicht von Gut und Böse unterscheiden?“ „Das ist etwas anderes.“, so Lyze, zu ihr lächelnd, „Avrial war nicht völlig allein; und jagte keinen Menschen des Geldes wegen nach.“ „…Eigentlich haben wir alle nur die Angst, dass Furah eines Tages die Kontrolle über seine dunklen Kräfte verliert, verstehst du?“ „Warum hört er dann nicht einfach damit auf?“ „Er kann damit nicht ‚einfach’ aufhören.“, Lyze öffnete die Tür zur Bibliothek, „Laut Avrial werden solche Magier ihr ganzes Leben lang von dunkler Magie begleitet. Und wenn sie Pech haben, ist ihr Geist zu schwach und die Dunkelheit überrumpelt sie.“, er hielt ihnen die große Tür auf, „Genug von Furah; Avrial wartet sicher schon. Tatsächlich waren alle Regale, Tische und Stühle bereits zur Seite geschoben. In der Mitte des Holzbodens war ein großer Kreis, mit zu einem Drittel altarcanischen Zeichen, aus Kreide aufgemalt. Avrial stand daneben und las sich noch einmal die „Beschreibungsanleitung“ auf dem alten stück Papier durch. „Dort fehlt ein Strich.“, er deutete im Stehen auf die Stelle, als sogleich Limiu hinüber hopste und den Buchstaben vervollständigte. „Hey.“, Siri hob zur Begrüßung die Hand und trat näher, „Wir… wären dann soweit…“ „Entschlossenheit klingt anders.“, etwas schmunzelnd senkte Avrial das Papier, „Na, es wird euch nichts geschehen. Folgt meiner Anweisung und ihr kehrt sicher in unsere Gegenwart zurück.“ „Na gut…“ „So.“, dem Arcaner schien es zu gefallen, den Ton angeben zu dürfen, „Dann tretet in die Mitte des aufgemalten Kreises.“ Gesagt, getan. Lyze und Siri stellten sich hinein und sahen fragend zu ihm rüber. „Zeitreisen war mit diesem Spruch eigentlich auf nur eine Person ausgelegt.“, erklärte er und ging im Halbkreis, „Deshalb gibt es auch nur eine Bodenmarkierung. Aber mit zwei Personen sollte dies auch gehen.“ „Sollte?“, Siri schien nervös zu werden. „Keine Panik, Limiu und ich wissen, was wir tun.“, Avrial drückte Lyze seinen Kommunikator in die Hand. „Hat Siri noch deinen? In der Vergangenheit gibt es haufenweise Vorräte an Fendus-Kristallen. Die Reichweite des Gerätes wird somit verdoppelt, ja wenn nicht sogar verdreifacht sein. Ihr werdet somit in Kontakt bleiben können und euch gegenseitig unterstützen.“ „Das Gefällt mir schon eher.“, Lyze gab einen der Geräte an Siri weiter, die mit einem „Mir auch.“ es an sich nahm. „Ihr habt zwei Tage.“, sprach der Arcaner weiter, „Das ist das Maximum. Einen Tag mehr und euer Verhalten wird sich der Vergangenheit anpassen.“ „Wie meinst du da-“ „Dein Zielort Siri, wird das Schloss von Azamuth sein. Wir haben uns diese zwei Tage gut überlegt; den zweiten Teil des Spruches musst du uns am ersten Tag holen. Er wird gut behütet im inneren aufbewahrt; an diesem ersten Tag wird dein Ziehvater zu einer Konferenz gerufen und du bist somit allein.“ „Hey! Sagt mal, woher wisst ihr das!?“ „Limiu hat Bücher über Azamuth gelesen. Sie konnte sämtliche Termine und Konferenzen des Königshauses ermitteln und somit den geeigneten Tag ausfindig machen.“, Avrial drehte sich nach einer Pause zu Lyze, „Deine Zeit den Spruch zu holen, ist am zweiten Tag… er liegt versteckt in einer alten, vergessenen Waldhütte, nahe deines Hauses. Wohl hat dort einst ein sehr alter Arcaner gehaust.“, er zuckte mit den Schultern, „Wie auch immer. Ihr werdet in euer damaliges Alter von acht und zehn Jahren versetzt. Benehmt euch dementsprechend, um nicht aufzufallen.“ Während Avrial weiter sprach, weiteten sich Lyzes Augen, ehe er ungläubig zu ihm starrte: „Der einzige Tag… an dem ich unbewacht im Wald war…“, der Halbengel schlug seine Hände ins Gesicht und konnte nur schwer weiter sprechen: „war… war der Tag… an dem… an dem meine Familie-“ Schuldbewusst senkte der Arcaner den Kopf, „Es tut mir leid… eure Zeit trifft sich nur an diesen beiden Tagen günstig genug.“ „Nein…“, Lyze verließ eilig den Kreis, „Das mache ich nicht! Ihr könnt doch nicht von mir verlangen, noch einmal mit anzusehen wie-“, er stockte kurz, „…Ich mache das nicht.“ „Lyze- so warte doch...!“, eilig lief Siri ihm nach und konnte ihm vor der Tür noch mit einer hinterhältigen Umarmung stoppen. „Niemand verlangt das von dir! Aber… aber es ist sehr wichtig! Du sagtest selbst, wir dürfen nicht lange darüber nachdenken. Wir werden es einfach durchziehen – gemeinsam!“, sie hielt ihm den Kommunikator vor, „Ich werde dich Unterstützen... wann immer du mich brauchst. Du musst es nicht noch einmal alleine durchstehen, versprochen!“ „Vater?“, Limiu wartete kurz, bis er sich seitlich zu ihr drehte, „Niemand zwingt dich. Doch bedenke, dass wir für dich dann einen anderen, ähnlichen Tag suchen müssen. Das Risiko wird sehr hoch sein, von der Familie erwischt zu werden.“, sie sah zu Avrial, „Außerdem ist Zeitreisen enorm anstrengend für den Leiter – in diesem Fall Avrial – was bedeutet, wir könnten dich frühestens erst morgen in eine andere Zeit schicken.“ „Wir würden einen ganzen Tag verlieren.“, fügte der Magier anschließend hinzu. Lyze, der zuerst uneinsichtig war und nur an das verheerende Schicksal seiner Eltern denken konnte, hatte seine Fäuste fest zusammengeballt. Erst nach einigen Momenten löste sich dieser Krampf, ehe er den Kopf senkte. „Einen ganzen Tag…?“, er seufzte tief, „Wir… haben bereits genug Zeit verloren.“ Erleichtert von seiner Reaktion, drückte sich Siri an seinen Arm, „Sehr gut, Lyze!“, bis man auch in den Gesichtern von Avrial und Limiu die große Sorge abfallen sehen konnte. „Aber ich werde mich nicht umdrehen!“, fügte der Halbengel hinzu, „Ich werde nicht zum Haus zurückgehen.“ „Das verlangen wir nun wirklich nicht von dir.“, Avrial drängte die zwei in den Kreis zurück, ehe es sich Lyze noch einmal anders überlegen konnte, „Im Gegenteil. Halte abstand von deiner Familie; du darfst sie auf keinen Fall retten… damit würdest du die Zukunft dramatisch verändern, was für euch eine andere Gegenwart bedeuten würde.“ „Ich… werde es versuchen.“ „Keine Angst, Lyze.“, meinte Siri, „Wir schaffen das schon. Gemeinsam.“ Er sah sie an, bevor er zu lächeln begann und ihr die Hand gab. „Also gut!“, Avrial deutete zu Limiu, sie solle etwas zurückgehen, worauf sie sogleich ans andere Ende zur Tür lief. „Kindheit ist kostbar.“, er schloss die Augen und atmete einmal tief ein. Nach ein wenig Konzentration hob er seine Arme. „Kinderaugen erblicken die Welt aus einem anderen Blickwinkel.“, sprach er weiter, „Alles erscheint sonderbar. Die Sonnenstrahlen. Rhythmus des fallenden Schnees…“, Wind kam urplötzlich auf; Siri hielt sich dabei erschrocken an Lyze fest, als nach und nach Avrials Hände begannen zu leuchten, „Wir alle haben es erlebt. Das Wunder, heranzuwachsen, zu lernen… Das Herz eines Kindes, so rein und unschuldig…!“, nun schloss der Magier wieder seine Augen, bis der Kreis und die altarcanischen Zeichen am Boden begannen zu leuchten, „Nehmt dieses Geschenk an, ihr zwei! Erlebt noch einmal die Welt, aus anderen Augen! Lernt aus diesen zwei Tagen und kommt mit den fehlenden Teilen des Spruches heil zurück.“ Da begannen die leuchtenden Zeichen aufzusteigen, sie umkreisten Lyze und Siri regelrecht. Als sie plötzlich anhielten, wie als wäre die Zeit gestoppt, verschwand auch der Wind aus dem Raum. Avrial lächelte ihnen ein letztes Mal zu, „Viel Glück, euch beiden.“, und schließlich verschwanden sie, mit einem grellen Blitz, aus dem Schloss. Aus Ikana, aus Desteral, aus Aira, in eine andere Zeit – in ihre Vergangenheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)