Child of Wisdom von Ireilas (Fortsetzung von Lost Prince) ================================================================================ Kapitel 21: Der Blick in die Zukunft ------------------------------------ Etwas war an diesem Morgen anders. Etwas, das jedem im Schloss zum Nachdenken brachte, bis auf Akyu. Er war der einzige, der noch nicht wusste, dass Lyze für normal sehr früh auf den Beinen war – nur nicht heute. So saßen sie alle beim Frühstückstisch, auch wenn zwei Stühle frei blieben. Avrial und Limiu hatten allerhand zu besprechen; auch Aira unterhielt sich gut mit seinem großen Bruder – er war ein lustiger Geselle und konnte ihr jede Menge ulkige Geschichten aus seinem Leben erzählen. Während Aira sich neben dem Zuhören ein Butterbrot strich, genoss Limiu ihren Himbeerkuchen. Avrial hatte ihr, für die großartige Arbeit gestern, ihre Lieblingsspeise zum Frühstück versprochen gehabt. Endlich waren hastige Schritte zu hören, als Lyze mit Siri in den Saal gelaufen kam. „Entschuldigt bitte-“, meinte er außer puste, als er in seinem Stuhl platz nahm, „Wir haben ganz schön verschlafen.“ Darauf hin schmunzelnd biss Akyu von seinem Marmeladenbrot ab: „War eine lange Nacht gestern, hm?“ Siri wurde ein wenig in ihrem Stuhl kleiner, als ihr die Röte ins Gesicht stieg. Freundlicher weise schenkte ihr Lyze den Tee ein, ehe er sich wortlos seinem eigenen Frühstück widmete. „Wieso denn lange Nacht?“, Aira strich sich ein zweites Brot, „Sind Nächte denn nicht immer gleich lang?“ „Manche sind länger als andere...“, wieder grinste der ältere Bruder. Von Akyus Anspielungen war Siri sichtlich irritiert. Leicht beugte sie sich schließlich zu Lyze und flüsterte ihm ins Ohr: „Wir sollten es Aira sagen…“, er wiederum machte einen Schluck von seiner Tasse und nickte. Siri musste sich räuspern, ehe sie sich zu Aira drehte. „Weißt du… Aira…“, kurz kratzte sie sich verlegen am Hinterkopf, „Lyze und ich, wir… wir sind jetzt zusammen…“ „Ich weiß.“, war die knappe Antwort, ohne dass Aira zu der jungen Frau aufschaute, „Wurde auch langsam Zeit.“ „Wie, was? Du wusstest es!?“ Geschickt lenkte Aira vom Thema ab: „Ihr wisst, dass morgen mein Geburtstag ist…?“ „Selbstverständlich.“, so Lyze, „Was wünscht du dir?“ „Aira wünscht sich, auf den Maskenball zu gehen.“, Avrial fiel ins Gespräch, der sich seinen Tee nachschenkte, „Wir haben da nur ein kleines Problem: der Maskenball findet erst wieder in einem halben Monat statt – außerdem würde Aira mit vierzehn Jahren noch nicht hinein gelassen werden.“ „Erzähl ihnen von unserem Plan, Avrial!“ „Welchen Plan denn?“, fragte nun Siri nach, die zwischen Aira und dem Arcaner hin und her sah. „Wir haben uns gedacht, wir veranstalten heute Abend einen kleinen, privaten Ball, vorausgesetzt, du Siri, kommst heil aus der Zukunft zurück.“ „Boah, wir schmeißen eine Party?“ „Eher einen Ball-“ „Wunderbar, ich liebe Partys! Das hatten wir schon lange nicht mehr, nicht wahr, Lyze?“ „Stimmt.“, er sah schmunzelnd auf, „Das letzte Mal, als wir feierten, waren wir nur zu dritt.“ „Eventuell sind wir heute Abend sogar mehr als sechs Personen.“, nun meldete sich auch endlich Limiu zu Wort, „Nach meinen Berechnungen sollte König Vilior mit seiner Truppe knapp vor Ikana stehen; sofern sie ihre Hilfe beim Kampf gegen die schwarzen Bestien zugesagt haben.“ Nur mehr schief verdrehte Siri bei ihren Worten den Kopf. Sie wusste nicht, wie das Kind der Weisheit so etwas wie die Ankunft von Leuten berechnen konnte; nachfragen tat sie allerdings auch nicht – sie würde es wohl doch nicht verstehen, so dachte sie sich. Somit war der private Ball am Abend, speziell für Aira, beschlossene Sache. Sicher wäre das Mädchen noch glücklicher gewesen, wenn ihre Freundinnen und Freunde dabei sein könnten; doch die Umstände, dass die schwarzen Kreaturen mittlerweile in ganz Desteral wüteten, verhindere ein schnelles vorankommen aller Reisenden. Auch König Vilior und seine Dämonen hatten mit Sicherheit keinen einfachen weg. Allein die Vorstellung, dass es an der Küste und auf Ikana vor den Monstern sicher war, wie Siri im Brief erwähnte, ließ die Schar aus dem Nachbarland auf ein wenig Ruhe hoffen. Die Zeit an diesem Tag raste regelrecht. Der Vormittag verging schnell und das Mittagessen ließ nicht lange auf sich warten. Siri wurde mit jeder verstrichenen Stunde nervöser; denn um zwei Uhr, wie Avrial und Limiu beschlossen hatten, würde die Reise in die Zukunft beginnen. Es hatte einen Grund, dass sie die junge Frau so früh am Nachmittag losschicken wollten: sollte alles planmäßig verlaufen, so hätten sie den ganzen restlichen Tag dafür zeit, das Schloss für einen angemessenen Ball herzurichten – auch mit Magie ging nicht alles von ganz allein. So saß die junge Frau, kurz vor zwei Uhr, in einem der Wohnzimmer und wippte vor Nervosität leicht auf und ab. Nicht einmal Lyze konnte sie mit seinen Worten ein wenig beruhigen. In Grunde war an der Reise in die Zukunft nicht viel dabei, wovor man nervös sein musste. Limius Mutter, so meinte das Kind, würde Siri so oder so treffen, damit wäre der Plan in jedem Fall erfüllt. Die junge Frau stellte sich einfach die zwei großen Fragen, vor denen sie Angst hatte: „Werde ich die Reise hin und zurück heil überstehen?“ und „Wie wird die Zukunft aussehen?“ Es führte kein Weg vorbei. Die Uhr schlug Zwei und Siri war erschrocken aufgesprungen. So gut es ging, versuchte Lyze weiterhin seine Freundin zu beruhigen und führte sie an der Hand in die Bibliothek, in denen bereits alle aus dem Schloss versammelt waren. Nun ja, fast alle. „Wo ist Akyu?“, nicht, dass Avrial in unbedingt dabei haben musste, doch wollte er eigentlich bei dem Spektakel anwesend sein. So hopste Aira vom Tisch und lief an dem Pärchen vorbei, welches gerade durch die Tür gekommen war. „Ich geh ihn schnell holen!“ „Der Typ soll sich gefälligst beeilen!!“, die aufgebrachte Siri wurde vom Halbengel weiter in den großen Raum gezogen. Mittlerweile kannten sie alle sehr gut: wenn sie nervös wurde, war die junge Frau sehr leicht reizbar. „Also… pass auf, Siri.“, Avrial nahm einen Notizblock zur Hand. „Ach nein, noch mal solche komplizierten Regeln für die Zukunft?“, Siri stöhnte, „Was soll das? Bin ich nicht schon genug gestraft?“, dann deutete sie zu Limiu, die auf dem Boden zu Zeichnen schien. „Was tut sie da eigentlich? Sie kritzelt deine Bibliothek voll, Avrial!“ „Würdest du genauer hinsehen, könntest du sehen, dass Limiu den bereits schon mal verwendeten Zirkel mit den beiden arcanischen Formeln vervollständigt.“, als sich Lyze zu ihm räusperte, sprach der Arcaner im ruhigen Ton weiter: „Es gibt nicht viele Regeln, die du beachten musst. Zum einen, wer hätte das gedacht, solltest du nicht zu viele Informationen aus der Zukunft mitnehmen. Damit meine ich größtenteils Zeitungen, in denen Lottozahlen und anderwärtiges stehen. Zum anderen musst du einfach nur klar deine Mission erfüllen. Dazu hast du, wie bereits gesagt, einen Tag zeit.“ „Wieso gibt’s da überhaupt eine Zeitbegrenzung?“ „Weil dich meine Magie am Ende des Tages zurückbringen wird, wie in der Vergangenheit. Ohne Zeitbegrenzung, keine garantierte Rückkehr, wenn du verstehst.“ „Moment mal…“, ihr Blick schweifte zu Limiu, „Heißt das, sie bleibt für immer bei uns?“ Gleichzeitig sah das Mädchen trocken zu Siri auf: „Natürlich nicht, du Dummerchen. Wenn eure Gegenwart gerettet ist, werden mich Avrial und mein Vater zurückschicken, auf dem gleichen Weg, wie sie dich jetzt auch Reisen lassen.“ „Ja, ok.“, Siri verschränkte die Arme, „War ja nur ne Frage…“ „Gut. Will sonst noch jemand etwas wissen?“ Nachdem sich keiner mehr Meldete, sah er zu Limiu: „Wie sieht der Zirkel aus?“ „Ist etwas komplizierter, aber gleich fertig.“ „Wunderbar.“, er lächelte zu Siri, „Du wirst im Übrigen elf Jahre in die Zukunft geschickt. Anders als bei der Reise in die Vergangenheit, wirst du nicht dein älteres Ich übernehmen. Du tauchst also genau an diesem Punkt wieder auf, elf Jahre später. Ich hoffe nur, das Schloss existiert bis dorthin noch…“ „Tut es.“, so Limiu aus dem Hintergrund. Gerade als Aviral erwähnen wollte, dass er nichts darüber hören will, kam endlich Aira mit Akyu nach. „Sorry.“, meinte er beim hereinkommen, „Hab mich ein wenig verlaufen gehabt.“ „Ja, gell? Das Schloss ist riesig!“ „Genug abgelenkt, Siri.“, Limiu stand vom Boden auf und putzte sich die Kreide ab, „Ich bin fertig.“ Sogleich wurde die junge Frau von Avrial in den Zirkel geschoben. „Mo-moment mal!“, meinte sie dabei, „Ich habe ein Recht darauf, mich zu verabschieden!“ „Aber Siri. Du bist in einer Minute wieder hier. Na ja, für uns zumindest.“ Auf Avrials Aussage nicht reagierend, wurde Siri noch einmal fest von Lyze in die Arme geschlossen. „Mach dir keine Sorgen. Du schaffst das.“ Dankbar nickte sie ihrem Freund daraufhin zu. „Also dann-“, Avrial trat näher, hockte sich neben den Zirkel und legte die Hände darauf. „Lyze, mach mir nach, was ich tue. Setz dich auf die andere Seite von Siri.“ „In Ordnung.“, auf seine Worte hin, kniete er sich ebenfalls hinab und berührte den Zirkel. „Pass auf, ich aktiviere die Magie. Du kommst hinzu und leitest deine Kraft zu meiner, in den Zirkel. Versuche dich rein nur auf den Zauber zu konzentrieren, dann funktioniert es am Besten. Aber streng dich nicht so sehr an.“, er schmunzelte, „Wir wollen doch nicht, dass sich dein zweites Auge auch noch gelb verfärbt.“ „Ach, dann hätte ich wenigstens wieder zwei gleiche Farben.“ „Rede doch keinen Unsinn!“, so Siri, „Ich mag dein blau!“ Lyze musste schmunzeln, ehe Aviral begann sich zu konzentrieren. Kurz darauf leuchteten alle Runen und damit der gesamte Zirkel, in einem hellen türkis auf. Nun kam der Halbengel hinzu und leitete ganz nach Plan seine Magie in den Kreis. Der Zirkel, in dem Siri stand, begann somit noch heller zu leuchten, ehe ein schwacher Wind aufkam und die einzelnen Runen begannen in die Luft zu schweben. Avrial konzentrierte sich nun mit aller Kraft auf den Zauber und murmelte dabei leise die magischen Worte. Doch es tat sich nicht viel. Anders, als bei der letzten Zeitreise, wollten die Runen Siri nicht umkreisen. Sie begann unsicher umehr zu schauen und fragte sich, ob das noch immer ein Teil des Zaubers war. Nun begann auch Lyze zu zweifeln und lenkte darauf hin, ebenfalls wie Avrial, all seine Kraft in den Zirkel. Der Wind wurde stärker, doch die Runen standen immer noch still in der Luft. Aira, Akyu und Siri stellten langsam fest, dass ihre zwei Freunde schwächer wurden. Schließlich schüttelte Lyze den Kopf zum Arcaner: „Es funktioniert nicht! Wir sind nicht stark genug!“ „Mach weiter!“, meinte Avrial – es hatte den Anschein, als wollte er nicht wahrhaben, dass die Magie für den Zauber nicht reichte. In all den Jahren hatte der Arcaner nur ein einziges Mal erlebt, dass sein Zauber schief ging; und dabei verlor er einst sein halbes Augenlicht. Nun ging den beiden sichtlich die Energie aus. Lyze hatte es schwer, sich aufrecht zu halten und auch Avrial, der stur weitermachte, war kurz davor. „Hört auf, es klappt nicht!“, rief Siri darauf. Auch Aira blickte entsetzt, als Akyu rief: „Lasst es sein, ihr werdet euch noch umbringen!“ „Nein…“, keuchte Avrial, „Wir sind zu weit gekommen, um jetzt…“ Da hockte sich Limiu hinzu. Mit einem Mal, als sie den Zirkel berührte, verdoppelte sich die Windstärke und die schwebenden Runen begannen sich endlich um Siri zu drehen – immer schneller, bis sie fast nicht mehr zu erkennen waren und die junge Frau in einem hellen Blitz mit sich nahmen. Erschöpft sahen sich Avrial und Lyze an, ehe sie ungläubig zu Limiu blinzelten. Erneut mit einem hellen Blitz tauchte Siri an der gleichen Stelle wieder auf. Keiner da. Überrascht blickte sie umher und wunderte sich, ob sie denn nun wirklich einen Zeitsprung gemacht hatte? Alles war gleich. Die gesamte Bibliothek, die Wände, der alte Holzboden; nichts schien sich geändert zu haben. Langsamen Schrittes wanderte sie verwirrt zur Zimmertür, um diese hinaus zum Flur zu öffnen. „Hallo, Siri.“, sie vernahm eine vertraute Stimme, ehe sie sich sofort umdrehte und in das Gesicht des grauhaarigen Avrials aufblickte. „Ich habe dich bereits erwartet.“, er grinste zu ihr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)