Child of Wisdom von Ireilas (Fortsetzung von Lost Prince) ================================================================================ Kapitel 26: 8. Die letzte Schlacht ---------------------------------- Der große Tag war angebrochen: Airas Geburtstag – und natürlich der Angriff auf die schwarzen Kreaturen. Aira bekam zu ihrem zwölften Geburtstag nichts weiter Besonderes. Zum einen, wer hätte es gedacht, hatte niemand in dieser schweren Zeit ein Geschenk bei sich. Zum anderen wurde dafür gestern ein recht großer Ball veranstaltet, den sie sich schließlich gewünscht hatte. Allerdings verzichtete Herrscherin Alaphantasa nicht darauf, der Heranwachsenden, die vor ein paar Tagen das erste Mal geflogen ist, eine Engelsgeschmiedete Kette zu schenken. Dies war eine große Ehre, wenn man bedenkt, dass für normal nur wenige Bodenbewohner die Herrscherin überhaupt zu Gesicht bekamen. Lyze war, wie viele Gäste nach dem langen Fest gestern auch, ziemlich spät am Vormittag wach geworden. Im Nachhinein fand auch Avrial die Idee mit zwei Bowlen, unbeschriftet nebeneinander aufzustellen, ziemlich schwachsinnig. Das Kind der Weisheit, Limiu, hatte bereits gestern vor dem Fest an einer Karte des Hauptsitzes von Destercity und der umliegenden Umgebung gearbeitet. Nun, nachdem endlich restlos alle (ausgenommen der Kämpfer an der Küste Desterals) im Saal versammelt waren, stellten Avrial und Limiu den Plan zum Angriff vor – der Arcaner machte dabei den Anfang: „Wie ihr bereits wisst, sind die schwarzen Kreaturen nicht endgültig vernichtbar. Für die, die in der ersten Welle kämpfen, könnte das gefährlich werden. Jedoch kann man sie Sehrwohl, für einige Zeit, außer Gefecht setzen. Sie sind anfällig auf Feuer; ebenso, wenn man ihnen den Kopf von den Schultern trennt, brauchen die Kreaturen lange, um sich wieder aufzubauen. Unterstützt euch innerhalb eurer Gruppe gegenseitig und helft einander, um möglichst wenig Opfer zu beklagen. Limiu; das Kind der Weisheit neben mir, hat eine hervorragende Strategie entwickelt, schnell und Zielstrebig bis ins innerste der Mauern vorzudringen. Dies ist wichtig – denn nur die Mutterkreatur allein kann getötet werden. Allerdings nicht mit irgendeiner Waffe. Ich wiederhole: nicht mit irgendeiner – also bleibt in euren Gruppen und kommt bitte nicht auf die Idee, den anderen weiter innen zu helfen.“, Avrial wank Siri herbei, die den Dolch innerhalb der Kiste trug. „Allein dieser Dolch, aus Puren Fendus-Kristall, kann der Mutterkreatur und damit allen Monstern ein Ende setzen. Euer Ziel ist es also, Siri, die junge Frau bei mir, ins Herz zu bringen. Stück für Stück.“ Da zeigte einer der Dämonen auf, bevor er gleich zur Frage kam: „Soll das ernst gemeint sein? Ein Mädchen!? Gebt den Dolch nen Krieger, wie Tarrence zum Beispiel!“, sogleich nach seiner Aussage, nickten, durcheinander quasselnd, sowohl die Dämonen, als auch die Engel untereinander. „Bitte – bitte beruhigt euch. Selbstverständlich könnte ein Krieger die Sache zu Ende bringen… Ihr könnt die Tat allerdings auch der Erbin der Familie überlassen, die zu jener Zeit dafür verantwortlich war, dass die schwarzen Kreaturen eingesperrt wurden, anstatt sauber vernichtet zu werden.“ Nun redeten die Völker noch verwirrter untereinander, daher sprach auch Avrial lauter: „Sie ist der Nachfahre der Königsfamilie. Die rechtmäßige Thronerbin von Desteral.“ Plötzlich war es Still. Ungläubig wurden Avrial und Siri von allen Seiten angestarrt, ehe die junge Frau klein wurde; sie wollte am Liebsten im Boden versinken. Nicht zuletzt wussten Furah und vor allem Mairon noch nichts von diesem überaus seltsamen Zufall. „Gebt ihr eine Chance.“, sprach der Arcaner dann weiter, „Sie will und muss sich beweisen, vor ihrem Volk. Ihr werdet dankbar sein über ihre Tat und vor allem nicht Enttäuscht werden.“ Kurz tuschelten nun alle untereinander. Avrial räusperte sich dabei, dann sah er zu Limiu. „Wenn niemand mehr Fragen oder einen Einwand hat, dann wird euch das Kind der Weisheit nun erklären, in welche Wellen ihr unterteilt sein werdet.“, er trat zur Seite, damit das Kind Platz hatte, auf die aufgehängte Karte zu zeigen: „Da die Dämonen-Armee am größten ist, wird diese die erste Welle bilden.“, sie zog einen großen Außenkreis um das Gebäude in der Mitte, „Plan ist es, die meisten Kreaturen schon am Anfang zu beseitigen, damit die nächste Welle vorrücken kann-“, nun zog sie, innerhalb des Außenkreises, einen weiteren. „Die zweite Welle werden die Engel bilden. Ihre Lichtmagie sollte in der Lage sein, viele Kreaturen zu blenden und zu verbrennen.“, sie zog noch einen Kreis, wieder enger um das Gebäude rum, „Wir treffen uns mit den Tiermenschen direkt vor Ort. Sie werden die dritte Welle bilden und die Kreaturen, ganz nahe des Hauptgebäudes, in Schach halten.“ Nun sah Limiu kurz ab, in die Menge. Ihr Blick wanderte rüber zu den Arcanern, ehe sie weiter sprach. „Die schwarzen Kreaturen haben um das Gebäude eine Art Schutzhülle gebildet, die es zu brechen gilt. Hier kommen unsere Magier ins Spiel – ihr müsst euch aufteilen und die Schutzhülle brechen, damit weiter vorgerückt werden kann.“ Avrial trat vor. „Ich werde, wenn das geschafft ist, die gebrochene Schutzhülle auch weiterhin halten, damit diese sich nicht wieder aufbaut. Mairon und Tarrence möchte ich daher bitten, den Weg im Anschluss frei zu halten. Furah sollte in der Lage sein, einen Eingang in das Hauptgebäude zu ermöglichen.“ „Na und ob!“, rief er darauf hin aus der Menge heraus. „Furah, Lyze und Schwertkämpfer Akyu werden Siri durch das Innere begleiten. Der Weg im Zentrum, zur Mutterkreatur, sollte nicht mehr allzu schwer zu schaffen sein, da das Biest bereits alle verfügbaren Monster draußen verbraucht haben sollte.“, er sah dabei zu Siri, „Den letzten Teil musst du erfüllen. Während Furah, Lyze und Akyu die Kreatur in Schach halten, stößt du zu.“ Siri hatte erwartet, dass es ihr nach dem besprochenen Plan besser ginge. Doch nun, wo sie ihn voll gehört hatte, fing die Nervosität erst so richtig an. Sie schluckte, nickte aber dann dem Arcaner zu. Es war ein langer Plan, den jede Gruppe und Angriffswelle für sich allein verstehen konnte. Weder die Dämonen, noch die Engel schienen irgendwelche Bedenken zu haben. Allein die Tatsache, dass eine wehrlose Menschenfrau der Hauptkreatur ein Ende bereiten sollte, lag manchen etwas schwer im Magen. Doch König Vilior wusste genau, zu welchen Fähigkeiten Siri in der Lage war. Als Engel blickte auch Alaphantasa optimistisch der Sache entgegen; Avrial schien ihr ein kluger Mann zu sein, der wusste, was er tat. Unter den Befehlen ihrer Herrscher mussten sich somit die wenigen Krieger, die Zweifel an dem Plan hatten, trotzdem anschließen und einfach vertrauen haben. Zwei Stunden dauerte es, bis die Mischlings-Armee Schloss Ikana den Rücken gekehrt hatte und sich im Hafen wieder fand, bereit für die Überfahrt aufs Festland Desterals; der Wiedervereinigung mit den restlichen Kriegern und Soldaten der Licht- und Dämonenarmee stand nichts mehr im Wege. Während der Wartezeit auf die Schiffe, stand Avrial am Steg und blickte hinaus aufs Meer. Ihm wurde langsam bewusst, dass er wohl neben den beiden Herrschern das Sagen hatte – denn mit dem Plan stand und fiel alles. Niemals hätte er gedacht, je in so eine Position zu geraten. Wie denn auch, nachdem er ein halbes Jahrhundert im Schloss verbracht hatte? Dank seinen Freunden war er aufgetaut – und das in binnen von zwei Jahren. Wohl ist das Schicksal unergründlich, so dachte er. Zu ihm gesellte sich mit der Zeit Mairon. Er beobachtete ebenfalls das Meer und die Wellen, ehe er begann zu sprechen: „Furah sagte mir, ihr seid im streit.“ „Im streit?“, Avrial sah schmunzelnd weg, „Waren seine Worte nicht vielmehr ‚Wir sind Erzfeinde’?“ „Selbstverständlich.“, nun lächelte Mairon, „Eine Kinderfreundschaft, die zu brutalen Schlachten führte. Ich kann deinen Ansatz verstehen. Furah übt die dunkle Magie aus und muss vernichtet werden… schon unsere Eltern führten diesen Krieg.“ „So ist es.“ „Das ist falsch.“, er legte eine Hand auf Avrials Schulter, der fragend zu ihm sah. „Furah ist mein Bruder – und dein Freund. Ich weiß, die dunkle Magie muss vernichtet werden, doch Furah ist nicht das Ziel. Keinesfalls.“ „Das verstehst du nicht; du kannst es nicht verstehen. Du hast ihn nicht gekannt, nicht so wie ich.“, der Arcaner nahm Mairons Hand von seiner Schulter, „Die dunkle Magie hat ihn von Grund auf verändert-“ „Und wenn schon. Furahs Charakter ist seit etlichen Jahren geprägt; wenn man also davon ausgeht… dann ist dies sein wahrer Charakter. Du hast recht, was die dunkle Magie betrifft.“, nun verzog sich Mairons Mimik finster, „Aber wenn du noch einmal versuchst, ihn auszulöschen, kriegst du es mit mir zu tun.“ „Ha-“, Avrial musste lachten, „Hahaha, Geschwisterliebe! Dass dies jemals auf Furah zutreffen würde…“ „Lach nur, Avrial. Ich weiß, du bist ein schlauer Arcaner. Akzeptiere ihn, oder gehe ihm weiterhin aus dem Weg und verkriech dich in deinem Schloss. So oder so: lass ihn in Frieden. Würdet ihr endlich reden statt kämpfen, kämen neue Erkenntnisse zum Vorschein, von denen ihr nichts wusstet – vielleicht sogar eine Versöhnung.“ „Versöhnung…“, Avrial senkte den Kopf und schmunzelte, „Hast du mit ihm schon darüber geredet? Wohl kaum…“ Im Hintergrund kam Furah angelaufen, wobei sich Mairon ihm zudrehte. Noch einmal lächelte er, „Denke einfach darüber nach, Avrial. Der Freundschaftswillen.“, ehe er sich seinem Bruder widmete. Furah sah an ihm vorbei, dem in Gedanken versunkenen Arcaner entgegen. „Wo schaust du denn hin? Die Schiffe kommen wenn dann von Westen.“ „Du hast Glück, deinen Bruder zu haben. Lass uns den Plan gemeinsam durchziehen… ohne Streit.“ Der dunkle Magier verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Er blinzelte Avrial entgegen, ehe er sich zu Mairon drehte: „Wovon redet er da? Hab ich was verpasst?“ „Es ist nichts.“, sein Bruder klopfte ihm auf die Schulter, ehe er sich in Bewegung setzte, zurück zu den Kriegern, „Ich rede später mit dir darüber.“ Kurz blieb Furah am Fleck, ehe er zuerst Mairon, dann Avrial nachgrinste. „Ach ich verstehe, Gespräche unter Frauen!“ Auf der anderen Seite der Völkervermischten Armee standen Siri und Lyze bei einander. Zuerst hatte der Halbengel versucht, seine Freundin zu beruhigen, dann hatte er festgestellt, dass sein Bruder Akyu irgendwo in der Menge verschwunden war. Er blickte am Fleck stehend umher, um ihn eventuell aus der Masse heraus zu erkennen. Schließlich drehte er sich ganz von Siri weg und kratzte sich überlegend am Kopf, ehe er losging. Plötzlich zupfte jemand an Siris Kleid – die sich überrascht zu Limiu, Aira und Fendru umdrehte. „Kinder!“, sie beugte sich runter und blickte umher, als wenn sie versuchen würde, zu verhindern, dass die drei gesehen werden. „Was macht ihr denn hier? Wir haben doch gesagt, ihr sollt im Schloss auf uns warten!“ „Es ist so still dort oben, ohne euch…“, Aira verschränkte die Arme, „Ich bin kein Kind mehr, ich könnte euch helfen!“ Limiu zuckte mit den Schultern, „Die zwei wollten euch unbedingt noch einmal sehen. Fendru vermisst seinen Vater.“ „Oooch, das weiß ich doch…“, Siri streckte die Hand zu Fendru aus, der sich schüchtern hinter Aira versteckt hatte, „Mairon ist bereits irgendwo in der Menge, es wäre Schwierig, ihn jetzt noch schnell zu finden… Limiu, hast du die zwei nicht versucht zu beruhigen? Du kommst aus der Zukunft, kannst du den beiden nicht erklären, dass alles gut wird?“ „Nein.“, so die klare Antwort, „Nicht sicher. Vieles wird parallel zu meiner Gegenwart verlaufen, aber einiges kann auch völlig verändert ausgehen.“ „Limiu…!“, die junge Frau flüsterte, leicht verstimmt, „Dann erzähl ihnen doch irgendetwas. Es sind Kinder, verdammt!“ „Meinst du etwa, sie glauben alles, was man ihnen erzählt? Fendru vielleicht noch, doch Aira ist definitiv zu groß.“ Aira mischte sich fragend hinein: „Redet ihr über mich?“ „Schluss jetzt.“, so Siri, die aufgestanden war, „Es wird alles gut werden. Ich weiß es. Lyze, Akyu, Mairon und mir wird ganz bestimmt nichts passieren. Und nun geht hinauf zum Schloss, ehe euch jemand entdeckt!“ Da wank Aira mit den Händen. „Aber Siri-“ „Kein aber!“ „Na schön!“, das Mädchen klammerte sich an sie, „Sag Lyze, dass ich euch Lieb habe. Und wehe dir, wenn nicht!“ Nun wurde die junge Frau ruhiger. Sie blinzelte kurz zu Aira hinab, ehe sie die Umarmung erwiderte. „…Selbstverständlich… und nun geht, bevor ihr ärger kriegt, ja?“ Noch einmal nickte das Mädchen und trat von Siri weg. Sie nahm Fendru bei der Hand und blickte kurz zu ihr zurück, lächelnd, ehe sie sich auf den Weg machten. Die zwei Kinder gingen an Limiu vorbei, die noch immer am selben Fleck stand. Siri schaute sie eine Weile an, ehe sie seufzte. „Was?“ Wortlos kam die kleine plötzlich angelaufen und umarmte sie fest. „Limiu…!“ „Pass bitte auf dich auf, Mama!“ Das Kind der Weisheit hatte Siri das erste Mal ‚Mama’ genannt. Ausgerechnet jetzt. Was hatte das zu bedeuten? Ahnte Limiu etwas, von dem die junge Frau nichts wusste? Gewiss jagte das Kind ihr damit Angst ein, doch umarmte sie die kleine schließlich zurück. „Das werde ich… ich verspreche es dir.“ Da stand Lyze hinter den beiden, konnte bei dem Anblick nur die Arme in die Hüfte stemmen. „Was versprichst du ihr…? Was ist hier eigentlich los?“ „Uhm, gar nichts…“, so Limiu, die schnell von Siri abließ. „Tschüss Siri, tschüss Papa, habt spaß und passt auf euch auf!“, dann lief sie weg, den beiden anderen Kindern nach. „Siri?“, der Halbengel deutete fragend zu den Kindern, die den Weg zurückgingen. „Sie wollten sich noch einmal verabschieden… sie machen sich große Sorgen.“ „Das kann ich verstehen… aber- Was sollte das eben?“ „W-was eben?“ „Limiu – wieso hat sie dich gerade umarmt? Ich dachte, du könntest sie nicht leiden?“ „Hat sie das?“ „Oh ja, das hat sie. Ihr zwei verheimlicht mir doch schon wieder etwas?“ „Nein- nein, wirklich nicht!“ „Siri-“, Lyze griff sich seufzend an die Stirn, „Willst du, dass es wieder so ausartet, wie bei unserer Ankunft auf Ikana…?“ „Nein… natürlich nicht.“, sie senkte den Kopf. „Dann sage es mir. Kurz und schmerzlos.“ „Na gut…“, schließlich gab die junge Frau sich geschlagen, zuckte nur mehr mit den Schultern: „Limiu ist meine Tochter.“ „…Was?“ „Hast du Tomaten auf den Ohren!?“ „Siri, das Kind der Weisheit kann nicht-“, Lyze stockte, blickte noch einmal zu den Kindern. Anschließend schaute er wieder zu Siri, ehe er auf sich selbst deutete. „M-? Ich mein-?“ Die junge Frau musste über seine perplexe Reaktion heftig schmunzeln, wenn nicht sogar lachen, ehe sie zustimmend nickte. Noch bevor er es richtig schnallen konnte, fuhren endlich die erwarteten Schiffe in den Hafen ein. Nun hatte er auf der Fahrt etwas, über das er lange nachdenken konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)