Myth, Story, Legend von Ireilas (Kurzgeschichten aus Desteral) ================================================================================ Kapitel 13: Ausflug ------------------- Auch wenn niemand etwas von der Beziehung zwischen der Fürstin und dessen Leibwächter wusste, wurde es schwerer, diese zu verheimlichen. Immerhin musste Madame Yne, mit dem höchsten Rang Ikanas, stets höflich angesprochen werden; was mit einem Empfinden eines angenehm brennenden Herzens, bei jedem Anblick des Geliebten, nicht gerade einfach war. Nicht zuletzt warfen die zwei sich seit dem Maskenball oftmals im Schloss einen langen, lächelnden Blick zu. Diese Merkwürdigkeit blieb vom steifen Berater unbemerkt. Jedoch beobachtete Dienstmädchen Christy schon seit dem Eintreffen des Magiers die Beziehung zwischen den beiden. Immer wieder einmal, beim Aufräumen der Zimmer und dem Abwasch, hatte sie die Fürstin beobachtet und wie fröhlich sie plötzlich wurde, sobald Avrial in ihrer Nähe war. Eines Tages kam Yne ganz aufgeregt in den Speisesaal gelaufen. Die drei Dienstmädchen waren am Tisch abräumen und die Leibwache gerade fertig mit dem Essen, da zog sie an seinem Arm, bis er aufstand: „Kommt, Herr Avrial! Schnell, ich muss Ihnen etwas zeigen!“ „W-was denn?“, er wurde wieder einmal von ihr aus dem Raum gezerrt. „Das sehen Sie, wenn wir dort sind! Ein alter Teil des Schlosses, dessen Schlüssel wir in der Kommode meines Vaters gefunden haben! Beeilt Euch!“ Weg waren sie. Christy hatte eine Augenbraue gehoben, ehe sie sich kopfschüttelnd dem Einsammeln des schmutzigen Geschirrs widmete. „Eigenartig.“ „Was ist eigenartig?“, so Rina, die sich über den Tisch beugte, um an ein leeres Weinglas zu gelangen. „Habt ihr es denn nicht bemerkt?“ „Was nicht bemerkt?“ Juls lächelte vor sich her, während sie ein Tablett voll mit Tellern füllte. „Ich denke, ich weiß, was du meinst… es geht das Gerücht um, das Madame Yne und Meister Avrial etwas miteinander haben.“ „Echt?“, Rina wirkte überrascht, „Wer behauptet denn so was?“ „Och, ein paar Soldaten.“ Christy seufzte. „Man muss schon blind sein, um nicht zu sehen, was sich da zusammenbraut.“ Nun schmunzelte Juls. „So blind, wie ein Sir William Steiner?“ „Ja, so ziemlich.“ „Aber…“, Rina hielt ihr Geschirr, bereit um aus dem Saal zu gehen. „Verpfeifen wir sie?“ „Huh, Rina; wie kommst du darauf?“, Christy lachte, „Nicht doch, Madame Yne hat es verdient, wenn ihr mich fragt.“, nun schnappte sie ihr Geschirr und folgte Rina in die Küche. „Ihr werdet schon sehen, Master Avrial wird sie glücklich machen!“ Quer durch einen alten Teil des Schlosses gezogen, blieb Yne urplötzlich stehen, sodass ihr Avrial beinahe hinein gelaufen wäre. „Da wären wir!“, sie klopfte auf die alte Tür und kicherte, „Du wirst Augen machen… ich freu mich jetzt schon auf deinen Gesichtsausdruck!“ „So?“, Avrial putzte sein Hemd ab, „Na da bin ich aber gespannt… wo ist denn der Schlüssel?“ „Hier.“, sie wedelte mit ihm vor seiner Nase, ehe sie ihn ins Schloss führte und aufsperrte. Als die Tür ein klicken von sich gab, betätigte Yne die Klinke, worauf hin die alte Tür, knarrend, nach innen aufging. Sie schmunzelte und trat zur Seite, um Avrial den Vortritt zu lassen. Drei Schritte voran gegangen, mit hoch gerichtetem Kopf, blieb dem Magier tatsächlich der Mund offen: eine Bibliothek, mit zweistöckigen Regalen und vielen, alten Büchern, lag vor ihm. „Na?“, Yne sah ihm ins überraschte Gesicht, „Zu viel versprochen?“ „Yne- das- das ist unglaublich!“, er freute sich sichtlich und drehte sich beim Umsehen einmal im Kreis. „So viele Bücher!“ „Ja… hm, nein.“, sie ging zu einem Regal und blies den Staub ab, „Wie du sehen kannst… sind viele Kästen leer. Mein Vater war drauf und dran, sich eine große Bibliothek einzurichten – doch wie du weißt, starb er früher als geplant.“ „Es sind trotzdem genug; um alle durchzulesen, braucht man bestimmt ein Jahr – wenn man fleißig ist.“ Schmunzelt sah Yne ihrem Leibwächter nach, wie er sich in Ruhe die Bücher ansah. Sie wusste gar nicht, dass er sich so fürs Lesen interessierte. „Wenn du willst…“, sprach Yne, „Kann ich dir gern den Schlüssel hierfür geben. Wenn wir nicht gerade unterwegs sind, versteht sich, kannst du deine Zeit hier verbringen.“ „Ja-“, er nickte dankbar zu ihr, „Das wäre toll.“ „Oh, warte!“, sie lief schnell an Avrial vorbei, um die Ecke. Ehe er sich umdrehen konnte, holte Yne ein schweres Buch aus dem Regal. Den Staub noch abgewischt, überreichte sie es ihm. Er strich über den Einband, auf dem unleserliche Schriftzeichen standen. „Was ist das?“ „Öffne es.“ Auf ihren Satz hin, blätterte er das dicke Buch auf. Die Seiten alt und vergilbt, waren neben Skizzen, wie Zeichnungen von Pflanzen und Tieren, auch Zirkel und Formeln eingetragen. Viele Kapitel waren in desteralisch geschrieben, andere wieder in diesen merkwürdigen Zeichen, wie auf dem Einband. „Ist das etwa…?“ „Ein arcanisches Buch.“, Yne stand eng neben ihn und hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt, ehe sie auf die Zeichen deutete, „Mein Vater hat sich sehr für Arcan interessiert. Ich hatte gehofft, du könntest sie vielleicht lesen…“, sie schmunzelte, „Aber… nachdem du in Desteral aufgewachsen bist…“ „Es ist schade… nicht wahr?“ „Ja, das ist es.“ „Hm… ich bräuchte so etwas wie ein Wörterbuch, oder Formeln, die-“ „So etwas hier?“, grinsend reichte Yne ihm ein dünnes Buch über die Schulter. Schnell durchblättert, fand er eine Art Alphabet vor. „Ja! Genau so etwas! Woher hast du-“ „Lag bei dem Buch bei.“, sie schmunzelte abermals. „Scheint, als hätte Vater selbst versucht, die Zeichen zu entziffern.“ „Yne, du bist fantastisch.“, er schloss das Buch und umarmte sie, „Es bedeutet mir viel, etwas über Arcan zu lernen.“ Sie kicherte, ehe sie die Umarmung erwiderte. „Ich weiß. Und das Beste daran ist: du kannst jederzeit hierher kommen, um etwas zu lernen.“ Endlich war es soweit: nach vielen Überredungsversuchen und absichtlichen Bedenkzeiten erlaubte Ynes Berater, Sir Steiner, einen Ausflug ans Festland. Avrial war als Leibwache von Yne nicht mehr wegzudenken und nach den vielen verflogenen Wochen vertrauenswürdig geworden – das waren unter anderen die Gründe, weshalb der Berater dem Ausflug zustimmte. Kurz bevor die Reise angetreten war, erklärte er noch einmal für Avrial, explizit und langsam, dass sie nur an die Küste durften. Nuuur aan diie Küüste und niicht hineeiin ins Festlaaand. Als ob Avrial zu Mehr den Mut hätte, nach allem, was geschehen war. Die Überfahrt verging gemeinsam sehr schnell. Auch, wenn es nur für einen Tag war, ließ Sir Steiner zwei Koffer für Yne packen – die ihr Leibwächter tragen durfte. Wie gut war es, ein Magier zu sein; die zwei großen Koffer waren plötzlich federleicht. Das Schiff hinter sich gelassen, machten die zwei sich auf den Weg durch den Hafen. Handels- und Fischerboote standen an den Ankerplätzen, nur wenige fuhren an diesem Wochenende hinaus. Wenn Avrial an seine Zeit als Fischeraushilfe dachte, war er über seinen Posten an Madame Ynes Seite noch glücklicher. Gemeinsam wanderten sie über den Strand, bis hin zur beginnenden Wiese. Kurz nahm Avrial sie an die Hand und führte sie einen Hügel hinauf. Oben angekommen, blickten sie über eine Ebene, voll mit grüner Wiese, blühenden Blumen, einzelnen Sträuchern und Bäumen, Bergen, Seen und Wälder. Für die Fürstin ein Anblick, den sie nie mehr vergessen wird. Nachdem sich das Bild gefestigt hatte, suchten die zwei sich einen schattigen Platz unter einem alten Eichenbaum, nahe dem Strand. Die Decke ausgebreitet, setzten sie sich zum Picknick. Avrial war dabei, ein Marmeladenglas zu öffnen. Für Yne ein witziger Anblick: er war Magier und hatte dennoch Mühen, das Gefäß zu öffnen. Endlich waren die Brote gestrichen und der kalte Tee eingeschenkt. Nach dem Essen legten sich Yne und ihr Leibwächter zurück, um die Wolken zu betrachten. Es war friedlich. Die zwei fühlten sich wohl und hätten fast beieinander einschlafen können. Yne rollte sich hinüber, zu Avrial, um sich auf seiner Brust auszuruhen. Den Arm um sie gelegt, blickte er auf, zum Himmel; auf Ikana zu bleiben war für ihn die richtige Entscheidung gewesen. Als die zwei die Augen schlossen, riss sie ein lautes Lachen aus der Müdigkeit. Sie blickten auf – galt das Gelächter ihnen? Sie fanden niemanden. Keiner stand vor ihnen, oder auch nur irgendwie in der Nähe. Fragend sich gegenseitig angeblickt, legten sie sich erneut zurück. Da erklang es abermals, dieses Mal länger. Sichtlich gestört, blickte Avrial umher in die Richtung, aber der das Lachen kam: von einem Baum? Wurden die zwei etwa schon länger beobachtet? „Wer ist da?!“, Avrials Frage klang genervt, da sich die zwei immerhin in ihrem Ausflug gestört fühlten. Schließlich war er aufgestanden, während Yne noch hinter ihm saß. „Zeig dich gefälligst!“ Das war unhöflich; immerhin hätte auch ein „Sir“ versteckt sitzen können. Doch auf dem Festland waren die Verhältnisse anders und so war es durchaus eher seltsam, einen Herren oder eine Dame vorzufinden, besonders wenn derjenige sich versteckt hielt. „Ist es nicht Merkwürdig?“, eine männliche Stimme war zu hören, „Da durchstreife ich den Norden, auf der Suche nach nem' kostenlosen Buffet und treffe ausgerechnet – auf dich, Avrial.“ „Was?“, nun wirklich überrascht, musste der Leibwächter schlucken: die Stimme kam sehr vertraut vor. „Nicht möglich-“, so machte er einen Schritt zurück, ehe fragend und zugleich sorgvoll Yne zu ihm aufsah. „Na und wie das möglich ist!“, da hang auf einmal, verkehrt aus den Blättern des Baumes, der Kopf eines jungen Mannes heraus. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht, sah er die zwei mit seinem gelben Auge an; das andere war von dunklen, grünlich zerzausten Haaren verdeckt. Im nächsten Moment fing er an zu lachen. „Lange nicht gesehen! Was hast du denn da für Klamotten an? Und die da? Ist das deine Freundin?“, er lachte noch lauter, „Bei deiner Mädchenfrisur ein wunder!“ „Hör auf mit dem Schwachsinn, Furah! Was willst du von uns!?“ „Oh, was werde ich schon von euch wollen?“, der junge Mann hang immer noch verkehrt am Baum und putzte sich die Nägel, „Darf man nicht einmal „Hallo“ zu seinem alten Freund sagen...?“ „Wir sind keine Freunde!“ „Daw, jetzt hast du mich aber beleidigt.“, er grinste, „Wir sind doch die allerbesten Freunde.“ Dem Leibwächter ging der Sarkasmus zu weit. Ihm tat es leid, was aus der Beziehung wurde, so ärgerte es ihm noch mehr, dass Furah sich darüber lustig machte. Angespannt stand er da und hatte die Fäuste gebalt, ehe er einen Schritt nach vorne trat. „Avrial?“, Madame Yne fasste nach seinem Ärmel. „Wer ist dieser Mann?“ Als er ihre Berührung spürte, ließ er locker und senkte den Kopf. „...Das ist Furah, ein dunkler Magier. Der Grund... warum ich Desteral den Rücken kehrte.“ „So?“, mit traurigem Blick sah sie an ihrem Leibwächter vorbei, zum jungen Mann. „Lass uns gehen, Yne.“, er nahm sie an der Hand, nachdem die Sachen verpackt waren. „Es tut mir leid, wir werden ein anderes Mal an das Festland zurückkehren.“ Furah sah den Beiden nach, als sie gingen, „Hey-“, und schwang sich vom Baum. „Hey du Feigling, komm zurück!“ Den dunklen Magier ignorierend, ging er mit Yne einfach weiter. „Hahaha, du weichst einem Kampf mit mir aus? Das Flittchen hat dir aber ganz schön den Kopf verdreht!“, er griff in seinen Ärmel, „Warte, ich werde dich von deiner Last befreien-!“ Avrial wusste, dass er nach seiner Aussage nichts Gutes vorhaben würde. Schnell mit einer halben Umdrehung vor Ynes Rücken gedreht, bildete er eine durchsichtige Barriere, an der ein bereits erwartetes Stück Pergament, belegt mit einem Fluch des schnellen Alterns, dahin schmolz. Nun hatte der Magier genug. Auch wenn er zum Schutz Ynes nicht kämpfen wollte, lief er auf Fuah zu und entfesselte, Arme nach vorne gerichtet, eine Windböe, die den dunklen Magier von den Beinen riss. Trotz seiner Lage lachte er auf und rollte sich zur Seite, als Avrial auf ihn springen wollte. Schnell auf die Füße zurück gesprungen, stieß er flink die Hand gegen die Schulter des Leibwächters, bei dessen Berührung eine art Druckwelle ausgelöst wurde, die ihn sowohl zur Seite warf, als auch die Schulter verbrannte. „Avrial!“, Yne wollte zu ihm laufen, da holte Furah mit dem Fuß aus – als der Magier vom Boden verschwunden war. „Hahaha, was du kannst, kann ich schon lange!“, nun war auch der dunkle Magier verschwunden. Mit großer Sorge blickte die Fürstin umher und versuchte Avrial zu finden. Kaum wusste sie, wo die zwei waren, da flog ihr Leibwächter angeschlagen vom Baum. Furah hockte dabei auf einem niedrigen Ast, lachte abermals auf: „Haha, du glaubst doch nicht wirklich, mich in meinem Gebiet schlagen zu können!?“ Er sprang hinab, „Komm schon, Avrial.“, und stieg mit einem Fuß auf ihn. „Bin ich wirklich so viel stärker geworden? Das macht doch keinen Spaß, wenn du so schnell am Boden liegst...“ Furah drehte den Kopf zu Yne, als diese, bewaffnet mit einem großen Stock, den sie kaum halten konnte, zu ihm sprach: „Geh weg von Avrial! Lass ihn in Ruhe, i-ich warne dich…!“ „Hahahah-!“, höchst amüsiert drehte der dunkle Magier die Hand, worauf hin Yne der Stock zur Seite gerissen wurde. Gerade wollte er auf sie zugehen, da packte Avrial seinen Fuß, der immer noch auf ihm stand. „Nicht... nicht Yne...“ „Oh, du bewegst dich ja... Was murmelst du? Ich soll die Kleine verschonen? Wie rührend... Hm, was machen wir denn da?“, immer noch mit einem Fuß auf ihm stehend, blickte Furah überlegend in Ynes Richtung, die ängstlich einen Schritt zurück machte. „Furah... lass sie- in frieden-“ „Du hängst scheinbar wirklich sehr an ihr, huh? Tja, da kann man nichts machen.“, er hob die Schultern, „Wenn ich sie dir nehme, bist du sicher nicht mehr Ansprechbar. Und mit wem soll ich dann Spaß haben? ...Ich verschone sie. Aber...“, er grinste, „Wenn du so sehr an ihr hängst, stört es dich sicher nicht, sonst niemanden mögen zu können!“ Die rechte Hand auf Avrials Brust gestoßen, drang in diesem Moment ein violetter Blitz in seinen Körper ein. Reaktionsartig aufgeschrieen, stieß er mit letzter Kraft den dunklen Magier von sich weg. Als die Fürstin, Avrials Namen rufend, zu ihm eilte, war Furah von der Stelle verschwunden und auf den Baum zurückgekehrt. Er lachte, als Yne laut fragte: „Was hast du getan!?“ „Nichts weiter.“, so die grinsende Antwort, „Aber wenn dein Freund jemals Gefühle, egal welcher Art, für eine andere hegt, wirst du es sofort merken.“ Lachend verschwand Furah, so schnell, wie er auch aufgetaucht war. „Ich würde den Kammerjäger bereithalten!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)