Myth, Story, Legend von Ireilas (Kurzgeschichten aus Desteral) ================================================================================ Kapitel 16: Ein besonderes Geschenk ----------------------------------- Es gab einiges zu tun, seitdem die Fürstin und der Arcaner einstimmig entschlossen hatten, in zwei Wochen zu heiraten. Warum so schnell? Wieso nicht erst in drei, oder vier Monaten? Es gab zwei entscheidende Gründe dafür. Der erste betraf das Gesetz Ikanas: wenn ein Mann sich verlobte, wäre es Irrsinn, bereits ein halbes Jahr vor der Hochzeit in das Haus der Braut zu ziehen. Es gab eine Regel, die besagt, dass ab einer Zeit von vierzehn Tagen vor der Hochzeit umgezogen werden durfte. Denn sollte der Mann seine Meinung vorher ändern wollen, war dies somit möglich. Die Frau hatte kein Recht darauf, sich anders zu entscheiden. Der zweite Grund war im privaten Sinne: Yne und Avrial waren sich einfach sicher. Sehr sicher. Allerdings waren viele im Dorf anderer Meinung. Es hatte sich herum gesprochen, dass die liebevolle Fürstin diesen Arcaner heiraten wird. Einige meinten, der Magier hätte sie per Zauber in seinen Bann gezogen. Andere glaubten, Yne sei ihm tatsächlich verfallen und blind vor Liebe: in ihren Augen wollte der Fremdling einfach nur an die Macht kommen. Es gab aber natürlich auch Leute, die sich für die Fürstin freuten und die Hochzeit kaum abwarten konnten. Sie sollte im Übrigen am Dorfplatz stattfinden, wo jeder frei zusehen konnte. Dies barg natürlich auch Gefahren, weshalb die Wachen und Soldaten die nächsten Tage darauf vorbereitet wurden. Auch wenn es nicht zum Brauch gehörte, dass sich das Hochzeitspaar gegenseitig beschenkte, hatte Yne für Avrial eine Kleinigkeit in Auftrag gegeben. Als er davon erfuhr, machte er sich Gedanken darüber, was er ihr schenken könnte. Zwar waren die drei Bediensteten nicht gefragt worden, doch schlugen sie dem Magier ein paar Geschenke vor – als Frauen wussten sie schließlich ungefähr, was Madame Yne gefallen könnte. Rina kam auf die Idee, ein neues Kleid, in schöner Form und Farbe zu schenken. Christy meinte, die Fürstin würde sich bestimmt über Parfüm freuen. Wiederum Juls dachte da an Schmuck, wie Ohrringe, Ketten oder ein hübsches Armband. Avrial konnte bei keiner Idee sagen „Das ist es“, doch hatte er wenigstens Richtungen, in die er gehen konnte. Auf dem Marktplatz ein wenig umgesehen, sprang ihm nichts besonderes ins Auge. Die angebotenen Kleider, Blumen, Schmuckstücke und Düfte waren nicht wirklich außergewöhnlich, doch genau danach war Avrial auf der Suche. Ikana war eine der modernsten Ortschaften seiner Zeit – irgendetwas musste es doch geben. Dann, bei einem kleinen, unbedeutendem Stand am Rande des Marktplatzes, stach es hervor: ein aufgehängtes Lederband, an dem ein türkisfarbener Stein hing. Zwischen all den selbst hergestellten Ketten und Schmuckstücken, blitzte er hell hervor. Von diesem Stein ging eine seltsame Anziehungskraft aus, die Avrial nicht beschreiben konnte. Er griff nach dem Lederband und strich darüber, bis er den Stein zwischen seinen Fingern spürte. „Sie haben ein gutes Auge, mein Herr.“ Avrial sah zum dicklichen Händler, der gerade eine Kiste unter dem Tresen geschlichtet hatte. Dieser putzte sich die Hände ab, stemmte sie in die Hüften und blickte zur aufgehängten Kette. „Von allen Schmuckstücken, ist dieser Stein einer der seltsamsten, der mir je untergekommen ist.“ Dies konnte ein Händler leicht sagen, immerhin versuchte er etwas zu verkaufen. „Wieso steht ihr Markt abseits von den anderen?“, so Avrial. „Ich reise viel und bin nicht oft in Ikana. Wisst Ihr, wieviel so ein ordentlicher Platz kostet?“, dabei musste er prusten, „Um mir einen Stand in Marktmitte mieten zu können, müsste ich jeden Tag hier sein!“ Das leuchtete dem Magier ein. Er begutachtete wieder den Stein – irgendwie glaubte er nicht, dass der Händler lügt; der Stein war selbst in seinen Augen etwas besonderes. „Sie sagten, der Anhänger käme Ihnen seltsam vor... dürfte ich erfahren, wieso?“ „Ah, das ist eine lange Geschichte. Mein Neffe fand den Stein in einem ausgetrocknetem Brunnen. Ich hatte mich bei anderen Händlern und mit Büchern schlau gemacht. Der Stein sieht exakt wie in der Beschreibung einer alten Legende aus. Wenn man ihr glauben schenkt, hat vor sehr langer Zeit ein Ureinwohner Desterals einen Stein angefertigt, angeblich als Beweis seiner Liebe zu einer Frau. Er war eine Art Krieger und starb dementsprechend jung. Doch der Stein wurde innerhalb der Familie weiter gereicht, bis er einst mit dem Tod eines Nachfahren verschwand. Wohl waren es Grabräuber, die ihn mitnahmen und verkauften. Irgendwann muss ihn jemand verloren oder weggeschmissen haben, sonst hätte ihn mein Neffe nicht gefunden.“ Immer noch starrte Avrial auf den Stein. „Und- und den verkaufen Sie?“ Na ja, bisher Erfolglos. So richtig will niemand meiner Fundgeschichte glauben.“ „Verständlich...“, Avrial nahm ihn noch einmal in die Hand, „Was soll an ihm so besonders sein, dass er über Jahrhunderte hinweg nicht zerstört wurde?“ „Tja, also, wenn es wahr ist, kann der Stein Flüche und dunkle Magie absorbieren. Er sollte die Liebste des Kriegers wohl beschützen...“ „Dunkle Magie?“, er konnte es nicht glauben – zum Schutz vor Furah war der Anhänger wie für Yne geschaffen! „Ja, wenn es war ist, wie gesagt. Bis jetzt tat sich keine Gelegenheit auf, es zu testen; und unbeabsichtigt zerbrechen will ich ihn auch nicht.“ In Avrials Augen gab es nur einen Weg, das heraus zu finden. Zwar war er kein dunkler Magier, doch Zerstörungsmagie sollte eine ähnliche Wirkung haben. Die Hand gegen den Anhänger gehoben, ließ er Flammen erscheinen. Während der Händler panisch zurück gesprungen war, verbrannte weder der Stein, noch das Lederband: glühend in türkisem Licht, sog er die Flammen in sich, bis nichts mehr übrig blieb. „Tatsächlich...“ „W-was sollte das denn eben!?“, der Händler musste sich erst sammeln, „A-aber wenn das wahr ist... stimmt dann vielleicht die ganze Legende!?“, nun griff er sich auf den Kopf, „Einen Moment... Ihr seid dieser Magier, Avrial, den die Fürstin heiraten wird!“ Über seine Feststellung musste der Magier schmunzeln. Er deutete auf den Anhänger: „Könnten Sie ihn mir schön verpacken? Ich würde ihn gerne verschenken.“ Der Tag der Hochzeit rückte immer näher. Während die Soldaten und Wächter nun sehr gut auf die Feier vorbereitet waren, bemühten sich auch die Bediensteten des Schlosses, alles für den großen Tag festlich herzurichten. Auch Christy, Juls und Rina wollten dabei helfen und durften das öffentliche Buffet planen. Währenddessen hielt sich der Berater, Sir Steiner, immer öfter außerhalb des Schlosses auf. Anfänglich versuchte er Abends seinen Zorn in der Dorfkneipe, mit Bier zu ertränken, doch nach vielen Tagen und alkoholischen Getränken, wurde seine Zunge lockerer. Er fand zuerst einen, mit dem er einer Meinung war, was die Vermählung anging, dann zwei weitere und noch mehr, die sich unter anderem auch im Dorf umhörten. Längst war es keine kleine Gruppe mehr, die genauso wie der Berater dachte. Viele gaben es einfach nicht zu und tuschelten untereinander, was die fürstliche Hochzeit anging. Doch sie war beschlossene Sache; die, die gegen die Vermählung waren, mussten sich einfach damit abfinden. So kam der große Tag. Auch Sir Steiner musste einsehen, dass seine Machtzeit vorüber war. Er gab sich nach außen mit sich selbst im Reinen hin... doch in Wirklichkeit hatte er sich immer noch nicht mit der Situation abfinden können. Bevor die Braut, gemäß den Traditionen, für die Feierlichkeit eingekleidet wurde, suchte sie noch einmal Avrial auf: ihr Geschenk an ihn war endlich fertig. Der Hutmachter war persönlich noch ins Schloss hinauf gelaufen, um, schnaufend, Yne das Geschenk zu geben. Bei so einer Aktion möchte man denken, sie habe den armen Mann mit einer Strafe gedroht, sollte er nicht rechtzeitig fertig werden. Eigentlich aber, war er einer der wenigen Ikanas, der sich aus tiefen Herzen für die Fürstin freute. So hatte er ihr versprochen, sich zu beeilen und andere Aufträge, die nicht dringend waren, nach hinten zu stellen. Die Belohnung war, wie man sich denken kann, dafür reichlich. So klopfte Yne an jenem Morgen an die Tür des einstigen Leibwächters. Sie würden gemeinsam mit all den Wachen und Bediensteten in das Dorf gehen, doch wollte sie Avrial vorher alleine sehen. Als sie eintrat, stand er gerade vor dem Spiegel. Im Gegensatz zur Braut, die stets weiß trug, durfte sich der Mann die Farbe seines Anzuges aussuchen; und genau in diesem Punkt war sich Avrial eben nicht sicher. „Yne?“, er drehte sich überrascht um, als er sie im Spiegel hinter sich sah. „Was machst du denn hier...?“ Sie musste kichern. „Eigentlich sollte ich dich fragen, was du hier tust. Wir haben Bedienstete, die dir doch eigentlich bei deiner Auswahl helfen könnten?“, sie schmunzelte kurz auf die verpackte Kiste herab. „Vielleicht kann ich dir bei der Entscheidung helfen. Es... ist natürlich kein Muss, aber ich habe eine Kleinigkeit für dich, für den großen Anlass.“ „Jetzt?“, Avrial sah nach links und rechts, „Sollten wir... mit den Geschenken denn nicht bis nach der Hochzeit warten...?“ „Nun, das könnten wir, aber dann hätte meines wohl keinen Sinn mehr.“, sie lachte, „Es sei denn, du gewöhnst dich doch noch daran, wie ein Ikana umher zu laufen.“ Nachdem Yne schon fast den Inhalt der Schachtel verraten hatte, nahm sie den Deckel ab. „Weißt du noch, wie ich am Maskenball erwähnte, dir würde dunkelrot viel besser als schwarz stehen...?“, sie hielt ihm einen dunkelroten Zylinder entgegen, „Damit möchte ich danke sagen.“ Wortlos, mit einem kurzen Zögern, nahm Avrial den Hut entgegen. In diesem Augenblick wusste er nicht, was er sagen oder von dem Geschenk halten sollte... aber beim betrachten des dunkelroten Zylinders, welcher fein ausgearbeitet war, spürte er die Wärme und Liebe, die ihm Yne damit überreichen wollte. Er musste lächeln, ehe er den Kopf schüttelte. „Wofür musst du danke sagen? So ein Unsinn.“ Bei seiner Aussage holte Yne Luft – sie wollte gerade zum Gegenangriff übergehen, da zog Avrial eine kleine Ringschachtel aus seiner Tasche. Er öffnete diese und zeigte seiner Liebsten den türkisfarbenen Stein an einer Kette. „Wenn jemand zu danken hat, dann ich.“, sprach er ruhig, „Du gabst mir meinen Sinn im Leben.“ „Avrial...“, Yne versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. So schüttelte sie den Kopf und versuchte nicht darauf einzugehen: „Du Dummerchern, das ist wirklich nicht nötig-“, sie nahm die Kette aus der Schachtel, „Sie ist wunderschön.“ „Sie ist mehr als das.“, war die Antwort, „Der Stein wird dich vor Magie beschützen.“ Fragend blickte Yne daraufhin zu ihm. „Es ist wahr – ich habe es selbst ausprobiert.“ „Ein magischer Stein, also...“, sie legte die Kette an und sah an den Anhänger herab. Ehe Avrial ihr sagen konnte, dass die Kette zu ihr passt, fiel sie ihm um den Hals. „Von wegen „danke“, das sind TAUSEND Danke, die du verdient hast!!“ „Oh-“, er erwiderte die stürmische Umarmung, „Dann gefällt er dir also?“ „Gefällt? Ich liebe ihn! Ich steh auf mysteriöse Gegenstände!“ Nun, da hatte Avrial dann wohl ins Schwarze getroffen. Als Yne von ihm abließ, um noch einmal den Stein zu betrachten, setzte sich ihr einstiger Leibwächter den Zylinder auf. „Und...?“ Sie blickte dabei zu ihm. „...Gar nicht schlecht.“, und drehte den Hut, „Aber du solltest ihn richtig herum aufsetzen. So ein Zylinder hat zwei Seiten, die zur Seite gedreht gehören.“ „Na...“, der Magier nahm ihre Hände, ehe er seine baldige Frau küsste. „Dann weiß ich wohl, welche Farbe ich zur Hochzeit tragen werde.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)