Myth, Story, Legend von Ireilas (Kurzgeschichten aus Desteral) ================================================================================ Kapitel 6: Apfelwein -------------------- Den ganzen Weg zurück, vom Spielplatz bis zum Haus von Envael und Clair, war Metho mit seinen Gedankengängen beschäftigt. Sein alter Kamerad Kael hatte ihm einen Floh ins Ohr gesetzt. Einen Stein ins Rollen gebracht, der den Arcaner zum Nachdenken brachte. Auch wenn er nicht zur Familie gehörte, so war ihm als guter Freund das Wohlbefinden der Eltern und vor allem das von Avrial wichtig. Was wäre, wenn Sylvar fällt? Was würde geschehen? Was würden Envael und Clair tun? Kämpfen? Nicht mit einem kleinen Kind. Das hoffte Metho inständig. „Da seid ihr ja wieder!“, Envael ging den beiden entgegen, ehe Avrial seinen Vater registrierte und auf ihn zu lief. „Papaa!“ Metho musste schmunzeln und kratzte sich sogleich am Kopf. „Ach, ihr seid schon zurück? Dachte, es würde länger dauern.“ „Wir waren doch nur die Belohnung abholen.“, als Envael seinen Sohn hochhob, hielt er sich kurz den Rücken, „Autsch, das war nicht gut. Erst fast den zweiten Dreißiger und schon Rückenschmerzen...“ „In die Hocke musst du gehen. Ich mache es genau so – mit einem Kind geht so was schnell.“ „Jetzt muss ich mir schon von dir Tipps für mein Kind geben lassen?“, er lachte, „Warte, das hat noch ein Nachspiel.“ In der Nähe des Hauses konnte man Clair schon etwas länger winken sehen. Als die zwei Männer allerdings immer noch am Reden waren, machte sie einen Schritt nach vorne – verschwand dabei kurz in einem roten Schleier und tauchte direkt bei den Männern wieder auf. „Da ist ja unser Kinderentführer.“ „Was heißt hier Entführer?“, Metho stemmte die Arme in die Hüften, „Ich war am Spielplatz, wo wir viel Spaß hatten!“ „Ist Avrial wieder vom Klettergerüst gefallen?“ „Ja, aber nur einmal.“ „Oh, gut.“, Clair küsste den Kleinen auf die Wange, worauf hin er sich diese sofort abwischte. „Also wirklich, Schatz. Coole Jungs brauchen keine Küsse.“, so scherzhaft Envael. „Na wenn das so ist, kann ich mir ja heute Zeit für mich nehmen.“ „Was? Nein, Clair-“ Unerwartet warf die Arcanerin eine Apfelweinflasche in Methos Richtung. Tollpatschig diese mit den Händen aufgefangen, verschränkte sie die Arme. „Gern geschehen, das war die letzte auf dem Markt.“ „D-die letzte? Wieso das?“ „Die Lieferanten sind überfordert. Besser gesagt, gibt es kaum noch welche. Glück für sie, was die viele Arbeit und die daraus resultierende Einnahmen angeht.“ Metho musste daraufhin hart schlucken; wieder wurden die Worte von Kael in ihm laut. Als der Freund einen starren Blick bekam, zog Envael eine Braue hoch. „Alles ok?“ „J-ja, uhm...“, er griff sich an den Nacken, „Mir ist da nur eine Frage eingefallen, die ich euch noch stellen wollte.“ „Na, dann raus damit.“ „Wenn Sylvar nicht mehr- also wenn die Stadt auch noch-“ Da fing Avrial an zu schreien. Als er sich heftig in Envaels Armen wehrte, ließ er ihn schließlich hinunter. „Mal wieder quenglig.“, Clair schnaufte, „Er hatte kein Schläfchen, Metho?“ „Aber- was- w-wie denn, in der Sandkiste?“ „Das ist nicht Methos schuld.“, meinte Envael, „Er wollte nicht zu Mittag schlafen, schon vergessen?“ „Ach stimmt ja.“, da hob sie spottend die Arme. „Denn es ist ja wichtiger 'mit den Bauklötzen zu spielen' als zu schlafen.“ „Schatz, Kleinkinder können sind nicht verteidigen. Immer noch nicht.“ „Hach, ja.“, sie griff nach Avrials Hand, als er sie wegzog und trotzig den Kopf schüttelte. „Ich fürchte, wir müssen nach Hause...“ „Kann deine Frage bis morgen warten, Metho?“ „Aber natürlich. Kein Problem, geht nur.“, er klopfte auf seinen Apfelwein, „Wir zwei hier machen uns heute noch einen schönen Abend~“ „Sauf aber nicht zu viel – der arcane Rat erwähnte was von einem geringem Auftrag. Kann sein, dass du morgen eine Einladung kriegst.“ „In Ordnung, vielen Dank-“ „Gib die Hand jetzt her-“, Clair lief ihrem Sohn nach, als dieser, kreischend – vor Lachen – von ihr weglief. „Ich steck dich in nen Käfig, wenn du nicht sofort herkommst!“ „Clair! Schatz, was- Avrial, zieh deine Weste wieder an!“, Envael griff sich an die Stirn, ehe er seinem Freund zum Abschied winkte und dem sich entfernenden Geschehen nachging. „Also, vielen Dank fürs Aufpassen. Wir hören morgen von einander!“ „Ja, auf Bald!“, Metho winkte ebenfalls, dann ging er den Weg zurück, um seine Wohnung in der Stadt aufzusuchen. Vielleicht machte er sich einfach zu viele Sorgen. Metho und Envael arbeiteten nun schon seit vielen Jahren als Kollegen zusammen; egal wann er mit ihm unterwegs war, hatte der Vater stets aufs neue bewiesen, wie stark er war. Sowohl körperlich als auch geistig. Selbst als sie vor zwei Jahren einmal fast aufgeflogen wären, brachte sie Envael erfinderisch aus der gefährlichen Situation hinaus. Zu viele Sorgen. Es war doch alles bestens? Metho beschloss, sich in seiner 2-Zimmer-Wohnung mit einem heißen Bad und seinem Apfelwein zu entspannen. Für normal trank er sehr wohl aus einem Glas, doch an diesem Abend hatte er gleich die ganze Flasche neben der Wanne stehen. Er ließ ein Bein heraushängen, den Kopf einschließlich den spitzen Ohren unter Wasser. Keine Geräusche hören zu können, bis auf das eigene Raunen des zirkulierenden Blutes, konnte sehr entspannend sein. Gerade streckte sich Metho und ließ einen Seufzer los, als trotz des Wassers in seinen Ohren ein vertrauter, heller Ton zu hören war. Abermals seufzte er, dieses Mal nicht aus Entspannung. Er rieb sich noch kurz mit einer Hand die Augen, ehe er sich aufsetzte. Ein Brief des Rates war am Rand der Wanne erschienen... mit schwarzem Siegel! Metho griff eilig mit seinen nassen Fingen nach ihm – schwarz hatte höchste Priorität und kam speziell für Metho das erste Mal vor. Sonst waren es blaue, oder rote Siegel gewesen, was dem Arcaner dieses Mal etwas seltsam vorkam. Vielleicht war der Brief gar nicht für ihn bestimmt? Nein, auf der Rückseite war Methos Name eingraviert... Vorbei war die Entspannung – nach einem harten Schlucken, gepaart mit Gänsehaut, öffnete er den Umschlag. „Äußerste Dringlichkeit. Methoael Dencai, wird mit diesen Zeilen in der Halle des arcanen Rates verlangt. Sofortige Ankunft erforderlich.“ Sofortige Ankunft. Das bedeutete, dass theoretisch nicht einmal viel Zeit zum Anziehen blieb: keinen Schritt durch die Straßen, ja nicht einmal durch die Tür durfte die Reise gehen. Sofortige Ankunft verlangte schlichtweg die Manifestation direkt in die Halle des Rates, egal auf welcher Weise. Zu Methos Pech musste er sich schon lange nicht mehr Rasch zwischen zwei Orten bewegen... ob er es überhaupt noch konnte? Ach, hätte er es heute doch nur mit Avrial geübt, als der Kleine vom Klettergerüst fiel... „Was denk ich da bloß?“, Metho ging sich durch die nassen Haare, ehe er aus der Wanne stieg und nach einem Handtuch griff. Als er sich den halben Körper abgetrocknet hatte, klatschte er sich auf die Stirn. Das schwarze Siegel hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht: mit einer einfachen Handbewegung, von ihm weg, verschwanden die nassen Stellen auf seinem Körper, sodass er sich anziehen konnte. Endlich fertig, begann Metho zu überlegen, wie er denn nun in die Halle des Rates kam. Sich den Kopf kratzend, fasste er noch einmal nach dem Brief. Während er die Zeilen überflog, griff er nach seinem Apfelwein, um einen Schluck daraus zu machen. Da blitze der Brief auf und verschwand – mit ihm auch Metho – aus der Wohnung. In der Mitte des prachtvollen, kreisrunden Steinsaals aufgetaucht, senkte Metho die Flasche. „Wow...“, er sah kurz in die Runde, zu den Steinbänken, „Gut, dass ich schon angezogen war.“ Die Halle hatte nur wenig Beleuchtung; keine Kerzen, oder Fackeln. Arcanische Symbole zierten Gemäuer und Säulen, schienen sich zu bewegen und spendeten bläuliches Licht. „Methoael, Ihr wisst, weshalb Ihr hier seid...?“, eine ältere, edle Frau ging an Metho vorbei. Ihr langes, gräuliches Haar ging über ihr sowieso schon großes Erscheinungsbild hinaus, endete hinter ihr, zeitgleich mit ihrer Samtrobe. Ehe Metho zu Wort kam, hatte sich die Frau gesetzt und aus einer anderen Richtung der Halle erklang eine Männerstimme. „Eure Aufgabe hat größte Priorität, wie Ihr wisst.“ „Die Herrschaften scheinen Aufgebracht – dürfte ich kurz zu Wort kommen?“ Die edle Frau nickte sanft. „Nein, ich habe keine Ahnung was los ist. Nur, dass es sehr dringend sein muss.“, er sah zu einem dritten Mann, er in einer braunen Robe verhüllt neben einer Säule stand. „Krieg ich ein Glas für meinen Apfelwein? Wer von euch war eigentlich so nett, mich hierher zu beamen?“ „Methoael, wir fürchten um die Sicherheit von Sylvar. Die dunklen Magier sind der Stadt gefährlich nahe gekommen.“ In Methos Hand war ein Glas erschienen, „Oh, danke.“, das er füllte. „Da stellt sich mir nur eine Frage, die Herrschaften.“, Metho sah auf, zur edlen Frau, „Wieso habt ihr nicht die Spezialisten kontaktiert? Envael und Clair?“ „...Wir erreichen sie nicht mehr.“ „Wie bitte...?“ „Nach dem letzten Auftrag stimmte etwas nicht. Unser Kristall, den Clair im Versteck der dunklen Magier platzierte, lauschte den Worten der Verdorbenen. Ehe die Verbindung abbrach, konnten wir klar erkennen, dass unsere Feinde verdacht schöpften. Wenn unsere Befürchtung zutrifft, sind weder Envael und Clair, noch Sylvar sicher.“ „Aber- aber-“, Metho hatte plötzlich überhaupt keine Lust mehr auf Apfelwein, „Aber- aber das würde bedeuten...“ „Die dunklen Magier unterbrechen den Kontakt zu ihnen. Der Verdacht liegt nahe, dass sie Bescheid wissen.“ „Dann sind sie in größter Gefahr! Bringt mich zurück, ich muss sie warnen-!“ „Methoael!“, ein älterer Herr mit langem, grauen Bart war aufgestanden, „Wir wissen über Ihre Sorge Bescheid. Doch solltet Ihr nicht unseren Befehl missachten: evakuiert Sylvar, bevor es zu spät ist.“ Die Frau nickte, „Envael und Clair wissen, was sie tun. Sollten sie bis zum Schluss nicht gegangen sein, dürft Ihr ihnen Gesellschaft leisten.“ „Aber-“ „Folgt unserem Befehl, für das Wohl von Sylvar. Für Arcan.“ Metho war mit dem Plan des arcanen Rates überhaupt nicht einverstanden. Er würde für seine Freunde weit gehen, sehr weit. Doch wusste er auch, dass wenn er sich gegen den Befehl seiner Arbeitgeber und damit dem Rat stellte, er sich auch Arcan verweigern würde. Der arcane Rat konnte die Halle nicht verlassen. Sie war das älteste Werk und damit eines der letzten Heiligtümer Arcans; die dunklen Magier spürten bereits am Beginn des Krieges den arcanen Rat auf; würden sie gehen, wären sie verloren. Alles, was sie tun konnten, war das Land aus dem geheimen aus zu navigieren, so gut es ging. Und sie hatten recht. Es war wichtig, so viele Leben wie nur möglich zu retten. Schweren Herzens kniff Metho die Augen zusammen, ehe er sich verneigte. „Wie die Herrschaften wünschen, wird es geschehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)