Myth, Story, Legend von Ireilas (Kurzgeschichten aus Desteral) ================================================================================ Kapitel 8: Arcan den Rücken gekehrt ----------------------------------- Oben, im Dorf Sylvar, hatte Metho nach einer langen Nacht die letzten Einwohner, die er finden konnte, aus der Siedlung geführt. Zwar standen die meisten Häuser noch, doch wusste er, dass die dunklen Magier von nun an immer wieder kommen würden, um auch den Rest der letzten hier lebenden Arcaner zu entwurzeln. Als er endlich die Zeit hatte, seinen größten Sorgen nachzugehen, eilte er so schnell er konnte zur Behausung von Envael und Clair: doch es war niemand hier. Nur Trümmer. „Nein...“, Metho taumelte leicht bei dem Anblick. Ihn durchfuhr der Gedanke, zu Spät zu sein. Doch Envael und Clair waren schlau und kannten sich mit dunklen Magiern aus. Sie waren mit Sicherheit entkommen! Mit diesem schon viel positiveren Gedanken lief er los, dem Wald entgegen. Rufen wollte er nicht; im Gegenteil – als er im Unterholz angekommen war, schlich er, so leise er konnte. Wenn die zwei hier entlang gekommen waren, musste es eine Spur geben. Egal ob eine der Verwüstung oder eine unauffällige. Metho vertraute hierbei nicht nur seinen Augen, sondern auch seiner Magie. Jeder Arcaner hatte seine ganz eigene Art von Magie, wie ein Fingerabdruck. Wenn Envael oder Clair hier waren, so würde er es auch sehen. Ein bläuliches Band zog sich über den Boden. Kein Materielles, sondern aus Licht: Metho hatte eine Spur von Envael gefunden. Dieser folgte er und versuchte dabei die anderen zwei unbekannten Bänder zu ignorieren; an einer Stelle wurden aus diesen drei Spuren vier, dann fünf und sechs – bis die blaue endete. Im Kreis sah sich Metho um: hier war Endstation, Envael war nicht weiter gegangen. Doch... wo war er? Nach einem langen Zögern erst kniff der Magier die Augen zusammen, schluckte und sah langsam nach oben. Sofort die Hände vor den Mund geschlagen, um nicht laut zu schreien und mögliche Feinde auf sich aufmerksam zu machen, sank Metho auf die Knie: sein bester Freund war auf einem hohen Baum auf geknüpft. „Beim arcanen Rat, nein...“, er schluchzte, „Nein...!“, die Spur hatte es bereits verraten, doch wollte Metho es nicht glauben: nach einer Verfolgungsjagd war Envael in einen Hinterhalt geraten. Weit in der Unterzahl gewesen. „Diese Schweine...!“, Metho krallte seine Hände in den Boden, bis er die Erde zwischen seinen Fingern spürte. „Verdammte Bastarde...!“, dann sah er geschockt auf: „Clair... Avrial!“ Hatte der Rest der Familie das selbe Schicksal ereilt? Waren sie entkommen? So muss es gewesen sein... Envael blieb zurück, hatte sich geopfert, um die zwei zu retten, die ihm am Herzen lagen. Sofort zurück auf die Beine getaumelt, lief er los, weiter durch den Wald. Für Envael kam jede Hilfe zu spät, doch Clair und Avrial hatten immer noch eine Chance! Metho war bereits völlig außer Atem, doch an Ausruhen dachte er nicht: eine rote Spur, gefolgt von einer violetten, streckte sich dem Boden entlang. Immer wieder endete das rote Band und fing an einer anderen Stelle wieder an; ein Hinweis dafür, dass Clair sich einige Male mit Magie fortbewegt hatte. Metho war stehen geblieben, als die rote Spur verschwand und die violette in einer Vielzahl vorhanden war. Scheinbar war er nicht der erste, der an dieser Stelle nach Clair suchte. Auch ohne Spur beschloss Metho eine weile lang weiter zu gehen. Auf seinem jetzigen Weg war keine Magie mehr zu sehen, doch war er sich ziemlich sicher, dass seine Freundin hier vorbeikommen sein müsste – denn einen anderen Weg, außer einen mit vielen Steinen und Sträuchern, gab es nicht. Siehe da: Metho kam bei einem steilen Abhang an. Noch einmal konzentriert und die Augen wieder geöffnet, hatte er das rote Band wieder gefunden: es endete bei einem Felsspalt. Ohne auf seine Gesundheit zu achten, sprang er – mit etwas Hilfe von Magie – den Abhang hinunter und lief das letzte Stück der Spur nach. Als er sich beugte, um hinein zu sehen, zierte ein erleichtertes Lächeln sein Gesicht: da waren sie, Clair und Avrial. Der kleine Junge war an seine Mutter gekuschelt und hob den Kopf, als er den Freund der Familie sah. „Metho...“, sagte er leise, in einen müden Ton. Anschließend sah er zu Clair. „Mama schläft.“ Bei seinen Worten verging ihm das Lächeln wieder. „Mama wacht nicht auf.“ „Avrial-“, Metho griff nach dem Jungen, „Komm her zu mir... jetzt ist alles gut...“ „Mama wacht nicht auf.“, der kleine ließ sich aus dem Felsspalt heben. „Ich... ich weiß.“ Wie sollte er ihm bloß erklären, dass sie nie wieder aufwachen würde? „Weißt du... manchmal... wenn es einem Körper zu viel wird, da-“ „Haben die Bösen Mama tot gemacht?“ Metho schluckte. „Ich...“ „Schlafen.“ „Huh...?“ „Bin müde...“ Erleichtert nickte Metho, ehe er mit Avrial am Arm aufgestanden war. „Schlaf ein bisschen, in Ordnung?“ Schon nach kurzer Zeit hatte der Junge seine Augen geschlossen. Es war eine lange Nacht für ihn gewesen. Tapferer, kleiner Avrial. Doch wie ging es weiter? Metho war klar, dass sie nicht zurück konnten. Nie wieder. Nicht nur Envael und Clair waren auf der Abschussliste der dunklen Magier gewesen: auch Metho war ein Spion... und solange sich Avrial bei ihm befand, war der Junge nicht sicher. In ihm hallten die Worte seines ehemaligen Freundes, Kael wieder. „Desteral ist für dunkle Magier uninteressant. Einfache Kultur, keine brauchbaren, technischen Werke. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich mit meinem Mädchen das Land verlassen. Und wenn es hart auf hart kommt... wird sich ein Waisenhaus um meine kleine Jeane kümmern.“ Schweren Herzens ging Metho los, einfach gen Westen. Wenn Kael es nicht schaffte, dann vielleicht er. Zum Schutz von Avrial. Egal wie Müde sein Geist, oder seine Beine waren: es ging immer weiter in den Westen. Es schien Metho, als ginge dies ganz von allein, ohne seinen Einfluss. Die Sonne war vor ihnen am Aufgehen und vertrieb die Dunkelheit der Nacht. Allmählich änderte sich die Landschaft zu einer weiten, hügeligen Wiesensteppe: Desteral war zum Greifen nah. Im goldenen Morgenlicht hatte Metho das erste Dorf erreicht – doch betreten wollte er es nicht. Abseits der Siedlung nahm er vorsichtig den Jungen von seiner Schulter. Als er ihn auf einen von Morgentau feuchten Stein setzte, wachte er schließlich auf und rieb sich die Augen. „...Metho?“ Seine Unterlippe zitterte, bei dem Gedanken, den Jungen ganz alleine lassen zu müssen. Doch es gab keinen anderen Weg – Avrial sollte die Möglichkeit haben, ohne dem Krieg aufwachsen zu können. Wenn er bei ihm blieb, wären sie nie sicher. Stets mit den dunklen Magiern im Hinterkopf würden sie von Ort zu Ort reisen. Das war kein Leben für einen kleinen Jungen. Einfach mit einem Kuss auf die Wange wollte Metho sich nicht verabschieden. So viel, wie Avrial erlebt hatte, würde ihn seine Vergangenheit ewig verfolgen. Keine Ruhe lassen. Als er seine Hand auf die Stirn des Jungen legte, blinzelte der kleine um sich her. „Metho, wo sind wir?“ „In Sicherheit.“, war die schmunzelnde, aber traurige Antwort. „In Sicherheit.“ Mit einem stummen Wimmern spiegelte sich nichts mehr in Avrials leeren Augen. Metho nahm die Hand von seiner Stirn und drückte den Jungen ein letztes Mal an sich. „Lebe wohl, Avrial.“ Sich von ihm gelöst, wischte sich dieser für Avrial fremde Mann eine Träne weg und ging, ohne sich umzudrehen, seine eigenen Wege. Zurück blieb der kleine Junge ohne Vergangenheit, verwirrt auf einem Stein sitzend. Es dauerte nicht lang und eine Frau mit Obstkorb kam vom Weg ab, da sie das Kind einsam auf einem Felsen sitzen sah. Sie beschloss das sonderbare Kind aus dem Nachbarland mit zunehmen, um es in das vom Dorf nahe gelegene Waisenhaus abzugeben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)