Dachgeschichten von -Lelias- (Manchmal muss man alles riskieren) ================================================================================ Kapitel 2: I just wrote to say I love you ----------------------------------------- Dachgeschichten Part 2 I just wrote to say I love you By –Lelias- Wenn Lukas so an die vergangenen fünf Monate zurückdachte, dann kam ihm alles wie ein einziger suspekter Traum vor. Gestern noch wohnte er bei seiner schwangeren Schwester Karin und ihrem Mann Arne, da lernte er plötzlich Fabian kennen und nun waren Karin und Arne in einer anderen Stadt und er hatte sich dazu entschieden erwachsen zu werden und zu Fabian zu ziehen. Fabian. Egal was in den letzten fünf Monaten vorgefallen war, er bereute nicht eine Entscheidung. Statt mit seiner Familie mitzuziehen, hatte er sich dafür entschieden, bei Fabian und Merry zu bleiben, auch wenn das bedeuten sollte, dass er seinen kleinen Neffen so gut wie nie zu Gesicht bekam. Alles lief gut, die ersten Wochen, nachdem er offiziell bei ihnen eingezogen war, schien es noch, als wüssten sie nicht so recht wie sie miteinander umgehen sollten, doch bald darauf sah man sie überall nur noch zu zweit, meist wie ein frisch verheiratetes Pärchen turteln oder Händchen haltend. Selbst Merry fand gefallen daran, dass sein Ziehenkel so glücklich mit dem anderen Jungen war. Die Tage waren wie alle anderen, Arbeiten im Schlüsselladen und abends nach Hause, den vereinbarten Teil des Haushalts erledigen. Es hätte ewig so weitergehen können und zusammen konnten sie auch herrlich den Stellvertretenden Leiter Herr Grass ignorieren, der wie ein drohendes Omen über ihnen schwebte. Alles kein Problem. Bis… Ja bis der Grund eintrat warum Lukas jetzt in einem schlecht beleuchteten und viel zu kleinem Warteraum des städtischen Klinikums auf einem Plastikhocker saß und den schluchzenden Fabian an sich drückte, die pikierten Blicke der anderen Wartenden kalt ignorierend. Die ganze Situation… so skurril und unwirklich, als sehe er gerade einen schlechten Film aus dem Blickwinkel des Teilnahmslosen Betrachters. Aber dem war nicht so. Als der Winter vorbei ging, ging es auch Merry immer schlechter. Das, was sie erst für eine normale Erkältung gehalten hatten, entpuppte sich wenig später als Lungenentzündung. An sich unerfreulich, aber er hätte es überleben können, hätte, wenn Merry nicht die ganze Zeit verschwiegen hatte, dass er positiv war. Positiv. Aids. Das war wie ein kalter Schlag ins Gesicht für die beiden Jungen gewesen. Auch später, als sie Merry erstmal wieder nach Hause entließen blieb das Thema seltsam unberührt, so als ob es einfach weggehen würde, würde man nicht darüber sprechen. Lukas wusste aber genau so gut wie Fabian, dass der verdammte Virus niemals einfach verschwinden würde und Merry weigerte sich standhaft zuzugeben, dass sie gehörig in der Klemme steckten, noch wollte er darüber reden wie lange er es schon hatte. Und als ob diese Gewissheit nicht gereicht hätte, Anfang Februar brach die Lungenentzündung erneut aus, diesmal durch Medikamente nicht mehr eindämmend. Sie gaben Merry nicht mehr als ein viertel Jahr und behielten ihn im Klinikum, wo zumindest Fabian ihn täglich besuchte. Lukas konnte nicht immer mit, wegen dem Laden, aber jedes Mal wenn Fabian nach Hause kam, sah er niedergeschlagener und erschöpfter aus als vorher. „Du solltest dir eine Pause gönnen…“, hatte Lukas noch zu seinem Freund gemeint, aber der erwiderte nur seltsam wütend, dass jede Sekunde zählen würde, wenn sie es schon nicht stoppen könnten. Dies war nur einer der Momente in denen sich Lukas seltsam befangen vorkam und nicht mal Karin am Telefon davon erzählen konnte. Warum nicht? Warum sorgte ein kleiner, unscheinbarer Virus dafür, dass aufgeklärte Menschen peinlich berührt das Weite suchten, oder ehemals scheinbar gesunde Menschen in einem alten Krankenbett dahinvegetierten, nur darauf wartend ihren letzten Atemzug zu geben? Dieser Virus hatte dafür gesorgt, dass sich Fabian von ihm entfernte. Dieser Virus hatte dafür gesorgt, dass sie heute Morgen einen Anruf erhielten, dass sich Merrys Zustand rapide verschlechtert hatte und sie ließen sie einfach nicht zu ihm, weil „Formalitäten“ geklärt werden mussten. Dies war auch der Grund, weshalb Fabian halb vor Erschöpfung schlafend auf Lukas Schoß saß, sich an ihn wie an eine Rettungsinsel klammerte und immer wieder herzzerreißend schluchzte. „Glaubst du dass alles gut wird?“, krächzte er immer wieder zwischen den einzelnen Schluchzern und auch wenn Lukas ganz genau wusste, dass nie wieder „alles gut“ werden würde, nickte er tapfer und strich dem Jüngeren über den Rücken. „Sicher wird es das Fabi…“ Und wie er es hatte kommen sehen, wurde gar nichts besser. Nachdem sie mehr oder weniger von einer Krankenschwester gezwungen worden waren einen Spaziergang im angrenzenden Klinikumspark zu unternehmen, ging in Merrys kleinem Zimmer der Alarm los. Herzstillstand. Lukas umarmte Fabian gerade vor dem Hof, wo sich Beide aus Nervosität eine Zigarette anzündeten und diese zwischen sich teilten. Rehabilitation. Fabian hustete, weil er den Rauch nicht mehr gewöhnt war und lächelte das erste Mal seit Tagen etwas zaghaft in Lukas Richtung. Zwecklos. Sie gingen mit eiligen Schritten, teils auch um der Kälte zu entkommen, zurück zum Flügel ihrer Station. Kälte kam ihnen entgegen. Tod. Am 16. Februar tat Merry seinen letzten Atemzug, abgesehen von den Ärzten um ihn herum war er allein, weil sie Fabian nicht zu ihm lassen wollten. Sie waren nicht Blutsverwandt. Fabian würde sich dies niemals verzeihen können. Die Beerdigung fand zwei Tage später statt, sie waren die einzigen Besucher. Lukas hätte nie gedacht, dass er mit einem Schlag erwachsen werden müsste um für einen geliebten Menschen da zu sein. Und Fabian brauchte ihn jetzt mehr als jemals zuvor. Es kam schon mal vor, dass Fabian nächtelang nicht schlief, oder tobend und schreiend irgendwelche Dinge zerstörte, nur um im nächsten Moment schluchzend zusammen zu brechen und weinend und apathisch auf dem Sofa saß und vor sich hin wimmerte. Unter diesen Umständen versuchte Lukas gar nicht erst etwas Normalität in ihr Leben zu bringen und ließ den Laden vorerst geschlossen. Zugegeben, Merry hatte ihnen eine Menge Geld hinterlassen, aber das half ihnen im Moment kein bisschen. Lukas spürte, dass sich Fabian trotz allem vor ihm verschloss. Der März brach an und Herr Grass hatte deutlich gemacht, dass, wenn sie nicht bald wieder eröffnen würden, würde der Laden weitergegeben werden. Lukas und Fabian mussten sich entscheiden. Der Jüngere wirkte immer noch nicht gesund genug, aber er versprach Lukas sich zusammen zu reißen. Doch es half nichts. Kurz darauf nahm Lukas Fabian zu sich und stellte ihn die Frage, über die er bislang viel und intensiv nachgedacht hatte. „Kommst du mit mir?“ Fabian, der mit den Gedanken gerade woanders gewesen war, hob fragend den Kopf. „Was?“ „Lass uns von hier weggehen. Wir könnten in eine andere Stadt ziehen und noch mal neu anfangen. Das Geld haben wir.“ „Aber warum?“, die Stimmlage Fabians ließ erahnen, dass er bereits selber darüber nachgedacht hatte. Lukas strich ihm sanft über den Kopf. „Weil du es hier nicht mehr lange aushältst.“ Die Sache war also beschlossen und sie planten alles für einen Auszug. Wohin? Das wussten sie noch nicht, Lukas hatte vorgeschlagen, dass sie es erstmal einfach so versuchten und die wärmer werdende Jahreszeit dazu nutzten eine neue Richtung einzuschlagen. Fabian war einverstanden und doch fühlte er sich nicht gut dabei, dass Lukas wegen ihm seinen Heimatort verlassen sollte. Die letzte Nacht vor der Reise. Sie hatten alles gepackt, würden nur das nötigste mitnehmen und nun lagen sie ein letztes Mal in Fabians altem Bett, Sally zwischen ihnen und aufgeregt schnuppernd. Die Hasendame ahnte, dass ihr eine weitere große Reise bevorstehen würde. Lächelnd streichelte Lukas ihr Fell und stupste eines ihrer langen Ohren mit der Nase an. „Hey…“, flüsterte er ihr zu und beobachtete belustigt, wie sie fast fragend zu ihm sah. Schmunzelnd schaute Fabian dem Schauspiel eine Weile zu und wurde wieder von einer Welle der Wehmut gepackt, als er daran dachte wie sie sich hier das erste mal getroffen hatten und wie Lukas ihm sein Geheimnis gezeigt hatte. Leider war der Zugang zum Dach versperrt worden und so fiel die Abschiedsfeier noch kleiner aus, als sie gedacht hatten. Nur sie drei in dem Bett, das sie schon seit Monaten teilten. Ein Schwermütiges Seufzen glitt über seine Lippen und veranlasste Lukas fragend aufzusehen. „Was ist los Fabi?“ „Es tut mir Leid, dass du das hier alles zurücklassen musst.“ „Schon okay, es war ja meine eigene Entscheidung.“ Der Blonde beugte sich über die Häsin rüber und küsste Lukas sanft. „Danke…“, wisperte er an seine Lippen und wurde sofort von einem geflüsterten: „Schon ok…“, erwidert. Behutsam setzte Fabian die Häsin auf den Boden und drückte sich näher an Lukas, der gleich seine Arme um ihn schloss und ihn fest an sich zog. „Ich liebe dich.“, ein weiterer Blick, ein Einverständnis. „Lust noch ein letztes Mal Erinnerungen an diesen Ort zu machen?“ Lukas lachte leise, willigte ein und begann Fabians Hemd aufzuknöpfen… … Einige Stunden später befanden sie sich in einem Zug in eine ungewisse Zukunft. Die Taschen gut verstaut, den Reisehasenkäfig unter sich stehend und händchenhaltend, warteten sie darauf den nächst besten Hauptbahnhof anzufahren. Endstation. Lukas wachte auf, rieb sich müde die Augen und weckte schnell Fabian, bevor sie noch auf einem Abstellgleis landeten. „…Alle Passagiere aussteigen…“, krächzte die Lautsprecherdurchsage noch einmal und sie beeilten sich als letzte den Zug zu verlassen. „Wo sind wir?“ „Ich weiß nicht… Aber hier sieht es nicht schlecht aus.“ Der Name des Bahnhofs war ihnen unbekannt, aber es schien auch keine zu große Stadt zu sein, viel versprechend, wie sie fanden. „Dann komm, schauen wir uns die Stadt etwas an.“ Wie sich herausstellte hatte die Stadt einen recht großen Kern mit belebter Fußgängerzone. Hier und da standen vereinzelt Pensionen herum und überall wurde mit dem Frühlingsfest geworben, das in ein paar Tagen stattfinden sollte. Dort begann auch das erste Problem. „Wie es sind alle Zimmer belegt?“ Der Mann an der Rezeption warf ihnen einen entschuldigenden Blick zu und Antwortete: „Tut mir echt Leid, aber zu den Festlichkeiten sind immer alle Zimmer ausgebucht. Ehrlich gesagt denke ich auch nicht, dass sie in anderen Pensionen mehr Erfolg haben werden.“ Niedergeschlagen saßen die Beiden nun vor der Pension, wo sie von einer übelgelaunten Dame davon gescheucht wurden. „Kannst du das fassen? Was müssen wir doch für ein Pech haben?“ Lukas strubbelte Fabians Haar durch und zog ihn wieder auf die Beine. „Na warten wir es ab und versuchen es weiter, ok?“ Ein paar Gaststätten, Pensionen und Hotels weiter verloren sie jedoch so langsam ihren Mut. Die komplette Stadt schien überfüllt zu sein, obwohl sie nicht sagen konnten WO die ganzen Menschen steckten. Eine Frau an der Rezeption gab ihnen den Tipp einfach in der Innenstadt zu schlafen, stieß dabei aber nicht gerade auf Begeisterung. „Warum nicht? Die Straßen sind sauber und das Wetter ideal. Zumindest für ein paar Nächte sollte das doch auszuhalten sein.“, Fabian regte sich immer noch über diese Bemerkung auf und zerwühlte Sallys Fell. „Vielleicht haben wir gar keine andere Möglichkeit.“, räumte Lukas vorsichtig ein und lief ziemlich nervös vor Fabian auf und ab. „Auf der STRAßE leben? Lukas! Ich bitte dich, wir sind doch nicht hierher gekommen um in der Evolution zurückzureisen. Was ist mit den Gefahren?“ Dem konnte der Schwarzhaarige nichts entgegenbringen. „Du hast sicher Recht, aber was machen wir stattdessen?“ „Am besten, wir fahren mit dem Zug weiter, oder zurück…“ „Zurück auf keinen Fall.“ Sie schwiegen sich eine Weile an. „Na gut, dann sollten wir uns aber erstmal um etwas Essbares kümmern, meinst du nicht auch?“, Fabian erhob sich ebenfalls wieder, steckte Sally zurück in ihren Käfig und klopfte seinen Freund auf die Schulter. „Zumindest DAS sollte in dieser Stadt möglich sein.“ War es auch. Abgesehen von ein paar Fastfoodläden, die sowieso 24 Stunden geöffnet hatten, fanden sie einen netten, kleinen Asiaten und dort ließ man sie auch mit Kaninchen rein, der Kellner witzelte nur, das sie ihr Essen aber nicht selber mitzubringen brauchten. Fabian wollte auf der Stelle den Laden wieder verlassen, wurde von Lukas aber doch überzeugt, dem Kellner eine zweite Chance zu geben. Widerwillig stimmte er zu. „Wenn wir heute keinen Zug mehr kriegen, schlafen wir dann doch auf der Straße?“ Der Jüngere sah ihn skeptisch an. „Dir scheint die Vorstellung zu gefallen oder?“ „Naja… Du und ich…“ „Und Sally!“ „…und Sally… unterm Sternenhimmel einer neuen Stadt, einem neuen Leben…“ „Du bist so melodramatisch.“, Fabian schaffte es das erste mal an diesem Tag amüsiert zu Lachen und handelte sich eine leichten Tritt ans Schienbein ein, doch statt etwas zu entgegnen, zwinkerte er Lukas verliebt zu und dankte ihm im Stillen für seine Unterstützung. Lukas grinste sein Essen an und freute sich schon auf die Nacht. Schlafen im Freien. Mit Fabian – Jippieh! Doch soviel an Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Als die Beiden wieder in der Innenstadt ankamen, stellten sie fest, dass nicht nur das rege Nachtleben eingesetzt hatte, sondern die Straßen von allerlei skurrilen Gestalten bevölkert wurde. Unruhig ließen sie sich auf eine Bank fallen, ganz in der Nähe der ersten Pension wo sie ihr Glück versucht hatten. Jetzt wurde auch klar wo die ganzen Leute waren… Müde lehnte sich Fabian an Lukas Schulter und drückte den Käfig ganz fest an sich, während sein Freund seinen Nacken streichelte. „Möchtest du ein bisschen schlafen?“ „Ja… Mir ist irgendwie schlecht.“ „Liegt das am Essen?“ „Ich weiß nicht, denke aber nein…“, er schloss die Augen und schlief fast auf der Stelle ein. Ein bemerkenswertes Talent, wie Lukas fand. Da er es sich nicht erlauben wollte ihr Gepäck unbeaufsichtigt zu lassen, beobachtete er lieber die Leute. Ein paar angetrunkene Männer liefen grölend durch die Gegend und ein paar völlig überschminkte Frauen verließen gackernd eine Bar. Idioten, schoss es dem Jungen durch den Kopf und nicht zum ersten Mal an diesem Tag vermisste er „sein“ Einkaufszentrum. Müde ließ er sich nach hinten sacken, lehnte den Kopf nun gegen Fabians. „Ach Kleiner…“, dachte er und runzelte besorgt die Stirn, als er sein erhitztes Gesicht berührte. „Geht es ihm gut?“ Lukas Blick ruckte nach oben und er brauchte einen Moment um zu realisieren, dass sie gemeint waren. Vor ihrer Bank hockte ein Junge, offensichtlich ein Punk mit Grünpinken Haaren und über die Knie verschränkten Armen. Fragend musterte er Lukas und dieser stellte irritiert fest, dass der Junge etwas Älter als sie sein musste, waren seine Gesichtszüge jedoch etwas kindlicher und auch das leicht geschminkte Gesicht, sowie die Piercings konnten den Eindruck nicht mindern. „Uhm… Ich bin mir nicht sicher…“, gestand Lukas verwirrt und schloss seinen Griff fester um Fabians Hüfte. Der Punk bemerkte dies lächelnd. „Dein Freund hu?“ „Schon…“ „Ich bin Jack.“, der Punk streckte ihm die Hand entgegen, welche Lukas nach einigem zögern annahm und sich ebenfalls vorstellte. „Ich bin Lukas und das ist Fabian.“ „Und wer bist du?“, Jack hatte Sallys Käfig erspäht und sah neugierig hinein, wo er auch gleich ebenso neugierig von Sally beschnuppert wurde. „Das ist Sally, Fabians Häsin.“ „Sehr süß! Mein Freund, Adrian, hat auch einen Hasen, er heißt Jack“, Jack verzog kurz das Gesicht, „Aber den hatte er schon bevor er mich kennen lernte…“ Lukas wollte gerade den Mund öffnen um etwas zu erwidern, da quasselte der Andere einfach weiter: „Ich nehme an ihr seit neu hier? Ist nicht so gut als Neulinge hier herumzustreunen, lass mich raten, die haben wegen des Festes keinen Platz mehr für euch?“ Dieses Mal wartete Jack und sah ihn gespannt, abwartend an. Lukas seufzte und wurde sich bewusst, dass sie ihn wirklich nicht loswerden würden. „Ok, also, Fabian und ich sind seit heute neu in der Stadt und haben festgestellt, dass alles belegt ist. Da wir heute aber keinen Zug mehr kriegen, wollten wir für heute Nacht hier schlafen.“ „Und was ist mit ihm?“ Lukas Blick haftete sich wieder an den schwerer atmenden Fabian. „Ich weiß nicht… Wir waren essen und seitdem…“ „Es hat scheinbar irgendetwas nicht vertragen.“ „Offensichtlich.“ Lukas wirkte ziemlich verzweifelt und sah den Punk bittend an. „Kannst… Kannst du uns helfen?“ Jack schien eine Weile zu überlegen, richtete sich dann wieder ganz auf und antwortete zuversichtlich: „Ich denke, es wird das Beste sein, wenn wir ihn zu meinem Freund bringen.“ Da Lukas der Ansicht war, dass ihnen eigentlich keine wirklich akzeptable Alternative blieb, nahm er Fabian kurzerhand Huckepack und folgte Jack, der ihnen etwas von dem Gepäck abnahm und damit jonglierte. „Ich muss verrückt sein, ich muss absolut verrückt sein“, echote es in Lukas Gedanken und der Schwarzhaarige musste sich anstrengen diese einfach zu ignorieren. „Sag mal, Jack, wie ist dein Freund so?“ „Adrian? Der ist ein ganz lieber Kerl, morgens ziemlich launisch, aber sonst… Ah und ich kann dir sagen, er ist bildhübsch! Ich bin ziemlich stolz auf ihn.“, Jack machte eine kurze Pause, lachte und gab Lukas gar keine Gelegenheit irgendetwas zu erwidern. Nein, stattdessen quatschte er fröhlich weiter auf den ziemlich geplätteten Lukas ein, der seine Mühe hatte Fabian weiter zu tragen. Todesmutig wagte er es Jack in den Lobeshymnen an seinen Freund zu Unterbrechen. „Entschuldige, aber wie weit ist es noch?“ In dem Moment regte sich Fabian. „Um… Luke?“, dieser setzte ihn ab und sah ihn besorgt an. „Alles klar Fabi?“, der Angesprochene nickte schwach und erwiderte: „Mir ist furchtbar schlecht…“ „Hast du dir den Magen verdorben?“, nun drohten Fabians Beine doch wieder nachzugeben und Lukas hob ihn wieder auf seinen Rücken. „Halt dich fest ja? Wir sind bald da…“, sofort schlangen sich Arme um seinen Oberkörper und Fabian hatte schon wieder die Augen geschlossen. Jack beobachtete das Geschehen lächelnd und wohlwollend. „Dann kommt… Es ist nicht mehr weit…“ Nach ein paar Minuten betraten sie eine kleine Seitenstraße in der man sich irgendwie ins letzte Jahrhundert zurückversetzt fühlte. Die Straße, die schon mehr eine Gasse war, war über ihren Köpfen mit Wäscheleinen bespannt, an denen neben Wäsche auch vereinzelte Grüße zum Frühlingsfest aufgehängt wurden. Jack bemerkte Lukas interessierten Blick und meinte nur, dass das normal sei und sie dem am besten keine weitere Beachtung schenken sollten. Dann waren sie da. Jack betrat wieder einen Gang, diesmal blieb er aber vor der Tür eines Mehrfamilienhauses stehen und kramte in seiner halb zerrissenen Jacke nach einem Schlüssel. Wie spät mochte es sein? Die Straßen waren wie ausgestorben und es hätte gut und gerne elf oder vier Uhr sein können. „Komm rein und sei leise okay?“, Jack hielt ihnen die Tür auf und lief dann vor in den dritten Stock, einen Aufzug gab es nicht. Als Lukas dann auch endlich das Stockwerk erreicht hatte, setzte er Fabian erstmal ab und lehnte ihn an die Wand um zu verschnaufen. Kühl war es in diesem Flur. Jack schloss wieder eine Tür auf, eine durchschnittliche Einheitstür, die es auf diesem Flur dreimal gab und ließ sie wieder hinein. Ein Hauch von Patchouli wehte ihnen entgegen und Fabian wachte davon auf. „Hmm… wo sind wir?“, vorsichtig stand er auf und hielt sich an Lukas fest. „Wir sind bei meinem Freund Adrian.“, antwortete Jack und lächelte ihm dann zu: „Ich bin Jack, schön dich im wachen Zustand kennen zu lernen.“ Viel zu benommen um sich ernsthaft zu wundern nickte Fabian ihm zu. „Fabian.“ Der Punk lächelte noch einmal und wand sich dann zu Lukas um. „Ich geh eben nach Adrian sehen, wartet ihr bitte kurz?“ Damit war er auch schon verschwunden und ließ das Pärchen in dem schwach beleuchteten und totenstillen Wohnungsflur zurück. „Warum sind wir hier?“, fragte Fabian leise und ließ sich von Lukas umarmen, vergrub sein Gesicht in dessen Brust. „Jack meint, dass Adrian uns vielleicht helfen könnte.“ „Hm…“ „Geht’s dir besser?“ Eine weitere genuschelte Antwort verschwand in Lukas Pullover. „Ich seh schon.“ Währendessen betrat Jack Adrians Schlafzimmer. Wie üblich wurde es so dunkel wie möglich gehalten damit auch ja kein Lichtstrahl Adrians Schlaf störte, aber Jack hatte keine wirklichen Schwierigkeiten seinen Freund zwischen den dunklen Kissen auszumachen. „Guten morgen…“, flüsterte er in die Dunkelheit und setzte sich auf die Bettkante, strich ihm liebevoll über das Gesicht. Der Körper neben ihm bewegte sich etwas und seine Störung wurde mit leisem Gemurre quittiert. Zwei Hände schlossen sich um Jacks Oberkörper und zogen ihn herunter. „Sitz hier nicht rum und komm ins Bett…“, das Murren klang ungnädig und Jack lachte leise, ließ sich ein Stück weit ziehen. „Adrian…“, flüsterte er fast liebevoll. „Was denn?“, die Hände fuhren bereits unter sein Oberteil. „Wir haben Besuch…“ Die Bewegung der Hände erstarb und Adrian blinzelte ihn müde an, setzte sich zumindest so weit auf, dass ihre Köpfe nur ein paar Zentimeter von einander entfernt waren. „Was?“ Schnell erzählte Jack von den aufgegabelten Jungs und davon, dass es Fabian nicht gut ging und er daher beschlossen hatte, sie hier her zu bringen. Adrian seufzte. Ihm war das Verhalten seines Freundes zwar nicht unbekannt aber trotzdem ging ihm dessen Gutmütigkeit manchmal gehörig auf die Nerven. „Du kommst mich wirklich nur besuchen wenn du mich brauchst, hm?“, maulte er gekränkt und ließ sich von Jack sanft küssen. „Du weißt, dass das nicht stimmt…“ „Ja ich weiß…“ Nun setzte sich Adrian ganz auf und strich sich die langen Haare aus dem Gesicht, versuchte halbherzig sie zu ordnen und küsste Jack entschuldigend. „Na gut, komm, zeig mir deine kleinen Schützlinge.“ Lukas hob den Kopf, als er endlich wieder Geräusche aus der Wohnung wahrnahm und erhob sich aus der Sitzposition, in der er sich eben noch befunden hatte. Er musste an Jacks Worte denken, daran wie er mit Adrians Schönheit geprahlt hatte und wenn er ihn so sah, wie der fremde Mann in Shorts und Bademantel vor ihnen stand, da musste er Jack neidlos recht geben. Adrian war wirklich hübsch. Er schien ziemlich groß zu sein, schlank und sein Gesicht war fein geschnitten und verlieh seinem Äußeren einen Androgynen Touch. „Hallo, ich bin Adrian.“, stellte der sich auch gleich mit noch leicht schlaftrunkener Stimme vor und musterte die Beiden neugierig. „Ihr müsst Lukas und… Fabian…? Sein? Nett euch kennen zu lernen.“ Fabian, der in der Zwischenzeit schon wieder eingeschlafen war, wurde mehr von dem Schwarzhaarigen gehalten und nickte Adrian zu. „Ich habe gehört es geht dir nicht gut?“ „Es wird besser…“ Adrian schien einen Moment zu überlegen. „Na gut… Es ist spät und ich weiß nicht wie es euch geht, aber wenn ihr meint, dass ihr keinen Arzt braucht, dann legen wir uns am besten alle erstmal noch eine Runde hin und sehen was wir morgen machen, okay?“ Das Paar nickte dankbar. „Gut, dann bis in ein paar Stunden, ihr seht echt aus, als ob ihr Schlaf gebrauchen könntet.“, wieder musterte er Fabian und fügte hinzu: „Jack wird euch sicher gerne Decken geben und euch die Sofas zeigen. Bis nachher.“, ein weiteres müdes Lächeln folgte und Adrian war schon wieder verschwunden. Der Pinkhaarige brachte sie ins angrenzende Wohnzimmer, ein kleiner Raum der mit allerlei Möbeln übersäht war und schob zwei Sofas zusammen, auf denen sie schlafen konnten. „Er meinte es nicht so unfreundlich, wie es vielleicht klang, er ist nur sehr müde.“ Lukas nickte nur und als Jack ihnen Decken und Kissen gab wünschte er ihnen eine gute Nacht und während Lukas und Fabian endlich Schlaf fanden, huschte der Punk zurück in Adrians Zimmer. „Licht aus, ausziehen, ab ins Bett.“ Jack grinste, als er Adrian völlig nackt mit zurückgeschlagener Bettdecke im Bett liegen sah und sich dessen Morgenmuffligkeit bemerkbar machte. Schnell löschte Jack dass Licht, warf seine Sachen über einen Stuhl, den er in einer anderen Ecke des Zimmers vermutete und schlüpfte zu dem langhaarigen, der sogleich die Decke über sie zog. Leise und zufrieden seufzend kuschelte sich der Kleinere an Adrian und gab ihm einen Kuss. „So lange gearbeitet?“ „Naja, musste zwei Schichten übernehmen, weil der Penner von Kollege krank ist… Durfte daher seine Schicht übernehmen.“ Der Andere zwirbelte eine lange Haarsträhne zwischen seinen Fingern und flüsterte mitleidig: „Armer Schatz…“, dann küsste er ihn erneut nur kurz und meinte lächelnd: „Schlaf gut.“ „Du auch Jacky.“ Die restliche Nacht zog über sie hinweg und der morgen brach an, tauchte die restlichen Teile der Wohnung in sanftes Licht und auch wenn Adrian in seinem abgedunkelten Zimmer gar kein Licht spüren konnte, wachte er dennoch als Erster auf. Als er blinzelnd die Augen öffnete, wusste er auch warum er aufgewacht war. Ein einzelner Sonnenstrahl hatte sich durch ein Loch in der Jalousie durchgekämpft und kitzelte ihn direkt an der Nase. Was für ein Morgen. Das nächste was er notierte, war Jackys Anwesenheit. Das war gut. Aber warum war er noch mal hier? Irgendwas war gestern gewesen… Scheiß Kopfschmerzen. Er hielt sich den schmerzenden Kopf und schwang die Beine aus dem Bett, zuckte wegen des kalten Bodens kurz zusammen und warf einen Blick auf den nackten, schlafenden Körper seines Freundes. Nein keine Erinnerung. „Na erstmal Kaffee machen.“, murmelte er zu sich selbst und stand erstmal so wie er war auf, verließ den Raum um Kaffee zu machen… Der kurz darauf gellende Schrei weckte selbst Jack, der kerzengerade im Bett saß und sich erschrocken umsah. Ein Blick zur leeren Seite des Bettes und er sprang fluchend auf, zog sich allerdings schnell etwas über und lief zum Ursprung des Schreis. Das Bild das sich ihm bot war gut, wirklich gut! Jack lachte und zog damit die Aufmerksamkeit zu sich. Adrian, immer noch nackt und Lukas standen sich völlig überfordert gegenüber. Vermutlich hatten beide gleichzeitig versucht die Küche zu betreten, beziehungsweise zu verlassen und standen sich in einem Moment der absoluten Überraschung gegenüber. Natürlich hatte Adrian geschrien, dem so langsam die Erinnerung von gestern Nacht überkam. Fabian stand währenddessen in der Tür zum Wohnzimmer und versuchte die Situation zu begreifen. „Soll ich mal auflösen?“, bot Jack immer noch kichernd an und drückte Adrian anstandshalber ein paar Shorts in die Hand. Dieser starrte ihn an, als sei er über Nacht zu einem Frettchen mutiert und zog sich brav die Shorts an. „Schatz? Das sind Lukas und Fabian, ich habe sie gestern mit hierher gebracht. Erinnerst du dich?“ Zögerliches Nicken folgte. „Gut… Und ihr Beide.“, er sah zu Lukas, der immer noch hoch rot und wie erstarrt einen leeren Punkt in der Luft fixierte und Fabian, der das Ganze fast komisch fand und ergänzte: „Entschuldigt ihn bitte… Adrian neigt dazu Dinge zu vergessen, die er zwischen seinen Schlafphasen erlebt hat. Liegt an seinen morgendlichen Kopfschmerzen.“ „Scho… Schon ok…“, nuschelte Lukas und ging wieder zu Fabian, der seinen völlig geschafften Freund in den Arm nahm und noch immer erheitert kicherte. „Was für ein Morgen…“ Jack ging an seinem Freund vorbei in die Küche und sah das Lukas Kaffee aufgesetzt hatte. „Ah… Bestens. Lasst uns Frühstücken.“ Nachdem sich alle im Wohnzimmer eingefunden hatten, verteilte Jack die Brötchen, die er eben noch vom Bäcker geholt hatte. „Also…“, Adrian brach die Stille. „Ihr Beiden seit neu in der Stadt ja?“ „Gestern erst angekommen.“ „Seit ihr auf der Durchreise?“ Lukas und Fabian warfen sich einen Blick zu. „Das wissen wir noch nicht. Eigentlich wollten wir hier her ziehen aber solange die Vorbereitungen für das Frühlingsfest sind, scheint es ziemlich unmöglich zumindest ein Zimmer für kurze Zeit zu kriegen…“ „Stimmt, da habt ihr euch eine ungünstige Zeit ausgesucht. Warum hat es euch denn ausgerechnet in dieses Nest verschlagen?“ Lukas erzählte ihnen mit ein paar Worten von den Ereignissen der letzten Zeit und dass sie jetzt nur noch neu anfangen wollten. Es herrschte daraufhin eine Weile Schweigen und Adrian rührte nachdenklich in seinem Kaffee. Er machte einen ziemlich erwachsenen Eindruck auf die Anderen, anders als Jack, der wirklich die Naivität eines Kindes zu besitzen schien. Das konnte allerdings auch täuschen. „Bis ihr was anderes gefunden habt könnt ihr gerne hier bleiben.“ Lukas schüttelte den Kopf. „Das können wir nicht annehmen, ihr habt uns gestern schon geholfen.“ „Ach, ich bin es gewohnt Besuch zu haben… Und nach gestern Nacht… Ah! Wie geht es dir eigentlich?“, die Blicke fielen auf Fabian, der wie gewohnt still an Lukas Seite saß und auf einem Brötchen rumkaute. „Schon deutlich besser, mir bekam sicher das Essen nicht.“ „Das freut mich zu hören… Jack hätte euch auch zu einem Arzt schicken können.“, er warf diesem einen bestimmten Blick zu und sein Freund rollte mit den Augen. „Darauf bin ich dann auch gekommen…“ „Wie üblich…“ Sie streckten sich die Zungen heraus. Lukas sah sich etwas um. Die Wohnung schien ziemlich klein und was er so bislang von ihr gesehen hatte, ließ darauf schließen dass Adrian viel wert auf eine Okkulte Einrichtung legte. Sein Blick glitt zu Jack, dem farbenfrohen Punk und zu Adrian, der eher so wirkte, als hätte man ihm alle Farbe abgesaugt. Was für ein Paar. „Ihr seit doch… Also…“, dass diese Frage unter Umständen ziemlich unhöflich war fiel ihm erst während des Sprechens auf, aber Adrian grinste freudig und erwiderte fast stolz: „Jep. Jacky ist meiner.“ „Und ihr wohnt hier zusammen?“ „Nein.“ Fabian sah ihn fragend an. „Wieso nicht?“ Bevor Adrian darauf antworten konnte, fiel ihm Jack ins Wort: „Ich lebe eben lieber auf der Straße. Aber ich habe einen Schlüssel und verbringe schon viel zu viel Zeit hier.“, unsicher wie ernst der letzte Satz gemeint war, versuchte Fabian das Thema zu wechseln. „Und was macht ihr sonst so?“ „Ich arbeite als Tänzer in einem Nachtclub.“, ein seltsam liebenswürdiger Kommentar von einem androgynen Mann, während er Kaffee trank und dies so freimütig zugab, als würde er sagen das er Reis am liebsten gekocht aß. „Uhm…“ „Tänzer, nicht Stricher.“, betonte er noch einmal bestimmt und Jack zuckte mit der Schulter. „Und er ist wirklich gut.“ Die anderen Beiden schienen das Thema nicht genauer anschneiden zu wollen, deswegen fragten sie Adrian noch über ein paar andere Dinge aus, wie alt sie waren, wie lange sie zusammen seien, eben solches Zeug. „20 und 19 also. Hm…“, Adrian sah nachdenklich aus. „Fabian ist leider zu jung, aber Lukas, brauchst du einen Job?“ Misstrauisch die Augenbraue hebend entgegnete dieser: „Ich kann aber nicht tanzen.“ „Brauchst du auch nicht, wir könnten eine neue Bedienung für die Bar gebrauchen.“ Ehe er das Thema ausführen konnte, fiel Adrian der Hasenkäfig ins Auge. „Ah! Ein Hase?“ Fabian zuckte zusammen. „Sally! Ich habe sie fast vergessen!“, sofort sprang er auf, gefolgt von Adrian und sah nach seiner Häsin, die ihn sogleich freudig beschnupperte. „Nein! Wie süß…“, seufzte Adrian hingerissen und Jack rief ihm zu: „Wo ist eigentlich Klein-Jack?“ Adrian sah sich um und kratzte sich am Kopf. „Öhm… Ah!“, mit zwei großen Schritten war er am anderen Ende des Raumes, wo er seinen Hasen vermutete. Tatsächlich. Keine zwei Momente später hob er den leicht strampelnden, schwarzen Hasen am Genick aus einem Eimer und drückte ihn an sich. „Was hast du denn da gemacht Jack?“ Liebevoll stupste er das Fell mit seiner Nase an. Fabian trug Sally nun ebenfalls auf den Arm und ging zu ihnen. „Guck mal Sally, ein neuer Freund?“ Die beiden Hasen beschnupperten sich von Arm zu Arm aus und Jack versuchte zu ihr zu gelangen. „Scheint als ob Jack gefallen an ihr gefunden hat.“ Adrian setzte Jack auf den Boden ab und Fabian tat es ihm gleich. „Ist das ok wenn sie hier auch herumläuft?“ „Klar, kein Problem.“ Jack seufzte und klatschte in die Hände. „Was ist jetzt mit dem Job Adrian?“ „Ah… tut mir Leid… Also es ist folgendes…“ Hätte man Lukas diesmal vor zwei Monaten erzählt was alles auf ihn zukommen würde, dann wäre ihm dies noch unwirklicher vorgekommen als die Tatsache dass er einmal mit seinem Freund das Center verlassen würde. Jetzt, zwei Monate nachdem er und Fabian festgestellt hatten, dass es wirklich das Beste wäre bei Adrian einzuziehen, stand er hinter der Bar und händigte den Kunden, überwiegend jungen Männern, die gewünschten Getränke aus. Adrian, der hier tanzte, hatte ihm im „Pinc“, einem recht bekannten Treff der schwulen Szene, diesen Job besorgt und nur seiner Beharrlichkeit war es zu verdanken, dass Lukas den Job bekam, obwohl er ein Jahr zu jung war. Manchmal kamen Fabian und Jack vorbei um sie zu besuchen oder sich eine Show anzusehen. Lukas verstand nicht, wie Jack bei der Tatsache, dass sein Freund halb nackt vor Fremden tanzte so ruhig bleiben konnte, aber man musste ja nicht alles verstehen. Ebenso verstand er es auch nicht, warum sie nicht zusammen wohnten. Nun bezahlten sie einen Teil Miete und wohnten praktisch wie in einer WG zusammen. Wo Jack in der Zeit war wusste er nicht, aber Lukas machte sich da mehr sorgen um Fabian. Der Tod Merrys machte ihm immer noch zu schaffen und auch wenn seine Wut- und Traueranfälle deutlich zurückgegangen waren, war er verschlossener als vorher. So beschloss Jack ihn mit auf die Straße zu nehmen. Einfach aus dem Grund, damit er auf andere Gedanken kam und nicht allein in der Wohnung sitzen musste, wenn die anderen Beiden arbeiteten. So erfuhr Fabian auch, dass Jack als Gitarrist in einer kleinen Punkband spielte und wurde immer als „Publikum“ für ihre neuen Lieder missbraucht. Es schien ihm gut zu tun und so zwang sich Lukas seine aufkeimende Eifersucht runterzuschlucken und die Zeit um so mehr zu genießen, wenn sie sich mal längere Zeit sahen. An diesem Abend fiel Lukas zum ersten Mal seit langem auf, dass er das Gefühl hatte sie würden sich entfernen. Nicht entfernen in dem kitschigen Sinne, das ihre Gefühle weniger wurden, aber er machte sich Sorgen, dass ihm dies irgendwann egal sein konnte. Eine kühle Hand legte sich in seinen Nacken und Lukas sah erschrocken auf. „Träumst du?“ Adrian, der gerade seine Kleidung zurechtrückte stand hinter ihm und legte den Kopf schief. „Was ist los?“ „N… Nichts, alles in Ordnung, bist du fertig?“ „Körperlich und seelisch.“ „Das übliche eben.“, sie grinsten sich zu. „Na komm, mach auch Schluss und lass uns nach Hause gehen.“, dem willigte Lukas ein und sie verabschiedeten sich von ihren anderen Kollegen und ihrem Chef. „Du bist echt sowas wie eine Berühmtheit oder?“, feixte Lukas und sah wie ein paar der Besucher ihnen verstohlen Blicke zuwarfen. „Gut möglich, ich bin ja schon länger dabei.“ Sein Grinsen sprach außerdem das unausgesprochene „außerdem bin ich heiß“ aus und sie beließen es dabei. „Wie alt warst du noch mal?“, grinste Lukas und spielte darauf an das Adrian der Älteste von ihnen war. „Knackige 25!“ „Damit bist du fünf Jahre älter als ich und drei Jahre älter als Jack.“ „Pff… Ich stecke in der Blüte meines Lebens.“ „Du hast so einen Vogel.“, der Jüngere boxte gegen Adrians Arm, der daraufhin seine Tätowierung zeigte und lachte: „Nein, nach der letzten Kontrolle war es noch eine Fledermaus.“ Gegen drei Uhr morgens betraten sie die Wohnung, die wie gewohnt still und verlassen wirkte. „Scheint, als würden Jack und Fabian wieder nicht hier sein…“, murmelte der Ältere und schaute auf sein Handy. „Ah, er hat geschrieben. Sie sind heute noch bei einem Freund von Jack zur Probe. Da sie nicht wüssten wie lange das dauern könnte, bleiben sie direkt da. Ich soll dir „ich liebe dich“ von Fabian ausrichten.“ Lukas brummte nur etwas und warf sich auf eines der Sofas. „Geht zurück…“ Stirnrunzelnd steckte Adrian sein Handy wieder ein und setzte sich zu dem Anderen. „Was ist los Lukas?“ Ihn nicht ansehend murrte er nur zurück: „Stört es dich nicht, dass Jack nie hier ist?“ Nach einer Weile des Schweigens antwortete Adrian so ehrlich und ernsthaft wie Lukas ihn bislang selten erlebt hatte. „Natürlich tut es das und es macht mich wahnsinnig, dass er immer noch nicht hier einziehen will.“ „Warum siehst du es dann so locker?“ „Weil es seine Entscheidung ist… Jacks Leben ist meinem so Unterschiedlich, dass ich genau weiß, dass unsere Liebe vorbei wäre, würde ich ihn zu sehr einschränken.“ „Und was ist mit Fabian? Schränke ich ihn zu sehr ein?“ „Nein, das denke ich nicht und ich bin mir sehr sicher, dass Fabian sich auch wünscht dass ihr häufiger zusammen seid.“ „Warum ist er dann nie hier?“ Es folgte wieder eine Pause und Adrian antwortete leise: „Es dauert bis er mit sich selber ins Reine kommt… So wie ihr mir die Sache mit Merrys Tod erzählt habt, leidet er sehr darunter oder?“ Ein schweres Seufzen glitt über Lukas Lippen, er hasste es wenn der Älteste genau den Wunden Punkt traf. „Das tut er…“ „Nun sucht er Zerstreuung um damit fertig zu werden.“ „Warum sucht er sie nicht bei mir?“ Adrian strich ihm aufmunternd durch die Haare. „Weil er dich liebt und es nicht an dir auslassen möchte…“ Wenn Lukas doch nur wüsste, dass es seinem Freund nicht weit entfernt ähnlich ging. Die Party war längst gelaufen, die Freunde Jacks hatten es scheinbar etwas übertrieben und nachdem die Polizei den ersten von den Punks mitnahm, beschloss Jack, dass es Zeit war um aufzubrechen. Nun liefen sie in der lauen Nacht auf der unbelebten Straße zu ihrem unbestimmten Ziel. „Glaubst du Lukas und Adrian sind zu Hause?“ Jack sah auf sein Handy und nickte. „Gut möglich, zumindest hat er mir zurück geschrieben.“ Fabian seufzte und fragte dann: „Warum sind wir dann nicht auf den Weg zu ihnen?“ „Willst du das denn?“ Fabian dachte nach, dachte an die unzähligen Gespräche, die er in letzter Zeit mit Jack geführt hatte und die ihm alle nur sagten, dass Fabian Angst hatte mit Lukas einen Fehler zu machen und ihn dann zu verlieren. Die Trauer um Merry nagte an ihm und so sehr er sich auch wünschte sich von Lukas trösten zu lassen, so wusste er auch dass er seinen Schmerz vielleicht an ihm auslassen könnte. „Also?“ „Ich weiß nicht… Ich will ihn sehen, ich will aber auch bei ihm sein und ihm eine Chance geben können…“ Jack strubbelte durch sein Haar und meinte dann: „Na komm, wir probieren es trotzdem oder? Ich muss dich ja eh zu Hause abliefern wenn wir schon nicht woanders schlafen können.“ „Bleibst du auch?“ „Ich sollte Adrian mal wieder den Gefallen tun, ja.“ „Du liebst ihn doch, warum klingt das dann so als ob du am liebsten nie dort bleiben würdest?“ „Das hat nichts mit Adrian zu tun. Er ist mein Freund und ich verdanke ihm schon sehr viel, aber es gibt Bereiche in unseren Leben, die nicht zueinander passen.“ „Und die wären?“ „Das erzähle ich dir ein anderes Mal, lass uns gehen.“ Und so schlugen die Beiden den Weg in Richtung Heimat ein und dort angekommen wurden sie auch gleich herzlich begrüßt. Kaum die Tür aufgeschlossen erschien auch gleich Adrian in der dieser und sah sie ungläubig an. „Jacky! Fabian! Ihr seid doch hier?“ „Gab ein paar Komplikationen und ich dachte, dass wir dann doch lieber hier her kommen. Warum bist du noch wach?“, Jack war ein paar Schritte auf Adrian zugegangen, der ihn sogleich umarmte und leise murmelte: „Ich konnte nicht schlafen…“ „Du? Sag bloß…“ Dann küssten sie sich innig und Fabian sah dezent weg, bemerkte dann aber dass er von Lukas, der ebenfalls in der Tür erschienen war, gemustert wurde. „Hey Fabi…“, meinte er leise und schloss den Jüngeren ebenfalls in die Arme. Dieser seufzte zufrieden. Wenn dies doch genau das Gefühl war, dass er brauchte und so sehr liebte, warum versuchte er dann immer davon wegzulaufen? „Ich habe dich vermisst…“, und Fabian antwortete in voller Ernsthaftigkeit und Zustimmung: „Ich weiß.“, denn er wusste wie sich dieses Gefühl anfühlte. „Ich schlage vor, wir gehen wieder alle ins Bett oder?“, sie stimmten Adrians Vorschlag zu und während Lukas und Fabian sich wieder auf ihr Sofa zurückzogen, zog sich Jack aus und kroch zu dem Ältesten ins Bett. „Wie war es heute?“, fragte er leise und fuhr mit dem Finger Kreise über Adrians Brust. „Das Übliche. Dieselben Menschen, dieselbe Arbeit… Und bei dir?“ „Das Übliche. Dieselben Menschen, das übliche Ergebnis.“, er grinste ihn an und fügte hinzu: „Flo wurde heute von der Polizei mitgenommen.“ „Wieso das?“ „Ach wie ich sagte…“ „…das Übliche.“ Es folgte ein kurzer Blick, ein wissendes Lächeln. „Ich liebe dich.“ „Ich dich auch, ich bin froh dass ihr noch hergekommen seid.“ „Fabian war sich nicht sicher ob er wollte.“ „Hat er immer noch das Gefühl Lukas nicht verdient zu haben?“ „Scheint so.“ Es folgte ein Seufzen, dann der sanfte Druck der massierenden Hand von Adrian in Jacks Nacken. „Wir sollten uns später darum kümmern…“ „Okay.“ „Willst du schlafen, oder lieber…“ Jack zwinkerte ihm zu und entgegnete: „Als ob ich jemals vor dir müde werden würde alter Mann…“ „Na dann bin ich aber gespannt…“ … Wieder vergingen die Tage und es war allen anzusehen, dass ihnen das hin und her zwischen Lukas und Fabian zu schaffen machte. Waren sie zusammen, wirkten sie fast verzweifelt verliebt und waren sie getrennt, wurde der eine von inneren Schuldgefühlen zerfressen und der Andere von Zweifeln geplagt. „So geht das nicht weiter.“, bestimmte Adrian eines Abends, an dem sie es mal wieder schafften zusammen zu essen. „Entweder ihr seid glücklich oder nicht, aber dieses hin und her hat schon fast etwas Shizophränes.“ Fabian senkte seinen Blick und stocherte peinlich berührt in seinem Essen herum. „Warum sagst du sowas?“, wollte Lukas leise wissen und funkelte ihn an. „Weil ich euch sehe und ich sehe zumindest dich wenn ihr getrennt seid.“ „Adrian…“, meinte Jack beschwichtigend und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Nicht…“ Der Ältere grummelte leise etwas und aß schweigend weiter. Sie wussten selber, dass es so nicht weiter ging… An einem ihrer freien Tage ereignete sich etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Adrian bekam Besuch… von seinem Sohn. Als es an der Tür klingelte, war dies schon ein kleines Ereignis in der Wohnung, als der Schwarzhaarige die Tür dann aber öffnete und ein kleiner, Junge „Papa, Papa!“, rufend ihm um den Hals fiel, ließ Fabian vor Schreck sein Glas fallen. In der Tür stand eine Frau, etwa in Adrians Alter und vor ihr ein kleiner Junge, der die schwarzen Haare und die dunklen Augen seines Papas geerbt hatte. Jack schien sich möglichst unsichtbar machen zu wollen und Lukas musste ungefähr so überfordert gucken wie er selbst. „Danke Jen, ich kann Daniel ein paar Stunden nehmen, kein Problem.“ Die Frau verabschiedete sich eilig, drückte ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange und nickte den Restlichen freundlich zu. „Danke Adrian, bist ein Schatz. Bis nachher dann.“ „Bist ein Schatz…“, äffte Jack so leise nach, dass es nur Fabian hören konnte und drehte sich dann wieder zu Adrian und Daniel. Der Vater sah in die fragenden Gesichter und erklärte: „Das ist mein Sohn Daniel. Sag hallo Kleiner.“ Der Sohn gehorchte und wurde dann von seinem Papa ins Wohnzimmer geschickt, wo er mit den Hasen spielen konnte. „Ihr…“ „Was zur Hölle war das?“, fragte Lukas fast entsetzt und starrte dem kleinen Jungen nach. „Nun, wie gesagt…“ „Ja klar, aber wieso?“ Jack klärte auf: „Vor fast sieben Jahren, da waren wir noch nicht zusammen, da hatte er eine Freundin, das war die, die ihr eben gesehen habt. Und als sie plötzlich schwanger wurde, trennten sich ihre Wege und seitdem darf Adrian alle paar Wochen ein bisschen auf seinen Sohn aufpassen wenn sie mal wieder…“ „Jack!“, fuhr Adrian dazwischen. „Rede nicht so abfällig wenn der Kleine dich hören kann.“ Jack schnaubte und drehte bockig seinen Kopf weg. „Weiß sie nicht dass du…“ „Natürlich weiß sie es, sie weiß auch, dass Jack mein Freund ist.“ Betroffenes Schweigen und plötzlich wurde Fabian klar, was Jack damit meinte, dass es Dinge in ihrem Leben gab, die nicht zusammenpassten. Hätte Lukas ein Kind, abgesehen davon dass dies schwer möglich war, würde er durchdrehen. So scheinbar auch Jack, der sich einerseits nicht überwinden konnte den Kleinen nicht zu mögen, andererseits aber auch tierisch eifersüchtig auf Jen war. Adrian, der in der letzten Zeit seine Sensibilität für seine Mitmenschen noch verstärkt hatte, legte seine Arme um den Punk und küsste seinen Nacken. „Ist ja nur für ein paar Stunden hm?“ „Jaja…“ Lukas sah zu Fabian, fühlte auf einmal Neid in sich aufwallen und ging ebenfalls ins Wohnzimmer. Wie es wohl seinem kleinen Neffen ging? Fabian sah ihn schweigend und niedergeschlagen hinterher, senkte dann seinen Blick. Der Nachmittag ging vorbei und die Jungs beschäftigten sich etwas mit Daniel, erfuhren dass er in der Nachbarstadt bei seiner Mutter wohnte und nur gelegentlich hier her kam, was allerdings an Adrians unregelmäßigen Arbeitszeiten lag. Gegen Abend musste Lukas aufbrechen um seinen Job im Pinc nachzugehen, während Adrian erst am nächsten Tag wieder arbeiten musste. Ohne sich wirklich zu verabschieden, verließ er die Wohnung und ließ damit nicht nur den etwas überforderten Fabian zurück. Jack legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter und meinte: „Das wird wieder.“ Adrian war sich da nicht so sicher. „Du solltest versuchen, ihm alles zu erklären.“ „Aber wie? Wir sehen uns doch kaum…“ „Schreibe ihm doch einen Brief oder so…“ Jack schnalzte mit der Zunge und erwiderte: „Wie altmodisch.“ „Sagt der Richtige.“ Während sich das Paar darüber stritt ob dies nun angebracht war oder nicht, dachte Fabian über die Idee nach und verschanzte sich dann in die Küche um tatsächlich einen Brief zu schreiben. Zur Not musste er ihn den ja nicht geben… Bei ihrer nächsten gemeinsamen Schicht nahm Adrian den Jüngeren zur Seite. „Es scheint bei dir und Fabian gar nicht mehr zu laufen?“ „Kann man so sagen.“, brummte er zurück und versuchte sich wieder mehr auf seine Gläser zu konzentrieren. Es war auch mehr als offensichtlich. Fabian zog sich nun auch mehr zurück, wenn sie zusammen waren und schien gar nicht mehr auf Lukas Tröstversuche eingehen zu wollen. Wozu war er denn sein Freund? „Hast du mit ihm darüber gesprochen?“ „Wie denn?“ Adrian dachte eine Weile nach und antwortete dann vorsichtig: „Sag mal… Eigentlich gibt es hier doch nichts, was euch wirklich hält oder?“ „Naja, ihr seid unsere Freunde.“ „Aber vielleicht ist es notwendig, dass ihr weiterreist, irgendwohin wo ihr wieder neu anfangen könnt.“ Lukas seufzte. Noch mal? „Wir sind jetzt seit einigen Monaten hier und eigentlich ging es ja schon abwärts seit wir aus dem Center raus sind. Zurück können wir aber auch nicht, also werden wir das anders regeln müssen oder?“ „Hast du denn eine Idee?“ „Vielleicht ist es besser, wenn ich alleine weiterziehe.“ Sprachlos sah der andere Mann ihn an. „Das meinst du nicht so.“ Lukas zuckte hilflos mit der Schulter. „Nein, vermutlich nicht.“ „Du hast ja doch einen Brief geschrieben?“ Erschrocken zuckte Fabian zusammen und zerknitterte dabei beinahe das beschriebene Stück Papier. „Jack! Bist du bescheuert? Ich kriege noch mal einen Herzinfarkt!“ Der Punk beugte sich weiter über das Sofa und somit über seine Schulter, strich Fabians Häsin, die auf dieser saß, beiläufig über den Kopf. „Ein Liebesbrief?“ „Eher eine Entschuldigung.“ „Du machst das schon.“, Fabian sah ihn fragend an. „Habt ihr euch noch nie gestritten?“ Jack lachte, schwang sich über die Lehne und setzte sich neben Fabian, klein Jack sah ihn dabei böse an, immerhin war das eigentlich sein Platz, nur hatte Fabian ihn vorsorglich auf den Boden gesetzt. „Also bevor ihr gekommen seid haben wir uns nahezu dauernd gestritten.“ „Ehrlich? Warum?“ Adrian kann so eine Zicke sein… Aber seit er sich den Kopf über eure Beziehungsprobleme zerbrechen kann, erscheint er mir ausgeglichener.“ „Und sein Sohn?“ „Was ist mit dem?“ „Ist er der Grund für euren Streit?“ „Des… Öfteren.“, gab der Punk leise zu. „Magst du ihn nicht?“ „Doch sicher, der Kleine ist cool, aber er wird immer das Kind von Adrian und Jen sein. Wenn ich die Drei sehe, habe ich immer vor Augen, dass Adrian ein „normales“ Leben haben könnte, eben so mit Frau und Kind und das wird er mit mir natürlich nie haben können…“ „Ich denke, wenn er das haben wollen würde, dann wäre er heute nicht mit dir zusammen.“ „Mein Kopf weiß das… Aber manchmal fühlt es sich eben nicht so an.“ „Wäre das nicht gerade noch ein Grund ganz bei ihm einzuziehen?“ „Wieso?“ „Naja, du könntest ihm ein Stück Normalität geben und gleichzeitig zeigen, dass ihr zusammen gehört und nicht nur zwei gute Bekannte seit, die nur ab und zu aus Spaß an der Freude flirten.“ Das gab dem Anderen zu denken und er schwieg eine Weile, dann versuchte er das Thema zu wechseln. „Wann gibst du ihm den Brief?“ „Am Besten sobald er nach Hause kommt, oder ich leg ihm den hier hin.“ „Mach doch das am Besten? Dann kann er ihn in Ruhe lesen.“ „Klingt gut…“ „Wollen wir die Beiden mal besuchen gehen?“ „Warum nicht?“ Er legte den Brief noch schnell auf ihr Schlafsofa, zog sich die Jacke an und ging mit Jacky nach draußen. Die Nachtluft war mild und vermutlich hätte Fabian auch keine Jacke gebraucht, aber irgendwie war ihm kalt. Adrian und Lukas verließen gerade das Pinc und es war wohl einem ungünstigen Umstand zu verdanken, dass Adrian gerade heute sein Handy auf Lautlos und tief in seiner Tasche verstaut hatte und so nicht bemerkte das Jack ihm eine SMS schrieb. Stattdessen machten sie sich auf den Heimweg und unterhielten sich über den Abend. „Wegen der Sache mit dem Wegzug noch mal, du meintest das echt nicht ernst oder?“ „Nun, ich habe nur darüber nachgedacht ob es nicht besser wäre wenn wir wirklich getrennte Wege gingen.“ In dem Moment mussten sie natürlich Fabian und Jack in die Arme laufen, die sie nur völlig überrumpelt ansahen. Fabian fing sich als Erster und stotterte völlig überrumpelt: „Ge… Getrennte Wege gehen? Was…? Du meinst…“ Lukas bemerkte zu spät wie das gerade auf seinen Freund gewirkt haben musste und antwortete überrumpelt: „Fabi! Das… Das meinte ich nicht so, ich…“ „Ich verstehe schon…“, flüsterte Fabian und schlug seine Hand weg, die ihn fassen wollte. „Ich verstehe…“, wiederholte er und lief weg, ehe die Anderen irgendwie reagieren konnten. „Ganz große Kacke.“, stellte Jack nur sehr treffend fest und starrte dem Jungen hinterher, ebenso Adrian, der seine Hände auf Lukas Schulter liegen hatte und ihn aufmunternd tätschelte. „Naja, jetzt habt ihr die ideale Voraussetzung für eine Aussprache…“, das schiefe Lächeln wurde mit einem wütenden Blick gekontert. Jack sah seinen Freund fast bestürzt an und murmelte: „Du kannst so ein Arsch sein… Lasst uns erstmal nach Hause gehen.“ Lukas drehte sich um. „Und Fabian?“ „Du kannst ihn jetzt eh nicht einholen, lass ihn erstmal wieder einen kühlen Kopf kriegen und morgen kümmern wir uns darum.“ Völlig fassungslos über soviel Gleichgültigkeit ließ sich Lukas die letzten Meter mit nach Hause ziehen und ging dort kommentarlos ins Wohnzimmer, hätte wohl die Tür geknallt, würde diese nicht ständig von irgendwelchen Dingen versperrt werden. Adrian und Jack blieben zurück und der Ältere sah seinen Freund misstrauisch an. „Ich hoffe du hattest einen Plan, als du sagtest wir sollen hier her gehen statt Fabian zu suchen.“ Der Punk nickte und drehte eine Haarsträhne Adrians zwischen seinen Fingern. „Ja das hatte ich…“ Lukas schmiss sich auf das Sofa und schrie vor Wut in das nächstbeste Kissen, wovon nur ein erstickter, dumpfer Laut zu hören war und schreckte hoch als er das Geräusch von zerknittertem Papier unter sich wahrnahm. „Was zum…?“, grollte er und verfluchte schon die Anderen, die zu gerne ihren Müll auf ihr Schlafsofa warfen. Er zog den Zettel hervor und las die dünne Handschrift, die sehr nach Fabian aussah. „An Lukas.“ Oh. Überrascht setzte er sich richtig hin und öffnete den unverklebten, aber nun zerknitterten Brief vorsichtig. Er las den Inhalt schnell und bemerkte, dass seine Hände zitterten. Der Brief war von… Fabian… Eindeutig. „I just wrote to say I love you. “ Er musste schlucken, las den Brief erneut und sprang dann auf. „Du hast es gewusst oder?“, rief er Jack böse zu, der nur entschuldigend die Hände hob und ihm seine Tasche und Jacke zuwarf. „Ich nehme an, du weißt jetzt wo er ist?“ Lukas nickte, nickte Adrian ebenfalls noch mal zu und lief dann los um Fabian zu finden. „Muss ich das verstehen?“ „Fabian hat deinem Rat gefolgt und Lukas einen Brief geschrieben, ich denke den hat er jetzt gefunden.“ „Ich bin stolz auf dich Jacky.“ Der streckte ihm die Zunge heraus und erwiderte: „Hättest nicht gedacht, dass sogar ich so ein guter Kuppler sein kann oder?“ „Ich gebe zu, ich bin überrascht.“ „Und was machen wir jetzt?“, der Jüngere versuchte so verführerisch wie möglich zu grinsen, was ihm ohne den Versuch besser gelang und so antwortete Adrian ganz simpel: „Na ist doch klar. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, sind wir dafür da ihnen ihre Sachen hinterher zu schleppen.“ „Hä?“, entgegnete Jack verdutzt und wurde von Adrian ins Wohnzimmer geschubst. „Wir packen ihre Sachen… Los, versuch den Hasen einzufangen…“ Lukas lief durch die Nacht, immer wieder Fabians Namen rufend und dafür von ein paar betrunkenen Passanten angemotzt werdend. Eigentlich wusste er genau wo er war… [„Du kennst die Dinge mit denen ich fertig werden muss… Und es tut mir so unendlich Leid, dass ich mich nie dafür durchringen konnte dir die Chance zu geben mich zu verstehen… Ich denke, ich verstehe mich selbst nicht.“] Lukas lief an dem Laden vorbei, wo sich Fabian vermutlich am ersten Tag den Magen verdorben hatte. Er war übrigens nicht weit vom Pinc entfernt und war bekannt mit nicht ganz so sauberen Lebensmitteln zu hantieren… [„Ich hoffe, dass wir uns in all der Zeit nicht zu sehr verändert haben… Vielleicht ist es auch nur eine Krise und wir können wirklich noch einmal von vorn beginnen…“] Vorbei am Pinc, in dem er die letzte Zeit gearbeitet hatte und jetzt seltsam verlassen wirkte. Nur noch ein paar vereinzelte Stricher standen herum, winkten ihm zu, da sie ihn von der Arbeit aus kannten und Lukas schoss es wieder durch den Kopf, wie Adrian damals meinte, er würde niemals seinen Körper verkaufen können. Doch tat er dies nicht längst? Er dachte kurz an Merry und den ungeklärten Umständen seiner HIV Ansteckung. Lukas lief weiter, vorbei an der Bank, wo sie damals gestrandet waren und Jack sie aufgelesen hatte… Es war nicht mehr weit. [„Lass es uns versuchen okay? Ich will mich auch wirklich bemühen, dir die Chance zu geben die du verdienst. In der letzten Zeit war ich viel mit Jack zusammen und irgendwie hat er es geschafft, mir mit seinem Leben auf der Straße zu zeigen, dass es auch anders geht… Unabhängiger… Und egal was ihm schon widerfahren ist, es erscheint lächerlich klein zu dem was wir täglich beobachten konnten, wenn wir nur die Augen aufgemacht haben… Bitte geh mit mir.“] Schwer atmend erreichte Lukas den Bahnhof. Der Beginn ihrer Reise und wenn er Fabians Brief richtig gedeutet hatte, dann bat er ihn einen Neuanfang zu starten. Hier? Es war seine einzige Chance. „Fabian!“, rief er immer leiser werdend und als er einen blonden Schopf entdeckte, nahm er sich noch einmal voll zusammen und rannte zu der Gestalt, die auf der Treppe vor dem noch verschlossenen Tor kauerte. „Fabi…“ Der andere Junge sah auf, versuchte gar nicht erst die Tränen wegzuwischen, wie über seine Wange liefen. „Dann… Dann hast du den Brief also gefunden?“ „Und gelesen…“, Lukas setzte sich neben ihn auf die Treppe und zog ihn kommentarlos an sich. Da der Kleinere auch gar keine Anstalten machte sich dagegen zu wehren, wartete Lukas eine Weile ab, bis der andere sich wieder beruhigt hatte und seine Schultern nur noch schwach bebten. „Habe… Habe ich es ganz vermasselt?“, schniefte er leise und brachte den Anderen zum schmunzeln. „Nein… Ich stimme dir sogar zu… Lass uns neu anfangen.“ „Wirklich? „Wirklich.“ „Okay…“ „Wann fährt der erste Zug?“ „In anderthalb Stunden.“ „Wohin?“ „Keine Ahnung.“, jetzt musste der Blonde wieder lächeln. „Klingt doch gut?“ „Jaja, und dabei die guten, alten Freunde und vor allem das liebe Häschen vollkommen vergessen. Das haben wir ja gern.“ Die Beiden schreckten auf und sahen zu Adrian und Jack, die ihre Sachen dabei hatten und zu zweit den Hasenkäfig trugen. „Wie seit ihr…?“ „Wir kennen uns hier besser aus als ihr und somit auch Abkürzungen auf die ihr nie gekommen wärt…“ „Danke…“, flüsterte Lukas und sah Adrian an, der ihm wissend zuzwinkerte. „Dann wird das hier also ein Abschied?“ Fabian schüttelte den Kopf. „Nicht für immer…“ „Wollen wir auch hoffen.“ Sie standen auf um ihre Freunde zu umarmen. „Danke für alles. Ihr habt mehr bei uns gut als ihr vielleicht denkt.“ Adrian winkte ab. „Schon okay, es war eher großes Glück, dass euch Jack gefunden hat. Schreibt uns ja wenn ihr einen neuen Wohnort habt und denkt dran, nicht jedem Wildfremden von der Straße vertrauen.“ Und Jack fügte hinzu: „Vor allem wenn es ein Punk ist…“ Dem musste nichts hinzugefügt werden und der Abschied verlief ziemlich schmerzlos, schließlich hatten sie sich ja auch das Versprechen gegeben in Kontakt zu bleiben. Es wurde Zeit für den Aufbruch. Das Tor wurde geöffnet und ein schlaftrunkener Beamter verkaufte ihnen Karten in ein unbestimmtes Ziel. Ein letztes Winken und Grüße an Daniel und klein Jack und die Beiden waren verschwunden. „Fühlst du dich jetzt auch so seltsam wehmütig Jacky?“ „Ein bisschen, ja, waren echt nette Jungs. Glaubst du sie fangen sich wieder?“ „Na klar, wenn nicht die, wer dann.“ Jack ließ seine Hand in die von Adrian gleiten. „Ach und noch was.“ „Ja?“ „Wehe, du machst mir keinen Platz in deinem Schrank.“ Überrascht sah der Ältere zu Jack, der verlegen den Blick gesenkt hatte. „Wie meinst du das?“ „Na ich hoffe, dass dein Angebot noch immer steht… Ich würde gerne zu dir ziehen. Ist das okay?“ „Gar keine Frage! Natürlich! Aber wie kommt es, dass du deine Meinung geändert hast?“ „Ach… sagen wir ich hatte eine interessante Unterhaltung mit Jemanden, der mir ziemlich offen gesagt hat, dass ich nicht so ein Feigling sein soll.“ Ehe Jack weiter reden konnte, hatte Adrian ihn an sich gezogen und geküsst, versicherte ihm, dass er kein Feigling mehr sei und dass er es nicht in Worte fassen konnte, wie sehr er sich freute. Nach dem empörten Räuspern einer älteren Frau und einem weiteren, ignoranten Kuss drückte Adrian Jacks Hand und meinte fast feierlich: „Na komm, lass uns nach hause gehen.“ Jack lachte nur freudig und zog ihn mit in Richtung Wohnung. Auch die anderen Beiden genossen ihren neu geschlossenen Frieden und saßen dicht aneinander gekuschelt nebeneinander, das Gepäck und der Hase unter sich verstaut und verpassten wie üblich ihre Station… Manche Dinge würden sich wohl nie ändern… Auf in ein weiteres Abenteuer… Denn eigentlich war es auch egal wo sie landen würden, Hauptsache sie blieben zusammen… Ja, auf in ein neues Zuhause. Zusammen. Ende Danke fürs lesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)