Dachgeschichten von -Lelias- (Manchmal muss man alles riskieren) ================================================================================ Kapitel 3: Nothing to lose -------------------------- Dachgeschichten Part 3 Nothing to lose By –Lelias- Adrian war zufrieden. Warum auch nicht? Er hatte allen Grund dazu. Die Arbeit lief gut, das Wetter war hervorragend und seit dem Auszug seiner Freunde Lukas und Fabian, war sein Freund Jack vor etwa vier Monaten fest zu ihm gezogen. Jep, das Leben war schön. Anfangs hatte sich der Punk noch ganz schön angestellt und rumgezetert und gemeint, dass das Leben auf der Straße auch nicht schlecht war, aber Adrian gewann mit dem Argument, dass Jack sowieso die meiste Zeit bei ihm war. Gerade war er aber nicht bei Jack, sondern mit seinem Sohn Daniel vom Einkaufen nach Hause unterwegs. Seine Mutter Jen war eine Woche geschäftlich unterwegs gewesen und würde ihn heute wieder abholen. Da war er schon ziemlich froh, dass sein Freund keinen festen Job hatte, so konnte sich Jack um Daniel kümmern, wenn Adrian arbeiten war. Anfangs war er noch sehr skeptisch ob sich die Beiden verstehen würden, aber als er eines Abends nach Hause kam und die Beiden fest schlafend und aneinander gekuschelt vor dem Fernseher wiederfand, da wusste er, dass alles gut werden würde. Wie lange war das erste Mal her? Vier Jahre? Der schwarzhaarige Mann schloss die Tür zum Haus auf und ging mit Daniel, der munter auf ihn einquatschte, durch das Treppenhaus zu ihrer Wohnung im 3. Stock. Sie hatten den Flur noch nicht ganz erreicht, da hörten sie es auch schon. Daniels Mutter war zurück und scheinbar schrie sie gerade Jack an. „Was soll das heißen, du wohnst jetzt hier? Du kannst hier nicht wohnen!“ Jack entgegnete offenbar leicht gereizt: „Ich wohne bereits eine ganze Weile mit Adrian zusammen!“ „Du bist doch nicht mehr als ein elender Schmarotzer.“, lautete ihre zurückgekeifte Antwort. Das war der Punkt, wo Adrian entschied dazwischen zu gehen, ehe noch die falschen Wörter an Daniels Ohren gelangten. Dieser spitzte sie nämlich schon verdächtig und versuchte unauffällig dichter an die Tür zu gelangen. Extra laut und gut hörbar schloss er die Tür auf und rief in Richtung Küche: „Wir sind wieder da!“ Jen und Jack wirbelten herum und stürmten auf ihn zu. „Adrian!“ Der Jüngste begriff, dass es Zeit wurde das Feld zu räumen und verschwand ins Wohnzimmer, sollten das die Erwachsenen unter sich ausmachen. Jen fixierte ihren Exfreund wütend und Jack stellte sich schnell an seine Seite und gab ihm einen Kuss zur Begrüßung. „Was ist denn los?“, fragte er betont ruhig und legte seine Hand um Jacks Hüfte. Jen sprach als Erste: „Seit wann wohnt der bei dir?“, sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und baute sich bedrohlich vor den beiden Männern auf. „Seit etwa vier Monaten.“ „Und wann hattest du vor mir das zu sagen?“ Adrian hob skeptisch eine feingeschwungene Augenbraue. „Warum hätte ich das tun sollen?“ „Unser Sohn kommt regelmäßig hier her!“ Der Punk verdrehte die Augen. Er hasste dieses „unser Sohn“ Gerede. „Wo ist das Problem? Die Beiden verstehen sich ausgezeichnet!“ „Ich will nicht, dass mein Sohn Kontakt zu Schmarotzern hat und schon gar nicht zu solchen…“ „Jen!“, er fuhr sie an, unterbrach sie damit und verstärkte seinen Griff um Jacks Hüfte. „Er ist mein Freund, mein fester wie du weißt, und es geht dich nichts an mit wem ich zusammenlebe!“ Sie schnappte hörbar nach Luft und entgegnete giftig: „Darüber reden wir noch einmal, ich muss jetzt los. Daniel!“, der Junge kam in die Küche getrottet und sah sie fragend an. Der Hase Adrians lag in seinen Armen und zappelte unruhig. „Wir fahren!“ „Aber…“ „Nichts aber, setz‘ das Tier ab und komm!“ Schmollend setzte er Jacky auf den Tisch und sah die Beiden Männer an. „Na gut. Bis bald!“, dann umarmte er erst Jack, wobei er ihm nur knapp über den Bauch reichte, und dann Adrian, der sich zu ihm herunterbeugte und ihm einen Kuss gab. Jen beäugte das missbilligend und drängte ihn zur Eile. Dann waren sie zur Tür hinaus und verschwunden. Jack seufzte, nahm den Hasen auf den Arm und ging mit ihm ins Wohnzimmer. Er war niedergeschlagen und Adrian wusste das. Kurz darauf folgte er seinem Freund und fand ihn vor dem Fenster stehend vor. „Jack…“, Adrian umarmte ihn von hinten und küsste seinen Nacken, vergrub die Nase in dem abrasierten, stoppeligen Haar. Sein Freund fühlte sich kalt an. „Sie hat recht.“, flüsterte er leise und lehnte seinen Kopf gegen die Scheibe. „Das ist Blödsinn, das weißt du…“ „Hm…“ „Ich liebe dich und ich bin froh, dass du bei mir bist und dass wir endlich zusammen wohnen.“ „Und was ist, wenn sie Daniel nicht mehr hierher lässt?“ „Ich rede nochmal mit ihr.“ Der Ältere drehte ihn zu sich um, sah dass Jack den Blick gesenkt hielt und bemerkte, dass sich Tränen in seinen Augenwinkeln gesammelt hatten. Ohne weitere Worte drückte er ihn an sich und streichelte seinen Kopf, während Jacks Schultern zu beben anfingen und leises Schluchzen zu hören war. „Na komm Kleiner, setzen wir uns besser.“ Der Punk ließ sich widerstandslos mit auf das Sofa ziehen und drückte sich fester an ihn, hielt die Augen geschlossen. Sie schwiegen, bedurften keine weiteren Worte. Nach einer Weile schien sich der Kleinere immerhin etwas beruhigt zu haben. „Geht’s wieder?“, fragte Adrian leise und streichelte weiter seinen Nacken. Der Andere nickte, fuhr sich über die Augen und spielte nervös an seinem Lippenpiercing herum. „Aber…“ „Du bist kein „Schmarotzer“. Würdest du mich stören oder sowas, hätte ich dich nie so lange darum gebeten zu mir zu ziehen. Ich will dich an meiner Seite haben.“ „Aber… ich bin nicht nützlich und habe kein Geld.“, Adrian schmunzelte, hauchte einen Kuss auf seine Nase. „Und die Band? Du machst den Haushalt, gehst einkaufen und jetzt hast du die Woche auf Daniel aufgepasst. Wo bist du also nicht nützlich? Du ergänzt unser gemeinsames Leben wunderbar.“ „Hast du nicht manchmal das Gefühl dir fehlt etwas? Du könntest…“, er biss sich auf die Lippe, aber er brauchte auch nicht mehr sagen, Adrian fuhr für ihn fort: „Eine Familie haben? Nein, das vermisse ich nicht. Du bist meine Familie.“ Jack wollte darauf noch etwas entgegnen, da küsste Adrian ihn einfach und schmunzelte: „Belassen wir es dabei, ja?“, er nickte zögerlich und sie blieben noch eine ganze Weile so aneinander gelehnt sitzen. Adrian musterte den Mann in seinen Armen und dachte darüber nach, dass er früher niemals so gewesen wäre. Damals, als sie sich kennengelernt hatten. Während er mit Jacks längerem Nackenhaar spielte erinnerte er sich… -.- Adrian war damals 19 Jahre alt gewesen, arbeitet mehr oder weniger illegal als Tänzer im „Pinc“, wo er noch heute arbeitete und hatte einen Sohn im Alter eines knappen Jahres. Sie sahen sich so gut wie nie. Adrian war damals ziemlich arrogant und war sich bewusst, dass sein hübsches Äußeres Einfluss auf die meisten Menschen um ihn herum hatte. Er konnte sich so ziemlich alles erlauben. Und das tat er. So war er es auch gewohnt, nach seinen Shows von seinen „Fans“, wie er sie abschätzend nannte, belagert zu werden. Sein Arbeitgeber Marius, der auch ein sehr guter Freund Adrians war, sah das wohlwollend, wenn auch mit Sorge. Erst recht als er erfuhr, das Adrian tatsächlich den ein oder anderen der Männer mit nach Hause nahm. „Adrian. Du hast die Wohnung vom Club gestellt bekommen.“ „Ja und?“, der schwarzhaarige saß auf einem gepolsterten Barhocker und nuckelte am Strohhalm seines Kaktussaftes. Er hatte noch massig Zeit bis seine Schicht beginnen würde, aber da ihn zu Hause nichts erwartete, verbrachte er gerne seine Zeit in der kleinen Homobar. „Nimmst du dafür Geld?“ „Für Sex? Bist du verrückt? Ich bin doch kein Stricher!“ Sein Chef seufzte und sah seinen Kumpel stirnrunzelnd an. „Warum suchst du dir nichts Festes?“ „Ach sowas langweilt mich, außerdem interessiert mich niemand.“ Dabei lautete die Wahrheit mehr, dass Adrian von Leuten die Schnauze voll hatte, die ihn nur nach seinem Körper beurteilten. Das brachte der Beruf ebenso mit sich, das brauchte er nicht noch privat. Marius fixierte ihn und meinte ernst: „Dann prostituier nicht deinen Körper oder dein Herz und streng dich mehr an!“ „Ach du spinnst doch…“, er wich Marius Blick aus, hasste es wenn der Ältere recht hatte. Ging ihn doch nichts an oder? Jedoch sollte Adrian nach diesem Gespräch lange Zeit niemanden mehr mit nach Hause nehmen und stattdessen allein zu Hause sitzen. Was sollte er machen? Er hasste das Alleinsein und seine Eltern hatten ihm ziemlich deutlich gemacht, dass er zu Hause nicht mehr willkommen war, so blieb ihm kaum etwas anderes übrig. Das war zu der Zeit, in der er Jack kennenlernte. Anfangs hielt er den deutlich jüngeren Punk noch für einen normalen Fan und ignorierte ihn, doch dann begegnete er ihm in der Stadt, beim Einkaufen, jedoch nie auf der Arbeit. An einem sonnigen Tag mitten im Mai beschloss Adrian mehr unter die „normalen“ Menschen zu gehen und einen Großeinkauf im örtlichen Einkaufszentrum zu starten. Er dachte an nichts böses, musterte die ausgehängten Plakate auf denen ihm hundertfach irgendwelche C-Promis entgegen lächelten. Warum wollte er nochmal das Haus verlassen? „He.“ Wieder der Punk, Adrian fühlte sich verfolgt und verdrehte kurz die Augen. Ja… Warum nochmal? Genervt seufzend ging er schneller und flüchtete sich in einen kleinen Zooladen. Er hatte spontan beschlossen dass es Zeit wurde einen Mitbewohner zu finden. Der alte Mann hinter der Theke musterte ihn freundlich und fragte nach seinem Wunsch. Der Schwarzhaarige dachte nach und meinte dann nach einer Weile: „Ich suche einen kleinen Mitbewohner…“ „Er soll zu ihnen passen und nicht zu teuer sein.“ „Ja, das wäre gut.“ Der Mann lächelte nichtssagend und verschwand in den Tiefen seines Ladens, kam schließlich mit einem kleinen Käfig wieder. Ein Hasenkäfig. Adrian spähte hinein und entdeckte einen kleinen, schwarzen Hasen, der ihn neugierig beschnupperte. „Hallo mein Kleiner, wer bist du denn?“ „Der kleine Kerl wurde nach der Geburt von seiner Mutter verstoßen, ich gebe ihn ihnen für einen guten Preis, es braucht Jemanden der sich mit ihm beschäftigt…“ So kam Adrian zu seinem neuen Mitbewohner. Irgendwie hatten sie mit ihrer Einsamkeit tatsächlich etwas gemeinsam und Adrian war froh, dass er ihn gekauft hatte. Den Punk völlig vergessend verließ er den Laden und stolperte direkt in ihn hinein. „Was willst du denn? Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun als mir hinterherzulaufen?“ „Nein nicht wirklich.“, er ignorierte den Größeren und erspähte den Hasenkäfig. Neugierig trat er näher und begutachtete das Häschen, dass sich ihm ebenso neugierig entgegenstreckte. „Wie süß! Wie heißt der Kleine denn?“ Adrian musterte den Hasen nun auch, dachte einen Moment nach und antwortete dann: „Ich denke, ich werde ihn Jack nennen.“ Für einen Moment schien es so, als ob dem Punk alle Farbe aus dem Gesicht weichen würde, doch er fing sich recht schnell wieder und murmelte: „A… Achso? Ein ungewöhnlicher Name für einen Hasen… Sehr schön.“ Adrian hob fragend eine Augenbraue, äußerte sich dazu nicht weiter. „Aber nun zu dir. Was willst du eigentlich die ganze Zeit von mir? Es kann doch kein Zufall sein das wir uns dauernd „zufällig“ über den Weg laufen.“ Der Andere wurde rot und grinste frech. „Natürlich nicht…“ „Also?“ „Ich würde dich gerne kennenlernen.“, er kratzte sich verlegen am Kopf. „Warum?“ „Du scheinst ganz cool zu sein und ich mag deine Art.“ Skeptisch musterte er den Kleineren, der mit gepierctem Gesicht und aus großen, blauen Augen zu ihm aufsah. „Ach tatsächlich? Und du hast mich nicht einfach auf Arbeit gesehen und wolltest mal…“ „Nein, nein! Ich weiß zwar wo du arbeitest, aber nicht als was. Ich komm ins Pinc noch nicht rein.“, er seufzte leise und schien sich für einen Moment selbst zu bedauern. Genervt seufzte Adrian und entgegnete: „Na dann. Ich muss dann wieder los.“ Damit ließ er den Anderen stehen und ging mit einem unbekannten Gefühl und einem neuen Mitbewohner nach Hause. So konnte er nicht sehen wie der Punk zurückblieb und ihm mit einem deutlich verknallten Grinsen hinterher starrte. Die Tage vergingen und sie liefen sich nicht mehr über den Weg. Adrian war unsicher, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht. Vermutlich eher nicht, denn statt dem kleinen Punk suchte ihn ein weitaus unschönerer Besucher auf. Adrian war gerade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als er von einem älteren Mann angesprochen wurde. „Hey Hübscher.“ Sowas hatte ihm noch gefehlt. Er ignorierte ihn einfach und ging weiter, wollte nur so schnell es ging in sein Bett. „Jetzt bleib doch mal stehen!“ „Mensch verzieh dich.“, grummelte er und ging schneller. „Letztes Mal warst du aber nicht so abweisend zu mir.“ Nun drehte sich der Angesprochene doch um und wunderte sich nicht weiter, dass er in das Gesicht von einem Mann sah, mit dem er vor längerer Zeit einmal geschlafen hatte. Das war sein Kodex. Einmal pro Person. Nicht sehr ehrenhaft, schützte ihn aber normalerweise vor Problemen. Der Mann schwankte etwas auf ihn zu, er schien betrunken zu sein. „Du bist immer noch sehr hübsch…“ Adrian wich zurück. „Ich muss nach Hause.“, er drehte sich um, ein Fehler wie er bemerkte, und spürte als nächstes einen dumpfen Schmerz an seinem Hinterkopf, ehe er auch schon bewusstlos wurde. Er bekam nicht mit wie der Mann ihn hochzerrte, grob küsste und versuchte Adrians Sachen auszuziehen. Doch ehe der Mann auch nur eine Hand in seiner Hose versenkt hatte, wurde er von jemand Anderem weggerissen, angeschrien und es wurde so lange auf ihn eingeschlagen, bis der Mann das Weite suchte. Als Adrian wieder zu sich kam, vernahm er als erstes den markanten und irgendwie bekannten Geruch von aufgeregtem Schweiß, schlechten Zigaretten und dem beruhigenden Duft von Patchouli. „Oh, hey willkommen zurück unter den Lebenden.“ Adrian blinzelte, und setzte sich mit Hilfe etwas auf. Oh diese verdammten Kopfschmerzen, er fühlte sich als hätte etwas Hartes versucht seine Schädelwand zu zertrümmern. Vielleicht hatte es das auch. Er blinzelte noch einmal und sah seinen Retter an. „Hm… Du…“ Der Punk lächelte ihn breit an und stützte seinen Rücken. „Jep ich. Mensch hattest du ein Glück das ich zufällig in der Nähe war.“ Adrian versuchte nun die Kopfschmerzen mit mäßigem Erfolg auszublenden und begann sich zu erinnern. „Der Typ… Stimmt… Danke.“ Der Andere nickte nur und half Adrian beim aufstehen, er schien noch ziemlich benommen zu sein und er hoffte nur, dass er nicht ernsthaft verletzt war. Beim aufstehen bemerkte Adrian die abgewischten, dunklen Blutspuren auf den gebleichten Jeans, ein Anblick der sich für immer in sein Gedächtnis brennen sollte. „Wo ist der Typ?“ „Weggelaufen.“, die Antwort war knapp und etwas sagte Adrian, dass er lieber nicht weiter nachfragen sollte. Stattdessen fragte ihn sein Retter: „Wo wohnst du denn? Ich bringe dich besser nach Hause.“ Unter normalen Umständen hätte Adrian das Angebot ausgeschlagen, aber sein Kopf tat höllisch weh und er hatte so eine Ahnung dass seine Beine nachgeben würden, würde der Andere ihn einfach loslassen. Wieder breitete sich dieses unbekannte, angenehme Gefühl in ihm aus und auch wenn Adrian im Nachhinein nicht genau sagen konnte, wie sie den Weg geschafft hatten, umso befreiender war das erschöpfte Seufzen als er endlich in seine weichen Kissen sank. Sein Retter hatte es lieber vorgezogen zu gehen, versicherte sich nur noch, dass es Adrian soweit gut ging und dass es dieser unbeschadet ins Bett schaffte. Er wollte gerade die Wohnung verlassen da hielt ihn Adrian noch einmal zurück. „Wie heißt du eigentlich?“ Der Angesprochene lächelte schief und antwortete: „Ich heiße Jack.“ Adrian schmunzelte, dachte wie im Delirium an seinen Hasen und entgegnete: „So? Ich bin Adrian.“ Jack lächelte dunkel, sah ihn fast liebevoll an und meinte nur: „Ich weiß.“ Als Adrian am nächsten Morgen aufwachte, bemerkte er zuerst, dass seine Jalousien nicht heruntergelassen waren und somit sein Zimmer in helles, störendes Licht getaucht war. Wie er es hasste so aufzuwachen, aber normalerweise passierte das auch nicht ohne Grund. Was war passiert? Sein Bett war leer und sein Kopf schmerzte erbärmlich, ein Umstand der in letzter Zeit drohte zur Gewohnheit zu werden. Und dann brachen die Erinnerungen auf ihn ein. Jack. Leise seufzend und die Augen wieder schließend legte er sich zurück in die Kissen. Jack… Marius sah ihn an diesem Abend stirnrunzelnder als sonst an. Nicht nur, dass der Tänzer entgegen seiner Gewohnheit beinahe zu spät zu seiner Schicht kam, er hatte auch noch diesen seltsam zufrieden Gesichtsausdruck, der vermutlich nichts Gutes bedeutete. „Was ist denn mit dir passiert?“ Der Schwarzhaarige lächelte entschuldigend, der zweite Schock für Marius an diesem Abend, und erzählte ihm von den Problemen des gestrigen Abends und das er nun den ganzen Tag im Bett verbracht hatte. Besorgt musterte ihn sein Chef und fragte beunruhigt: „Und bei dir ist wirklich alles in Ordnung?“ „Natürlich, aber seltsamerweise würde ich meinen Retter noch einmal sehen und mich richtig bedanken.“ „Das solltest du wohl.“, er lächelte halb wissend, halb verzweifelt über Adrians unglaubliches Glück und entließ den Jüngeren zu seiner Schicht. Er hoffte wirklich, dass sich Jack noch einmal hierher verirren würde und er sollte nicht enttäuscht werden. Nach der Show wartete Jack vor dem Pinc und rauchte lässig an die Wand gelehnt eine Zigarette. „Jack!“ Der Punk sah sofort auf und grinste breit. „Adrian, schön dich gesund wieder zu sehen.“ „Dank dir…“, flüsterte er leise und lächelte schief. „Ach, schon okay, ich konnte ja nicht zulassen dass dich dieser Typ…“ Das was? Ihn vergewaltigen würde? Verprügeln? Verschleppen? „Ich versteh schon.“ Jack lächelte etwas hilflos und begleitete Adrian ein Stück schweigend. Dann durchbrach dieser die Stille. „Was machst du eigentlich sonst so, wenn du mir nicht gerade das Leben rettest oder mich beobachtest? Und wie alt bist du überhaupt?“, eine Frage die er sich schon länger stellte. Der Punk schmunzelte, spielte an dem Saum seiner ausgefransten Jacke herum. „Ich bin sechzehn, fast siebzehn Jahre alt und gehe noch mehr oder weniger zur Schule… Naja eher weniger und sonst hänge ich so rum und beobachte dich.“, den letzten Satz hatte er mehr im Scherz gesagt und zwinkerte ihm zu. Adrian bemerkte dies aber gar nicht wirklich. Sechzehn Jahre alt… In seinen Augen klang das schrecklich jung. Jack bemerkte, dass sein Witz nicht gefruchtet hatte, räusperte sich und fuhr fort: „Naja, jedenfalls bist du mir irgendwann aufgefallen und ich wollte dich unbedingt kennenlernen.“ Der Ältere runzelte die Stirn. Also doch nur wegen seines Aussehens? Ihm entwich ein leicht verächtliches Schnauben. „Ach ist das so?“ Rot werdend ergänzte Jack hastig: „Sei mir nicht böse, ich fand nur deine Art interessant, sonst wärst du wohl eher nicht mein Typ, also rein äußerlich jetzt… ahh!“ Haare raufend gratulierte er sich selbst dazu es augenscheinlich vermasselt zu haben. Adrian sagte kein Wort. Das Schweigen interpretierte der Punk so, dass er Adrian beleidigt hatte und entschuldigte sich, senkte unsicher seinen Blick. „Also… Du bist schon schön, wunderschön aber…“ Adrian unterbrach ihn. „Ich bin wirklich nicht dein Typ?“, seine frage klang verwundert, nicht böse. Er hatte selber nie gedacht, dass ihn diese simple Feststellung kränken und zugleich so glücklich machen könnte. Der Kleine wirkte schrecklich überfordert und plötzlich viel Jünger als er eigentlich war. „Adrian… Also, du… ich habe mich trotzdem irgendwie in dich… also…“, er schien noch röter zu werden, was an eine Art Wunder grenzte und unterbrach sein Stammeln. So hatte er sich das wirklich nicht vorgestellt. Von einer Welle der Zuneigung ergriffen, zog Adrian Jack an sich, umarmte ihn sanft und gab ihm dann einen Kuss auf die Wange. „Danke…“ Plötzlich ging ein starkes Zittern durch Jacks Körper und Adrian fürchtete für einen Moment, dass er ohnmächtig werden könnte. „Alles ok?“ Für ein paar Augenblicke starrte er ihn nur aus großen, blauen Augen an und versuchte zu realisieren was der Andere gerade getan hatte. Als Jack begriff, dass Adrian ihn etwas gefragt hatte nickte er benommen, sah dann an sich herab, wurde mal wieder rot und stolperte hastig ein paar Schritte zurück, brachte so Abstand zwischen sie. „T… Tut mir leid!“, jammerte er hilflos und versuchte erfolglos die Beule in seiner Hose zu verdecken. Ohja, er war noch schrecklich jung… Schmunzelnd und Jacks Problem taktvoll ignorierend, meinte Adrian stattdessen freundlich: „Kein Problem, bringst du mich noch nach Hause?“ Er wartete noch einen Moment bis sich der Jüngere wieder beruhigt hatte und sie gingen gemeinsam los. Auf den Weg dorthin, musste er an Marius Worte denken. Er hatte wirklich lange niemanden mit zu sich genommen, den Zeitpunkt seiner beinahe Bewusstlosigkeit mal außen vor lassend. Etwas dümmlich vor sich hin lächelnd, legte er einen Arm um Jacks Schulter und schlug den Weg Richtung Heimat ein. Dort angekommen verschwand Jack auf die Toilette und ließ Adrian im Wohnzimmer zurück. Dieser hatte sich zurückgelehnt, hielt die Augen geschlossen und nippte hin und wieder an einem Glas mit Hochprozentigem. Auf seinem Schoß saß „Klein Jack“ und ließ sich streicheln. Jack und Jack. Er kicherte leise in sich hinein und wartete. Als er Schritte vernahm goss er Jack auch ein Glas voll und als er dann in der Tür erschien trafen sich ihre Blicke, blieben aneinander hängen. „Komm her.“, flüsterten Adrians Lippen tonlos und Jack folgte dem sofort, griff wie nebenbei nach seinem Glas, setzte sich neben den Älteren und stieß mit ihm an. Auf die neue Freundschaft. Und wieder. Und wieder.. Und wieder... Der Abend zog sich dahin, verwandelte sich in die kommende Nacht. Adrian konnte sich nicht erinnern wann er das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. Mit einem Freund. Er hatte auch lange niemanden bei sich behalten. Und dann kam Jack. Im Nachhinein konnte er nicht sagen, ob es an dem reichlich fließenden Alkohol lag oder an der Spannung die schon zu Anfang an zwischen ihnen zu bestehen schien, aber als Adrian am nächsten Morgen aufwachte, den nackten Körper Jacks an seinem eigenen spürte, wusste er, es hatte sich etwas grundlegend geändert. Er fühlte sich nicht als ob er, wie es Marius ausdrücken würde, seinen Körper oder sein Herz verkauft hatte, sondern viel mehr als sei eine große Last von ihm gefallen. Glasklar erinnerte er sich an die vergangene Nacht, an die Küsse die er mit Jack ausgetauscht hatte, bis dieser ihn schließlich mit glasigem Blick angesehen hatte und nach mehr gefordert hatte. Er fragte sich kurz ob Jack gewusst hatte was er da verlangte, aber Adrian zögerte nicht eine Sekunde ihm dies auch zu geben. Jack war schrecklich unerfahren gewesen, aber unendlich vorsichtig und sanft. Er hatte es wirklich gewollt, sie Beide hatten es gewollt. Adrian war mehr als zufrieden. So genoss er das erste Mal seit langem den Morgen ohne Kopfschmerzen und genoss sogar die Sonne, die auf sein Gesicht schien. Gedankenverloren streichelte er durch Jacks längere, pinke Haare und flüsterte leise: „Guten Morgen.“, dann küsste er die glatte Stirn und weckte ihn damit auf. Erst sah sich Jack verwirrt um, doch dann schien er zu begreifen wo er sich befand und auf seinem Gesicht breitete sich ein glückliches Lächeln aus. Dann lehnte er sich halb wieder in die schwarzen Kissen, halb lag er auf der Brust des Schwarzhaarigen und erwiderte verschlafen den Morgengruß. „Gut geschlafen?“ „Perfekt.“, Jack gähnte, vergrub schon halb wach sein Gesicht in der warmen Haut des Anderen und legte seine Arme um dessen Hüfte. Als sich ihre Unterkörper wie zufällig berührten, öffnete er schlagartig die Augen, blinzelte unsicher zu ihm hoch. Oh. Adrian strich weiter durch sein Haar und hielt den Blick, erwiderte ihn geduldig und hatte das Gefühl, dass etwas ganz Neues zwischen ihnen entstand. Jacks Blick war fast Fragend, so als ob er noch einmal die Gewissheit haben wollte ob sie gestern Nacht wirklich miteinander geschlafen hatten. Sie hatten. Beruhigt sank er zurück und sie verbachten noch eine Weile im Bett und entgegen Adrians innerer Moral „einmal pro Person“ setzten sie zu einer zweiten Runde an, frischten damit die Erinnerungen an die gestrige Nacht auf und es erschien Adrian nicht einmal falsch. Konnte ihn eine einzige Begegnung verändern oder war das nicht mehr als Zufall? Wo kam diese innere Ruhe her? Die Geduld mit einem Jungen der nicht nur jünger, sondern auch noch unerfahrener war als er? Eigentlich war es unwichtig und so ließ er seine Gedanken im wohligen Nebel verschwinden. Deutlich später saßen sie zusammen in der Küche und „Frühstückten“ zusammen. „Sehe ich dich wieder?“, fragte Jack vorsichtig, als sich ihre Wege am Abend trennten und dieser zur Arbeit musste. Adrian strich ihm über die Wange, gab ihm einen kurzen aber liebevollen Kuss. „Worauf du dich verlassen kannst.“ Auch Jacks unendlich dankbares und glückliches Lächeln würde sich für immer in Adrians Gedächtnis einbrennen und scheinbar strahlte er genauso, denn Marius sprach ihn auf Arbeit darauf an. „Weißt du…“, begann Adrian und seufzte glücklich, „Ich glaube ich habe mich verliebt.“ Vor Überraschung kippte Marius beinahe eine Flasche Bier um. „Wirklich? In wen?“ Fast Schüchtern aber breit grinsend erklärte Adrian: „In meinen Retter von neulich Nacht.“ „Der kleine Punk hm?“ Überrascht hob Adrian eine Augenbraue. „Du kennst ihn?“ „Flüchtig. Er ist ein Kollege meines Freundes.“ Das waren gleich zwei Neuigkeiten auf einmal für Adrian. „Du hast einen Freund? Warum weiß ich das nicht? Und was für ein Kollege?“ Marius dachte einen Moment lang nach, über sein Privatleben zu reden tat er höchst selten. „Hmm… Sascha und ich sind zusammen seit wir etwa sechzehn, siebzehn Jahre alt sind? Er ist nochmal etwas jünger als ich, aber so im dreh.“ „Also schon fünfzehn Jahre?“, Adrian war ehrlich beeindruckt. „Ja… Kann gut sein- jedenfalls spielt er seit geraumer Zeit in einer kleinen Punkband mit. Nichts Großartiges und es ist mehr ein Hobby als eine wirkliche Einnahmequelle.“ „Und da spielt Jack?“ „Laut Sascha als Supportgitarrist, sie überlegen ihn fest zu übernehmen nachdem der Alte krankgeworden ist. Wenn ich mich richtig erinnere ist er ziemlich jung oder? Ich habe ihn selbst nur zwei, dreimal gesehen.“ Die Art wie Marius nervös an dem Etikett seiner Flasche spielte machte Adrian misstrauisch. „Und das er auf mich aufmerksam geworden ist hat nicht zufällig etwas mit dir zu tun?“ Wie um Adrians Verdacht zu bekräftigen druckste er herum, wich seinem Blick aus. „Das war eher… ein Versehen denke ich…“ „Ach? Ich höre.“, seine Stimmlage wurde lauernd. „Naja… Ich hatte ein paar Akten von euch, also den Tänzern, zu Hause und irgendwie muss ich die auf dem Tisch vergessen haben, jedenfalls sind sie Sascha in die viel zu neugierigen Hände gefallen…“ „Und was genau hat das mit Jack zu tun?“, ganz abgesehen davon, dass es Adrian nicht gefiel dass Marius seine Arbeitsakte herumliegen ließ. „Er war gerade bei uns als Sascha sie gefunden hat. Ich war an dem Abend nicht da. Die Beiden haben dann beschlossen sich die Jungs anzusehen. Nur zum Spaß natürlich, dabei muss Jack auf dich Aufmerksam geworden sein.“ Den Mund argwöhnisch verziehend dachte Adrian an Jacks Worte und Ärger stieg in ihm auf. Hatte er nicht gesagt, er habe keine Ahnung was Adrian arbeitete? „Wusste er dass ich Tänzer bin?“ Marius dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. „Nein eher nicht. Diese Daten verlassen nie mein Büro. Alles was er sehen konnte war dein Foto, Name und Geburtsdatum.“, vielleicht nicht die allerbesten Neuigkeiten, aber immerhin schien der Kleine ihn nicht belogen zu haben. „Alles okay?“ „Sicher, du hast nur gerade Jacks Haut gerettet.“ „Okay? Das freut mich, glaube ich. Ist er denn jetzt eigentlich dein fester Freund?“ Adrian zuckte unsicher mit der Schulter. „Ehrlich gesagt weiß ich das nicht.“ Was sagte es aus dass sie miteinander geschlafen hatten und sich mit den Blicken aufzufressen schienen? „Soll er es denn werden?“ Nun schien der Schwarzhaarige noch nachdenklicher. „Ich weiß nicht…“ Marius seufzte. „Ach du machst das schon.“, er war froh solche Probleme nicht zu haben. Als Adrian seine Schicht beendete und an die kühle Nachtluft trat, war von Jack nirgends eine Spur zu sehen. Irgendwie stimmte ihn diese Tatsache unzufrieden und so ging er nach Hause, machte sich etwas zu Essen und ging früh ins Bett. Dass das Bett noch immer nach Jack roch machte die Sache nicht gerade leichter, aber Adrian dachte nicht im Traum daran das Bett neu zu beziehen… War doch alles halb so wild. Am nächsten Morgen hatte Adrian ausgesprochen schlechte Laune. Und so ging er auch zur Arbeit. „Was ist denn mit dir wieder los?“ Marius hatte sich überlegt einen Papagei für diesen Satz besprechen zu lassen, ließ es aber, weil seine Putzfrau meinte Vögel seien schwierig sauber zu halten. „Ach nichts…“, er hob belustigt die Mundwinkel. „Du vermisst Jack?“ „Mach dich nicht lächerlich, wir haben uns nur einen Tag lang nicht gesehen.“ Ach ja, damals ging es ihm manchmal genauso. Verliebte konnten so anstrengend sein. „Sie proben für einen Gig am Donnerstag.“, meinte er deswegen so beiläufig wie möglich. „Das ist übermorgen.“ „Dann weißt du ja wann er dich wieder abholen kommt.“ Gut darüber nachdenkend und kalkulierend warf Adrian sein Haar über die Schulter und meinte langsam: „Falls, also nur FALLS ich mich dafür interessieren würde, wo wird der Auftritt stattfinden?“ Alter Scheinheiliger. Marius wusste genau das Adrian Punkmusik hasste. „Er findet Donnerstag um acht im „Red“ statt.“ „Oh.“, murmelte er enttäuscht, das fiel genau auf seine Schicht. „Da fällt mir ein. Du hast die letzte Woche komplett durchgearbeitet, es wird höchste Zeit für einen kleinen Urlaub oder? Was hältst du von fünf Tagen? Donnerstag bis einschließlich Montag? Dann kommst du einfach am Dienstag ausgeruht und so glücklich wie möglich wieder, klar?“ „Wirklich? Ist das dein Ernst? Ich meine… Danke Chef!“ „Kein Problem, ich finde sicher eine Vertretung für dich.“ Adrian sah ihn gespielt beleidigt an. „Willst du damit sagen ich sei leicht ersetzbar?“ Der Andere lachte, zwinkerte ihm zu. „Ach Süßer, ohne dich könnte ich den Laden dichtmachen!“ Zufrieden mit dem Gehörten willigte Adrian für den Urlaub ein. Männer konnten so leicht gestrickt sein. Tatsächlich tauchte Jack die nächsten Tage nicht mehr auf und Adrian langweilte sich seltsamerweise. Etwas das ihm bisher gänzlich unbekannt war. Er ging öfter als nötig einkaufen und verbrachte seine freie Zeit damit „Klein Jack“ zu dressieren, mit mäßigem Erfolg. Dann kam der Abend des Konzertes. Adrian stand vor dem Red. Ein kleiner, schmutziger Club in dem sich normalerweise nur Punks und andere abgestürzte Gestalten trafen. Heute waren mehr die Fans der unbekannten Band anwesend und Adrian fühlte sich etwas fehl am Platz. Adrian konnte mit Punkmusik wirklich nichts anfangen. So stellte er sich eher in den hinteren Bereich, wo er aber weiterhin alles gut im Auge hatte und die Band sicher gut sehen würde. Er war sich bewusst, dass ihn die anderen Besucher intensiv musterten, aber das war er von seiner Arbeit gewohnt und er nahm kaum Notiz davon. Wie immer ganz in schwarz gekleidet verschmolz er mehr in der pulsierenden Dunkelheit und beobachtete, wartete auf den Beginn der Show. Dann endlich trat zuerst Sascha auf die Bühne, Adrian kannte ihn mittlerweile vom Foto. Er sah genauso aus wie ihn Marius beschrieben hatte. Groß, schlaksig, Wasserstoffblonde Haare und einer Vorliebe für Schachbrettartige Kleidung. Er kündigte die Band an und der Rest trat unter Applaus auf die Bühne. Unter ihnen war Jack, Adrian sah ihn sofort, waren es nur vier Musiker und er hatte einzig Augen für seinen Freund. Jack sah ihn nicht, konnte das auch gar nicht und so begann die Band wenige Minuten später zu spielen. Marius sollte Recht behalten. Die Band war nicht wirklich überragend, aber darum war Adrian nicht hier und die Fans schienen sie dennoch zu feiern. Vielleicht war das auch der Standard, er wusste es nicht. Amüsiert trank er ein weiteres Bier, beobachtete und ließ sich von der Euphorie mit anstecken, vielleicht freute er sich aber auch nur auf Jack. Einer der Mädchen näherte sich ihm, lächelte kokett und beugte sich so unnötig weit zu ihm rüber, dass Adrian bequem in ihren Ausschnitt gucken könnte, hätte er ihr überhaupt Beachtung geschenkt. „Hey.“, versuchte sie es und klimperte mit den Wimpern. Nach einer kurzen Weile warf er ihr einen kurzen Blick zu und erwiderte das „Hey.“, gerade forderte Sascha die Fans zum Springen auf. „Bist du allein hier?“ „Nicht direkt, ich warte auf Jemanden.“ Nun sah er sie ganz an und bemerkte zuerst ihre blauen Haare und das sie mehr als einen Kopf kleiner war als er. „So? Du fällst hier ganz schön auf. Bist du Model oder so?“ „Ich bin Tänzer.“ „Hier?“ „Im Pinc.“ Sie schwieg, also schien der Name ihr etwas zu sagen, er grinste leicht. „Und auf wen wartest du?“ „Auf meinen Freund.“ Auch wenn Adrian das etwas anders gemeint hatte als es klang reichte es aus, dass sie ihm entschuldigend zulächelte und noch viel Spaß wünschte. Seufzend drehte er sich zurück zur Bühne und hoffte, dass Jack bald fertig wurde. Etwa vierzig Minuten später verließ Adrian den Club, stellte sich dorthin wo er den Hinterausgang erwartete. Auch wenn die Band nicht sonderlich berühmt war, Adrian wusste aus Erfahrung, dass es angenehmer war an den neugierigen Augen der Fans vorbei zu huschen. Der Schwarzhaarige überlegte. Eigentlich sollte er ihn nicht verpasst haben, also blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten. Von seiner Position aus konnte er beide Eingänge im Auge behalten und er brauchte nur zu hoffen, dass Jack nicht ewig zum Feiern bleiben würde. Er setzte sich auf die Treppe von einem angrenzenden Hauseingang, gähnte und begutachtete seine Stiefel. Was tat er hier nochmal? Ach ja, das hoffentlich richtige… Es war Anfang Juni und er begann zu frösteln. Nicht sehr viel später hatte Adrian endlich Glück. Die Hintertür schwang auf und ein vollgepackter Jack und ein noch vollgepackterer Sascha verließen den Club. Sie konnten Adrian im Dunkeln nicht sehen. „War eine gute Show.“, Jack gähnte und antwortete: „Ohja, aber ich war selten so drecksmüde.“ „Wo wirst du heute Nacht schlafen?“ Für einen Moment runzelte Adrian irritiert die Stirn und beobachtete weiter, war auf Jacks Antwort gespannt. „Ich weiß noch nicht…“ „Willst du mit zu uns kommen?“ Jack lachte und schüttelte die hochgegelte Mähne. „Ne lass mal, ich penne nicht gern bei verliebten Pärchen.“ „Also Jack! Nach 15 Jahren sind Marius und ich doch…“ „Vermutlich genauso schlimm wie immer. Danke Sascha, aber geh lieber ohne mich nach Hause, er wird sich freuen dich zu sehen.“ Der Ältere schmunzelte und strubbelte ihm durch das Haar. Dann wechselten sie ein paar letzte Worte und Jack blieb allein zurück. Naja beinahe allein. Er ging gerade an Adrian vorbei, als dieser Aufstand und lächelnd fragte: „Hey, signierst du mir mein Shirt?“ „Sorry ich habe keine…“, überrascht riss er die Augen auf, drehte sich zu Adrian und begann zu strahlen. „Adrian!“ „Hi Kleiner.“, er erwiderte das Strahlen nicht minder so intensiv und umarmte ihn fest als Jack seine Sachen fallen ließ und ihn an sich drückte. „Ich glaube es nicht! Was machst du hier? Ich freue mich riesig dich zu sehen! Hast du etwa das Konzert gesehen?“ Ein schwammiges Lächeln zierte die Lippen des Schwarzhaarigen und er nickte. „Hab ich.“ Jack sah ihn glücklich an und Sekunden später küssten sie sich intensiv, trennten sich um dann fordernder weiter zu machen. Als sie sich diesmal trennten waren ihre Wangen gerötet, die Augen glasig und ihre Lippen glänzten feucht. „Ich habe dich vermisst…“, flüsterte der Punk und fügte hinzu: „Wieso wusstest du eigentlich von dem Gig? Also ich bin froh das du hier bist, versteh mich nicht falsch, aber ich wusste nicht, dass du Punkrock magst.“ Ein schwaches Grinsen huschte über Adrians Lippen. Er hasste Punkrock. Aber stattdessen antwortete er: „Marius hat mir davon erzählt und mir bis nächsten Dienstag freigegeben. Was sollte ich machen? Ich wollte dich sehen.“ Der Kleinere seufzte verliebt und barg sein errötetes Gesicht in Adrians schwarzes Shirt. „Ich wette du bist angebaggert worden.“ „Natürlich.“ „Wie fies.“ Adrian boxte ihn leicht und als er seine Aufmerksamkeit hatte fragte er: „Kommst du mit zu mir?“ „Okay.“ Sie schlugen den Weg zu seiner Wohnung ein. Sicher, sie würde eine Weile unterwegs sein, aber sie verzichteten darauf mit dem Zug zu fahren und Adrian hatte eine von Jacks Taschen geschultert. „Sag mal, was meinte Sascha als er dich fragte wo du schlafen wirst?“ Wie schon bei ihrer ersten Verabredung hatte es sie recht schnell ins Schlafzimmer gezogen und während Jack so nackt auf Adrians Brust lag und das stetige Streicheln über seine Haut ins stocken geriet, druckste der Punk unwohl herum. Er war schläfrig und ausgepowert ob des Konzertes und der vergangenen Stunde mit Adrian. Eigentlich wollte er darüber nicht reden, doch ein Blick in die fragenden Augen seines Freundes drängten ihn zur Antwort. „Ich lebe eigentlich auf der Straße…“ „Was? Seit wann?“, Adrian hatte es vermutet aber nicht erwartet – nahezu täglich sah er Punks wie Jack, die ihn auf den Weg zur Arbeit, oder eben von dort aus zurück, ansprachen und ihn nach Geld oder seiner Nummer fragten. „Seit etwa einem Jahr jetzt…“ „Aber du gehst doch zur Schule? Was ist mit…“ Jack unterbrach ihn. „Nur theoretisch, ich bin zu Hause rausgeflogen.“ Adrian hätte nicht gedacht, dass er für den Jungen mit dem er eben noch geschlafen hatte so etwas wie einen Beschützer Instinkt entwickeln könnte. Besorgt musterte er ihn. „Wo schläfst du dann jede Nacht?“ „Oft bei Freunden oder zur Zeit eben im Bandraum…“, er rutschte sichtlich unwohl auf dessen Brust herum und entspannte sich wieder als Adrian seinen Nacken streichelte. Er fragte nicht warum es Jack nicht sofort erzählt hatte, an seiner Stelle hätte er das auch nicht. „Jack?“ „Hm?“, der Punkt hielt die Augen geschlossen und schien schon halb wieder zu schlafen. „Wenn du mal nicht weißt wo du hin sollst…“, oder mich vermisst, “…dann bist du hier jederzeit herzlich willkommen.“ Diesmal war er kein Ausdruck von Jack, der ihm für immer im Gedächtnis bleiben sollte, sondern dessen unvergleichbare Gabe einfach in seinen Kopf zu gucken und seine Gedanken zu lesen. Zumindest schien es so, denn ihre Blicke trafen sich ruhig und er dankte ihm mit einem tiefen Kuss. „Danke Adrian…“, damit sank er zurück und ehe sie sich versahen waren sie eingeschlafen. Das ganze schien Jahrhunderte her zu sein. Dennoch, manche Dinge würden sich eben nie ändern und andere taten dies gravierend. Auch heute saßen sie wieder auf dem alten Sofa, es war stets dasselbe wie bei ihrem ersten Treffen und suchten die Wärme des Anderen. An der Wohnung hatte sich nicht viel geändert, was Adrian daran erinnerte dringend neue Möbel zu kaufen. Auch heute lag Jack in seinen Armen und war eingeschlafen. Seine Augenränder waren vom weinen noch gerötet, aber alles schien vertrauter und die Verbindung zueinander bedeutend fester als zu Anfang. Adrian war mit der schwierigen Situation vielleicht nicht zufrieden, aber glücklich. Nach dem Wochenende waren sie als festes Paar auseinander gegangen und heute, sechs Jahre später teilten sie endlich eine gemeinsame Wohnung, nicht länger nur das gemeinsame Bett. In eben dieses trug er den Kleineren jetzt auch und ließ ihn bis in die frühen Mittagsstunden des Sonntags schlafen. Als Adrian aufwachte schlief Jack noch tief, ein Umstand der selten vorkam und schon bald begann er sich zu langweilen. „Wach auf Jack!“, Adrian küsste Jacks Nase, zog mit den Zähnen vorsichtig an dessem Nasenpiercing. „…mhm…“, Jack versuchte erst ihm zu entkommen, dann schlang er aber doch seine Arme um Adrian und versuchte seine Augen vor dem hereinströmenden Licht zu schützen. Die neue Position nahm dieser auch gleich um an seinen Ohrläppchen zu knabbern. „Adrian…! Lass das…“, jammerte er hilflos und blinzelte ihn verschlafen an, versuchte seine Ohren aus Adrians Reichweite zu bringen. „Das macht aber Spaß!“, jammerte Adrian genauso und gespielt beleidigt zurück. „Seit wann bist du so verspielt und vor allem so aktiv morgens?“ „Morgens? Süßer, wir haben nach zwölf.“ „Sag ich ja…“ „Ich liebe dich.“ Erst misstrauisch, dann aber den Ausdruck in Adrians Gesicht sehend erwiderte er schmunzelnd: „Ich liebe dich auch.“ Und genauso meinte er es auch. Gerade als Adrian ansetzen wollte etwas darauf zu erwidern klingelte das Telefon. „Das darf nicht wahr sein…“, beschwerte sich Adrian und verzog das Gesicht. „Wenn das Marius ist und mir noch eine Schicht aufdrücken will dann…“ „Geh einfach ran.“, Jack boxte ihm leicht in die Rippen, forderte ihn auf nachzuforschen, bevor das Klingeln wieder erstarb und beobachtete belustigt wie Adrian recht unelegant aus dem Bett kletterte, sich verhedderte und dann nackt wie er war zum Telefon im Flur sprintete. Das war genau die Art von Sonntagmorgen wie Jack sie mochte. Leise in sich hineinlachend rollte er sich auf Adrians Seite, genoss die noch warme Bettseite und lauschte. „Ja?“ „Adrian. Ich bin es, Jen.“ Innerlich stöhnte Adrian entnervt auf, ging mit dem Telefon in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine an. „Was gibt’s?“ „Kannst du sprechen?“ Adrian antwortete zickig und eine Spur zu schnell: „Ich stehe gerade nackt in der Küche, mein Freund liegt ebenso nackt im Bett und macht sich vermutlich gerade so breit, dass ich nachher keinen Platz mehr kriege. Wir haben also die besten Voraussetzungen um den Sonntag gut einzuläuten.“ Erst folgte darauf Stille, dann fragte Jen verwirrt: „Was redest du da?“, jetzt seufzte Adrian wirklich. „Schon okay, war nur ein Scherz, natürlich kann ich sprechen und ausnahmsweise auch mit dir.“ Sie ignorierte die Bemerkung und antwortete: „Es geht um Daniel.“ „Das habe ich mir gedacht.“ „Adrian ich meine es ernst. Es geht um gestern, ich will nicht, dass er so viel Kontakt mit Jack hat.“ „Du tust so als sei er ein Unbekannter. Daniel kennt Jack jetzt seit gut vier Jahren und es war nur eine Frage der Zeit bis wir zusammen ziehen.“ „Du hältst das also für eine gute Idee?“ „Ich halte es für eine richtige Idee. Jen, er ist mein fester Freund, mein Lover, mein Lebensabschnittspartner, natürlich halte ich das für eine gute Idee. Jack ist völlig in Ordnung und Daniel nicht blöd.“ „Ich weiß wirklich nicht ob…“ „Was sagt denn der Kleine dazu?“ „Ich fürchte er kommt da ganz nach dir… Er mag ihn, findet „Papas Freund total cool“.“, Adrian lachte. „Gib ihm einfach eine Chance okay? Du wirst sehen Daniel wird keine Schäden davon tragen.“ Jen schien nicht wirklich zufrieden und seufzte gequält. „Ich bin noch nicht überzeugt, aber ich werde es versuchen. Einverstanden?“ „Du bist die Beste Ihr müsst euch nur besser kennenlernen.“ „Sag ihm er soll sich einen Job suchen.“ „Richte ich aus.“, dann hängte sie auf und Adrian kehrte schmunzelnd zurück ins Schlafzimmer, hatte immerhin an den Kaffee gedacht. „Jack! Ich wusste es, lass mir auch etwas Platz!“ Der Punk schmollte, stütze sich auf die Unterarme und sah ihn durchdringend und neugierig an. „Das war nicht Marius oder?“ „Es war Jen.“ „Was wollte sie?“, Jack richtete sich auf, ließ Adrian auch etwas Platz und lehnte sich mit ihm an die angrenzende Wand. Die neue Tasse in seinen Händen zitterte ein wenig und verriet seine Nervosität. „Daniel wird weiter hierher kommen und Jen will versuchen dir eine faire Chance zu geben. Sie muss sich nur noch daran gewöhnen, dass wir jetzt zusammen wohnen, das scheint die ganze Sache realer zu machen.“ Der Jüngere schwieg, schien aber deutlich erleichtert. „Und Daniel findet dich wohl mächtig cool.“ Nun lachte er. „Ehrlich? Jen wird wütend sein.“ „Naja, begeistert war sie nicht.“ Nachdem er seine Tasse zur Seite gestellt hatte legte Adrian seinen Kopf auf Jacks Schoß und ließ sich mit Keksen füttern, die er, aus einer Macke heraus, immer neben dem Bett drapiert hatte. Es war okay so wie es verlief, es hätte weitaus schlimmer enden können. Als Jack das erste Mal vor vier Jahren mit Adrians Vaterrolle konfrontiert wurde, war er bei weitem nicht so ruhig geblieben. Jack besaß schon länger den Schlüssel zu Adrians Wohnung und als er eines Abend nach einer Bandprobe noch zu ihm ging hörte er die, ihm damals noch unbekannte, Stimme von Jen. Sie stritt mit Adrian und unsicher schloss er die Wohnung auf. „Adrian?“, fragte er vorsichtig und Erleichterung durchflutete seinen Körper als sich sein Freund zu ihm umdrehte und der eben noch wütende Blick milder wurde. „Jack, schön dich zu sehen.“, er lächelte sanft und für einen Moment schien er vergessen zu haben, dass er sich bis eben gestritten hatte. Dann trat Jen aus der Tür und war Jack von Anfang an unsympathisch. Sie trug den damals noch Vierjährigen Daniel auf dem Arm und musterte Jack kalt. „Und wer ist das Adrian?“ Jack starrte sie verblüfft an. „Das wollte ich auch gerade fragen.“ Er rieb sich kurz die Schläfe und seufzte leidend. Dann legte er eine Hand sanft um Jacks Hüfte und drehte sich zu Jen. „Adrian?“ „Jen, das ist Jack, mein fester Freund.“ „Jack? Das ist Jen, meine Exfreundin von vor vier Jahren. Auf ihren Armen schläft Daniel, mein Sohn.“, die beiden einander Vorgestellten sogen scharf die Luft ein und starrten sich an. Adrian wich Jacks Blick schuldbewusst aus, aber die Enttäuschung seines Freundes spürte er trotzdem. „Sohn?“ „Es tut mir Leid…“ Aufgebracht wand sich Jack aus seinem Griff und funkelte Jen an. „Wenn du seine Ex bist, was suchst du dann hier?“ Ein verärgertes Lächeln huschte über ihre Lippen und sie antwortete zickig: „Keine Angst, ich bin nur hier damit er sich mal um Daniel kümmert.“ „Nach vier Jahren?“ „Höchste Zeit wenn du mich fragst.“ Sie gifteten sich noch eine Weile an, eine Zeitspanne in der Adrians Kopfschmerzen rasant zunahmen. „Ruhe! Alle Beide… Jen, ich bin nicht dein Babysitter. Ich meine, du hast dich all die Zeit nicht einmal gemeldet, warum ausgerechnet jetzt?“ Sie warf noch einen tödlichen Blick in Jacks Richtung, der diesen genauso liebevoll konterte und antwortete: „Ich habe Probleme auf der Arbeit und wenn es nicht wirklich dringend wäre, würde ich dich auch nicht darum bitten.“ „Wie lange soll das gehen?“ „Drei Tage.“ „Und dann?“ „Was „und dann?“ Adrian sah sie ärgerlich an. Er war vielleicht gutmütig aber nicht blöd. „Dann verschwindet ihr einfach wieder und wenn du mal wieder Jemanden brauchst kommst du wieder oder was?“ Sie schwieg und sah erst Adrian, dann Daniel nachdenklich an. „Ich denke, darüber sollten wir reden.“ „Das denke ich auch.“ Sie standen mit dem Rücken zu Jack, der mit verschränkten Armen in der Tür stand und unwohl auf seinem Lippenpiercing herum biss. Die Sache gefiel ihm nicht. Als ob Adrian dies gespürt hätte drehte er sich zu ihm um und sah ihn fragend und bittend an. „Jack? Was sagst du?“ „Es ist deine Wohnung, lass hier doch wohnen wen du willst.“, seine Stimme klang verletzt. „Jack…“ „Es ist okay, wirklich.“ Adrian schien etwas sagen zu wollen, aber fand nicht die richtigen Worte. Jen musterte sie genau, drückte Daniel dann in Adrians Arme, gab dem Kleinen noch einen Kuss und sah Jack durchdringend an. Ihre braunen Augen funkelten und schienen ihm das Wort „Punk!“ entgegen zu speien. Er hielt ihrem Blick stand. „Bis dann.“ „Bis in drei Tagen.“ Dann war sie weg, ihr Sohn blinzelte ihr verschlafen hinterher, schien sich aber an dem neuen Umstand nicht sonderlich zu stören. Er schlief wieder ein und es entstand eine unangenehme Stille zwischen den beiden Anderen. Als Adrian ihn endlich ansah wusste er, dass sich Jacks Blick sich schon die ganze Zeit in ihn gebohrt hatte und er entschuldigte sich schnell damit, dass er Daniel eben ins Bett bringen würde. „Tu das.“, seine Stimme war eisig, klang dafür nicht mehr so verletzt, jetzt wo Jen nicht mehr da war. Adrian trug seinen Sohn ins Wohnzimmer, baute aus dem Sofa ein improvisiertes Bett und versorgte ihn mit dem was er brauchte. Als er dann wieder zurück in die Küche ging, fand er dort Jack am Küchentisch sitzend, sein Gesicht in den aufgestützten Händen vergrabend. „Jack?“, fragte der Ältere vorsichtig und kam näher. „Warum hast du mir nie davon erzählt?“ Adrian zog sich einen Stuhl zu ihm, setzte sich neben Jack und streichelte sanft dessen Nacken. „Als wir uns kennenlernten hat sich das einfach nicht ergeben und jetzt ist er schon vier Jahre alt… Ich habe nicht geglaubt ihn oder sie jemals wieder zu sehen. Du musst wissen, nach seiner Geburt hatten Jen und ich uns darauf geeinigt, dass ich mich nicht um ihn kümmern brauche. Ich meine klar, er ist mein Sohn, aber das war alles nicht geplant, immerhin war sie damals sechzehn und ich siebzehn.“ Jack sah ihn noch immer nicht an. „Was ist dann passiert?“ „Sie wollte das Kind behalten und wir beschlossen uns noch während der Schwangerschaft zu trennen, geliebt hatten wir uns eh nicht wirklich, ich ahnte damals bereits, dass ich schwul bin. Nun habe ich die Beiden seit der Geburt nicht mehr gesehen.“ „Auch wenn du sie nicht geliebt hast, bereust du eure Trennung?“ „Bereuen? Himmel nein! Wie gesagt Frauen sind nicht mein Ding, Kinder schon mal gar nicht und als Familienvater wäre ich wirklich eine Niete.“ „Wie kommt es das du jetzt hier bist?“, Jack fiel auf, dass er eigentlich gar nichts über Adrians Vergangenheit wusste. „Ich habe wegen der ungewollten Schwangerschaft echt Ärger zu Hause bekommen und als ich sie dann noch verlassen habe, haben sie mich rausgeworfen. Durch mehr einen Zufall und einen guten Freund wurde ich dann Tänzer und kam dorthin wo ich heute stehe.“ „Deine Eltern haben dich rausgeschmissen, weil du kein Vater sein wolltest?“, Jack sah ihn fast schockiert an. „Zum Teil, sie waren auch nicht sehr begeistert als ich beichtete schwul zu sein, denn das führte dazu dass mein Erzeuger mir die Scheiße aus dem Leib prügelte und ich mich doch recht schnell „freiwillig“ für den Auszug entschied.“, sein Gesichtsausdruck war bitter und Jack griff nach seiner Hand, drückte sie ermutigend. Er war bestürzt, wütend und verständnisvoll für seinen Freund und wollte eigentlich nicht von einer Welle der Sympathie für ihn überschwemmt werden. „Deswegen hast du das nie erwähnt?“ „Es tut mir wirklich leid, ich hätte es tun sollen…“ „Ja das hättest du wirklich.“ Sie sahen sich lange an, Adrian hatte sich selten so unwohl gefühlt und hielt den Blick weiterhin schuldbewusst gesenkt bis Jack anfing zu lächeln. „Du guckst schlimmer als ein getretener Hundewelpe.“ „Ich will nicht dass du wütend auf mich bist…“ „Naja… Jetzt weiß ich ja Bescheid, aber wehe du verheimlichst mir noch mehr!“ „Das wird nicht vorkommen!“ Sein Freund musterte ihn, nahm dann eine lange Haarsträhne in die Hand, wickelte sie spielerisch um sein Handgelenk und zog ihn damit an sich. „Mein Freund Adrian, das ewige Mysterium…“, damit erlaubte er Adrian ihn wieder zu küssen. Wenig später standen sie in der Tür zum Wohnzimmer und beobachteten den kleinen Daniel, der tief und fest schlief. „Der Kleine hat echt Glück.“ „Ja?“, Adrian sah ihn verwirrt an und legte den Kopf schief. „Ich habe das Gefühl, dass er mehr nach dir kommt, vor allem äußerlich.“ Amüsiert lächelnd beließ Adrian es dabei und verließ das Wohnzimmer um in sein Schlafzimmer zu gehen. Einen Moment lang sah Jack ihm nach, sah dann zu Daniel, wünschte ihm stumm eine gute Nacht und folgte Adrian, losch im Flur das Licht. „Träumst du Jack?“ Der Angesprochene blinzelte irritiert und starrte Adrian fast überrascht an. „Uhm… ja…“ „Wovon?“ Er lachte leise. „Na dir, wem sonst?“ Adrian boxte ihn von seiner Position aus gegen das Bein. „Du bist blöd.“ Jack sah zu ihm hinunter, erinnerte sich an seinen Tagtraum und hatte das Verlangen eine Sache mit Adrian zu klären. „Schatz? Wenn einer von uns Beiden eine Frau wäre, hätten wir dann Kinder?“ Adrian glotzte ihn an als hätte er den Verstand verloren und meinte bestürzt: „Bist du irre? Nein!“ Jack schien für einen Moment verletzt. „Wieso nicht?“ „Na, keiner von uns ist eine Frau und ich liebe dich als Mann und ich bin selbst gerne auch männlich… Es gibt so viel anderes, was wir als männliches Paar teilen können, theoretisch auch Kinder, aber wenn ich eine klassische Klischee Familie haben wollte hätte ich vermutlich Jen heiraten müssen.“ Jack nickte nachdenklich. „Trotzdem nervt es manchmal dass wir gewisse Einschränkungen haben…“ „Wir sind unsere Familie, unsere Freunde sind unsere Familie und damit ist Daniel praktisch dein Stiefsohn, warum beschäftigt dich das so?“, Adrian fühlte sich alarmiert und hatte da so eine Ahnung. Unwohl sah er ihn an, hoffte ein Anzeichen für das schlechte Gefühl zu finden. Doch als er zu Jack hochsah sah er nichts anderes als die Liebe zu ihm und er begriff dass es sich hier vielleicht um etwas sehr Großes handelte. „Ich liebe dich und ich weiß nicht ob man sagen kann dass ich niemals jemand mehr lieben werde als dich, aber ich weiß, dass ich niemand anderes wollen würde. Wärst du eine Frau würde ich dich vermutlich um all das bitten um was die Heterosexuellen Pärchen auch bitten, aber dann stelle ich fest, dass ich dich als „Adrian“ will und nicht als Geschlecht… Verstehst du wie ich das meine? Ich frage mich auch warum ich über sowas nachdenke, aber ich bin glücklich dass du gerade hier bist und das sich unsere Wege gekreuzt haben und…“, weiter kam er nicht, hätte sich sowieso nur weiter verfranzt und wurde von Adrian nach unten gezogen und dieser umarmte seinen Kopf, brachte ihre Gesichter ganz nah aneinander und küsste jeden Millimeter der zarten Haut Jacks. „Ich liebe dich auch Jack. Mehr als ich jemals geglaubt habe jemanden Lieben zu können.“ Sie spürten die Wärme zueinander, waren froh fern von den urteilenden Augen der anderen Menschen zu sein und für einen Moment lang waren sie nur Jack und Adrian, zwei Namen die nicht über die bevorstehenden Probleme mit Exfreundinnen und anderen Dingen, die auf sie zukommen konnten nachdachten. Sie ahnten nicht, dass Jen gerade telefonierte und sich mit Daniel eine Wohnung in ihrer Nähe suchen würde. Sie ahnten nichts von dem letzten Fünkchen Hoffnung mit dem sie Adrian für sich haben wollte. Sie ahnten nichts von Marius und Sascha, die noch immer genauso glücklich wie vor sechs und damit einundzwanzig Jahren miteinander waren, deren Glück aber durch einen einzigen Unfall schwer ins Wanken geriet. Sie ahnten nicht, dass jemand vom Club sie in ein paar Stunden anrufen würde um Adrian die komplette Woche, vielleicht auch für immer, frei zu geben. Die Fahrt ins Krankenhaus, die Ungewissheit, die Angst. Das gehörte dazu. Doch jetzt waren nur sie wichtig, der Mittelpunkt der Welt und so holte Adrian den versprochenen, wunderschönen Sonntagsanfang nach. Es war doch ein herrlicher Tag und die paar Probleme die da auf sie zukommen würden, würden sie gemeinsam lösen. Sie waren zufrieden, wieso auch nicht? Ende Kapitel 3 Danke fürs lesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)