Magierblut – Die neue Generation von Runenwölfin ================================================================================ Kapitel 7: Gnadengesuch ----------------------- Akira schwieg eine Weile, ehe sie ihrem Gefährten antwortete: "Ich sehe, es ist dein Ernst, doch was immer du auch tust, ich werde hinter dir stehen. Es reicht was der Orden aus unserem Sohn gemacht hat." Sie zitterte vor Wut. "Doch wir brauchen einen Plan, sonst wird das nichts. Ich habe ein Gerücht gehört... tief in den Bergen sammeln sich Rebellen zu einem neuen Angriff, außerdem gibt es einen Wolf, er wird der weiße Wolf genannt, dem eine tiefere Verbindung zum dunklen Wolf nachgesagt wird. Er soll der Einzige sein, der dem Dunklem gefährlich werden kann. Vielleicht sollten wir den Orden verlassen und nach dem weißen Wolf suchen?“ Jetzt war es an Nimrod zu schweigen, während er sich den Einfall von Akira durch den Kopf gehen ließ: „Nein, den Orden zu verlassen wäre eine Fehler. Wir haben einen entscheidenden Vorteil, wir sitzen an der Quelle und können unerwartet zuschlagen. Und wir sollten Erin nicht vergessen. Durch sie können wir an Orte im Palast kommen, zu denen Jäger keinen Zutritt haben. Allerdings wenn es diesen weißen Wolf wirklich gibt, dann sollten wir…“ Er wurde von einem Jaulen Caileans unterbrochen: „Hört auf damit!“ Nun hatte der Jungwolf die volle Aufmerksamkeit seiner Eltern. „Was ihr hier macht, nennt man Verrat. Ich möchte nicht, dass ihr dadurch euer Leben verliert.“ „Jammere nicht so, mein Sohn“, knurrte der Graue. „Es wäre mir eine Ehre für dieses Ziel zu sterben.“ „Am Sterben ist nichts ehrenvolles. Es ist grausam und unnötig.“ „Was bringen sie euch eigentlich in der Jägerschule bei? Du hast doch keine Ahnung davon, Jüngling. Ich habe schon Hunderte sterben sehen und natürlich ist es kein schöner Anblick, aber alle diese Wölfe sind im Kampf gefallen, für eine Sache an die sie glaubten. Wenn du so sprichst, dann geh zu deinem Bruder und kämpfe an seiner Seite!“ Der junge Rüde blickte erschrocken drein. So hatte sein Vater noch nie mit ihm gesprochen, aber dann schüttelte er den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können: „Ich vertraue darauf, dass ihr es besser wisst.“ Zufrieden sah Nimrod wieder Akira an: „Ich habe einen Plan, wie wir den Orden nicht verlassen müssen und gleichzeitig überprüfen können, ob es diesen weißen Wolf auch gibt. Sicher werde ich bald den Ordensführern vorgeführt, ich gehe davon aus, dass du auch da sein wirst, Akira. Dort setze ich meinen Plan um. Nun, ihr solltet jetzt gehen.“ Er blickte seiner Gefährtin sanft in die Augen, da war er wieder, der liebe Wolf in ihm. Die Kälte hatte nicht wieder komplett von ihm Besitz ergriffen. „Es wird alles gut, Liebes.“ Dann wendete er sich an Cailean: „Du kommst nicht zur Verhandlung.“ „Soll ich stattdessen irgendeinen Auftrag ausführen? Jemand ausspionieren?“ „Nein.“ Der Graue drehte ihnen den Rücken zu, ging ein paar Schritte, dann ließ er sich mühsam nieder. Er spürte seine alten Knochen, was ihm ein wenig die Zuversicht nahm. „Du sollst mich nur nicht sehen, wie ich ohne Ehre um mein Leben und meine Freilassung bettele. Welche Schande für einen großen Jäger wie mich.“ Akira verließ ihren Gefährten betrübt. Nimrod hatte eine große Dummheit gemacht, doch er wusste wohl, was zu tun war. Dennoch machte sie sich Sorgen um ihren Gefährten. Sie musste unbedingt mit Erin sprechen. Langsam begann es zu dämmern. Die warme Abendsonne tauchte die Landschaft in ein sanftes Rot. Erin saß auf der kleinen Anhöhe, wo sie sich schon öfters mit ihrem Vater aufgehalten hatte, als sie noch ein Welpe gewesen war. Sie konnte sich noch gut an den Moment erinnern, an dem sie erfuhr, dass sie Magierin werden sollte. Ein Seufzer kam über ihre Lefzen. Sie hatte gerade ein Gespräch mit ihrer Mutter hinter sich gebracht. Es ging um ihren Vater. Im Unterricht hatte sie aufgeschnappt, dass ein Jäger außer Kontrolle geraten war, doch bis dahin wusste sie noch nicht, dass es sich um ihren Vater gehandelt hatte. Doch sie ahnte es. Erin hatte in der Ausbildung schon sehr viel gelernt und sie war wiedererwarten eine gute Schülerin. Sie konnte schon alle Heilkräuter auswendig, zeigte bereits Ansätze in der Kunst des Heilens, auch der Illusionszauber schien ihr zu liegen, ebenso wie die Ahnungen. Erin war ein Allroundtalent. Mittlerweile wurde sie fast nicht mehr gehänselt, selbst Tristan entwickelte eine Art Respekt. Dennoch das alles machte sie nicht glücklicher. Noch immer wäre sie lieber eine Jägerin und mit vorne dabei, aber je mehr ihre Ausbildung voranschritt, desto mehr verringert sich dieser Wunsch. Sie war an einem Punkt, wo sie aufpassen musste nicht dem Orden zu verfallen und genau dies merkte sie jetzt. Sie war schon fast so sehr dem Orden hörig, dass sie beinahe Akiras Bitte abgelehnt hätte. Aber dennoch, sie fühlte sich nicht wohl dabei. Der Gedanke als Spion entdeckt zu werden, bereitete ihr großen Unbehagen. Sie merkte wie sehr sie von ihren Pflichten eingenommen war, dabei wollte sie doch eigentlich nur frei sein. In diesem Augenblick beschloss die kleine Wölfin den Orden zu verlassen. Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann, wenn sie eine mächtige Magierin sein würde, dann wollte sie ihren eigenen Weg gehen. Raus aus dem Orden, der einen nur knechtete, weg von der Familie, die nur Ärger macht. Sie wusste eines Tages würde dieser Tag kommen, an dem sie diesen Ort hinter sich lassen konnte. Ein Ort mit starren Gesetzen, ein Ort an dem Fähen weniger beachtet wurden als Rüden, ein Ort der Gefangenschaft. Es war noch warm, aber so langsam spürte Pavan die Kälte der bevorstehende Nacht. Noch erhellte ein angenehmes Rot den Himmel, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne komplett verschwand. Der graubraune Jüngling erreichte den Fluss und beugte sich übers Wasser, um sein Spiegelbild zu betrachten. „Wer bin ich wirklich?“, flüsterte er vor sich hin. Er legte die Ohren an, als er erkannte, wem er doch so ähnlich sah: Seinem Vater. Besonders die roten Augen leuchteten hervor und zeigten, wessen Gene sich besonders stark bei ihm hervortaten. Der Jungwolf wollte doch nur ein Jäger sein, aber sich gegen Nimrod zu wenden, fiel ihm trotzdem schwer. Wütend schüttelte er den Kopf. Das war nicht seine Schuld. Nur sein Vater hatte das zu verantworten. Aufgebracht lief er weiter, bis ihm schließlich ein vertrauter Geruch in die Nase kam. Erin, sie wird mich verstehen, ging es ihm durch den Kopf und seine Schritte wurden schneller, bis er sie schließlich auf einer Anhöhe fand. „Schwester“, meinte er schwanzwedelnd. „Schön dich wiederzusehen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Hast du das von Vater gehört?“ Die Magierin erblickte ihren Bruder, sie hatte es geahnt, dass sie ihn heute noch treffen würde, ebenso wusste sie bereits, welche Frage er ihr stellen wollte. Sie hatte sich darauf vorbereitet. Sie wusste, dass sie jetzt klug sein musste, sie konnte sich weder gegen Pavan, noch gegen ihre Familie oder den Orden auflehnen. So sah sie ihn nur an und nickte. Ruhig antwortete sie: "Ja, Mutter hat es mir soeben erzählt." Der Graubraune setzte sich neben sie und sah auf die Landschaft: „Schöner Ort hier. Ich hätte jetzt erwartet, dass du gerade am Üben bist. Du weißt schon. Zaubersprüche und so.“ So sehr er seine Schwester liebte, ihre Fähigkeit Magie anzuwenden, hatte schon immer eine gewisse Barriere zwischen sie gebracht. Erin war ganz anders aufgewachsen als er, hatte andere Freunde gehabt und eine andere Schule besucht. Man sah sie als etwas Besseres und so behandelte Pavan sie meistens auch. Respekt vor Magiern des Orden gehörte zu den Eigenschaften, die ein guter Jäger besitzen sollte. Aber Respekt bedeutet auch einen Abstand, den man nie überschreiten durfte. Aber selbst zu Cailean hatte Pavan keine so enge Bindung, was wohl dran lag, dass der Graubraune genau wusste, dass er der bessere Schüler von beiden war und deswegen ein wenig seiner Arroganz unterlag. „Unser Vater ist eine Schande, meinst du nicht auch? Nur weil er eifersüchtig auf meinen Meister ist, braucht er ihn doch nicht zu verletzen. Für unser schlechtes Verhältnis kann Rhodri nun wirklich nichts. Dass ich einmal stolz gewesen bin der Sohn des großen Nimrod zu sein, kann ich selbst nicht glauben. Ich bin so enttäuscht.“ Sie sah Pavan wortlos an. Wo war er bloß, der gute Bruder aus alten Kindertagen, mit dem sie sich so gut verstanden hatte? Doch die Zeiten hatten sich geändert. "Oh Bruder ich habe geübt, doch mein Training besteht nicht aus Kämpfen. Für mentales Training braucht man Konzentration und Ruhe. Wenn nicht dieser, welcher Ort wäre dann besser dafür geeignet? Doch nun zu unserem Vater." Sie hielt kurz inne. "Für den Orden ist unser Vater gewiss eine Schande, wenn man bedenkt, welche hervorragende Leistung er einst gebracht hatte. Ich habe gehört, dass er Rhodri schlimm verletzt haben soll, ich glaube er hat ein Auge verloren dabei." Sie schwieg wieder. "Dennoch wissen wir nicht, was einst zwischen den beiden wirklich vorgefallen ist. Doch sei es darum, Vater muss nun sehen, wie er da wieder rauskommt. Die Verhandlung ist für morgen angesetzt, oder?“ Der Rüde brummte vor sich hin. Wie er diese neutrale Art seiner Schwester hasste. Viele Magier waren so und Pavan wünschte sich manchmal, sie würde einfach sagen, was sie dachte und nicht immer versuchen beiden Seiten gerecht zu werden. Entweder sie stand zu ihrem Vater oder sie stand zum Ordnen, aber beides ließ sich kaum unter einen Hut bringen. Trotz dieser Gedanken wollte er nicht weiter darauf eingehen und erwiderte stattdessen: „Es sieht schlecht aus um sein Auge, aber wer weiß schon, was die Heiler erreichen können? Nur sie sprachen nicht sehr zuversichtlich. Manches können selbst sie nicht mehr reparieren und wenn Vater einmal zuschlägt, dann wächst an der Stelle kein Gras mehr.“ Er seufzte. „Und was immer zwischen den beiden vorgefallen ist, Vater hätte sich trotzdem anders verhalten sollen. Rhodri ist nicht sein Feind, sondern sein Verbündeter.“ Der Wolf merkte, dass da die Lehren des Ordens aus ihm sprachen, denn es wurde ihnen immer wieder gesagt, dass man seine Kameraden achten musste, selbst wenn man noch so eine Abneigung gegen sie hatte. „Richtig, die Verhandlung findet morgen statt. Wirst du dich ins Publikum gesellen? Ich überlege fernzubleiben und damit zu zeigen, dass ich seine Tat zutiefst verabscheue.“ Der Graubraune war sich darüber im Klaren, dass das einer Verleugnung seines Vaters gleichkam. "Mag sein, dass das was er getan hat nicht das Beste war, aber er ist immerhin noch dein Vater. Ich kann mir vorstellen, dass er alles versuchen wird, um frei gesprochen zu werden, ich weiß nicht, ob du dies sehen willst. Sicher wird er alle Register ziehen. Ich werde zumindest auf die Verhandlung gehen." Erin war sich in diesem Punkt unschlüssig, ihre Kräfte verließen sie, sie wusste nicht, was sie Pavan am besten raten solle, ebenso wenig hatte sie eine Ahnung, auf welcher Seite ihr Bruder wirklich stand. Das verwirrte sie, normal war diese Fähigkeit schon sehr gut ausgeprägt. Wahrscheinlich, so dachte sie, liegt es daran, weil es um ihr persönlich Umfeld ging, vielleicht irritierte sie das so sehr, weil sie so versteift darauf war das Richtige zu tun. Mit Nachdruck bestätigte sie nun noch einmal die Aussage von eben: "Ja, ich werde dort sein.“ Damit hatte seine Schwester verraten auf welcher Seite sie wirklich stand, was den jungen Rüden zutiefst enttäuschte. Verstand sie denn nicht, dass es ihrem Vater nur darum gegangen war seine weitere Ausbildung zu verhindern? Dass er nur eifersüchtig gewesen war und deswegen jemand verletzt hatte, der sich seinem Sohn annehmen und ihm all sein Wissen beibringen wollte? Besonders von einer Magierin konnte man doch mehr erwarten, immerhin galten diese doch als höhere Wesen. „Du musst tun, was für dich am besten ist“, antworte er geknickt. „Nun, ich sollte meinen Kontrollgang fortsetzten und dich nicht weiter von deiner Meditation abhalten. Mach es gut, Schwesterherz.“ Mit schnellem Schritt lief er davon und hetzte durch den Wald, noch mehr verwirrt als vor dem Gespräch. Was sollte er nur tun? Erst einmal erledigte er seine Aufgabe und kontrollierte die inneren Grenzen auf fremde Gerüche, als er nichts Auffälliges fand, kehrte er zum Lager zurück und erstattete dem Gildenführer Bericht. Als er aus der Höhle des Anführers kam, rasten in seinem Kopf immer noch die Gedanken um den Vorfall und seinen Vater umher. Schließlich konnte er nicht anders und steuerte auf die Behausung von Rhodri zu. Ganz vorsichtig trat er ein und fand den Elitejäger sich ausruhend auf dem Boden. „Verzeiht mein Eindringen, Meister. Es gibt das etwas, was ich Euch fragen muss. Es geht um meinem Vater. Ich würde gerne wissen, warum er Euch so hasst.“ Bedrückt ließ er den Kopf hängen. Der Braune hatte den Jungwolf schon von weitem gehört, so war er nicht überrascht, als er in die Höhle eintrat. Langsam richtete er sich auf. Auf der einen Seite hatte er eine tiefe Narbe im Gesicht, auf der anderen klaffte ein Loch aus dem Kopf, dort wo normal das Auge sein sollte. "Erschrick nicht, dein Vater hat es geschafft, mir die Hälfte meiner Sehkraft zu nehmen, doch einen guten Jäger hindert selbst dies nicht. Außerdem solltest du etwas leiser sein, ich habe dich schon gehört, da warst du noch nicht einmal in der Höhle. Naja, bisher hattest du ja auch noch keinen anständigen Lehrer, der dir dies zeigen konnte." Er hielt kurz inne, dann sprach er weiter: "So nun zurückkommend auf deine Frage: Ich weiß es nicht, ich habe deinem Vater nichts getan." Er machte ein betroffenes Gesicht. "Ganz im Gegenteil ich habe deinen Vater bisher immer sehr verehrt, ich weiß nicht, an was es liegen mag. Vielleicht ist er auch eifersüchtig, denn deine Mutter begehrte einst mich, allerdings hatte ich zu jener Zeit keine Lust auf Bindung, so musste sie sich für deinen Vater entscheiden. Doch warum sollte dein Vater so kindisch sein, wegen einer alten Sache so auszurasten? Ich gönne ihm das Glück mit Akira, vor allem wenn ich dich so ansehe, da du ja ein Gewinn für den Orden bist." Rhodri grinste innerlich. Er wusste, dass Akira ihn einst verschmähte, doch er wollte Pavan täuschen, sollte der Jungwolf nur denken, dass sein Vater überreizt und kindisch sei. Der Anblick des Auges erschrak den jungen Rüden, aber er riss sich mit aller Gewalt zusammen und wagte es sein Gegenüber direkt anzusehen. Sein Vater hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, so alt er auch sein mochte, er kämpfte mit tödlicher Kraft und Pavan schätze, dass er Rhodri sogar getötet hätte, wäre er nicht aufgehalten worden. Das Überraschungsmoment war auf seiner Seite gewesen und wie oft erzählten die Jägerlehrer davon, wie mächtig das sein konnte. „Es tut mir so leid“, gab der Jüngling zu verstehen. „Das hätte mein Vater nicht tun dürfen. Ich weiß nicht welcher Irrsinn ihn da geritten hat.“ Verlegen schaute der Graubraune weg. „Wie blöd es auch klingen mag, aber Ihr wärt mir sicher ein besserer Vater gewesen. Einer, der meine Talente zu schätzen wüsste und mit Freuden gesehen hätte, wenn ich meinen Mentor bekomme. Ihr wärt nicht der Eifersucht unterlegen, weil Ihr ein stärkerer Wolf seid als er. Körperliche Stärke ist eben nicht alles, der Geist muss ebenfalls stark sein. Verzeiht, ich weiß, dass es sich nicht geziemt so über seinen Vater zu sprechen. Es ist nur…ich kann es nicht beschreiben.“ Er war einfach total verwirrt und flüsterte nur noch kaum hörbar: „Dafür bekommt er sicher eine schlimme Strafe.“ Noch einmal sah er sich die furchtbaren Wunden an, die Nimrod hinterlassen hatte. „Womöglich richten sie ihn sogar hin.“ Bei dem Gedanken erschauderte er. Trotz all seiner Wut wollte er nicht, dass sein Vater starb. Nimrod konnte die ganze Nacht kein Auge zu machen und auch den ganzen Vormittag hockte er auf seinen vier Buchstaben und starrte einfach gedankenversunken auf die kalten Mauern seines Gefängnisses. Die Verhandlung war für den Nachmittag festgelegt und jede Minute, die dieser näher kam, fühlte sich der alten Rüde so, als würde der Wolf des Todes ihm immer weiter zu Leibe rücken, in Erwartung seine Seele an sich reißen zu können und sie mit ins Jenseits zu nehmen. Schließlich kamen Schritte auf ihn zu. Vier Wachen standen vor der Gittertür, die sich auf magische Weise öffnete. Keiner sprach ein Wort, brauchten sie auch nicht, denn der Graue wehrte sich nicht und ging einfach nach draußen, wo die Wächter ihn zum Gerichtssaal eskortierten. Der Verhandlungsort erstrahlte in alter Pracht und die Zuschauer hatten sich bereits eingefunden und tuschelten vor sich hin, als der Gefangene hineingeführt wurde. Als dieser an seinem Platz war, trat ein Sprecher der oberen Magier hervor: „Eure Lordschaft, der dunkle Wolf!“ Es wurde auf der Stelle still als der große, weiße Wolf den Raum betrat. Imponierend setze er sich auf den Platz, auf dem früher immer Talon gesessen war und sah sich erhaben seine Gefolgsleute an. Der Sprecher fuhr fort: „Lord Vin und Lady Aura!“ Hier merkte man, dass der Respekt nicht so groß war, wie beim dunklen Wolf, aber jeder wusste, dass sich mit Vin anlegen ebenfalls sehr gefährlich sein konnte. „Dann lasst uns mit der Verhandlung gegen den Jäger Nimrod beginnen!“, gab Vin von sich. Er trat zur Seite und machte den Weg für Aura frei, die in sehr vielen Fällen die Befragung von Verdächtigen, Opfern und Zeugen übernahm, da man sie als neutral ansah und sie im Orden sehr schätze. Aura nahm auf ihrer Erhebung, von welchem aus die Zeugenbefragungen immer stattfanden, platz. Sie sah in die Runde, dann zu Nimrod. Sie kannte den Wolf zu gut, er war ein ausgezeichneter Jäger. Kurz vor dem großen Angriff der Wilden kämpfte er tapfer an der Seite des Ordens. Sie wusste bereits, dass sich Nimrod mit Rhodri angelegt hatte, doch auch sie mochte den Wolf nicht, genauso wenig wie sie den Orden noch mochte, seit Übernahme durch den dunklen Wolf. Sie wusste, dass der Graue sicher einen guten Grund für den Angriff hatte und sie ihr war auch klar, dass sie solche Wölfe brauchte, Wölfe die gegen die großen Führer im neuen Orden waren. Sie musste unbedingt versuchen den Wolf freizusprechen, denn nur mit solchen Wölfen konnte sie den Orden wieder zurückgewinnen. Sie räusperte sich, dann sprach sie mit respektvoller Stimme: "So möge die Befragung beginnen! Der Angeklagte ist Nimrod, ein Jäger aus dem Stand der Elite. Ihm wird vorgeworfen einen Jäger, der ebenfalls aus dem Stand der Elite kommt, angegriffen und schwer verletzt zu haben. Ist dies richtig? Wenn ja, so nenne er den Grund seines Verhaltens!" Sie sah streng zum Angeklagten. Alle warteten gespannt auf seine Antwort. Akira, seine Gefährtin war ebenfalls anwesend, gemeinsam mit Ihren Sohn Cailean. Nimrods Tochter Erin saß weiter hinten auf der anderen Seite in den Reihen der Magier, dennoch gut sichtbar für ihren Vater. Erin war es nicht gestattet neben ihrer Mutter zu sitzen, in Verhandlungen hatte jeder seine Seite, Jäger und Magier. Familiäre Bande spielte dabei keine Rolle. Der Graue sah sich um und entdeckte seine Familie, auch seine Tochter, die auf der Seite der Magier saß. Es ärgerte ihn etwas, weil er Cailean gesagt hatte, er solle der Verhandlung fernbleiben, aber was erwartete er auch? Sie standen zu ihm und so war es selbstverständlich, dass auch sein Sohn hier war. Nur Pavan fehlte, was dem Jäger einen tiefen Stich versetzte, obwohl er immer noch als Zeuge aufgerufen werden könnte, was Nimrod allerdings für unwahrscheinlich hielt, da der nächste Satz, den er sagen würde, keine weitere Zeugenbefragung mehr notwendig machte. Mit stolzer Haltung trat er vor und richtete den Kopf hoch zu Aura, deren leeren Augen ihn durchbohrten, wenn er auch glaubte ein wenig Freundlichkeit darin zu lesen: „Lady Aura, alles was gesagt wurde, entspricht der Wahrheit.“ Ein Raunen ging durch den Saal und nur ein leises Brummen des dunklen Wolfes brachte wieder Stille. Das Herz des Angeklagten schlug wie wild, aber er fuhr fort: „Ich weiß, dass es ein großer Fehler war und ich kann mich nur entschuldigen, wie unentschuldbar meine Tat auch sein mag.“ Er bemühte sich den Schwanz einzuziehen und die Ohren anzulegen, um sich schuldbewusst zu zeigen, wenn ihm das auch gegen den Strich ging. „Rhodri hatte mich schon immer herausgefordert und seit ich ihn kenne gestichelt bis es wirklich an die Grenze ging, doch ich bin mir durchaus bewusst, dass das keine Entschuldigung sein kann. Es war nicht seine Schuld, sondern meine. Meine Lords und Ladys, ich bin ein alter Jäger, aber ich habe dem Orden immer treu gedient und das werde ich auch weiterhin tun. Mein Leben gehört Euch und ich weiß, dass Ihr die richtige Entscheidung treffen werdet, der ich mich ohne zu Zögern beugen werde. Ich habe mich hinreißen lassen, meine strenge Ausbildung für einen Moment vergessen, aber ich verspreche, dass das nie wieder passieren wird, deswegen bitte ich um Gnade. Dass ich eine Strafe erhalten werden, weiß ich und ich bin bereit sie zu ertragen, nur möchte ich um mein Leben bitten, da ich Familie habe und sie an meinem Ausrutscher keine Schuld tragen. Ihr würdet auch sie bestrafen und das haben sie nicht verdient.“ So sehr es ihm wiederstrebte, er verbeugte sich und bettelte mit zittriger Stimme: „Bitte verschont mich.“ Am liebsten wäre er wieder Amok gelaufen, so sehr hasste er so zu tun, als würde er bereuen, aber in seinem Geständnis sah er die einzige Möglichkeit das Schlimmste abzuwenden und so musste er im Staub kriechen, um sein Leben zu behalten. Dabei dachte er nur daran, wie er dem dunklen Wolf und Vin die Kehle zerfetzen würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)