Magierblut – Die neue Generation von Runenwölfin ================================================================================ Kapitel 17: Ein Besuch im Kerker -------------------------------- Runa streifte durch das Lager und suchte nach Erin, doch die junge Wölfin schien wie vom Erdboden verschluckt. Das Problem lag daran, dass das Gebiet der Rebellen einfach zu groß war und durch die vielen Wölfe man keine Spur mehr aufnehmen konnte, da die Gerüche auf einem Haufen so verwirrend waren. Wenn sich ein Wolf nicht an seinem üblichen Plätzen aufhielt, war es möglich den ganzen Tag herumzulaufen und niemanden zu finden. Jetzt durchkämmte die Wölfin die Gegend an der Grenze entlang, an der sich kaum einer aufhielt. Plötzlich fiel ihr ein Wolf auf. Sein heller Pelz stach ziemlich aus der Landschaft heraus, sicher kein Vorteil beim Jagen, etwas was sie nun allzu gut kannte, immerhin besaß auch sie so ein auffälliges Fell. Sie blieb stehen und legte den Kopf schief. Irgendetwas war mit diesem Wolf, sie wusste aber nicht was. Er strahlte eine Energie aus, die sie nicht zu beschreiben vermochte. Langsam näherte sie sich ihm und bemerkte, dass er ziemlich bedrückt wirkte. Frech wie sie war, stellte sie sich zu ihm und sprach ihn einfach an: „Es scheint eine klare Nacht zu werden. Sicher sieht man heute jeden Stern am Firmament.“ Als sie seine Aufmerksamkeit hatte, fügte sie hinzu: „Hast du zufällig eine junge Fähe hier gesehen? Sie ist grau mit ein paar braunen Färbungen.“ Der Rüde seufzte. "Ja, das wird es wohl... Zudem haben wir Vollmond." Die Sonne ging langsam unter und strahlte den Wolf komplett an. Sein Fell leuchtete wunderschön golden, doch genau das hasste er. Er sah die gelbe Wölfin an und meinte: "Es tut mir leid, ich habe keine Fähe gesehen, zumindest keine, die deiner Beschreibung gleicht. Nur eine andere mit blaugrauen Fell, auch noch sehr jung. Allerdings gehe ich nicht allzu weit in das Lager hinein. Ich bin als Außenposten stationiert und das ist wohl auch das Beste." Ihm kam sein Vater in den Sinn. Er wusste, dass neben den vier Alphas auch Runa, Felana und sein Vater Talon eine Art Alphastellung einnahmen, doch er konnte ihm nicht gegenübertreten, noch nicht zumindest. "Weißt du, ich bin nicht so gut in Magie, wie ich sein sollte, aber ich bin groß und kräftig und kann kämpfen. Aber sag, wieso suchst du eigentlich genau diese Wölfin?" Cesare war etwas neugierig. „Blaugrau, sagst du?“ Die Gelbe schnaubte. „Nein, das ist sie nicht, obwohl ich weiß von wem du sprichst, immerhin trägt fast keiner so einen Pelz. Sie ist die Tochter von Artus und Lexie. Chiyo.“ Dann betrachtete sie den Rüden von oben bis unten: „Sicher, dass du nicht gut in Magie bist? Du wirkst so…ach, vergiss es, nicht wichtig“, unterbrach sie sich selbst. „Ich suche die graue Wölfin, weil ich ihr vor einiger Zeit etwas versprochen hatte und es jetzt erfüllen möchte. Um was es genau geht, kann ich nicht verraten. Streng geheim.“ Mit einem breiten Grinsen stupste sie ihn mit der Pfote an: „Du scheinst sehr bedrückt zu sein? Was ist denn los?“ Cesare war peinlich berührt. Ausweichend antwortete er ihr: "Es ist nichts, du täuschst dich. Nur lastet große Verantwortung auf unser aller Schultern. Weißt du, das ist es bloß." Dann lenkte er vom Thema ab: "Ah, Chiyo heißt sie? Sie war ziemlich weit draußen an den Grenzen als ich sie traf. Kein besonders geeigneter Platz für so eine junge Wölfin. Sind ihre Eltern auch Magier?“ „Mhm, das klingt nicht gerade überzeugend“, gab die Gelbe offen zu. „Aber gut, du musst nicht darüber sprechen, um was es wirklich geht.“ Sie sah wieder zum Himmel, wo man den vollen Mond schon deutlich erkennen konnte. „Ja, beide sind Magier. Ihr Vater führte einmal ein starkes Rudel von Wilden an, das aber den Jägern zum Opfer fiel. Ihre Mutter ist eine Heilerin, die dem Orden den Rücken gekehrt hat. Auch Chiyo hat Talent fürs Heilen, weiß es aber nicht so recht zu schätzen. Ich kann sie da aber gut verstehen. Wenn von anderen bestimmt wird, was man mit seinem Leben anzufangen hat, ist das kein schönes Gefühl. Man sollte selbst entscheiden, was man tun will.“ Dann lächelte die Wölfin ihr Gegenüber wieder an: „Aber ich bin überzeugt, dass sie ihren Weg finden wird. Und jetzt sollte ich wohl mal weiter nach meiner vermissten Jungwölfin suchen, nicht wahr?“ Sie stand auf und wandte sich zum Gehen, als ihr plötzlich noch etwas einfiel: „Ach übrigens: Ich habe letztens ein Gespräch zwischen einem Mitglied deines Rudels und Talon mitbekommen. Er hatte ziemlich viele Fragen über dich. Vielleicht solltest du ihm mal einen Besuch abstatten, denn er scheint dich ja zu kennen.“ Dem Rüden stockte der Atem. Er wusste nicht was er sagen sollte und meinte nur knapp: "Wenn die Zeit dazu da ist." Dann sah er ihr nach wie sie ging. Also setzte Runa ihren Weg fort. Sie lief weiterhin an der Grenze entlang, bis sie schließlich den Fluss erreichte, der das Lager mit Wasser versorgte. So weit draußen hielt sich so gut wie niemand auf, aber falls die Gesuchte sich tatsächlich etwas zurückziehen wollte, war das der perfekte Ort. Und schließlich wurde diese Schlussfolgerung auch mit Erfolg gekrönt, denn die junge Wölfin saß tatsächlich am Rand des Gewässers und starrte verträumt auf die Oberfläche, auf der sich der Mond glitzernd spiegelte. Erin betrachtete ihr Spiegelbild. Sie fand sie war eine sehr hübsche Wölfin. Sie war zwar keinesfalls eitel oder eingebildet, dennoch selbstbewusst. Traurig blickte sie in den Sternenhimmel. Was wohl die restliche Familie nun machte? Alle auseinandergerissen und zerstritten, so hatte sie sich das niemals vorgestellt. Ach wie schön war doch die Zeit als Welpe gewesen. „Da bist du also!“, merkte die Gelbe an und riss die junge Wölfin aus ihren Gedanken. „Weißt du, dass ich dich schon den ganzen Tag suche? Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich etwas bei den Alphas erreicht habe, damit du deinen Bruder im Gefängnis besuchen kannst. So lange hatte ich dir das schon versprochen und nun endlich eine Genehmigung dafür bekommen. Was sagst du? Wollen wir gleich zu den Kerkern?“ Erin schreckte auf, sie hatte nicht mit der gelben Wölfin gerechnet und noch weniger mit dieser Nachricht. Das überraschte sie, normalerweise konnte sie vieles klar sehen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie momentan lieber verdrängte. "Oh ja, natürlich, aber wie hast du das nun geschafft?“ „Viel Überredungskunst“, betonte Runa. „Sehr viel Überredungskunst.“ Tatsächlich hatte sie Skadi sehr lange bearbeitet, bis sie ihre Zustimmung für den Besuch gab. Diese wollte nämlich zu Anfang absolut nichts davon wissen und wenn die Alphawölfin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie kaum vom Gegenteil überzeugen. Aber der Gelben war es schließlich doch gelungen, ohne ihre Freundschaft zu der Anführerin hätte das allerdings niemals geklappt. „Komm schon, wir sollten uns beeilen!“ Hastig trieb sie die junge Wölfin an. Sie mochte die Kerker nicht sonderlich und wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen, sie tat es nur für Erin, dass sie sich dorthin wagte. Diese musste schließlich schon genug durchmachen und sollte wenigstens wissen, wie es ihrem Bruder ging. Erin hastete der gelben Fähe nach. Es dauerte nicht lange und sie waren beim Kerker. Ein modriger Duft wehte ihnen entgegen. "Ganz schön gruslig“, meinte sie und fügte in Gedanken hinzu: Vor allem wenn es finster ist. "Sollen wir uns da wirklich rein wagen? Ich meine, irgendwie schaudert es mich schon." Plötzlich hörten die beiden Wölfinnen einen gequälten Schrei. Eine kalte Prise wehte ihnen aus dem Höhlenkomplex entgegen. „Verständlich, dass es dich schaudert, aber nun sind wir schon hier und sollten machen, weswegen wir gekommen sind.“ Runa ging auf die Wache zu und nickte dem Rüden freundlich zu: „Hat Skadi gesagt, warum ich hier bin?“ „Ja, ihr dürft den Kerker betreten. Haltet euch nicht zu lange auf, es ist nicht gerade ein schöner Ort.“ „Danke, das hatten wir auch nicht vor.“ Sie forderte Erin mit einer Geste auf ihr zu folgen. Der Geruch wurde nicht gerade besser, als sie in das Tunnelsystem eindrangen. Der Gestand von Urin stach am meisten heraus und ließ der Gelben die Nackenhaare zu Berge stehen, zum Glück konnte sie ein Würgen gerade noch unterdrücken. Ein kleiner Trost war, dass die Gefangenen es sicher schon nicht mehr riechen würden, weil sie es einfach gewohnt sein mussten und es dadurch nicht mehr wahrnahmen. Zielstrebig bewegte sich die Fähe durch die Gänge und zeigte der Jüngeren, wo ihr Bruder zu finden war. Heute Morgen hatte sie sich natürlich bei einem Wärter nach dem Weg erkundigt. Schließlich erreichten sie den Zellentrack, den sie suchten. Runa blieb vor einem großen Loch in der Wand stehen, durch das man drei Gefangene sehen konnte. Sie waren heruntergekommen und man erkannte deutlich, dass man sie gefoltert haben musste. Einer der Jüngeren hob den Kopf und starrte zu ihnen herüber. Mit fragendem Blick stand er auf und kam ganz nah an den Ausgang heran. Weiter konnte er nicht, denn zwischen ihnen befand sich eine magische Barriere, die man zwar nicht sehen konnte, die einen aber einen Stromschlag verpasste, wenn man sie von innen berührte und das wusste der Graue ganz genau, schließlich hatte er das schon am eigenen Leib erfahren. „Ich träume, oder?“, flüsterte er und fixierte seine Schwester mit leeren Augen. „Du kannst gar nicht hier sein.“ „Pavan..." flüsterte Erin. "Doch ich bin hier. Was machst du in diesem Gefängnis. Was hast du nur angestellt?" Traurig blickte sie in die ausdruckslosen Augen ihres Bruders. Im Hintergrund bemerkte Rhodri, dass sein Schüler wohl Besuch bekommen haben musste. Leise hielt er sich im Hintergrund, da er erst einmal wissen wollte, um wen es sich handelte. Pavans Blick huschte kurz zu Runa, die sich respektvoll zurückhielt, dann verlor er auch schnell das Interesse an ihr. Seine Schwester war hier das wirklich Wichtige, auch wenn er nicht wusste, ob er sie anschreien sollte, da er ja schließlich wegen ihrer Flucht hier gelandet war oder ob er sich freuen sollte sie zu sehen. Zu beiden konnte er sich nicht durchringen, da ihn das Leben hier all seine Emotionen ausgetrieben hatte, zumindest fühlte es sich so an. Leere und Kälte herrschten nun in seinem Herzen. Er senkte die Stimme, so dass nur Erin hören konnte, was er sprach: „Ich habe einen Fehler begangen. Alles was passiert ist, sehe ich nun in einem anderen Licht. Vater hatte Recht. Mein Mentor“, er wurde immer leiser, damit Rhodri es auf keinen Fall mitbekam, „ist verrückt. Er würde mich sterben lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Schwesterherz, du musst mir helfen. Bitte. Hol mich hier heraus. Lange kann ich an diesem Ort nicht mehr überleben.“ Sie schluckte. Ja, sie wusste, der brauen Rüde war ein übler Bursche, der ihrer Familie schon genug Elend zugeführt hatte. Sie flüstere zurück: "Ich werde mein Bestes geben Bruder." Sie sah ihn traurig an. "Ich muss jetzt gehen, aber ich versichere dir zurückzukommen." Rhodri beobachtete die Szene genau, er war wütend, weil er nicht verstand, was die beiden untereinander redeten. Die verdammte Göre, dachte er sich. Die hat mir das alles eingebrockt, wenn ich die erwische, die kann was erleben! Er knurrte leise in sich hinein, dann fiel sein Blick in die andere Ecke. Dort lag schon der fast halb tote Zuian. Er war sehr schwach und psychisch so gut wie am Ende. Wäre er ein guter Kamerad, so hätte er ihn von seinem Leiden erlöst. Aber was kümmerte es ihn? "Also bis dann!" Erin sah ihren Bruder noch ein letztes Mal an und drehte sich dann weg um Runa zu folgen. Als sie weg waren, begab sich der Mentor wütend zu seinem Schüler und baute sich drohend hinter ihm auf. Sehnend sah Pavan seiner Schwester nach, noch immer nicht ganz sicher, ob das nicht doch ein Traum sein könnte. Natürlich merkte er, wie Rhodri immer näher kam, bis er seinem Atem deutlich hinter sich spüren konnte, doch er drehte sich nicht um, weil er dem Braunen nicht in die Augen blicken wollte. Stattdessen meinte er mit leiser Stimme: „Vielleicht schafft sie es uns hier herauszuholen. Sie wird doch ihren geliebten Bruder nicht einfach an so einem Ort lassen.“ Er sagte dass, um seinen Meister zu beruhigen und sein Flüstern zu erklären, was der Ältere sicher mitbekommen hatte. Danach wendete er sich mit angelegten Ohren Zuian zu. Halte durch, Kumpel, dachte er sich traurig. Rhodri knurrte seine Schüler an. Plötzlich erhob er seine Pfote und schlug den unvorbereiteten Wolf zur Seite, so dass er in die Richtung von Zuian fiel. Dieser jaulte vor Schreck laut auf. "Ihr verdammten Memmen! Mit euch kann man nichts anfangen. Glaubst du denn wirklich, dass sie dich rettet? Nach alle dem was DU deiner Familie angetan hast?" „Ich habe nur meine Pflicht getan, dass weiß Erin genau!“, konterte der graue Jüngling. Kurz darauf bereute er es so mit seinem Mentor geredet zu haben. Im Kerker zu sitzen, machte wohl beide sehr aggressiv. „Meister, es ist zumindest eine Chance“, sagte er kleinlaut. „Ich sehe hier absolut keinen anderen Ausweg. Besser als die Pfoten stillzuhalten und überhaupt nichts zu machen, meint Ihr nicht?“ „Hm..." Der Braune brummte. Er wusste genau, dass die beiden Jünglinge davon kommen konnten. Aber er? Er musste sich etwas ausdenken. Um den grauen Jungwolf zu beruhigen antwortete er: "Du hast wohl recht." Dann drehte er sich um und legte sich wieder nieder. "Runa...? Meinst du wir könnten es schaffen Rhodri von den anderen zwei wegzubekommen? Ich mache mir Sorgen", war Erins schüchterne Frage an die Wölfin, als sie die Zelle hinter sich gelassen hatten. Und wieder schritten sie durch die Gänge des Kerkers, der die Gelbe immer noch anwiderte. Erst die Frage der jungen Erin riss sie aus ihrer Konzentration auf diesen Ort und sie erwiderte: „Wenn ich das nur wüsste. Die Alphas haben nicht sehr viel Mitleid mit Jägern und immerhin sind sie gekommen, um uns Schaden zuzufügen. Gnade haben die drei wohl kaum zu erwarten.“ Ein Seufzen kam über ihre Lefzen. „Ich weiß, er ist dein Bruder und ich würde dir gerne helfen, aber auch mir sind da die Pfoten gebunden, es sei denn…“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Ach, Erin, du bringst mich in eine Zwickmühle.“ Sie blieb stehen. „Glaubst du Pavan hat seine Lektion gelernt? Ist er es wert gerettet zu werden?“ Die junge Fähe sah Runa verdutzt an. Die Frage überrumpelte sie ein wenig. Bis jetzt hatte sie nicht darüber nachgedacht, was Pavan sich wirklich dachte. Vielmehr hatte sie alle äußeren Umstände verdrängt und in ihm nur ihren Bruder gesehen. Den, mit dem sie früher so viel getobt und erlebt hatte, als sie beide noch Welpen waren. Doch ehe sie antworten konnte kam Felana auf sie zu und sprach: "Runa, ich weiß es ist spät, aber kannst du bitte kurz mitkommen? Skadi hat nach uns gerufen. Sie hat irgendetwas von einer Verhandlung gesprochen. Vermutlich geht es um die Gefangen." Ihr Blick schweifte kurz zu Erin, dann wieder auf die gelbe Wölfin. "Bei Anbruch des neuen Mondes soll eine Entscheidung getroffen werden, doch zuvor will sie sich mit allen Alphas beratschlagen.“ Beunruhigt zuckte Runa mit den Ohren. Sie hatte gehofft mehr Zeit zu haben. „Natürlich, wenn die Alphas rufen, bin ich immer bereit.“ Eine andere Wahl blieb ihr nicht, denn es waren ihre Anführer. Dann drehte sie sich zu Erin um. „Ich denke, du findest alleine zu deiner Höhle. Wenn ich mehr weiß, werde ich dir bescheid geben, okay?“ Daraufhin folgte die Gelbe Felana, die sicherlich auch eingeladen war der Unterredung beizuwohnen, und ließ die verzweifelte Jungwölfin mit ihren quälenden Gedanken alleine zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)