Magierblut – Die neue Generation von Runenwölfin ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Auf leisen Pfoten schritt Nimrod durch das Lager. In seinem Maul hatte er einen großen Schenkel von einem Hirsch, den er nun zu seiner Familie brachte. Das Wort „Familie“ kam ihm immer noch komisch vor, denn nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er jemals so etwas haben würde. Doch vor vier Monaten waren seine Welpen geboren worden und nun musste er mit der Tatsache fertig werden, dass er nun Vater war. Er hielt sich nicht für besonders gut darin, aber es gab ja immer noch Akira, die sich hervorragend um die Kleinen kümmerte. Vorsichtig betrat er ihre gemeinsame Höhle, woraufhin die drei Welpen auf ihn zustürmten und gierig nach dem Fleisch schnappten, das er bei sich trug. Pavan, der seinem Vater am ähnlichsten sah, schaffte es schließlich ein Stück herauszureißen und trug es stolz davon, während Cailean ein wenig beleidigt drein blickte, weil er nicht so hoch springen konnte, wie sein kräftigerer Bruder. Schließlich ließ der Graue die Beute fallen, damit die Kleinen sich austoben konnten und setzte sich zu seiner Gefährtin. „Der Gildenführer hat mich heute gefragt, ob er sich unsere Welpen genauer ansehen darf. Er möchte sehen inwieweit sie irgendwann einmal Jäger werden können, außerdem möchten die hohen Magier testen, ob einer von ihnen magische Fähigkeiten geerbt hat.“ Er sah ein wenig besorgt zu seiner Tochter Erin. Manchmal glaubte er bei ihr so etwas in der Richtung bemerkt zu haben, aber er hoffte, dass er sich täuschte. Bei seinen Genen war das aber kein Wunder. Alle seine Verwandten waren Magier und er trug es in sich, auch wenn er selbst keine Magie beherrschte. Nimrod seufzte. „Über zwei Jahre, Akira. Über zwei Jahre beherrscht nun der dunkle Wolf den Orden. Ich hätte mir gewünscht, dass unsere Welpen nicht unter solchen Umständen aufwachsen müssen.“ Die Fähe sah stolz ihrem Nachwuchs zu, wie sich um das Fressen stritten. Sie liebte alle drei und fand jedes ihrer Kinder wunderbar. Auch Nimrod war in ihren Augen ein sehr guter Vater, selbst wenn er es selber nicht so empfand. Doch als sie seine Worte hörte, wurde ihr Herz schwer. "Du hast Recht, es ist nicht leicht und eine harte Zeit in der wir leben. Jederzeit könnte uns wieder so ein grausamer Krieg bevorstehen. Und wenn ich daran denke, wie die Abtrünnige damals ihre Welpen verlor, dann wird mir ganz angst und bange. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn unseren Kleinen was zustoßen würde." Traurig blickte sie zu Boden, dann sprach sie weiter: "Hat der Gildenführer gesagt, wann er kommen möchte? Du weißt, wie sehr ich mich davor fürchte, dass unsere Kinder nicht den Anforderungen des neuen Ordens gewachsen sind. Die Regeln sind strenger geworden, doch ich möchte nur das Beste für sie." „Du weißt, dass da auch immer noch ich bin und jedes unserer Kinder mit meinem Leben verteidigen werde. Das Schicksal der Abtrünnigen wird sich bei uns nicht wiederholen. Dafür sorgen wir beide“, erwiderte der Graue entschlossen. „Er wollte morgen vorbeischauen, falls es dir Recht ist. Ich mache mir keine Sorgen, dass sie nicht geeignet wären. Schau sie dir an. Pavan kommt ganz nach mir.“ Er streckte stolz die Brust heraus, als er das sagte. „Cailean ist intelligent und geschickt und meine kleine Erin hat ein Kämpferherz in sich. Das ist doch klar.“ Natürlich würde jeder Vater so von seinen Jungen sprechen, aber er war davon überzeugt, dass es stimmte, was er sagte. Mittlerweile hatten die Welpen den Schenkel verspeist und kämpften um einen Knochen, bis Pavan plötzlich davon abließ und auf Nimrod zu rannte. „Papa, Papa! Dürfen wir raus spielen?“, meinte der Kleine aufgeregt. „Was meinst du, Akira?“, fragte der Rüde. Sie musste lächeln, verflogen waren all die schlechten Gedanken von gerade eben. Fragend sah sie zu ihrem Partner: "Ich denke es spricht nichts dagegen?" „Mhm…mal überlegen“, meinte Nimrod, obwohl seine Entscheidung natürlich längst gefallen war. „Bitte, Papa, bitte!“ Der kleine, graue Welpe sprang an ihm hoch. „Na gut, aber ihr müsst mir versprechen, dass ihr das Lager nicht verlasst und in der Nähe der Höhle bleibt, so dass eure Mutter und ich euch jederzeit finden können.“ „Versprochen“, meinte Pavan und flitze aus dem Bau. „Siehst du, er wird mal ein hervorragender Jäger. Schnell ist er zumindest“, merkte der Graue an. Pavan schnupperte fröhlich im Gras umher und hob erst den Kopf, als auch seine beiden Geschwister bei ihm ankamen. „Also wollen wir zum Fluss?“, fragte er sie aufgeregt. „Aber wir sollen doch in der Nähe bleiben, hat Papa gesagt“, erwiderte Cailean ermahnend. „Der ist doch gar nicht weit weg, also sei nicht so. Was ist mit dir Erin? Bist du auch so ein Feigling wie Cailean?“ Die junge Fähe sah ihren Bruder herausfordernd an. "Natürlich nicht! Lassen wir den Feigling doch zurück, was meinst du?" Sie biss ihn neckisch in die Flanke und rannte gerade aus in Richtung des Flusses, ohne darauf zu achten, wer ihr nun gleichzog. Seiner Schwester folgend, holte Pavan schnell auf. Auch er griff sie immer wieder an und versuchte sie zu kneifen, während sie dem Gewässer, das am Rand des Jägerlagers lag, immer näher kamen. Dort angekommen blieb der Welpe stehen und betrachtete fröhlich das Wasser. „Bald bin ich so groß, dass ich da ohne Probleme hindurchschwimmen kann“, gab er an. Tatsächlich war er sehr kräftig für sein Alter, dadurch hatte ein sehr ausgeprägtes Selbstvertrauen, was manchmal dazu führte, dass er sich maßlos überschätzte. Plötzlich nahmen die Welpen ein Rascheln hinter sich wahr. „Wer ist da? Zeig dich.“ Mutig stellte sich der Graue vor seine Schwester. Ein Wolf kam zum Vorschein. Es war Rhodri. Dieser sah den Welpen abwertend an: "Du hast eine ganz schön große Klappe für dein Alter, du Göre!" Er lachte, dann schlich er um die beiden herum. "Sooo alleine und fernab von dem schützenden Bau. Wissen eure Eltern das überhaupt?" Erin rümpfte die Nase. Sie hatte den Wolf schon öfters gesehen, weil er ab und zu um den Bau geschlichen war. Sie wusste, dass ihre Eltern nicht viel von ihm hielten, aber sie hatte keine Ahnung warum. Insgeheim bewunderte sie ihn, weil er so verwegen aussah. Mutig antwortete sie auf seine Frage: "Pah, glaubst du etwa wir haben Angst?" Stolz streckte Pavan die Brust heraus und stellte seine Rute auf, um dem anderen Wolf zu zeigen, dass er nichts und niemanden fürchtete. Dass er nicht mal halb so groß war, wie der braune Wolf, schien ihn dabei nicht zu stören. „Ruhig, Erin“, sagte er zu seiner Schwester. „Das ist ein Jäger, so wie unsere Eltern das auch sind. Er wird uns doch nichts tun.“ Der Welpe wusste auch, dass eine Eltern nicht viel für diesen Wolf übrig hatten, aber er interessierte sich brennend für ihn, wie er sich für alles interessierte, was mit der Jagd zu tun hatte. „Hast du gerade einen Auftrag?“, fragte er neugierig und strahlte den Rüden an. Rhodri wunderte sich über das Verhalten des kleinen Wolfes. Scheinbar wussten sie nicht, wer er war. Er grinste in sich hinein. Wie unschuldig diese Wölfe doch noch waren. Doch er war nicht dumm. Solange sie ihn neutral einschätzten, musste er sein Ansehen als ehrbarer Jäger wahren. Mit geschwollener Brust antwortete er: "Meine Lieben, ich muss euch leider enttäuschen. Ich komme gerade zurück und warte auf weitere Befehle." „WOW!“ Der graue Welpe war hin und weg. „Ich werde auch mal ein Jäger so wie du. Und dann führe ich auch Befehle aus und schütze den Orden.“ Cailean kam plötzlich angerannt und gesellte sich zu seinen Geschwistern, sah aber den braunen Rüden mit Respekt an. „Wir sollten nun wirklich zurück“, meinte er leise. „Papa und Mama werden sauer, wenn sie uns hier finden.“ Der erwachsene Rüde spitzte die Ohren, dann säuselte er: "Ihr solltet besser auf euren Bruder hören, nicht dass ihr noch Ärger bekommt! Ach ja, ich finde es übrigens toll, dass du auch mal Jäger werden möchtest!" Er sah zu Pavan. Erin fiel dem Rüden aber gleich ins Wort: "Und ich! Ich werde mal Jägerin!" „Aber ich werde der Bessere von uns sein!“, gab der Graue von sich. „Ein Elitejäger der höchsten Klasse!“ Dann sprang er angeberisch im Kreis, blieb dabei aber an seiner eigenen Pfote hängen und fiel fast hin. Nur auch das störte ihn wenig. Er fing sich wieder und trat dann noch einmal vor Rhodri: „Es war schön dich kennen zu lernen, Meister Jäger. Eines Tages werde wir sicher Seite an Seite kämpfen.“ Der Kleine drehte sich um und rannte dann auf seinen Bruder zu, den er spielerisch umwarf und dann zum Fangen aufforderte. Cailean nahm an und sie flitzten los. Heuchlerisch lächelte ihm der Braune nach. Die beiden Rüden waren bereits in Richtung elterlichen Bau verschwunden, nur die kleine Fähe stand noch fasziniert vor ihm. Leicht verwirrt fragte er sie: "Na was ist mit dir los? Willst du ihnen nicht hinterher laufen?" Kurz wartete sie, bevor sie mutig antwortete: "Auch ich werde eines Tages ein Elitejäger! Pavan werde ich´s zeigen!" Schleimerisch antwortete ihr der Große: "Davon bin ich überzeugt, aber jetzt folge lieber deinen Brüdern." "Jawohl Sir!" Dann lief sie ihren Geschwistern nach. Angewidert blieb der Braune zurück. Er hasste diese Bälger, doch vorerst musste er gute Miene zum bösen Spiel machen. Kapitel 1: Erins Dickkopf ------------------------- Die Welpen erreichten schnell die Höhle wieder und spielten noch davor, bis es zu dämmern begann und Nimrod sie hereinholte. Auch wenn die Drei beteuerten, dass sie nicht müden waren, sie schliefen innerhalb von Minuten ein und im Bau herrschte plötzlich Stille. Der graue Rüde legte sich zu seiner Gefährtin und leckte ihr über die Schnauze. „Wir sollten schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag. Schließlich werden unsere Welpen begutachtet“, flüsterte er und legte seinen Kopf auf den Boden. Akira nickte stumm. Sie genoss die Nähe zu ihrem Gefährten sehr, doch heute Abend bedrückte sie etwas. "Ja, du hast Recht und eigentlich sollte ich keine Zweifel haben, aber ich fürchte mich irgendwie vor morgen, weil ich Angst habe, dass dem Orden etwas nicht passt, du weißt, dass Rhodri ein guter Freund von Vin ist und was ist, wenn er uns was auswischen möchte?" „Mach dir keine Sorgen. Selbst Rhodri weißt, dass der Orden nicht auf Kämpfer verzichten kann. In dem Krieg vor zwei Jahren sind so viele gestorben, dass wir Nachwuchs brauchen. Ich mag ihn nicht, aber er ist nicht dumm und wird sich dem sicher nicht in den Weg stellen. Mir macht etwas anderes Sorgen. Es betrifft Erin…Glaubst du, dass sie…dass…“, er konnte es kaum aussprechen, zwang sich aber dazu, „…dass sie Magie anwenden kann? Manchmal befürchte ich da etwas bemerkt zu haben.“ Für ihn eine unerträgliche Vorstellung, aber bei seinem Stammbaum glich es einem Wunder, dass nur bei seiner Kleinen der Verdacht bestand, dass sie magische Fähigkeiten besaß. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Ich denke aber, dass sie überwiegend kämpferische Fähigkeiten in sich trägt. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass es von Nachteil wäre, wenn sie zusätzlich noch etwas Magie anwenden könnte. Das wäre sicher ein Gewinn und keiner der Gegner würde das vorher ahnen. Wir sollten es dem Gildenführer sagen, nicht dass sie Schwierigkeiten bekommen. Ich hoffe nur, dass er sie dann nicht zu einer Magierin ausbilden möchte." Er sah sie kurz an und seufzte dann: „Ich bin daran schuld. Meine Gene müssen nur so mit Magieranlagen vollgestopft sein. Verdammte Magie.“ Dass er glaubte, dass sie Erin auf alle Fälle zur Magierin ausbilden wollten, sagte er aber nicht. Zwar gab es schon den ein oder anderen Jäger, der ein wenig Magie beherrschte, aber nur so gering, dass sie meistens fast gar nichts damit anfangen konnten. Bei seiner Tochter würde das wahrscheinlich nicht so sein, nicht wenn sie nach seiner Familie kam. Er hoffte einfach das Beste und schloss die Augen. „Schlaf gut, mein Schatz“, flüsterte er. Akira stupste ihn zärtlich an: "Ach, mach dir keine Sorgen, das wird schon, da bin ich mir sicher!" Dann legte auch sie sich schlafen. Das sanfte Licht der Sonne drang langsam in die Höhle der Jäger und kitzelte die kleine Erin wach. Verschlafen blinzelte sie in das Licht. Heute scheint wieder ein schöner Tag zu werden, dachte sie vergnügt. Sie lag eng an ihre Geschwister gekuschelt. Dann sah sie sich vorsichtig um. Der Rest ihrer Familie schien noch zu schlafen. Sie überlegte kurz, was sie machen sollte, denn sie wollte so gerne die Höhle verlassen. Dies war aber nicht erlaubt. Sie wägte ab, denn sie wusste, dass ihre Eltern ziemlich streng sein konnten, vor allem ihr Vater, doch dann überkam sie doch die Neugierde. Vorsichtig versuchte sie aus dem Wirrwarr ihrer Geschwister zu entkommen. "Bloß keinen aufwecken", meinte sie zu sich selber, wobei ihr Pavan sicher gefolgt wäre. Mit leisen, vorsichtigen Schritten tapste sie aus dem elterlichen Bau. Carth lief mit erhobenem Haupt durch das Lager. Gerade hatte er einen Auftrag hinter sich gebracht und wollte nun zurück zum Gildenführer, um ihm Bericht zu erstatten, allerdings würde er noch ein wenig warten müssen, weil es noch sehr früh am Morgen war und die meisten Jäger noch ruhten. So nutzte er die Zeit, um sich etwas die Füße zu vertreten. Als er an der Höhle von Akira und Nimrod vorbeiging, entwich ihm ein Lächeln. Am liebsten hätte er sie besucht, aber damit die Welpen aufzuwecken, wollte er nicht riskieren. Der Rote mochte es an seine Ausbildung zu denken, auch wenn er sich manchmal schämte, was er doch für ein dummer, junger Trottel gewesen war. Heute sah man in ihm nichts mehr davon. Plötzlich bewegte sich etwas am Bau, was Carths Aufmerksamkeit erregte. Er versteckte sich hinter einem Stein und beobachtete die kleine Erin, die sich nach draußen schlich, was ihr Vater ihr sich nicht erlaubt hatte. Ja, der jugendliche Leichtsinn, grinste er stumm in sich hinein. Er wollte erst einmal sehen, was der Welpe machte, aber er würde ein Auge auf sie haben und darauf achten, dass der Kleinen nichts passierte. Erin sah sich vorsichtig um. Sie konnte niemanden sehen, so spazierte sie sorglos aus der Behausung. Neugierig beschnupperte sie die Umgebung, aber dies wurde ihr mit der Zeit zu langweilig, da sie die Gerüche schon alle kannte. Nun stand sie da und wusste nicht wohin. „In welche Richtung soll ich jetzt am besten gehen? Links, rechts, gerade aus, oder doch lieber zurück? Mh....“, murmelte sie zu sich selber. Plötzlich beschlich sie ein seltsames Gefühl, so als würde sie jemand beobachten. Sie blickte sich um, konnte aber nicht erkennen. "Muss ich mich wohl geirrt haben..." So ging sie einfach geradeaus ins Lager hinein, denn der elterliche Bau lag ziemlich am Rande. Der Rote nahm unauffällig die Verfolgung auf. Im Lager war nichts los, so dass der kleine Welpe auch niemandem auffiel, weil die meisten immer noch ruhten. Der Jäger glaubt zu erkennen, dass Erin überhaupt nichts vorhatte, sondern einfach nur einen unerlaubten Ausflug machte. Als sie schon ziemlich weit von der Höhle entfernt war, beschloss er sich ihr zu erkennen zu geben und sie zurückzuschicken. Geschwind holte er sie ein und stellte sich demonstrativ vor sie. „Was machst du denn hier?“, fragte er eindringlich. Erschrocken sah sie den roten Wolf an, doch sie hatte sich schnell wieder gefasst. Mutig sprach sie: "Wieso sollte ich dir das sagen?" Sie war gegenüber Carth wenig respektvoll, denn zum einen war er ein Freund der Familie, zum anderen hatte ihr Nimrod viele Geschichten aus der Vergangenheit erzählt, wo der Rüde noch Lehrling gewesen war. „Die Welpen heute werden auch immer unverschämter“, bemerkte der Rote, klang dabei aber nicht verärgert. „Wissen denn deine Eltern, wo du dich herumtreibst? Mhm?“ Ohne das sie antworten konnte, fuhr er fort: „Natürlich nicht. Junge Dame, du handelst dir gerade viel Ärger ein und ich bin noch so nett und will dich davor bewahren, aber wenn du so mit mir redest, dann kann ich auch gleich zu deinem Vater rennen und ihm von deinem Ausflug hier erzählen.“ Innerlich grinste er, aber sein Gesichtsausdruck blieb ernst. Erin sah ihn patzig an und rümpfte die Nase: "Nur zu, wenn du dich traust! Ich habe keine Angst. Vor niemanden!" Sie wusste, es wäre besser, seine Hilfe anzunehmen, denn sie bekam sicherlich viel Ärger, aber sie war zu stolz, es sich einzugestehen. „Jetzt reicht es!“, schimpfte Carth und packte die Kleine am Nacken. Dabei fiel ihm auf, dass sie seit dem letzten Mal ziemlich gewachsen war und nun dementsprechend wog, doch er konnte sie trotzdem noch tragen, auch wenn es etwas mehr Kraft kostete. „Mal sehen was dein Vater dazu meint“, fügte er noch hinzu, auch wenn man kaum verstand was er sprach, weil er ja den Mund voll hatte. Schnurstracks ging er zurück zur Höhle. Die junge Wölfin wusste, dass sie jetzt tief in der Patsche saß. Entschuldigen wollte sie sich nicht. Sie überlegte kurz, dann fing sie an hin und her zu schwingen, da Carth nicht darauf gefasst war, konnte sie ihm entkommen. Hart fiel sie auf den Boden. Sie schüttelte sich, dann lief sie davon. Die Konsequenzen würde sie ohnehin tragen müssen, demzufolge konnte sie jetzt auch die Freiheit auskosten. Kopfschüttelnd ließ Carth sie laufen. Es war an der Zeit Akira und Nimrod hinzuzuziehen, weil die ihre Tochter besser unter Kontrolle bringen konnten als er und er auch keine Lust mehr auf dieses Spiel hatte. Die Höhle war nicht mehr weit entfernt und er schlüpfte hinein und ging herüber zu dem Elternpaar. Wie er erwartet hatte, bemerkten sie ihn sofort, was bei zwei so erfahrenen Jägern absolut kein Wunder war. „Was ist denn Carth?“, fragte Nimrod. „Deine Tochter macht eine kleine Erkundungstour da draußen.“ „WAS?!“, brummte der Graue wütend. Akira war ebenso entsetzt wie ihr Gefährte, dann musste sie aber schmunzeln: "Ach Nimrod, da sieht man doch, dass sie deine Tochter ist. Stur, eigensinnig und ein kleiner Dickkopf." Sie sah ihren Gefährten liebevoll an: "Ich denke wir suchen sie jetzt besser. Ich glaube zwar nicht, dass sie hier im Lager in Gefahr ist, aber man weiß ja nicht. Vielleicht hat ihr Carth einen solchen Schrecken eingejagt, dass sie Hals über Kopf aus dem Lager flüchten musste." Sie zwinkerte dem jungen Rüden schelmisch zu. „Hach, ich glaube mehr, dass sie mir so einen Schrecken eingejagt hat, dass ich jeden Grund dazu hätte aus dem Lager davonzulaufen“, scherzte der Rote grinsend. „Eure Kleine ist ganz schön frech.“ „Oder du kannst einfach nicht richtig mit Welpen umgehen“, erwiderte Nimrod. Das war zwar ein Witz, aber aus seinem Mund klang es wie immer ziemlich ernst, so dass man schwer einschätzen konnte, wie er es meinte. Nach all den Jahren lag ihm Humor immer noch nicht so, aber er bemühte sich zumindest. „Wir sollten sie schnell finden“, fügte der Graue noch hinzu. „Heute kommt der Gildenführer und wie ich ihn kenne, wird er ziemlich früh da sein. Carth, du musst wohl mal kurz auf unsere zwei Jungs auspassen.“ Der Rote nickte und Akira und Nimrod schlüpften aus dem Bau. Der Jäger schnüffelte, konnte aber seine Tochter nicht riechen, also suchte er den Boden mit seiner Nase ab und fand schließlich ihre Spur. „Da entlang. Das ist ja fast wie früher, als wir auf der Jagd gewesen waren. Nur jagen wir jetzt unseren Kindern hinterher. Wie sich die Zeiten ändern.“ Akira musste lächeln: "Ja da hast du Recht! Es war eine schöne Zeit damals mit dir, auch wenn du ein alter Brummbär warst." Sie zwinkerte. "Aber jetzt finde ich es noch schöner!" „Mhm, bin ich das nicht noch immer?“, fragte der Graue, während er der Spur seiner Tochter folgte. Nicht unweit von den beiden entfernt hatte sich Erin in einem Busch verkrochen. Sie wusste dass sie nun Probleme bekommen würde, aber sie war nicht bereit kampflos aufzugeben. So wartete sie in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden. Nimrod hatte natürlich längst bemerkt, dass sie unter dem Busch hockte, schließlich hing ihr Geruch deutlich in der Luft und für so eine geschulte Nase wie seine, war das schon gleich zweimal nicht zu überriechen. Und sicher hatte auch Akira das längst bemerkt. Der Rüde machte sich einen Spaß daraus vor dem Gestrüpp hin und her zu laufen und so zu tun, als würde er suchen, doch dann packte er plötzlich zu, zog die Kleine am Nackenfell aus ihrem Versteck und setzte sie vor sich ab. „Also junge Dame? Habe ich deinen Geschwistern und dir nicht gesagt, dass ihr nur mit Erlaubnis die Höhle verlassen dürft? Wir sind hier in einem Jägerlager und auf keinem Spielplatz. Was hast also zur deiner Verteidigung zu sagen?“ Der Welpe sah ihren Vater mit unschuldsbewussten Augen an. Ein Hundeblick war nichts dagegen. "Es tut mir leid, Paps, aber weißt du, ich wollte nicht so weit weg, doch Carth hat mich erschreckt. Ich will doch nur so mutig sein wie du, damit du stolz auf mich sein kannst." „Erst einmal solltest du dich schämen die Schuld auf Carth zu schieben. Du kennst ihn und weißt, dass er dir nie etwas tun würde, also höre auf damit. Das ist nicht nett“, belehrte der Graue sie. „Und Mut hat nichts damit zu tun, dass du allein hier im Lager herumschleichst.“ Er beugte sich zu seiner Kleinen herunter. „Du wirst irgendwann deinen Mut beweisen können, aber jetzt bist du noch ein Kind und solltest tun, was deine Eltern dir sagen. Wir wollen nur das Beste für euch Welpen und unsere Verbote sollen euch nur schützen und nicht ärgern. Das weißt du doch, oder? Außerdem bin ich immer stolz auf dich, egal ob du mutig bist oder nicht." Erin sah geknickt zu Boden, aber sie hatte Schlimmeres erwartet. "Es tut mir ja wirklich leid, aber Carth hat mich trotzdem erschreckt!", beharrte das junge Wolfmädchen trotzig, dann fügte sie aber noch schnell hinzu: "Aber ich weiß, es ist dumm von mir zu glauben er würde mir etwas antun. Vielleicht sollten wir besser wieder zurück?" Sie sah den Großen auffordernd an. „Muss ich mich wirklich wiederholen?“, knurrte dieser erbost. „Wenn du noch einmal Carth beschuldigst, dann gibt es wirklich Ärger. Ach ja, du hast vier Tage Höhlenarrest.“ Er drehte sich um und ging davon aus, dass seine Tochter ihm folgen würde. „Fähen sind sogar in diesem Alter schon ziemlich anstrengend“, meinte der Graue zu seiner Gefährtin. „Ich werde euch wohl nie wirklich verstehen.“ Kapitel 2: Die Prüfung ---------------------- Bei ihrem Bau angekommen, wartete bereits der Gildenführer, und zu Nimrod Entsetzten auch ein Magier, auf sie. „Sir“, sagte er zum Gildenführer und verbeugte sich leicht. „Meister Blackeye.“ Blackeye war einer der hohen Magier und noch ein Meister der alten Schule. Man munkelte, dass er nicht viel vom dunklen Wolf und seinen Anhängern hielt, aber so recht wusste keiner, was er wirklich dachte. Man sagte ihm hellseherische Fähigkeiten nach, aber das was ihn furchteinflößend machte, waren wohl seine leeren Augen, von denen eines komplett schwarz war. „Verzeiht unsere Verspätung. Ihr wisst ja, wie Welpen sind und unsere kleine Erin hier musste unbedingt einen Erkundungsspaziergang machen.“ Der Gildenführer, sein Name war Unesch, grinste nur: „Nicht schlimm. Wir sind noch nicht lange hier. Gehen wir zum Trainingsplatz, um die Begutachtung schnell hinter uns zu bringen.“ „Pavan, Cailean“, rief der graue Jäger. „Kommt ihr?“ In Gegenwart des Gildenanführers fühlte sich Akira etwas mulmig. Sie sah kurz zu Nimrod. Erin hingegen machte dies nichts aus. Ihr war zwar durchaus bewusst, was ihr bevorstand, aber deswegen Angst zu haben, kam ihr nicht in den Sinn. Sie ging davon aus die Prüfungen, die ihnen bevorstanden, mit Bravour zu erledigen, immerhin wollte sie eine genauso berühmte Jägerin werden, wie ihre Eltern es waren. Keck flüstere sie ihren Geschwistern zu: "Na ihr? Angst?" „Ich, der stärkste Welpe des Wurfes, soll vor ein paar Prüfungen Angst haben?“, erwiderte Pavan stolz. „Das ist nicht lache. Aber Cailean hat sicher Angst.“ „Hab ich nicht nicht!“ „Doch hast du.“ „Schluss jetzt!“, sagte ihr Vater und die Jungen verstummten sofort. „Wir gehen jetzt zum Trainingsplatz und ich möchte, dass ihr euch anständig verhaltet. Bringt dem Gildenführer und Meister Blackeye Respekt entgegen, verstanden?“ „Ja, Papa“, erwiderte der Pavan gehorsam. Es gab nicht viel, dass ihn einschüchtern konnte, aber sein Vater war dazu in der Lage. Mit angelegten Ohren folgte er den Erwachsenen zum Ort, an dem die Prüfungen stattfinden sollten. Blackeye lief die ganze Zeit auffällig neben Erin her und betrachtete sie genau. „Sag, meine Kleine, weißt du etwas über Magie?“, fragte er sie sanft. Erin sah den braunen Wolf verdutzt an, dann antwortete sie ihm selbstsicher: "Nicht besonders viel, Sir. Wir sind eine Jägerfamilie und als Jäger braucht man das nicht! Ich werde ebenfalls einmal eine starke Jägerin, genau so wie meine Eltern." Sie lächelte Blackeye von sich selbst überzeugt an, dennoch wirkte sie nicht arrogant, sondern eher wie ein kleiner Welpe, der stolz auf seine Eltern war, was ja auch stimmte. Der Magier grinste. Seine Augen leuchteten sie an, als er erwiderte: „In dir spüre ich eine ganz besondere Macht, Erin. Wusstest du, dass dein Vater aus einer sehr mächtigen Magierfamilie stammt? Einer der größten, die der Orden je hatte. Aber er hat die Fähigkeiten seiner Eltern nicht geerbt. Allerdings glaube ich, dass du sie in dir trägst.“ Nimrod ließ sich zurückfallen, als er entdeckte, dass Blackeye mit seiner Tochter sprach. Er wurde ganz nervös deswegen, aber er ließ sich nichts anmerken. „Alles in Ordnung, Meister?“, fragte der Graue mit ruhiger, tonloser Stimme. „Oh ja, deine Tochter ist wirklich reizend.“ Er zwinkerte ihr zu. Sie erreichten den Platz. Der Gildenführer befahl den Welpen sich in einer Reihe aufzustellen und sah sie sich dann genau an. „Sie sind prächtig entwickelt“, sagte er zufrieden. „Wir werden nun ein paar Kampfübungen machen. Es geht hierbei nicht darum, dass ihr perfekt kämpft oder gar gewinnt, sondern ich will mir nur anschauen, was ihr an natürlichem Kampftalent mitbringt. Bedenkt, dass ihr noch keinerlei Ausbildung habt und deswegen dem Gegner unterlegen sein werdet.“ Mit einem Nicken des großen Rüden kamen drei Jährlinge aus dem jüngsten Schülerjahrgang auf den Platz und stellten sich jeweils einem Welpen gegenüber. „Also los, Welpen. Greift euer Gegenüber an!“, befahl Unesch. Erin kniff die Augen zusammen, sie fixierte eine weiße, langbeinige Wölfin, mit stahlblauen Augen und extrem schlanker Figur. Ihr Name war Fiona. Sie wählte sich die Wölfin bewusst, da sie wusste, dass diese keine leichte Gegnerin sein würde, da sie zum einen durch die langen Beine sehr groß und aufgrund ihres schlanken Körpers sehr wendig sein musste. Die Wölfin sprang wie erwartet gekonnt zur Seite, doch Erin versuchte sofort zu wenden und setzte ihr nach. Die Weiße war schnell, zu schnell, immer wieder schlug sie Haken, so dass Erin sie nicht einmal annähernd berühren konnte, dann hatte die kleine Wölfin eine Idee: Sie folgte der Weißen, blieb aber ruckartig stehen, ihre Gegnerin bemerkte dies aber zu spät, da sie mit der Zeit leichtsinnig wurde. Mutig sprang ihr Erin entgegen und wollte sich in ihrem Hals verbeißen, doch Fiona schüttelte sie sofort wieder ab. Das gleiche Spiel ging wieder von vorne los. Pavan verfolgte eine ganz andere Strategie. Er hatte sich den stärksten Rüden aus den Schülern ausgewählt. Der Wolf war muskulös, aber dafür nicht so flink und so rannte er dauernd um seinen Gegner herum und zwickte ihm in die Beine, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Ausdauer hatte der Kleine eine gewaltige, aber irgendwann traf ihn sein Gegner schließlich und er landete hart auf dem Boden. Doch wenn der Welpe etwas hatte, dann Durchhaltevermögen. Sofort sprang er wieder auf und bearbeitete den Rüden weiter. Die Kämpfe dauerten nicht lange, doch für die Geprüften musste es sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Irgendwann trat der Gildenführer schließlich vor und beendete die Prüfung mit einem Bellen. „Stellt euch wieder in einer Reihe auf“, befahl er. „Ihr habt euch alle sehr bemüht. Pavan“, der Welpe wedelte fröhlich mit der Rute, als er angesprochen wurde, „ich bin überzeugt, dass du einmal ein sehr guter Kämpfer werden wirst. Du hast bewiesen, dass du zäh und kräftig bist. Verrate mir bitte, warum du dir genau diesen Gegner herausgesucht hast?“ „Weil er der Stärkste von allen war.“ „Und du wolltest dich damit beweisen?“ Der Welpe kläffte zustimmend. „Nicht weil du den Schwächeren deinem Bruder überlassen wolltest, damit er bessere Chancen hat?“ „Das ist doch nicht mein Problem gewesen.“ „Nun, dann solltest du an deiner Teamfähigkeit arbeiten. Dein Bruder ist nicht dein Konkurrent, sondern dein Verbündeter. Das musst du noch lernen, Junge.“ Pavan sah beleidigt drein, weil man ihn kritisiert hatte, aber der Gildenführer beachtete das nicht und ging weiter zu Cailean. „Du, mein Kleiner, wirst noch viel trainieren müssen, aber du hast sehr viel Potential. Versuch nur etwas mehr Selbstvertrauen zu haben.“ Der Braune nickte und sah dann zur seiner Schwester, die als nächstes bewertete werden sollte. Doch als Unesch auf sie zuging, räusperte sich plötzlich Blackeye. Der Gildenführer legte den Kopf schief und zog sich dann zurück. Der Magier trat vor: „Erin, du wirst keine Jägerin werden.“ „Was?“, knurrte Nimrod aus dem Hintergrund. „Sie wird noch etwas sehr viel Besseres. Meine Kleine, wir werden dich zur Magierin ausbilden.“ Erin dachte sie hörte nicht recht. Stocksteif stand sie vor Blackeye, jeglicher Mut war ihr aus den Knochen gewichen. Wäre sie ein Mensch gewesen, so wäre sie nun kreidebleich im Gesicht. Mit zittriger Stimme antwortetet sie: "Aaaaber, wieso? Wieso gerad ich?" „NEIN!“ Voller Wut stellte sich Nimrod vor seine Tochter. „Nicht meine Kleine. Sie hat Talent zu Jägerin, ihr könnte sie nicht…“ „Schweig!“, unterbrach der Braune ihn aufgebracht. „Wir brauchen jeden Magier, den wir bekommen können, damit der Orden wieder im neuen Glanz erstrahlen kann. Ich muss dir ja nicht sagen, dass wir angeschlagen sind wegen der hohen Verluste des Krieges. Jäger sind wichtig, aber Magier sind unser Lebenselixier. Ohne sie gäbe es den Orden nicht und wenn ich entscheide, dass Erin die Ehre zu teil werden soll die hohe Kunst der Magie zu erlernen, dann erwarte ich keine Widerrede.“ Der Graue schluckte, aber um Verzeihung wollte er nicht bitten, auch wenn er wusste, dass Blackeye das erwartete, er sah ihm nur direkt in die Augen, in seine gruseligen, kalten Augen, die starrt auf ihn fixiert waren. „Nun, wo war ich?“, fuhr der Magier fort. „Erin, du hast diese Gabe eben in dir und du solltest sie nutzen. Du stammst aus einer angesehen Magierfamilie und es hätte mich gewundert, wenn nicht wenigstens einer von euch der Magie mächtig wäre.“ „Was ist mir uns?“, wollte Pavan neugierig wissen. „Ihr Zwei“, er lächelte die beiden männlichen Welpen an, „werdet starke und prächtige Jäger werden. Ihr habt die körperlichen Fähigkeiten eurer Eltern geerbt, eure Schwester hingegen vereint beides in sich. Das sind sehr gute Voraussetzungen.“ Dann sah er den Vater der drei noch einmal an: „Denk doch einmal nach, Wolf. Die wenigsten Fähen werden Jägerinnen und wer weiß ob sie es schaffen würde. Aber als Magierin stehen ihr ganz andere Wege offen. Und sie ist mächtig. Das spüre ich ohne dass sie überhaupt Magie angewendet hat. Sie strahlt es einfach aus.“ „Sie wird im Rang über uns stehen“, erwiderte der Graue nur deprimiert. „Oh ja, und du solltest darauf stolz sein.“ Nimrod legte nur die Ohren an und sah zu seiner Tochter. War es ungerecht von ihm sich dem in dem Weg zu stellen? Er hasste die Magie, aber er liebte seine Tochter so wie sie war und vielleicht würde sie das ja glücklich machen, also zog er sich zurück und setzte sich wieder neben seine Gefährtin. Erin war noch immer wie erstarrt. Wie konnte das ihr Vater nur zulassen? Trotzig schrie sie den Magier an, ohne sich überhaupt darüber im Klaren zu ein, wer dies war: "Ich will das aber nicht! Ich will wie mein Papa werden!" Sie sah ihren Vater an: "Wieso lässt du das nur zu? Wieso nur?" Dann machte sie kehrt und rannte so schnell ihre kleinen Beinchen es zuließen davon. Der graue Rüde musste sich zurückhalten, um Blackeye nicht anzuschreien, dass er das seiner Tochter auch etwas schonender hätte beibringen können. Es wäre nicht klug gewesen sich mit diesem Magier anzulegen, denn er gehörte zu den Obersten des Ordens und galt als sehr mächtig. Stattdessen kam ein Brummen aus der Kehle des Grauen und ohne ein weiteres Wort wollte er Erin hinterher gehen, bis der Gildenführer meinte: „Nimrod. Ab morgen werden deine beiden Söhne am Vorbereitungskurs teilnehmen. Das wollte ich dir nur noch mitteilen.“ „Gut. Sie werden pünktlich sein.“ „Im Übrigen gibt es schon einen Jäger, der Interesse hätte Pavans Mentor zu werden.“ Das war sehr ungewöhnlich, weil der Welpe ja noch nicht einmal mit seiner Ausbildung angefangen hatte. „Wer ist es?“ „Du weißt, dass kann ich dir nicht sagen. Dein Sohn wird sich selbst entscheiden müssen, wenn es soweit ist und das ohne irgendeine Beeinflussung.“ Er nickte nur. „Verstanden. Ich muss jetzt wirklich meiner Tochter hinterher.“ Der Magier grinste und mischte sich in das Gespräch ein: „Bring sie bald zu mir, dann besprechen wir alles Weitere.“ „Ja, Meister Blackeye.“ Nimrod hätte ihn am liebsten in der Luft zerrissen, was man wohl auch an seinem Tonfall gehört haben musste, aber das brachte den Braunen nicht aus der Ruhe. Schließlich konnte der Graue nun endlich Erin folgen, die jetzt sicher einen gewaltigen Vorsprung hatte. Zum Glück roch man wie erwartete ihre Spur deutlich, so dass sie leicht einzuholen sein sollte. Irgendwann würde sie lernen, wie man das vermied, aber dafür war sie einfach noch zu klein. Der Geruch führte den Rüden in Richtung Fluss. Erin hatte in ihrer überstürzten Flucht gar nicht bemerkt, wo sie hingerannt war. Plötzlich stand sie vor dem Fluss, der direkt an dem Lager der Jäger vorbeifloss und somit eine ideale Wasserstelle für alle Jäger bot. Sie sah sich um, sicher würde ihr irgendjemand folgen, wahrscheinlich ihr Vater, doch das konnte sie gar nicht gebrauchen. Noch mehr Ärger und das alles innerhalb eines Morgens. Sie saß am Flussufer und schluchzte, dann sah sie in die Fluten. Der Fluss war ruhig aber tief. Nahe am Ufer konnte sie ein paar Steine sehen, die eine Art Brücke zum anderen Ufer bildeten. Sie überlegte kurz, doch ohne weiter die Gefahren abzuwägen, sprang sie auf den Stein, der ihr am nächsten stand. Ohne Hindernisse verfolgte der Graue die Spur zum Fluss und erreichte schließlich die Trinkstelle. Zu seinem Entsetzten entdeckte er seine Tochter auf einem der Steine, wie sie gerade versuchte weiter zu hüpfen. „ERIN!“, schrie er. „WAS ZUM TEUFEL TUST DU DA?“ Er rannte an den Rand und blieb davor stehen, weil auf die Steine konnte er sowieso nicht springen, sie waren viel zu klein für ihn und ein unfreiwilliges Bad würde er nur nehmen, wenn es nötig sein würde. „Komm sofort zurück! Auf der Stelle!“ Die junge Wölfin hörte ihren Vater schreien, sie wusste, dass sie nun Ärger hatte. Deshalb war es ihr auch egal, wenn sie sich noch mehr holen würde, das Maß war ohnehin schon voll. Trotzig blieb sie auf einem der Steine stehen und antwortet: "NEIN! Lieber bleib ich hier sitzen, als dass ich zurückkomme, wenn dann muss du mich schon holen!" Die Wut kochte in Nimrod hoch. Gut, sie war ein Welpe und die handelten manchmal dumm, aber das ging jetzt doch zu weit. „Du kommst jetzt her! Ich sage das nicht noch einmal, Erin. Der Fluss ist gefährlich, sogar ich kann, wenn es schlecht läuft, von einer Strömung unter Wasser gezogen werden. Du bist alt genug, um die richtige Entscheidung zu treffen und was ist dir lieber: Du riskierst unser beider Leben“, er wusste, dass er ein wenig übertrieb, aber sie sollte lernen, dass jede Handlung auch seine Konsequenzen haben konnte, „oder du kommst jetzt zurück und niemandem geschieht etwas?“ Er war enttäuscht über ihr Verhalten. Von seiner Kleinen hatte er das nicht erwartet. Erin hatte mittlerweile begriffen, dass ihr Verhalten sowieso nichts brachte. Sie schluchzte laut: "Ach, es tu mir leid, Papa, aber ich habe solche Angst, ich will keine Magierin werden, aber es hilft wohl nichts." Nun wollte sie zurück zu ihrem Vater, doch als sie auf einen der Steine sprang, rutschte sie ab und viel ins Wasser. Laut schreiend riss sie die Strömung mit. Kapitel 3: Ungewisse Zukunft ---------------------------- So schnell konnte Nimrod gar nicht reagieren, da flitzte plötzlich eine weiße Wölfin an ihm vorbei und schien regelrecht über das Wasser zu laufen. Sie schnappte sich den Welpen und zog ihn aus dem Nass, dann kehrte sie zu dem überraschten Jäger zurück und legte ihn vor ihm ab. „Danke“, sagte er verdutzt. Sie lächelte leicht und sah ihn mit ihren wunderschönen, blauen Augen an: „Ich beherrsche Wassermagie sehr gut, also war das keine sehr große Sache für mich.“ Ihre Stimme klang süß und verlockend und nun wusste er auch, wer sie war. Alana, die Tochter des dunklen Wolfes. Er musste sich wirklich zusammenreißen, denn sie konnte einem Rüden leicht den Kopf verdrehen, auch wenn es für ihn nur Akira gab, diese Wölfin führte selbst ihn in Versuchung. „Du bist der Jäger, der damals die Gefährtin von Artus gefangen genommen hatte, nicht wahr?“ „Ja, das stimmt.“ Sie kicherte und beugte sich dann lächelnd zur Erin herunter: „Und du solltest aufpassen, dass du nicht wieder in so eine Situation kommst.“ Die kleine Fähe sah die Wölfin tonlos an, dann gab sie ein kleinlautes "Danke" von sich. Das alles war ihr nun wirklich zu viel geworden, am liebsten wäre sie auf der Stelle gestorben, denn sie wusste nicht was schlimmer war: Davongerannt zu sein, gerettet zu werden von einer Magierin oder die bevorstehende Standpauke ihres Vaters. „Es tut mir wirklich sehr leid“, meinte der Graue zu der Wölfin. „Erin hat gerade erfahren, dass sie zur einer Magierin ausgebildet werden wird und es ist verständlich, dass sie das etwas verstört.“ „Wenn man aus einer Jägerfamilie kommt, dann ganz sicher. Aber Erin, du musst dir keine Sorgen machen. Magie ist ein Geschenk und du wirst erfahren, wie viel Spaß sie machen kann. Gebe dem Ganzen eine Chance, bevor du darüber urteilst.“ Dann wirkte sie ein wenig hastig, als wäre ihr gerade eingefallen, dass sie noch etwas Dringendes erledigen musste. „Nun, ich sollte gehen.“ Die Weiße drehte sich um und stolzierte davon. Nimrod wirkte durch ihre fließenden und aufreizenden Bewegungen eine Weile wie hypnotisiert, aber als sie hinter einem Busch verschwand, wurde er wieder klar. Was tat er da bloß? Dann sah er zu seiner Tochter und sein Blick verriet Strenge. „Komm mit, wir werden uns an einem anderen Ort unterhalten“, sagte er nur und ging erhobenen Hauptes voraus. Erin folgte sie ihren Vater schweigend und mit gesenktem Kopf. Er führte sie aus dem Lager in den Wald und weiter zu einem Platz, wo ein großer Stein stand, auf den er kletterte. Von oben hatte man einen beeindruckenden Ausblick auf ein kleines Tal, ein etwas tiefer gelegene Bodensenke im Revier des Ordens. Er setzte sich hin und sah hinunter, wartete bis seine Tochter sich neben ihm niederließ. Erst dann begann er zu sprechen: „Hier habe ich mich oft während meiner Ausbildungszeit aufgehalten. Ein Ort, an dem man gut nachdenken kann und ich glaube, eines Tages wirst auch du einen Platz brauchen, an dem du einfach einmal alleine sein kannst. Ich weiß du hast Angst, aber du bist auch die Tochter aus einer Jägerfamilie und so eine Kleinigkeit, wie eine Ausbildung zur Magierin, wird dich doch nicht aus der Ruhe bringen können.“ Ernst blickte er sie an. „Aber du hast jetzt eine große Verantwortung und deswegen erwarte ich, dass solche Aktionen, wie gerade am Fluss sich nicht wiederholen. Du musst dich zusammenreißen. Lass dich nicht von deinen Gefühlen übermannen. Du musst stark sein.“ Sie sah traurig zu Boden. "Ich möchte aber keine Magierin werden, denn das würde bedeuten, dass ich ganz anders aufwachsen würde wie meine Brüder. Und wieso soll ich irgendwelche Magie beherrschen? Warum nur ausgerechnet ich?“ „Ich kann nachfühlen, wie das ist, meine Kleine. Weißt du, ich wurde in eine Magierfamilie hineingeboren, war aber der Einzige, der keine Magie beherrschte. Klar, es war nicht leicht, aber ich habe es durchgehalten und du willst doch nicht behaupten, dass ich kein gutes Leben habe?“ Normalerweise redete er nicht darüber, nicht einmal mit Akira, aber er wollte seiner Tochter Mut machen. Dass er lange mit seiner Magielosigkeit große Probleme gehabt hatte, verschwieg er ihr allerdings. Erins Blick schweifte in die Ferne. "Es wird sowieso nichts helfen, ich werde mich damit abfinden müssen. Was der Orden sagt ist Gesetz, dagegen kann man eben nichts machen." Ein Seufzen kam über ihre Lefzen. "Wäre es nicht besser zurück zu gehen? Sicher warten alle auf uns.“ Er nickte nur. Seine Tochter schien zumindest in diesem Punkt ziemlich vernünftig zu sein. „Gut, dann gehen wir zurück.“ Langsam stand er auf und übernahm wieder die Führung. Auch er war mit den Entwicklungen mehr als unzufrieden, aber das wollte er nicht zeigen. Seine Erin eine Magierin? Das konnte doch nicht wahr sein. Im Lager angekommen, war der Gildenführer längst weg und nur noch Akira und seine männlichen Nachkommen warteten auf die Beiden. Die Brüder spielten fröhlich und übten kämpfen, bis Pavan seine Schwester erblickte. „Ha, ha! Erin ist eine Magierin!“, rief er höhnisch. In Wirklichkeit war er nur eifersüchtig, weil nun seine Schwester so viel Aufmerksamkeit bekam. Sie blickte den Welpen wütend an, doch sie wollte es sich nicht anmerken lassen, dass sie das so sehr mitnahm. Trotzig hob sie die Nase in die Luft und sprach dabei geringschätzig: "Na und! Als Magierin werde ich sowieso einen höheren Rang haben als du als Jäger!" Sie war eigentlich nicht der Typ, der prahlte, aber in diesem Fall fiel ihr nichts Besseres ein. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. „Aber du wirst dann der Feind sein!“, rief der graue Welpe und sprang spielerische auf seine Schwester zu. Sie kullerten eine Weile über den Boden, bis Nimrod sie sanft mit der Pfote trennte. „Du bist dir doch darüber im Klaren, dass die Wilden unsere Feinde sind und nicht die Magier des Ordens, Pavan?“ „Ach, Papa, wir spielen doch nur. Sie ist die Wilde und ich der Jäger.“ Er wollte seine Schwester noch einmal angreifen, aber als sein Vater ernst den Kopf schüttelte, ließ er es bleiben und kehrte zu seinem Bruder zurück, mit dem er weiter rangelte. Der Rüde ließ seine Tochter stehen und ging zu Akira. Er hatte noch nicht gehört, was sie zu der ganzen Sache meinte. Ruhig setzte er sich neben seine Gefährtin und schwieg einfach. Sie würde sich ihm mitteilen, auch ohne das er sie fragte. Darüber war er sich sicher. So saßen sie eine Weile bis Akira sprach: "Die Gildeführer meinten sie würde sicher eine gute Magierin werden, doch ihre Eigensinnigkeit müsste sie in den Griff bekommen. Sie ist zwar noch ein Kind, aber es gehört sich nicht für einen Magieranwärter." Sie sah Nimrod in die Augen, dann fuhr sie fort: "Wenn sie das nicht lernt, dann könnte sie einmal Schwierigkeiten bekommen.“ „Typisch Magier, wegen eines kleinen Ausrutschers gleich so einen Aufstand zu machen. Sie beurteilen sie jetzt schon, ohne sie wirklich zu kennen.“ Sein Tonfall verriet seine Verzweiflung. „Verdammt, Akira, sie wird eine Magierin werden. Das habe ich mir für sie nicht gewünscht. Sie wird sich immer ausgrenzt von uns fühlen. Immer merken, dass sie anders ist und wir diese Fähigkeit nicht verstehen können. Es wird ihr so ähnlich gehen, wie mir früher. Hin und her gerissen zwischen zwei völlig verschiedenen Welten und eines Tages wird sie sich womöglich für eine Seite davon entscheiden müssen.“ Er dachte an seine Eltern und Geschwister. Seit vielen Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen, aber immerhin wusste er, dass sie alle den Krieg heil überstanden hatten. Seine Entscheidung war vor vielen Jahren gefallen und hatte ihn für immer von ihnen getrennt. Irgendwann könnte er also seine geliebte Tochter verlieren. Irgendwann würden ihr vielleicht ihre niederen Jägerwurzeln peinlich sein und sie sich für ihre Herkunft schämen. Dieses Vorstellung machte ihn fertig. Akira seufzte: "Ja, das kann passieren, damit müssen wir rechnen. Aber ich denke, wir sollten uns darauf vorbereiten. Der erste Schritt hierzu wird sein, dass wir sie nicht anders behandeln. Sicher, ihre Ausbildung wird sie verändern, doch wenn wir uns bemühen, dann wird es vielleicht nicht so schlimm." Ihre Stimme hatte einen leicht verzweifelten Unterton. „Ich vertraue darauf, dass alles gut wird“, flüsterte Nimrod ihr zu und kuschelte sich an sie, aber auch er hatte seine Zweifel, die er aber nicht laut aussprechen wollte. Mit traurigen Augen sah er zu seinen Welpen und fragte sich, was die Zukunft wohl für die drei bereithielt. Auf dem großen See, der durch untergehenden Sonne in roten und gelben Tönen leuchtete, schwamm einige Enten, die lauthals vor sich hin quakten. Es herrschte eine friedliche Stimmung und selbst der kleine Wolfswelpe, der sich am Ufer herumtrieb und Frösche fing, konnte die Ruhe nicht stören. Chiyo wirbelte wie wild umher, aber die Wassertiere waren schnell und verschwanden im Schlamm oder im Wasser an Stellen, an die sie nicht mehr herankam. Dreckig wie sie jetzt war, blickte sie nach oben und bemerkte erst jetzt, dass es schon ziemlich dunkel war und sie eigentlich längst daheim sein sollte. Schnell setzte sie sich in Bewegung zum Bau ihrer Eltern. Plötzlich hörte die kleine Wölfin wie etwas im Gebüsch raschelte. Ein Schatten sprang aus den Büschen in die Dämmerung. Demonstrativ blieb er vor der Fähe stehen. Seine Augen blitzen kurz auf, dann sprach er mit ernster Miene: "Du bist spät dran, deine Eltern werden bestimmt sauer sein, wenn du nicht bald zu Hause bist." Vor sich erkannte sie ihren Bruder Aramis. „Meine Eltern?“, meinte sie aufgebracht. „Das sind auch deine und du bist auch noch unterwegs! Sie werden genauso sauer auf dich sein oder denkst du, nur weil du ein Junge bist, hast du mehr Rechte als ich?“ Sie sprang ihn an und drückte ihn zu Boden. Die Kleine zeigte schon seit ihrer Geburt ein sehr dominantes Verhalten und auch wenn ihr Bruder eigentlich der Kräftigere war, so schaffte sie es oft ihn zu besiegen. Gerne nutzte sie das Überraschungsmoment oder kämpfte mit unfairen Tricks, wofür sie ihre Mutter schon oft ermahnt hatte, aber Chiyo konnte es einfach nicht lassen, fand das richtig lustig. Ihr Bruder musste eben meistens für ihre Übungen herhalten, weil sie einfach keinen anderen hatte, mit dem sie sich messen konnte. Die Geschwister hingen trotz so mancher Streitigkeit sehr aneinander. Sanft ließ sie wieder von Aramis ab: „Komm schon! Wettrennen bis zum Bau!“ Mit einem Satz flitzte sie los. Verdutzt sah Aramis seiner Schwester hinterher. Er musste lächeln, dann schrie er ihr keck hinterher: "Lauf ruhig schon mal voran, ohne Vorsprung bist du nicht einmal annähernd so schnell!" Dann sprang er auf und rannt seiner Schwester blitzschnell hinterher. Mühelos holte er sie ein und musste sie angrinsen, als er auf gleicher Höhe war. Frech streckte er ihr die Zunge raus. Plötzlich fand ihre Jagd ein abruptes Ende, da beide etwas großes rammten. Etwas verwirrt von dem Zusammenprall blickte er nach oben, dann gab er nur noch ein leises: "Ohoh..." von sich. Er blickte zu seiner Schwester und dann wieder in die funkelnden Augen seiner Mutter. Lexie sah auf ihre beiden Kinder herab und setzte ein ernstes Gesicht auf: „Ihr Zwei solltet schon lange vor Sonnenuntergang daheim sein und jetzt schaut mal den Himmel an. Was seht ihr da?“ „Es ist dunkel“, meinte Chiyo schuldbewusst. „Tut mir Leid, Mami.“ Die Blaugraue schnaubte. Sie lebten jetzt zwar in einem sehr sicheren Revier, aber sie machte sich trotzdem Sorgen um ihre Welpen, wenn sie unterwegs waren. Nur langsam kamen sie in ein Alter, in dem sie die Welt alleine erkunden wollten. „Und was ist mit dir Aramis?“, sagte sie schließlich herausfordernd. Der Kleine versuchte unschuldig auszusehen und erwiderte: "Ich denke es ist bereits alles gesagt, Mutter. Deine Tochter hat nicht gelogen, wir waren zu lange fort. Es tut auch mir leid, doch nun sind wir ja alle wieder vereint." Er hoffte, dass die Sache damit erledigt war. Fast hätte die Fähe gegrinst, aber sie versuchte weiterhin ernst zu bleiben, schließlich sollten ihre Kinder wissen, dass sie auf ihre Eltern hören sollten. „Ab mich euch in die Höhle. Euer Vater sucht gerade etwas zu fressen. Er ist bald zurück und wird sicher auch nicht sehr glücklich darüber sein, dass seine Welpen nicht auf unsere Anweisungen hören.“ Die Welpen gingen niedergeschlagen zum Bau. Ihre Mutter sah ihnen hinterher und seufzte angestrengt, dann blickte sie in eine ganz bestimmte Richtung. Dorthin wo der Orden lag. Nur selten dachte sie an den Ort, an dem sie geboren und aufgewachsen war, aber heute kam es ihr einfach in den Sinn. Was dort wohl vor sich ging? Man hörte Gerüchte, aber so wirklich sicher konnte man nicht sein, dass sie der Wahrheit entsprachen, dafür befanden sie sich einfach zu weit entfernt. Schnell drehte sich dem Ganzen den Rücken zu. Alberne Gedanken, die sie sich da machte. Das gehörte alles der Vergangenheit an und hatte nichts mehr mit ihrem Leben zu tun. Auf einmal raschelte es. Eine schwarze Gestalt kroch aus den Büschen. Es war Artus. In seinem Mund trug er einen großen Hasen. Er ging auf Lexie zu und legte ihn behutsam vor ihre Füße. Schwanzwedelnd begrüßte er sie: "Hallo mein Schatz, schau mal was ich gefangen habe!" Dann leckte er ihr zärtlich über ihre flauschige Wange. „Schön, dass du wieder da bist“, sagte sie freudig. „Unsere Welpen haben sich mal wieder viel zu lange draußen herumgetrieben. Es ist wirklich schlimm mit ihnen. Wie froh bin ich, dass wir hier an so einem sicheren Ort leben. Ihre Unternehmungslust könnte in anderen Gebieten wirklich zum Problem werden.“ Artus' Lächeln wich aus seinem Gesicht. "Du hast Recht, wer weiß was ihnen sonst wo blühen würde. Ich habe gehört, dass der Orden im Wandel ist. Die neue Führung will alles umstrukturieren, mehr als erwartet. Vor allem in Sachen "Wilde". Es würde mich nicht wundern, wenn sie nach all der langen Zeit wieder nach uns suchen würden. Ich habe diese Info übrigens zufällig mitbekommen. Zwei Vögel unterhielten sich." Er blickte in den klaren Sternenhimmel hinauf. Die Wölfin drückte sich an ihren Gefährten: „Wir sind so weit weg von all dem, ich glaube nicht, dass wir noch in Gefahr sind. Und vermutlich gelten wir als tot. Es sind so viele Wölfe damals in der großen Schlacht umgekommen.“ Das wollte sie einfach glauben. Sie konnte nicht anders, sonst würde sie die Sorgen um ihre Kleinen noch mehr beschäftigen. Plötzlich hörte sie ein Knacken hinter einem der Büsche und richtete ihre Aufmerksamkeit darauf. War da etwas oder handelte es sich nur um ein Kleintier, das sich hierher verirrt hatte? Zumindest konnte sie nichts riechen und so vergaß sie diesen Vorfall auch schnell wieder und richtete sich an den Schwarzen: „Gehen wir in unseren Bau. Du willst dich sicher etwas ausruhen.“ Der Rüde nickte und fügte aber noch vorsichtig hinzu: "Dennoch denke ich, sollten wir auf der Hut sein! Du weißt nicht, was die dunklen Mächte alles können. Es würde mich nicht wundern, wenn der dunkle Wolf wüsste, wer lebt und wer nicht. Er ist sehr mächtig und er hat mit mir noch eine Rechnung offen, immerhin habe ich ihn hintergangen.“ Sie schwieg zu dieser Antwort und drehte sich in Richtung ihrer Höhle um, bis sie plötzlich noch einmal dieses Rascheln hörte. Mit drohender Haltung überprüfte sie die Umgebung, aber noch immer schien sich der Verursacher nicht zu zeigen. Dann sah sie eine Pfote hinter einem der Büsche hervorkommen und schließlich folgte der Rest des Körpers. Die Blaugraue brauchte einen Moment, um den Wolf zu erkennen, denn er sah verändert aus. Seine Schnauze war grau gefärbt und seine sonst so langen Zöpfe hatte wohl jemand abgeschnitten und zu kleineren, nicht so auffälligen Zöpfen geflochten. In seinen roten Augen spiegelte sich Kraft, aber auch Verbitterung wieder und sein ganzer Körper wirkte trainiert und sehr viel schlanker als noch vor zwei Jahren. „Talon?“, flüsterte Lexie nur ungläubig. Artus erschrak bei Anblick des Alten. Sofort sprang er schützend vor Lexie. Zähne fletschend knurrte er den Wolf an: "Was willst du hier? Das ist kein Revier des Ordens! Verschwinde und lass uns in Ruhe oder ich zerreiße dich in Stücke!" Er war so aufgebracht, dass sich bereits eine blaue, magische Aura um ihn bildete. Kapitel 4: Die erste Unterrichtsstunde -------------------------------------- Talon wirkte nicht sehr beeindruckt, aber er schätze es, dass Artus seine Tochter mit dieser Entschlossenheit verteidigen wollte, obwohl er sicher wusste, dass er ihm in Sachen Magie in allem überlegen war. Aber der Schwarzbraune konnte spüren, dass der schwarze Rüde große Kraft in sich trug und durchaus fähig wäre eine Weile einen Kampf durchzustehen. „Ich will euch nichts tun. Glaubt ihr tatsächlich ich gehöre noch zum Orden? Die Führung gehört nun dem dunklen Wolf und Vin. Es gibt dort keinen Platz mehr für mich und ich hatte auch nicht beabsichtigt auf euch zwei zu treffen. Dass ihr noch lebt freut mich allerdings und auch Shaana wird diese Nachricht glücklich machen.“ „Wo ist meine Mutter?“, fragte Lexie freudig. „Bei den Rebellen. Wir sammeln uns und werden eines Tages den Orden zurückerobern. Und genau aus diesem Grund bin ich auch hier. Ich suche nach Wölfen, die sich dieser Sache anschließen.“ Er konnte kaum glauben, so nahe bei seiner Tochter zu sein, aber er versuchte dieses Gefühl zu unterdrücken, da sie ja um ihre Verwandtschaft nicht wusste. Artus sah den Anderen missmutig an: "Wieso sollen wir dir glauben? Und wieso sollen wir dir helfen? Wollte der Orden nicht bis vor kurzen noch alle Wilden lieber tot als lebendig sehen? Wollte er nicht bis vor kurzem Lexie töten?" Artus' Stimme wurde lauter: "Wieso sollen wir uns euch anschließen? Für uns ändert sich sowieso nichts. Wir werden nie dem Orden beitreten. Warum sollten wir dir helfen an die Macht zurückzukehren? Im Grunde ist es ja egal von wem man verachtet wird, doch wir werden mit Sicherheit nicht unser Leben für diesen elendigen Orden aufs Spiel setzen!" Er war sehr wütend. Was bildete sich Talon nur ein? „Ich habe alles getan um Lexies Leben zu schützen und hätte niemals zugelassen, dass sie hingerichtet werden würde“, erwiderte der Schwarzbraune herausfordernd. Daraufhin trat die Blaugraue vor: „Warum hättest du das tun sollen? Eine Wilde zu retten sieht nicht nach deiner Art aus, da du mit strenger Pfote gegen sie vorgegangen bist.“ „Ich“, er ließ den Kopf hängen, „habe ich geirrt, mich in alten verstaubten Regeln verfangen und nicht selbst nachgedacht. Anstatt Wilde auszulöschen, hätte wir ihnen zeigen sollen, wie sie ihre Macht sicher nutzen können. Und um auf deine Fragen zurückzukommen, Artus: Ich habe nicht vor wieder über den Orden zu herrschen. Mein Versagen in dieser Rolle ist unverzeihlich. Das Einzige was ich will, ist den Orden von diesen Tyrannen zu befreien.“ Dann seufzte er angestrengt. „Und meine Absichten sind auch teilweise egoistischer Natur. Ich möchte meine Gefährtin zurück. Bitte denkt doch über mein Angebot nach. Der Orden wird seine Gebiete ausdehnen und jeden Wilden, den sie finden ausrotten, damit nur sie alleine über die Magie gebieten. Eines Tages kommen sie auch hierher und nichts mehr verspricht dann Sicherheit. Wollt ihr euer ganzes Leben nur noch Gejagte sein?“ Die Worte des Alten trafen den schwarzen Wolf sehr, denn er sprach genau das aus, was er schon lange befürchtete. Der ausgesprochene Alptraum. Artus schluckte. "Gut wir werden darüber nachdenken, doch ehe ich handle, will ich eines von dir wissen: Was wird aus meiner Familie? Sie ist mir wichtiger als alles andere auf der Welt. Unser Nachwuchs ist viel zu klein für den Krieg und Lexie ist nicht dafür gemacht zu kämpfen! So lange sie nicht in Sicherheit sind, werde ich mich keinem anschließen!“ Bei dem Wort Nachwuchs wurde es Talon ganz anders. Er war Großvater! Am liebsten hätte er vor Freude laut geschrien, aber er hielt sich unter Kontrolle. „Die Rebellen besetzen ein ziemlich großes Gebiet, das sich außerhalb des Reviers des Ordens befindet. Es liegt so, dass es kaum einnehmbar ist und gilt als ziemlich sicher. Dort leben viele Familien, die sich vor dem Einfluss des Ordens schützen wollen. Dazu ist es mit vielen Zaubern geschützt. Viele sind von mir persönlich und die sind kaum zu überwinden, wie ihr sicher wisst.“ „Ts, Angeber, die Zauber der dunklen Magie sind viel mächtiger... leider. Daher bezweifle ich die Sicherheit, aber dennoch weiß ich, dass es hier auf Dauer nicht so friedlich bleiben kann. Ich mache dir einen Vorschlag, Talon: Da ich das nicht alleine entscheiden will, möchte ich mich vorher noch mit Lexie absprechen! Treffen wir uns hier morgen wieder bei Sonnenuntergang und ich teile dir unsere Entscheidung mit!" Seine Stimme war selbstsicher und in seinen Augen spiegelte sich Entschlossenheit. „Glaube mir, es gibt nur einen der mir gewachsen ist und das ist der dunkle Wolf“, murrte Talon, denn der Gedanke an seinen ehemaligen Schüler erfüllt ihn mit Wut. „Er müsste also schon persönlich bei uns auftauchen. Das hat nichts mit Angeberei zu tun. Ich wurde mit diesen Fähigkeiten geboren. Das Universum hat es in dieser Hinsicht eben gut mit mir gemeint.“ Dann neigte er zustimmend den Kopf. „Ich werde morgen bei Sonnenuntergang wieder hier sein.“ Er sah noch einmal seufzend zu Lexie, die verwirrt über diesen Blick den Kopf schief legte, und verschwand dann im Gebüsch. Die Blaugraue wusste nichts zu sagen. Sie war viel zu überrascht über diese Entwicklung. Artus musste seufzen: "Ich habe befürchtet, dass so etwas eines Tages auf uns zukommen wird." Traurig sah er zu Lexie. Lange Zeit sagte er nichts, bis er schließlich sprach: "Was meinst du, mein Liebling? Sollen wir uns den Rebellen anschließen?“ „Ich“, sie ließ den Kopf hängen, „weiß es nicht. Beginnt jetzt alles wieder von vorne? Warum können wir nicht einfach in Frieden leben?“ Geknickt ging sie zur Höhle, wo ihre zwei Welpen warteten. „Lass uns das morgen früh noch einmal besprechen. Eine Nacht darüber schlafen, wird uns dabei helfen zu entscheiden, was das Beste ist.“ Sie ging in den Bau und blickte auf das kleine Knäul, das ihre Jungen gebildet hatten, um aneinander gekuschelt zu schlafen. Mit bitterem Gefühl in der Magengegend legte sie sich zu ihnen und wärmte sie. „Ich wünschte, ich könnte euch vor all dem beschützen“, flüsterte sie mit angelegten Ohren, „aber das werde ich wohl nicht können.“ Artus sah ihr traurig nach. Auch er hätte seine Familie gerne besser geschützt, aber der Alptraum schien nicht zu enden. Lange blieb er noch vor der Höhle sitzen und dachte nach. Betrübt sah er in den klaren Sternenhimmel. Plötzlich konnte er eine Sternschnuppe sehen. Dann nach einer Weile legte er sich vor ihrer Behausung nieder, damit nichts und niemand seiner kleinen Familie was anhaben konnte, doch der Schlaf wollte ihn nicht so recht übermannen. Auch wenn er kurz einnickte, war er doch vor Sonnenaufgang wieder hellwach. Er hoffte, dass er mit Lexie noch einmal darüber sprechen konnte, ehe die Kleinen aufwachten. Allerdings hatte er seine Entscheidung bereits gefällt. Lexie hatte unruhig geschlafen, aber wenigstens ein paar Stunden Erholung gehabt. Die Wärme ihrer Jungen wirkte so beruhigend, dass sie selbst die schlimmsten Sorgen eine Weile vergessen konnte. Die Vögel zwitscherten und das weckte sie schließlich. Langsam stand sie auf. Die beiden Welpen wachten zwar auf, aber kuschelten sich dann noch einmal zusammen und dieses Mal ließ sie sie schlafen. Langsam kam die Blaugraue aus der Höhle und sah zu ihrem Gefährten. Ihr Gesichtsausdruck war todernst. Artus spürte, dass Lexie aufgewacht war und langsam näher kam. Er drehte sich um und sah sie an. Die beiden schwiegen sich eine Weile an, dann sprach der Schwarze: "Ich habe nachgedacht. Ich denke das Beste wäre, sich den Rebellen anzuschließen!“ „Ja, ich weiß.“ Traurig sah sie zurück zur Höhle. „Wir können dem nicht entkommen. Noch weiter zu reisen und immer auf der Flucht zu sein, hätte nicht viel Sinn. Was wären wir für Vorbilder, wenn wir unseren Kindern vorleben, dass man bei Schwierigkeiten am besten dem Schwanz einzieht und davon läuft, anstatt zu kämpfen? Wir haben keine Wahl, auch wenn ich wünschte, wir könnten einfach abhauen und die Rebellen ihrem Schicksal überlassen. Doch wir sind nun einmal ein Teil dieser Welt und auch dafür verantwortlich, dass unsere Enkel und Urenkel und alle die danach kommen mögen in Frieden leben können. Wenn wir es nicht versuchen, wer dann?“ "Gut, dann werden wir heute Abend mit Talon aufbrechen. Ich denke, dass wir es den Kleinen auch langsam sagen sollten, was auf sie zukommt." Er sah ihre Richtung und dann zu Lexie. Die Wölfin nickte daraufhin nur und ging mit gesenktem Kopf zum Bau: „Aufstehen, ihr zwei Schlafmützen! Euer Vater und ich müssen mit euch sprechen.“ Freudig kamen die Welpen auf sie zu. Chiyo sprang um ihre Mutter herum und wurde erst wieder ruhig, als sie den ernsten Ausdruck auf den Gesichtern ihrer Eltern bemerkte. „Was ist denn los?“, fragte sie verwirrt Auch Aramis spürte, dass mit ihrer Mutter etwas nicht stimmte. Langsam ging er auf sie zu und schaute sie fragend an. Sofort fiel ihm auf, dass auch sein Vater den gleichen Gemütszustand hatte. Unruhig meinte nun auch der kleine Wolf: "Ja, erzählt es uns, was ist los?“ „Wisst ihr, meine Kleinen, wir werden unser Revier leider verlassen müssen“, erklärte Lexie ruhig. „Wir schließen uns einem Rudel an, das für den Frieden in unserer Welt kämpft.“ „Aber haben wir denn keinen Frieden?“, wollte ihre Tochter verwirrt wissen. „Das ist eine sehr lange Geschichte. Aber ihr wisst doch vom Orden, oder?“ Beide nickten. „Er wird von zwei bösen Wölfen angeführt und das muss gestoppt werden. Versteht ihr?“ Aramis schüttelte ungläubig den Kopf: "Nein, nein, wieso? Warum müssen wir kämpfen? Ich will hier nicht weg, ich möchte hier bleiben!“ Tief in seinem Herzen fühlte er, dass sich das Leben seiner Familien verändern würde. Das machte ihm große Angst. „Ich verstehe dich“, meinte die Blaugraue. „Auch dein Vater und ich möchten hier nicht weg, aber irgendwann werden sie auch hierher kommen und dann müssen wir vor ihnen fliehen. Willst du ein Leben lang davon laufen oder lieber für das kämpfen, was dir wichtig ist, mein Sohn?“ Sie wollte ihm zeigen, was der richtige Weg war. Dass man für das einstand, was man liebte und bereit sein musste, dafür etwas auf sich zu nehmen. Der Kleine blickte zu traurig zu Boden: "Du hast recht Mama, aber das ist so gemein, wieso passiert das ausgerechnet uns?" Schutzsuchend kuschelte er sich an seine Mutter. „Irgendwann wird alles wieder gut werden“, sagte sie beruhigend, aber sie wusste, dass das eine Lüge war. Niemand konnte vorhersehen, ob es je wieder besser wurde. Ein Wolfsleben würde vielleicht gar nicht ausreichen, um einen neuen Frieden wieder mitzuerleben. „So, ihr zwei, dann werden wir uns etwas zu fressen suchen und uns für unsere Reise stärken.“ Chiyo rannte motiviert vor, während ihre anderen Familienmitglieder folgten. Nimrod kam gerade vom Trainingsplatz zurück, wo er seine Söhne zur ersten Übungsstunde abgeliefert hatte. Zusehen war ihm untersagt worden und so musste er wohl oder übel warten, bis sie ihm am Abend alles berichteten. Er ging zurück zur seinem Bau und schlüpfte hinein, wo schon Akira und seine Tochter warteten. „So, Erin, nun ist es Zeit dich zum Palast zu bringen. Du sollst heute einige Magierschüler kennenlernen, um dich etwas einzuleben.“ Der Welpe wirkte nicht begeistert. Sie wusste, dass sie es nicht ändern konnte, sah aber trotzdem flehend ihren Vater an: "Muss denn das wirklich sein?" Dann stand sie auf und ging auf ihn zu. Traurig kuschelte sie sich an seine Vorderbeine, da sie nicht größer war. „Du kennst du Antwort darauf“, sagte er nur und klang dabei ein wenig kalt, etwas was er manchmal nicht ganz abstellen konnte. Er stupste sie an und schob sie in Richtung Ausgang, dann übernahm er die Führung. Dass seine Tochter den Kristallpalast noch nie von innen gesehen hatte, flieh ihm gerade ein. Für sie würde es ein spannendes Erlebnis werden und ihre Brüder wären neidisch. Das Ganze brachte Unruhe in seine Familie und das passte ihm so gar nicht. Missmutig folgte die kleine Erin ihrem Vater. Stillschweigend trotteten die beiden so dahin. Jeder war bedrückt, doch plötzlich sah Erin etwas, was ihre Augen zum Strahlen brachte: den Kristallpalast! Noch nie zuvor hatte sie ihn gesehen, auch wenn er nahe dem Lager stand. Die Bäume versteckten ihn gut und interessiert hatte er sie zuvor auch noch nicht. Staunend lief sie ein Stück voran, dann sprach sie zu ihrem Vater: "Papa, ist das der Ort an dem ich ausbildet werden soll?“ Er konnte ihre Faszination verstehen, aber es gefiel ihm nicht, denn sie würde vielleicht Geschmack daran finden und eines Tages ihre einfache Jägerfamilie vergessen. Irgendwie fühlte er sich so, als würde seine Tochter ihm durch ihre Ausbildung entgleiten, weil er bei vielen nicht mehr mitwirken könnte. „Ja, das ist der Ort. Der Kristallpalast, von dem du sicher schon viel gehört hast. Dort leben die Magier und Magierinnen.“ Seine Stimme klang neutral, wo wahrscheinlich jeder anderer mit Ehrfurcht gesprochen hätte. „Wir treffen uns am Eingang mit Blackeye, also beeile dich etwas, Erin.“ Sein Schritt wurde schneller, damit er das so schnell es ging hinter sich bringen konnte. Sie nickte und folgte ihrem Vater gehorsam. Doch sie war noch immer sehr beeindruckt und spürte sogar schon so etwas wie Vorfreude auf ihre Ausbildung. Wobei sie zugleich auch ängstlich war, da sie nicht aus einer Magierfamilie stammte. Aber in solchen Momenten versuchte sie so stark wie ihr Papa zu sein. Auf einmal begann ihr kleines Herz schneller zu schlagen, denn sie erblickte Meister Blackeye, der ruhig wartete bis die beiden ankamen, dann wendete er sich an Nimrod: „Jäger, ich werde mich gut um deine Tochter kümmern. Bei Sonnenuntergang kannst du sie hier wieder abholen.“ Der Graue war unzufrieden, weil er nun auch noch seine Tochter alleine lassen musste, aber er wusste genau, dass man ihn niemals beim Training der Magier zusehen lassen würde, so verabschiedete er sich von Erin mit einem Nicken und entfernte sich. „Nun, komm kleine Wölfin. Ich werde dir den Palast zeigen. Du kennst ihn ja noch nicht, oder? Und ich möchte dir noch jemanden vorstellen. Deine Oma.“ Erin machte große Augen: „Was ich darf den Palast sehen? Und meine Oma? Ich wusste gar nicht, dass ich eine Oma habe! Das ist ja voll toll!" Ihr Unmut war auf einmal wie weggeblasen. All die neuen Eindrücke machten die kleine Wölfin sehr neugierig. Schnell waren ihr Vater und die Jägerkarriere vergessen. Zumindest vorerst. „Oh, du hast noch sehr viel mehr Familienmitglieder, von denen du nicht einmal etwas ahnst. Dein Vater stammt aus einer großen und angesehenen Magierfamilie. Aber vorerst reicht es, wenn du deine Oma kennenlernst. Du bist jetzt eine Magierschülerin und wirst hier ein und aus gehen.“ Blackeye lächelte verständnisvoll. „Aber zuerst stelle ich dir deine Klasse vor. Wir unterrichten in sehr kleinen Gruppen und ich werde eurer Klassenlehrer sein. Magiekunde ist mein Gebiet, doch du wirst auch andere Fächer haben. Kampf- und Elementzauber zum Beispiel. Als junge Schüler lernt man noch von allem etwas, irgendwann legt man sich dann auf eine Richtung fest. Aber das hat noch Zeit.“ Er führte sie in den Palast zu einem großen Platz, auf dem einige Beete angelegt waren. Dort wuselten vier Welpen herum, die alle etwas suchten. „Pflanzenkunde“, erklärte Blackeye. „Sie haben wohl die Aufgabe bestimmte Kräuter zu finden. Warte hier, ich schaue wo die Lehrerin ist.“ Nachdem der große, braune Wolf verschwunden war, löste sich ein grauer Welpe mit langem, schwarzem Nackenfell von der Gruppe und stolzierte zu Erin herüber. „Du bist sie, oder? Die Jägerin, die eine Magierin sein möchte?“, dröhnte er arrogant. Erin sah den Welpen verwundert an. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass man sie hier mit Ablehnung begrüßte, waren doch alle anderen Magier so nett gewesen. Doch sie war nicht auf ihren Mund gefallen, schnippisch antwortete sie: "Ich habe auch einen Namen du Möchtegern, ich heiße Erin! Und glaub mir, wenn ich es mir aussuchen könnte, dann wollte ich viel lieber ein Jäger sein, als so ein schnöseliger Magier, wie du es bist! Doch man hat mich leider dazu berufen Magierin zu sein, weil in mir eine große Kraft schlummert. Und überhaupt. Wer bist du es eigentlich, dass du es wagst, mich so zu behandeln?" Sie sah den Wolf arrogant an. Das hatte ich noch gefehlt von so einen Schnösel beleidigt zu werden. „Ich bin Tristan!“, posaunte der Graue. „Und du solltest doch wissen, dass ich der Sohn von Vin dem Großen bin. Deinem Anführer!“ Eine kleine Wölfin, deren Fell schon fast orange aussah, verdrehte die Augen, als sie die Angeberei mitbekam. Zum Glück drehte Tristan ihr den Rücken zu. „Also habe Respekt, denn mit deinem von Jägern verseuchtem Blut hast du hier gar nichts zu melden.“ Er hob den Schwanz und begann wieder zu suchen, woraufhin die genervte, orange Wölfin sich näher an Erin heranwagte und flüsterte: „Mach dir nichts draus. Er ist zu keinem freundlich, aber zu dir wahrscheinlich noch unfreundlicher als zu uns normalem Magiern.“ Dann fuhr sie laut fort: „Ich bin übrigens Sina.“ "Mein Name ist Erin, schön, wenn wenigstens nicht alle so unfreundlich sind wie der Blödmann." Sie schnaufte wütend: "Wie kann man nur so eingebildet sein?" Dann beobachte sie den arroganten Wolf eine Weile. Ihr brannte es auf er Zunge, ihm einen blöden Spruch anzuhängen, doch irgendwie sagte ihr eine innere Stimme, dass sie es lieber lassen sollte. Plötzlich kam Unruhe in die Gruppe, so wie es schien, ging der Unterricht weiter. Sina sah sie etwas mitleidig an: „Du wirst sicher von vielen nicht akzeptiert werden. Ich selbst stamme aus einer niedrigen Magierfamilie und auch auf mich gehen sie los. Und meine Eltern sind beide Magier.“ Sie verstummte, als die Lehrerin vor die Klasse trat. „Habt ihr die Kräuter gefunden, die ihr suchen solltet?“, fragte die Fähe. Von den gefragten Welpen kam ein Nicken. „Gut, bevor ihr sie mir vorführt, möchte ich euch eure neue Klassenkameradin vorstellen.“ Sie zeigte auf die neue Schülerin. „Das ist Erin. Sie muss ein wenig Stoff aufholen, also helft ihr alle.“ Tristan blickte sie dabei mit bösem Blick an, der verriet, dass er wohl vor hatte ihr das Leben schwer zu machen und nicht ihr zu helfen. Plötzlich knurrte die junge Fähe wütend auf und alle Selbstbeherrschung viel von ihr ab: "Sag mal, was fällt dir eigentlich ein, dich hier aufzuspielen? Wir sind hier alle Magierschüler. Oder glaubst du etwas Besseres zu sein?" Alle waren still, niemand wagte es ein Wort zu sagen. Erin blickte um sich, schon im selben Moment bereute sie das, was sich gemacht hatte. Doch wie sollte ein Welpe die große Kunst der Selbstbeherrschung schon können? „Erin!“, dröhnte es auf einmal von der erwachsenen Fähe. „Was soll das? Du solltest lernen dich zu benehmen!“ Tristan grinste breit, aber so dass die Lehrerin das nicht sehen konnte. „Hör auf damit“, meinte Sina leise. „Lady Karan kommt auch aus einer hohen Familie. Sie wird es so sehen wie die meistens hier.“ Die kleine Magierin verstummte, als sie den Blick von Karan sah. „Also lasst uns mit dem Unterricht fortfahren. Kommt alle mit ins Gewächshaus.“ Die Klasse folgte der Älteren. Sina blickte Erin nur traurig an und flüsterte im Vorbeigehen: „Gewöhne dich daran. So ist das hier.“ Erin brummte nur leise. Sie wollte sich nicht damit abfinden, hier so behandelt zu werden. Ach wie sehr sie es doch hasste eine Magierin werden zu müssen. Wieso konnte sie nicht einfach eine Jägerin sein, wie der Rest ihrer Familie? Im Gewächshaus angekommen musste sie erst einmal staunen. So viele Pflanzen und Kräuter gab es hier. Lady Karan fing an zu sprechen, doch die neue Schülerin hörte ihr nicht zu. Ihr Augenmerk lag auf einer riesigen Pflanze. Fasziniert blickte sie das Gewächs an. Die Pflanze hatte dicke grüne Ranken, die Blüte sah aus wie ein Kopf ohne Augen, aber vielen scharfen Zähnen. Was war das nur für ein seltsames Gewächs? Sie merkte nicht, wie Sina sich ihr näherte: "Erin pass auf, das ist eine fleischfressende Pflanze, wenn du ihr einen Schritt zu nahe kommst, dann wird sie dich verschlingen!" Plötzlich drehte sich Lady Karan zu ihnen um, weil sie das Gerede wahrgenommen hatte, konnte dann aber nicht ausmachen, wer es gewesen war und fuhr einfach mit ihrem Unterricht fort. Sina flüsterte ihr noch vorsichtig zu: "Der Name der Pflanzeist Lancino Planta.“ Nun wurde dem grauen Welpen bewusst, dass die Welt, die sie bisher gekannt hatte, nicht mit dem hier zu vergleichen war. Diese für sie neue Welt beherbergte wundervolle Magie und unglaublichen Dinge. Ein Welt, die sie für sich erfahren durfte, nicht so wie der Rest ihrer Familie, dem dies für immer verwehrt bleiben würden. Das machte sie zu etwas Besonderem, doch auch zu etwas anderem als sie. Noch wusste sie nicht, ob sie das als Fluch oder als Segen betrachten sollte. Kapitel 5: Die vier Alphawölfe ------------------------------ Lexie staunte nicht schlecht, als sie das Revier des Widerstandes erreichten. Es war riesig und es schienen eine Menge Wölfe hier zu leben. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie schon so eine Anzahl an Anhänger haben würden“, meinte die Blaugraue zu Artus, doch es war Talon, der darauf antwortete. „Die Machtübernahme des dunklen Wolfes beunruhigt mehr als man glauben mag.“ In dem Moment kam eine gelbe Wölfin auf die Gruppe zu. „Oh, das ist Runa, sie…“ „Wir kennen uns“, unterbrach die Erwähnte den ehemaligen Ordensführer, dann knurrte sie: „Du bringst uns einen Verräter, Talon. Artus hat mein damaliges Rudel mit dem dunklen Wolf angegriffen.“ Chiyo wackelte mit den Ohren, als sie das hörte. Das hätte ihr Vater niemals getan. Artus brummte Runa leise an: "Du weißt genau aus welchem Grund ich das damals getan habe, außerdem hast du mir selber dazu geraten, falls du es schon vergessen hast." Er war so leise, dass ihn die Welpen und auch Lexie nicht hören konnten. "Außerdem wäre es eine Schande eine so gute Heilerin wie Lexie es ist zu verstoßen, denn wenn du mich verjagst, dann verjagst du alle. Des Weiteren weiß ich einige Dinge über den dunklen Wolf, die auch dir überaus nützlich sein könnten." „Ich habe dir nicht geraten, dass du mein Rudel angreifen sollst“, entgegnete sie ihm und zog dabei ihre Lefzen hoch, um damit ihre spitzen Zähne zu entblößen. Dann drehte sie sich weg: „Du tust so als wäre ich hier die Anführerin, aber diese Zeiten sind vorbei. Weder Talon noch ich haben hier das Sagen, im Gegenteil, als ehemalige Alphawölfe konnten wir nur durch unser Wissen einen hohen Rang behalten, sonst wäre wir ganz unten gelandet.“ Es war kein ungewöhnliches Verhalten, das ehemalige Alphatiere unterdrückt wurden, damit sie dem aktuellen Anführerpaar nicht in die Quere kamen. „Unsere Alphas werden über euch entscheiden, aber erwartet keine allzu große Fürsprache von mir. Ich führe euch zu ihnen.“ Talon beäugte die Gelbe missgünstig und flüsterte der Familie zu: „Keine Sorge, ihr habt meine Fürsprache sicher, auch wenn ich nicht beurteilen kann, was geschehen ist, so ist Vergangenheit doch Vergangenheit.“ Er dachte kurz an Aura und die Sehnsucht überkam ihn wieder. Beim letzten Satz hatte er gelogen, denn er ließ die Vergangenheit absolut nicht los. Seine geliebte Aura würde er nie aufgeben, auch wenn jeder verstrichenen Tag, ein weiterer verlorener Tag war, an dem sie hätten zusammen sein können. Seufzend schloss er sich Runa an, die sich auf dem Weg zum Felsen in der Mitte des Gebiets machte. Den Sitz der vier Anführer der Clans. Da das Rudel so groß war, wurde es in vier Hälften unterteilt. Süden, Osten, Westen und Norden. Jede Himmelsrichtung hatte einen Kommandanten, den Alphawolf. Die vier Anführer arbeiten Hand in Hand, um so das Rudel zusammenzuhalten. Der Schwarze war noch immer etwas wütend und auch froh, dass es neue Anführer gab. Somit hoffte er auf eine Chance auf einen Neustart. Talon und Runa führten die kleine Familie zu einem großen Platz, dieser diente wohl zu Versammlungen. Dieser Platz war umgeben von vier großen Steinen. Als er genauer hinsah, bemerkte er, dass diese Steine den Himmelsrichtungen zugeordnet waren. Als er noch genauer hinsah, sah er dort auch vier Wölfe sitzen. Es herrschte Stille, Artus war beindruckt. Doch plötzlich durchschnitt eine eisige Stimme die Stille. Es war eine weibliche Stimme und diese kam vom nördliche Felsen: "Lady Runa, Sir Talon, wen bringt ihr uns da? Sind da etwa Verräter?" Kaum hatte die Wölfin zu Ende gesprochen, antwortete ihr der Wolf auf dem Stein im Westen: "Lady Skadi, wieso so misstrauisch?" Die Fähe erwiderte kühl: "Sei still Kuckunniwi, jetzt rede ich!" Der Wolf des Westens verstummte. Jeder wartete auf eine Antwort von Runa. Artus wunderte sich über das Verhalten von Skadi. Eine richtige Furie, dachte er sich, das kann ja heiter werden. „Verzeiht Lady Skadi, aber ich kenne diese Wölfe und sie wären eine Bereicherung für unser Rudel“, mischte Talon sich ein. Runa strafte ihn dafür mit einem bösen Blick, weil er doch genau wusste, dass Skadi Fähen sehr viel mehr schätze als Rüden und das man in diesem Fall ihr das Reden hätte überlassen sollen. „Ich kenne sie auch. Die Wölfin ist eine begabte Heilerin. Der Rüde hat vermutlich auch ein paar nützliche Fähigkeiten. Naja, vielleicht.“ Sie wusste, dass es keinen Sinn machte Artus schlecht zu machen, aber Skadi würde ihren Unterton verstehen. Die Gelbe konnte gut mit ihr, sie waren Freunde. Sonan, der Anführer des Südens, streckte seinen Kopf neugierig vom Felsen und betrachte die Neuankömmlinge, gab aber keine Kommentar dazu ab und Rena, die letzte im Bunde und für den Osten zuständig, blickte teilnahmslos wie immer. Chiyo versteckte sich hinter den Beinen ihres Vaters. Sonst war sie nicht so schüchtern, doch die ganze Atmosphäre machte ihr ein wenig Angst. So wirklich verstand sie nicht, was hier vorging. Skadi sah die Familie abschätzend an, dann sprang sie von ihren Felsen herunter und kam langsam näher. Argwöhnisch betrachtete sie erst Lexie, dann Artus und später die Welpen. Schweigend drehte sie ihnen den Rücken zu. Lange herrschte eine unangenehme Stille, niemand wagte es etwas zu sagen, ehe es Skadi tun würde, denn alle brachten ihr eine Menge Respekt entgegen, dazu war sie eine sehr voreingenommene Fähe und man wollte ihr Zeit geben ihr Urteil zu bilden. Zudem war sie sehr leicht reizbar und strahlte eine gewisse Kälte aus. Dennoch hatte sie tief in ihrem Herzen einen weichen Kern, den sie allerdings sehr selten zeigte und schon gar nicht bei Fremden. Sie beherrschte die Kunst des Heilens sehr gut, ansonsten hatte sie ein sehr umfangreiches Wissen über verschiedene Zauberkünste. Noch immer herrschte Schweigen, doch dann endlich fasste sich Kuckunniwi ein Herz. Der Jüngste der Vier hatte graubraunes Fell und war er etwas kleiner als ein durchschnittlicher Rüde. Wie schon die anderen Alphatiere beherrschte auch der lebensfrohe Wolf die hohe Kunst des Heilens. Diese hatte er von einem alten Schamanen seines ehemaligen Rudels erlernt. Zudem war er Meister der Elemente. Auch wenn er gerne unterschätz wurde, konnte er sehr gut kämpfen. Kuckunniwi sah im Gegensatz zu Skadi in jedem Wolf das Gute, weswegen er meinte: "Lasst sie doch eine Weile hier, sie sind bestimmt müde. Auf den ersten Blick kann man doch gar nichts entscheiden." Doch Skadi fauchte ihn nur wütend an: "Neuankömmlinge müssen mit der größten Sorgfalt behandelt werden. Wir wissen nicht, was sie hier wollen. Oder wie seht ihr das?" Sie sah zu den zwei anderen Alphawölfen. Runa und Talon schenkte sie keine Beachtung. Sonan stieg auch von seinem Felsen und macht das gleiche Spiel wie Skadi, in dem er die Fremden umkreiste und sie sich genau ansah, dann schnupperte an ihnen. „Gegen die habe ich nichts“, sagte er locker. Der helle Rüde mochte oft so wirken, als würde er die Welt nicht ernst nehmen und wäre viel zu jung für seinen Posten, doch jeder im Rudel wusste, dass das nur nach außen hin so schien. Er konnte mehr, als man ihm zutraute. Die Wölfin des Ostens machte sich nicht die Mühe von ihrem Thron zu steigen, sie blickte nur mit leerem Blick nach unten. Ihr rotbraunes Fell hatte einen sehr auffälligen Glanz, ab und zu konnte man denken, dass sie in Flammen stand, so sehr spiegelte sich das Licht darin. Ihre Rute glich mehr dem Schweif eines Pferdes, was ungewohnt erschien. Außerdem war sie sehr schön. Ihre grünen, mandelförmigen Augen zogen wohl viele Rüden in den Bann, wenn sie mal nicht so kalt wirkten, wie in diesem Moment. „Ich bin dafür, dass wir sie unter Beobachtung hier behalten.“ Ihre Stimme klang teilnahmslos, als würde sie es sowieso nicht interessieren. Sofort jubelte Kuckunniwi laut auf: "Dafür wäre ich auch Rena, ach komm schon Skadi, sei doch nicht immer so hartherzig." Sofort erntete er einen vernichtenden Blick. Sie schnaufte laut, ehe sie antwortete: "Okay gut, sie können eine Weile bleiben, aber sie stehen unter strengster Beobachtung! Bei der geringsten Auffälligkeit müssen sie das Lager verlassen!" Artus atmete innerlich auf. Sie waren in Sicherheit zumindest für eine kurze Zeit. Doch dann fügte Skadi noch hinzu: "Ich möchte, dass Runa ein Auge auf die Wölfe wirft!" Der Schwarze schluckte. Runa hatte sie sowieso schon auf den Kicker, zumindest ihn. Wie sollte er es nur schaffen, sie wieder umzustimmen? Das was er einst getan hatte, war unverzeihlich. Die Alphawölfin machte kehrt, um auf ihren Felsen zurück zu kehren. Ein fieses Grinsen huschte über Ihr Gesicht. Von Runa kam nur ein unzufriedenes Schnauben, aber sie fügte sich ihrem Schicksal und ging wieder auf die Familie zu, sah aber nur Lexie an: „Ich bringe euch zu einer Höhle. Ihr müsst sie euch mit einer alten Fähe teilen, denn wir haben hier nichts mehr frei. Neue Höhlen werden in Kürze gegraben.“ Die vier Wölfe folgten der Gelben, nur Talon blieb zurück. „Gibt es schon Pläne, wann wir uns den Orden zurückholen?“, fragte er die vier Anführer, als sich die anderen außer Hörweite befanden. „Ist es nötig, dass du uns das fast jeden Tag fragst?“ Rena starrte ihn kalt an. Sonan kletterte gerade wieder auf seinen Felsen, als er meinte: „Nicht so streng, Feuerfell. Talon ist ein weiser Wolf und ein wichtiges Mitglied unseres Rudels.“ „Man sollte trotzdem nicht vergessen, wer er ist und was seine früheren Anhänger als getan haben.“ „Ja, Rotschopf, gerade weil ich weiß wer ist, halte ich ihn für sehr wertvoll. Er hat uns doch wohl bewiesen auf welcher Seite er nun steht.“ Darauf wollte sie nichts sagen und keifte nur: „Und hör endlich auf mit solche Namen zu geben!“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie das aussprach. Kuckunniwi musste grinsen, doch dies entging Skadi nicht. Wütend fauchte sie den jungen Wolf an: "Was ist daran so lustig?" Dann sah sie zu Sonan: "Haltet euch doch einfach mal zurück!" Sofort waren die zwei still. Dann ging sie zu Talon. "Rena hat Recht, du solltest diese Frage nicht immer stellen. Wir schätzen deine Erfahrung durchaus, doch ich vermute, dass in deinem Bestreben mehr liegt als allgemeiner Nutzen." Mit kalten Blick sah sie ihn an. Dann wendete sie ihm den Rücken zu. "Wenn die Zeit reif dafür ist, dann werden wir den Angriff planen. Doch noch ist unsere Armee zu schwach. Wir haben zu viele Alte und Junge in unseren Reihen. Wir müssen warten, bis die jungen Wölfe größer werden und hoffen, dass die alten Wölfe bis dahin noch gut genug für die Schlacht sind." Skadi klang kaltherzig, doch tief in ihrem Herzen tat es ihr leid, doch es war nur ein sehr schwaches Gefühl von Reue. Ein Gefühl, das sie sehr gut verdrängen konnte. "Die Welpen der Neuankömmlinge sehen interessant aus. Ihre Mutter ist Heilerin, vielleicht haben sie Talent. Schade, dass der Vater nur ein durchschnittlicher Magier ist. Vielleicht sollte sie sich auf einen anderen Rüden einlassen. Einen starken Rüden." Sie wurde fordernd. Einen Rüden aus den Reihen der Alphas, aber die waren noch zu jung, obwohl sie große Macht hätten. Kuckunniwi wollte sofort dagegen protestieren, aber Skadis Blick verschlug ihm die Sprache. Dann meinte sie: "Oder einen starken und erfahrenen Wolf, wie du es bist Talon?" Sie sah ihn herausfordernd an. Wut stieg in Talon auf, aber er unterdrückte das so gut er konnte und antwortete ruhig: „Seit wann ist es die Aufgabe der Alphatiere zu bestimmten wer mit wem zusammen ist?“ Der Gedanke etwas mit seiner eigenen Tochter zu haben, ekelte ihn an, aber natürlich konnte Skadi ja nichts von ihrer Verwandtschaft wissen. Sie sahen sich ja nicht einmal ähnlich, was daran lag, dass Lexie nach ihrer Mutter kam. „Ich muss ihm zustimmen, Skadi“, kam es von Rena. „Ich glaube nicht, dass es unsere Aufgabe ist Verkupplungsversuche zu starten. Und Talon ist so alt, dass er vielleicht gar nicht mehr in der Lage ist Junge zu zeugen.“ „Bitte was?“ Der schwarzbraune Rüde war immer wieder überrascht von Renas Direktheit und das überschritt ja nun wirklich eine Grenze. „Verzeih, aber du bist weit über das Alter eines normalen Wolfes hinaus.“ „Und ein mächtiger Magier, der noch viele Jahre leben kann durch seine Magie. Ich bin noch topfit.“ Der Blick der Rotbraunen strahlte Arroganz aus: „Das kann man nur hoffen, denn wir werden dich im Kampf gegen die Ordenswölfe brauchen.“ Talon wusste selbst, dass er nicht der Jüngste war und ob er noch in ein oder zwei Jahren wirklich an einer Schlacht teilhaben konnte, stand in den Sternen. Mit seinen 14 Jahren gehörte er schon zu der alten Generation und auch wenn er jeden Tag seine Fähigkeiten trainierte, würde das vielleicht nicht bis zum Tag der Schlacht reichen. Deswegen wollte er ja so schnell wie möglich angreifen. „Ich sag dir, wenn es etwas Neues gibt, Talon“, mischte Sonan sich wieder ein. „Nur über unsere genauen Pläne wissen nur wir vier bescheid, damit nichts nach außen dringen kann. Zwar scheint der Orden noch nichts von unserer Existenz zu wissen, aber es ist eine Frage der Zeit bis uns jemand verrät.“ „Ja, ich weiß das. Ich werde versuchen geduldig zu sein. Skadi lachte laut auf. "Ja ihr habt wohl Recht, der alte Wolf hat sicher schon einiges an Glanz eingebüßt. Im Grunde ist es mir sowieso egal, wer mit wem zusammen ist. Im Kampf überleben sowieso nur die Stärkeren. Wer weiß was in diesen Wölfen noch alles für verborgene Kräfte schlummern. Wenn sie im Rudel bleiben werden, dann müssen die Jungen unverzüglich zur Magierausbildung. Den Alten würde es ich auch nicht schaden, die Fähigkeiten zu verbessern. Wir müssen auf alles vorbereitet sein, der Orden hat nicht nur starke Magier, sondern auch starke Jäger, das darf nicht unterschätzt werden." Nachdem sie gesprochen hatte, wandte sie sich ab und ging. Für sie war das Thema vorerst erledigt. Der ehemalige Ordensanführer musste sich geschlagen geben und verließ die Höhle. Seine Tochter und ihre Familie überließ er Runa, denn auch wenn die Gelbe nicht so begeistert von Artus schien, so versuchte sie immer fair zu sein und auch in diesem Fall würde sie ihnen nicht schaden, weil es das Beste für das Rudel war. Die Wölfin kam ihn oft seltsam vor. Manchmal glaubte er, dass sie ein großes Geheimnis hatte, aber das spielte keine Rolle für ihn. Sie stand auf der richtigen Seite und das zählte und nichts anderes. Die Höhle, in der die Familie schlafen sollte, war nicht sehr geräumig. Eine alte Fähe hatten sie auch noch als Mitbewohnerin und diese sah alles andere als fröhlich aus, als sie davon erfuhr, dass sie nun nicht mehr alleine wohnen würde. Ihr Fell war lang und teilweise ergraut und ihr Blick wirkte, als wollte sie sie am liebsten umbringen. „Versucht nicht aufzufallen, solange ihr unter Beobachtung steht“, wies Runa sie an. „Die Höhle liegt im Westgebiet, ihr untersteht also Kuckunniwi. Wenn ihr mich sucht, mein Bau ist im Norden, aber ich werde regelmäßig bei euch vorbeischauen. Befehl ist Befehl. Futterplatz und Wasser liegen nicht weit von hier. Fragt euch durch.“ Leicht genervt verließ sie die Höhle. „Okay, da sind wir also“, sagte Lexie. Sie ging herüber zu der Fähe, die sich in die Ecke verzogen hatte: „Schön dich kennenzulernen. Tut uns wirklich leid, dass wir hier so eindringen.“ Daraufhin bekam sie als erstes nur ein Knurren. Mit heiserer Stimme erwiderte die alte Fähe: "Meine Name ist Omara. Ihr Eindringlinge! Was wollt ihr hier? Die Höhle ist ja eh schon viel zu klein und jetzt kommt ihr daher. Ein ekelhaft, junges Paar.“ Dann hielt sie kurz inne und wurde noch erboster, als sie es schon war: "Welpen? Ihr bringt auch Welpen mit? Kleine, laute Bälger, die hier alles auf den Kopf stellen? Nein, das ist mir jetzt zu viel, ich werde mich sofort bei Kuckunniwi beschweren! Ich halte das nicht aus.“ Leicht humpelnd, aber in einem beachtlichen Tempo für ihr Alter rauschte sie ab. Artus sah ihr hinterher, dann stupste er seine Gefährtin an: "Oh je, das hier fängt ja schon mal gut an, ich hoffe es wird nicht schlimmer." Dann sah er auf seine Welpen, die ihn mit verwirrten Kulleraugen ängstlich anschauten. Leise fragte Aramis: „Mama, Papa, wie lange müssen wir hier an diesen schrecklichen Ort bleiben? Hier gefällt es mir nicht.“ Mit einem Seufzen legte sich Lexie hin: „Wir werden hier bleiben und du wirst dich eingewöhnen, mein Sohn.“ Ihre Stimme klang sanft, aber man hörte auch die Müdigkeit heraus. „Aber ich will heim“, mischte sich Chiyo ein. „Die Wölfe hier sind nicht nett. Und diese Omara macht mir Angst. Papa, bitte sag dass wir in unser Revier zurückkehren. Bitte, bitte.“ Artus sah seine Tochter traurig an, dann sprach er: "Es tut mir leid meine Kleine, wir könne hier nicht weg. Hört zu Kinder, da draußen geht etwas Seltsames vor sich, etwas Gefährliches. Nur hier sind wir wirklich sicher, ich weiß es ist nicht leicht, aber glaubt mir, eines Tages werdet ihr froh sein, dass wir hier leben dürfen." Er wusste, dass dies nur ein schlechter Trost war. Zumindest so lange, bis die kleinen Wölfe die Bedeutung des Wortes Krieg noch nicht kannten. Er sah zu Lexie. „Legt euch nun eine Weile hin und ruht euch aus.“ Keiner erhob Wiederspruch, da alle sehr müde waren. Artus setzte sich vor die Höhle und hielt Wache. Auch wenn dies nicht notwendig war, so nutzte er die Zeit zum Nachdenken. Tief in seinen Gedanken versunken, saß er so da, bis ihm plötzlich wütendes Geschimpfe aufschrecken ließ. Verwirrt sah er in die Richtung, aus der es kam. Er erblickte eine tobende Omara. So gut es die kleine, alte Wölfin nur konnte baute sie sich tosend vor Artus auf: "Du und deine elende Brut geht mir jetzt schon auf den Senkel!" Die Wölfin hatte eine feuchte Aussprache, wie der Rüde fest stellen musste. "Dieser Schwachkopf Kuckunniwi findet es auch noch lustig, dass ihr bei mir wohnt! Aber was kann man von einem Kind schon erwarten!" Sie knurrte wieder. Dann seufzte sie: "Wir müssen wohl das Beste aus der Situation machen.“ Lexie hörte die Alte zwar, drehte sich aber um und versuchte sie zu ignorieren. Ihre Welpen waren an sie gekuschelt und es fühlte sich wieder an, als wären sie zu Hause in ihrem Bau, wo sie sich immer so sicher gefühlt hatten. Doch so war es hier gar nicht. Sie versuchte diesen Gedanken zu vertreiben und schlief ein. Kapitel 6: Die Rache des Rivalen -------------------------------- Das Gezwitscher der Vögel weckte Chiyo am nächsten Morgen. Alle schliefen noch tief und fest und so wagte sie sich alleine nach draußen und sah sich um. Ihre Höhle war eine von vielen und es gab einige Wölfe, die schon aufgestanden waren und sich im Lager herumtrieben. Ein Welpe grüßte sie und lief fröhlich an ihr vorbei. Die anderen, die sie sah, wirkten alle noch sehr jung. Dann entdeckte sie auch schon Runa, die auf sie zukam. „Guten Morgen“, meinte die Gelbe. „Ich hoffe du konntest einigermaßen schlafen heute Nacht.“ „Ähm, ja danke.“ „Sicher vermisst du eurer altes Revier?“ Daraufhin nickte der Welpe nur. „Keine Sorge, du wirst dich schon daran gewöhnen. Hier kann es wirklich spannend sein. Und du wirst hier lernen wie man zaubert. Ist das nichts für dich?“ „Ja, aber ich kann schon ein wenig zaubern. Papa, hat es mir gezeigt.“ „Hat er? Na gut, dann werden wir sehen, was du schon alles Tolles kannst.“ „Okay!“ „Gut, ich wollte nur prüfen, ob es euch gut geht. Ich werde mich dann um meine Aufgaben kümmern. Sag deinen Eltern, dass es hier eine Welpenschule gibt, wohin sie euch schicken sollten. Dann lernt ihr auch die anderen Kinder kennen.“ Die Kleine nickte und rannte zurück zur Höhle, während Runa schon wieder verschwand. „Mama, Papa!“, dröhnte es aus Chiyos Maul. „Es gibt hier eine Welpenschule!“ Aramis wachte als Erster von dem Gebrüll seiner Schwester auf. Sofort sprang er auf um zu sehen, was da draußen los war. "Was sagst du da, Chi? Ein Welpenschule? Da will ich auch hin!" Langsam kam nun auch Artus aus dem Bau. Mahnend sagte er zu seinen Kindern: "Was schreit ihr denn so herum? Glaubt ihr etwa, dass ihr die Einzigen hier seid?" Sofort waren seine Kinder still. "So und nun in aller Ruhe: Was ist los?" Fordernd sah er zu den Kleinen. „Runa war hier und hat mir gesagt, dass es hier eine Welpenschule gibt. Ich will dahin. Bitte, Papa!“ Chiyo sprang wild herum und winselte, um ihm klar zu machen, dass es ihr ernst war. Sie stellte sich das alles spannend vor, außerdem wollte sie lernen ihre Magie einsetzten zu können. Zwar hatte sie schon ein wenig gelernt, aber das reicht ihr nicht. „Ich will so mächtige Zauber lernen, wie du sie beherrschst und heilen können wie Mama. Und da sind auch andere Welpen, mit denen wir spielen können.“ Artus überlegte kurz, dann antwortete er: "Mh, es wäre wohl das Beste, wenn ihr in die Magierschule gehen würdet. Immerhin sollt ihr alle einmal starke Wölfe werden, die sich verteidigen können." Er ließ mit Absicht die Tatsache weg, dass es vor allem an dem nahenden Kampf lag, welcher früher oder später auch auf sie zukommen würde. Dann kam auch Lexie aus der Höhle. Artus sah sie liebevoll an: "Oder was meinst du mein Schatz? Ich denke diese Schule wäre sicher eine gute Idee?“ „Es spricht nichts dagegen“, sagte die Blaugraue. „Wir müssen uns hier einfügen und dadurch werden unsere Kinder bestimmt schneller Anschluss finden.“ Die Wölfin war sehr besorgt, aber sie behielt das für sich. Ihr gefiel die ganze Situation überhaupt nicht, doch nun mussten sie sich hier anpassen und weitermachen. Dabei wollte sie doch einfach nur in Ruhe leben können. Würde sie dieser Wunsch je erfüllen? Sanft lächelte sie ihrem Gefährten zu, um ihn zu zeigen, dass sie zuversichtlich war, was die Welpenschule anging. Aufgeben wollte sie auf keinen Fall. Das stand für sie fest. Nimrod hatte die Höhle des Gildenführers fast erreicht. Es waren einige Monate vergangen seit seine Welpen - mittlerweile musste man sie wohl Jungwölfe nennen - ihre Ausbildung antreten hatten und er dachte sich schon, dass es um einen seiner Söhne gehen musste. Als er in den Bau trat, wartete da tatsächlich schon Pavan auf ihn, der Gildenführer stand neben ihm. Der junge, graubraune Wolf stellte sich sofort zu seinem Vater, als er diesen erblickte und begrüßte ihn mit einem respektvollen Schwanzwedeln. Dem Grauen fiel wieder einmal auf, dass Pavan schon fast so groß war wie er selbst. Der Junge wurde erwachsen. „Oh schön, Nimrod, dass du da bist“, sagte der Anführer der Jäger. Leicht verneigte sich der Rüde: „Er hat doch nichts ausgefressen, oder?“ „Oh nein. Pavan ist ein vorbildlicher Schüler, wie schon immer. Wahrscheinlich der beste Jäger seiner Klasse. Er macht sich gut.“ Der Schüler wurde ganz stolz bei diesen Worten und streckte die Brust heraus. Sein Vater glaubte, dass dieses Kompliment nicht unbedingt von Vorteil war, denn Pavan hatte auch eine gewisse Arroganz entwickelt, die dem alten Rüden nicht ganz unbekannt war. In dem Alter hatte der Graue sich nicht anders verhalten. „Pavan ist jetzt in einem Alter, wo er einen Mentor gut gebrauchen könnte. Es gibt jemand, der diese Aufgabe gerne übernehmen würde.“ „Wer?“, wollte der Graue wissen, aber das brauchte er nicht zu fragen, denn als er sich umdrehte, stand da plötzlich ein alter Bekannter – Rhodri! Der kräftige Rüde grinste Nimrod fies an, dann ließ er sich vor dem Gildenführer nieder. Ehrfürchtig sprach er: "Ja, Meister, gerne wäre ich er Mentor dieses außergewöhnlichen, jungen Jägers. Seine Ausstrahlung voller Stärke und Kraft und das schon in diesem Alter. Aber bei so einer Abstammung ist es ja kein Wunder. Zumindest was die Blutlinie der Mutter betrifft." Der Braune funkelte hämisch zu seinem Rivalen. Der Gildenführer bemerkte hiervon nichts. Außerdem stand Rhodri in seiner Gunst, da er die Ansichten des Ordens zu 100% teilte. In einem schleimerischen Tonfall fuhr er fort: "Aber auch der Vater ist ein großer Jäger. Ich habe es damals selbst erlebt. So waren wir ja gemeinsam unterwegs um eine Abtrünnige zurück zu holen. Auch seine Mutter kenne ich gut." Er hielt kurz inne. "Aus diesem Grund denke ich, bin ich sicher geeignet als Mentor.“ „Das soll ja jetzt wohl ein Witz sein!“, brüllte Nimrod aufgebracht, was erst einmal Stille bei den anderen hervorrief. In den letzten Jahren hatte man solche Ausrufe kaum von ihm gehört, aber nun blitze die alte Kälte in seinen Augen auf, wie schon lange nicht mehr. Man konnte sagen, er war weich geworden, aber in ihm ruhte noch immer der Wolf von damals. „Mein Sohn wird niemals von diesem Jäger ausgebildet werden. NIEMALS!“ Der Gildenführer blieb ruhig: „Nun, Nimrod, das hast nicht du zu entscheiden sondern Pavan.“ Dieser hatte eine trotzigen Blick aufgesetzt, der dem Grauen nicht gefiel. Sein Nachkomme konnte unheimlich stur sein und einen Mentor zu haben, bedeutet für jeden Schüler eine große Ehre. Nicht jeder wurde von einem Jäger gefördert, schon gar nicht von einem Elitejäger wie Rhodri. „Bevor du etwas sagst, Sohn, es gibt noch eine andere Möglichkeit. Carth wäre sicher bereit…“ Der Führer der Jäger unterbrach ihn: „Es ist eigentlich noch nicht offiziell, aber Carth möchte tatsächlich einen deiner Söhne unterrichten. Nur ist es nicht Pavan.“ Dem Grauen blieb einfach nur das Maul weit offen stehen und dann ergriff auch schon der Graubraune das Wort.: „Es wäre mir eine Ehre Euer Schüler zu werden, Meister Rhodri!“ Am liebsten wäre Nimrod in diesem Moment auf dem Brauen gesprungen und hätte ihm gezeigt, was es hieß sich mit ihm anzulegen, aber so etwas vor dem Gildenführer zu machen, wäre selbst ihm nicht gut bekommen. Trotzdem knurrte er ungehalten, egal was jemand anders hier im Raum dachte. Pavan kannte seinen Vater nicht von dieser Seite und schien ein wenig erschrocken, ließ sich aber nicht beirren und hielt seinen Blick weiter auf seinem neuen Mentor. Das ist die Rache, ging es dem Grauen durch den Kopf. Ich habe das damals das Mädchen gekriegt und jetzt nimmt er mir meinen Sohn. Rhodri grinste kurz, niemand aber bemerkte es. Langsam erhob er sich und ging auf Nimrod zu: "Weiß du, ich verspreche dir deinen Kleinen gut zu erziehen. Er wird es gut haben bei mir. Ich werde es ihm lehren, was es heißt ein starker Jäger zu sein, ein Jäger, der die Wilden jagt und dem Orden stets treu ergeben ist. Ein stolzer und mutiger Jäger, der sogar sein Leben für den Orden geben würde." Er wusste, dass dies die Gildenführer gerne hörten. Aber er war sich ohnehin sicher, dass dieser auf seiner Seite sei. Eigentlich sind ja alle auf meiner Seite, außer Nimrod, dachte er wieder hinterhältig. Dann sprach er weiter: "Großer Gildenführer, voller Demut und Ehrfurcht erwarte ich Eure Entscheidung." Nimrods rote Augen schienen Rhodri durchbohren zu wollen. Mit aller Kraft hielt er sich zurück, aber ein Wort mehr und er würde ich nicht mehr halten können. Seine gesträubtes Nackenfell verriet seine Empfindungen und erst als der Gildenführer zu sprechen begann, riss es ihn aus seiner Fixierung auf den Braunen und sein Blick wanderte zum Anführer, den er nicht anders ansah, als seinen schlimmsten Feind. „So sei es. Pavan ist nun der Schüler von Rhodri!“ Es trat wieder Stille ein. Für Nimrod schien die Zeit stehen zu bleiben, er konnte nur lautes Ein- und Ausatmen hören – und das kam von ihm. „ICH SAGTE NIEMALS! Diesem Welpenmörder vertraue ich meinen Sohn nicht an!“ Erst jetzt wurde ihm klar, was er gesagt hatte, aber er war schon außer Kontrolle. „Nimrod, das sind schwere Anschuldigungen“, erwiderte der Gildenführer entsetzt. „Dieser ganze Orden ist nicht mehr das was er einmal war! Es ist eine Schande hier dazuzugehören!“ „Beruhige dich!“ Jetzt klang der Anführer der Jäger allerdings verärgert. „Und du!“ Der Graue drehte sich zum Braunen. „Lass gefällst meinen Sohn in Ruhe!“ Bedrohlich ging er auf den anderen Elitejäger zu und sprang plötzlich auf ihn. Mit voller Wucht riss er ihn um und erwischte seine Pfote, wodurch das Blut nur so spritzte. „WACHEN!“, schrie der Gildenführer und einige Wölfe stürmten herein und begann mit Nimrod zu kämpfen, der sich aber nicht einschüchtern ließ. Er verletzte sie nicht wirklich, aber besiegt sie einem nach dem anderen, bis auf einmal sein Körper stocksteif wurde und er mit aufgerissen Augen mitansehen musste, wie Blackeye die Höhle betrat. Anscheinend war er gekommen, um Rhodri offiziell als Mentor zu ernennen. Gegen den Zauber konnte Nimrod nichts machen. Der alte Magier schleuderte den Körper des Jägers hoch und ließ ihn gegen die Wand fliegen. Der Graue verlor sofort das Bewusstsein und landete hart auf dem Boden. „Vater!“ Pavan rannte auf die leblos Gestalt zu und stupste ihn wie wild an, doch sein Erzeuger bewegte sich nicht mehr. „Es tut mir leid, Jägerschüler“, schnitt Blackeyes Stimme durch den Raum. „Dein Vater scheint nicht mehr bei Sinnen zu sein. Vielleicht das Alter, mein Kleiner.“ Dann wandte er sich an die Wachen: „Bringt Nimrod in den Kerker. Er wird bestraft werden.“ „Aber…“, wimmerte der Graubraune verzweifelt. „Du musst dich entscheiden, Junge. Stehst du dem Orden zur Seite oder willst du den Worten eines alten, verwirrten Wolfes glauben?“, mischte sich der Gildenführer ein. „Wir dulden hier keine Widerworte.“ Er beugte sich zu dem Schüler herunter: „Manchmal verlieren alte Jäger den Verstand. Dein Vater war ein großer Kämpfer und seine Strafe wird sicher nicht allzu hart. Geh jetzt beiseite.“ Hilfesuchend sah Pavan seinen neuen Mentor an. Dieser knurrte wütend. Das Blut tropfte von seinem Gesicht, scheinbar hatte ihn Nimrod schwerer verletzt als gedacht. Bei genauerem Hinsehen, konnte man erkennen, dass ihm der Graue das linke Auge zerfetzt hatte. Rhodri leckte sich über die Wange. Der junge Schüler erschrak bei dem Anblick, aber Rhodri sprach nur: "Es ist alles halb so wild, nun wird eine neue Zeit für dich anbrechen. Vergiss deinen alten, verwirrten Vater. Du siehst selber, er kann dir nicht einmal die Grundsätze unseres Ordens beibringen. Er hatte eine Strafe verdient, das ist nun mal das Gesetz. Dein Vater kennt das Gesetz, von daher war er sich von Anfang an bewusst, was geschehen würde, wenn er sich nicht an die Regeln hält.“ Dann zog Rhodri ab. "Komm Pavan, es ist an der Zeit zu gehen." Aber…?“, flüsterte der Jungwolf fassungslos. Er verstand nicht, was hier eigentlich passiert war. Der Gildenführer blickte ihn ernst an, bis er den Kopf senkte und seinen neuen Mentor folgte. Seine Erziehung zwang ihn dazu, immerhin war er ein Mitglied des Ordens und musste jemand höheren Ranges gehorchen, so hatte man ihm das seit seiner Welpenzeit eingetrichtert. Und seine Karriere aufgeben, weil sein Vater plötzlich nicht mehr richtig zu ticken schien? Nein, das wollte er nicht wirklich. Eigentlich wusste er gar nicht, was er genau wollte, weil ihn das alles einfach zu sehr verwirrte, also tat er das, was er immer getan hatte und hörte auf die älteren Wölfe. Und so lief er mit angelegten Ohren hinter dem Brauen her. Langsam wanderte Akira durch das Lager der Jäger. Sie war etwas nervös, weil es so lange dauerte, außerdem platze sie fast vor Neugierde, was besprochen worden war. Sie setzte sich hin und seufzte. In diesem Moment wurde ihr wieder bewusst, wie schnell die Zeit doch verging und ihre Babys groß wurden. Während sie so in Gedanken versunken vor sich hin träumte, riss sie plötzlich eine bekannte Stimme aus ihren Gedanken. Es war Carth. Es schien, als wäre er sehr aufgeregt „Akira! Akira!“, rief der Rote voller Panik. „Nimrod ist völlig ausgerastet und hat Rhodri angegriffen, nachdem er erfahren hat, dass er Pavan als seinen Schüler ausgewählt hat.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Graue an: „Ich glaube er hat Rhodri ernsthaft verletzt, was nichts Gutes bedeuten kann, außerdem hat er ihn als Welpenmörder bezeichnet.“ Die Fähe fiel aus allen Wolken. Entgeistert sah sie Carth an: "Nein, das kann doch noch nicht sein!" Sofort fetzte sie los. Sie musste zu Nimrod. Was hat er sich nur dabei gedacht? Warum war er nur so ausgerastet? Sie rannte schneller als jemals zu vor. Völlig außer Puste war sie endlich in der Höhle des Gildenanführers angekommen, doch weder von ihren Gefährten, noch von Pavan oder einem andren Jäger war etwas zu sehen. Sie schnupperte. Es roch nach Blut, als sie sich umsah erkannte sie ein bisschen davon auf dem Boden, nicht viel, aber es reichte. Vor allem, wenn es um die Ehre des Ordens ging. Plötzlich erschrak sie. Es hatte sich jemand angeschlichen. Sofort drehte sie sich um und erkannte Blackeye. Hilfesuchen sah sie ihn an. „Du wirst ihn hier nicht finden, Jägerin“, meinte der Magier mit leichtem Spott in der Stimme. „Als seine Gefährtin ist es deine Pflicht an seiner Seite zu sein, sonst würde ich dir raten dich von ihm fernzuhalten. Geh zum Kerker. Vielleicht lassen sie dich zu ihm. Er wird für seine Taten zahlen.“ In dem Moment rannte Cailean in die Höhle, blieb dann aber stocksteif stehen, als er den Magier sah. Der Respekt für den alten Wolf war dem jungen Kerl ins Gesicht geschrieben. „Ich habe es gerade gehört, Mutter. Es kann doch nicht wahr sein?“ Sie seufzte schwer: "Doch mein Sohn, es ist leider wahr. Komm lass uns schnell zum Kerker gehen, vielleicht lassen sie uns zu ihm." Traurig marschierte sie los. Cailean folgte ihr. Nach einer Weile meinte er:" Was ist mit Erin? Sollen wir ihr es nicht sagen?" Doch Akira schüttelte nur den Kopf: "Du weißt doch, dass wir die Magier nicht stören dürfen, bei denen herrschen andere Regeln als bei uns." Schweigend gingen sie weiter, bis sie endlich am Kerker ankamen. Zwei große Wölfe bewachten den Eingang. Akira kam näher, die Wachen rührten sich nicht, doch als sie einen erneuten Schritt tat, knurrte einer der beiden sie wütend an. „Kein Durchlass“, gab die Wache zu verstehen. „Bitte, mein Vater wurde in die Kerker gebracht. Wir müssen zu ihm.“ Cailean sah ihn flehend an. „Du bist Nimrods Junge? Dann musst du…?“ Der große Wolf sah zu Akira. „Mhm…ich mag Nimrod nicht, weil er immer so ein Sturkopf ist, aber mein Neffe Carth wurde von ihm zu einem tollen Jäger ausgebildet. Ihr dürft kurz hinein. Aber sagt das niemanden weiter.“ Die Fähe flüsterte leise, aber dennoch gut hörbar: "Danke, das werden wir dir nicht vergessen." Der Wachwolf wurde etwas verlegen und antwortete: "Ach, so etwas Besonderes ist dies nun auch nicht." Dann ließ er sie durch. Akira und ihr Sohn traten in die finstere Höhle. Ein nasskaltes Klima schlug den beiden entgegen und es roch modrig. Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, gingen sie voran. Die Fähe schnupperte und konnte schnell den Geruch ihres Gefährten wahrnehmen. Das Tropfen in dieser kalten Höhle weckte den Grauen, der zusammengekauert in der Ecke lag. Langsam öffnete er die Augen und sah sich um. „Gitter?“, stammelte er vor sich hin. „Aber...?“ Dann fiel es ihm wieder ein. Er wollte sich nicht aufrichten, so blieb er einfach liegen und achtete auf seinen regelmäßigen Atem. Was hatte er da nur angerichtet? Plötzlich hörte er Schritte und er richtet seine Aufmerksamkeit darauf. Eine Stimme erklang: "Nimrod, alles in Ordnung mit dir?" Der Graue erhob sich und erblickte Akira und seinen zweigeborenen Sohn. Sofort ging er zum Gitter. „Es…es…tu…“ Er bekam es nicht raus, denn es tat ihm nicht leid. „Ich habe einen Fehler gemacht, mein Schatz. Ich hätte den Mund halten sollen, aber sie wollten Rhodri zu Pavans Mentor machen.“ Dann ließ er den Kopf hängen. „Nein, sie haben ihn zu seinem Mentor gemacht. Kannst du dir das vorstellen? Doch Pavan hat seine Seite gewählt. Von heute an habe ich nur noch einen Sohn.“ Er drehte sich um, damit seine Familie seinen gekränkten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Akira erschrak, doch dann antwortete sie ruhig: „Ich hatte immer Angst vor so einem Moment, doch wir müssen das Beste daraus machen. Pavan hat seinen Weg gewählt. Ich wünsche mir nur eines, und zwar dass er eines Tages erkennt, welchen Fehler er gemacht hat. Ich will und kann meinen Sohn nicht verstoßen, doch es gibt auch mir zu Bedenken, denn ich weiß wer Rhodri ist und was er will. Es war sein Ziel einen unserer Söhne als Schüler zu erhalten, daher wäre es dumm, wenn wir ihm gewinnen lassen würden. Gut, er ist jetzt Pavans Mentor, wir können dies auch nicht mehr ändern, aber wir dürfen uns nichts anmerken lassen. Ich weiß, eines Tages wird die Zeit kommen, wo wir uns rächen, doch bis dahin müssen wir klug handeln.“ Als Nimrod sich zu ihr umdrehte, leuchteten seine Augen verheißungsvoll. Die Worte, die er dann sprach, kam mit einer düsteren Stimme, die man schon lange nicht mehr von ihm gehört hatte: „Nein, mein Schatz, dieses Mal kann ich nicht schlucken und weiter dem Orden wie eine dumme Marionette dienen. Ich versuchte mich zu ändern, ich versuchte so viele Jahre ein anderer zu sein. Für dich, für unsere Kinder, aber wir wissen beide, dass in mir noch eine andere Seite wohnt. Und dieses Mal“, er trat einen Schritt näher ans Gitter heran, so dass sich ihre Schnauzen fast berührten, „halte ich nicht still.“ Den Rest flüsterte er: „Ich werde natürlich dafür sorgen, dass ich hier wieder raus komme, aber dann tu ich das wofür Jäger gemacht sind. Ich sorge dafür, dass Vin und der dunkle Wolf sterben und wenn es ich es selbst erledigen muss. Selbst wenn es mir mein Leben kostet.“ Kapitel 7: Gnadengesuch ----------------------- Akira schwieg eine Weile, ehe sie ihrem Gefährten antwortete: "Ich sehe, es ist dein Ernst, doch was immer du auch tust, ich werde hinter dir stehen. Es reicht was der Orden aus unserem Sohn gemacht hat." Sie zitterte vor Wut. "Doch wir brauchen einen Plan, sonst wird das nichts. Ich habe ein Gerücht gehört... tief in den Bergen sammeln sich Rebellen zu einem neuen Angriff, außerdem gibt es einen Wolf, er wird der weiße Wolf genannt, dem eine tiefere Verbindung zum dunklen Wolf nachgesagt wird. Er soll der Einzige sein, der dem Dunklem gefährlich werden kann. Vielleicht sollten wir den Orden verlassen und nach dem weißen Wolf suchen?“ Jetzt war es an Nimrod zu schweigen, während er sich den Einfall von Akira durch den Kopf gehen ließ: „Nein, den Orden zu verlassen wäre eine Fehler. Wir haben einen entscheidenden Vorteil, wir sitzen an der Quelle und können unerwartet zuschlagen. Und wir sollten Erin nicht vergessen. Durch sie können wir an Orte im Palast kommen, zu denen Jäger keinen Zutritt haben. Allerdings wenn es diesen weißen Wolf wirklich gibt, dann sollten wir…“ Er wurde von einem Jaulen Caileans unterbrochen: „Hört auf damit!“ Nun hatte der Jungwolf die volle Aufmerksamkeit seiner Eltern. „Was ihr hier macht, nennt man Verrat. Ich möchte nicht, dass ihr dadurch euer Leben verliert.“ „Jammere nicht so, mein Sohn“, knurrte der Graue. „Es wäre mir eine Ehre für dieses Ziel zu sterben.“ „Am Sterben ist nichts ehrenvolles. Es ist grausam und unnötig.“ „Was bringen sie euch eigentlich in der Jägerschule bei? Du hast doch keine Ahnung davon, Jüngling. Ich habe schon Hunderte sterben sehen und natürlich ist es kein schöner Anblick, aber alle diese Wölfe sind im Kampf gefallen, für eine Sache an die sie glaubten. Wenn du so sprichst, dann geh zu deinem Bruder und kämpfe an seiner Seite!“ Der junge Rüde blickte erschrocken drein. So hatte sein Vater noch nie mit ihm gesprochen, aber dann schüttelte er den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können: „Ich vertraue darauf, dass ihr es besser wisst.“ Zufrieden sah Nimrod wieder Akira an: „Ich habe einen Plan, wie wir den Orden nicht verlassen müssen und gleichzeitig überprüfen können, ob es diesen weißen Wolf auch gibt. Sicher werde ich bald den Ordensführern vorgeführt, ich gehe davon aus, dass du auch da sein wirst, Akira. Dort setze ich meinen Plan um. Nun, ihr solltet jetzt gehen.“ Er blickte seiner Gefährtin sanft in die Augen, da war er wieder, der liebe Wolf in ihm. Die Kälte hatte nicht wieder komplett von ihm Besitz ergriffen. „Es wird alles gut, Liebes.“ Dann wendete er sich an Cailean: „Du kommst nicht zur Verhandlung.“ „Soll ich stattdessen irgendeinen Auftrag ausführen? Jemand ausspionieren?“ „Nein.“ Der Graue drehte ihnen den Rücken zu, ging ein paar Schritte, dann ließ er sich mühsam nieder. Er spürte seine alten Knochen, was ihm ein wenig die Zuversicht nahm. „Du sollst mich nur nicht sehen, wie ich ohne Ehre um mein Leben und meine Freilassung bettele. Welche Schande für einen großen Jäger wie mich.“ Akira verließ ihren Gefährten betrübt. Nimrod hatte eine große Dummheit gemacht, doch er wusste wohl, was zu tun war. Dennoch machte sie sich Sorgen um ihren Gefährten. Sie musste unbedingt mit Erin sprechen. Langsam begann es zu dämmern. Die warme Abendsonne tauchte die Landschaft in ein sanftes Rot. Erin saß auf der kleinen Anhöhe, wo sie sich schon öfters mit ihrem Vater aufgehalten hatte, als sie noch ein Welpe gewesen war. Sie konnte sich noch gut an den Moment erinnern, an dem sie erfuhr, dass sie Magierin werden sollte. Ein Seufzer kam über ihre Lefzen. Sie hatte gerade ein Gespräch mit ihrer Mutter hinter sich gebracht. Es ging um ihren Vater. Im Unterricht hatte sie aufgeschnappt, dass ein Jäger außer Kontrolle geraten war, doch bis dahin wusste sie noch nicht, dass es sich um ihren Vater gehandelt hatte. Doch sie ahnte es. Erin hatte in der Ausbildung schon sehr viel gelernt und sie war wiedererwarten eine gute Schülerin. Sie konnte schon alle Heilkräuter auswendig, zeigte bereits Ansätze in der Kunst des Heilens, auch der Illusionszauber schien ihr zu liegen, ebenso wie die Ahnungen. Erin war ein Allroundtalent. Mittlerweile wurde sie fast nicht mehr gehänselt, selbst Tristan entwickelte eine Art Respekt. Dennoch das alles machte sie nicht glücklicher. Noch immer wäre sie lieber eine Jägerin und mit vorne dabei, aber je mehr ihre Ausbildung voranschritt, desto mehr verringert sich dieser Wunsch. Sie war an einem Punkt, wo sie aufpassen musste nicht dem Orden zu verfallen und genau dies merkte sie jetzt. Sie war schon fast so sehr dem Orden hörig, dass sie beinahe Akiras Bitte abgelehnt hätte. Aber dennoch, sie fühlte sich nicht wohl dabei. Der Gedanke als Spion entdeckt zu werden, bereitete ihr großen Unbehagen. Sie merkte wie sehr sie von ihren Pflichten eingenommen war, dabei wollte sie doch eigentlich nur frei sein. In diesem Augenblick beschloss die kleine Wölfin den Orden zu verlassen. Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann, wenn sie eine mächtige Magierin sein würde, dann wollte sie ihren eigenen Weg gehen. Raus aus dem Orden, der einen nur knechtete, weg von der Familie, die nur Ärger macht. Sie wusste eines Tages würde dieser Tag kommen, an dem sie diesen Ort hinter sich lassen konnte. Ein Ort mit starren Gesetzen, ein Ort an dem Fähen weniger beachtet wurden als Rüden, ein Ort der Gefangenschaft. Es war noch warm, aber so langsam spürte Pavan die Kälte der bevorstehende Nacht. Noch erhellte ein angenehmes Rot den Himmel, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne komplett verschwand. Der graubraune Jüngling erreichte den Fluss und beugte sich übers Wasser, um sein Spiegelbild zu betrachten. „Wer bin ich wirklich?“, flüsterte er vor sich hin. Er legte die Ohren an, als er erkannte, wem er doch so ähnlich sah: Seinem Vater. Besonders die roten Augen leuchteten hervor und zeigten, wessen Gene sich besonders stark bei ihm hervortaten. Der Jungwolf wollte doch nur ein Jäger sein, aber sich gegen Nimrod zu wenden, fiel ihm trotzdem schwer. Wütend schüttelte er den Kopf. Das war nicht seine Schuld. Nur sein Vater hatte das zu verantworten. Aufgebracht lief er weiter, bis ihm schließlich ein vertrauter Geruch in die Nase kam. Erin, sie wird mich verstehen, ging es ihm durch den Kopf und seine Schritte wurden schneller, bis er sie schließlich auf einer Anhöhe fand. „Schwester“, meinte er schwanzwedelnd. „Schön dich wiederzusehen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Hast du das von Vater gehört?“ Die Magierin erblickte ihren Bruder, sie hatte es geahnt, dass sie ihn heute noch treffen würde, ebenso wusste sie bereits, welche Frage er ihr stellen wollte. Sie hatte sich darauf vorbereitet. Sie wusste, dass sie jetzt klug sein musste, sie konnte sich weder gegen Pavan, noch gegen ihre Familie oder den Orden auflehnen. So sah sie ihn nur an und nickte. Ruhig antwortete sie: "Ja, Mutter hat es mir soeben erzählt." Der Graubraune setzte sich neben sie und sah auf die Landschaft: „Schöner Ort hier. Ich hätte jetzt erwartet, dass du gerade am Üben bist. Du weißt schon. Zaubersprüche und so.“ So sehr er seine Schwester liebte, ihre Fähigkeit Magie anzuwenden, hatte schon immer eine gewisse Barriere zwischen sie gebracht. Erin war ganz anders aufgewachsen als er, hatte andere Freunde gehabt und eine andere Schule besucht. Man sah sie als etwas Besseres und so behandelte Pavan sie meistens auch. Respekt vor Magiern des Orden gehörte zu den Eigenschaften, die ein guter Jäger besitzen sollte. Aber Respekt bedeutet auch einen Abstand, den man nie überschreiten durfte. Aber selbst zu Cailean hatte Pavan keine so enge Bindung, was wohl dran lag, dass der Graubraune genau wusste, dass er der bessere Schüler von beiden war und deswegen ein wenig seiner Arroganz unterlag. „Unser Vater ist eine Schande, meinst du nicht auch? Nur weil er eifersüchtig auf meinen Meister ist, braucht er ihn doch nicht zu verletzen. Für unser schlechtes Verhältnis kann Rhodri nun wirklich nichts. Dass ich einmal stolz gewesen bin der Sohn des großen Nimrod zu sein, kann ich selbst nicht glauben. Ich bin so enttäuscht.“ Sie sah Pavan wortlos an. Wo war er bloß, der gute Bruder aus alten Kindertagen, mit dem sie sich so gut verstanden hatte? Doch die Zeiten hatten sich geändert. "Oh Bruder ich habe geübt, doch mein Training besteht nicht aus Kämpfen. Für mentales Training braucht man Konzentration und Ruhe. Wenn nicht dieser, welcher Ort wäre dann besser dafür geeignet? Doch nun zu unserem Vater." Sie hielt kurz inne. "Für den Orden ist unser Vater gewiss eine Schande, wenn man bedenkt, welche hervorragende Leistung er einst gebracht hatte. Ich habe gehört, dass er Rhodri schlimm verletzt haben soll, ich glaube er hat ein Auge verloren dabei." Sie schwieg wieder. "Dennoch wissen wir nicht, was einst zwischen den beiden wirklich vorgefallen ist. Doch sei es darum, Vater muss nun sehen, wie er da wieder rauskommt. Die Verhandlung ist für morgen angesetzt, oder?“ Der Rüde brummte vor sich hin. Wie er diese neutrale Art seiner Schwester hasste. Viele Magier waren so und Pavan wünschte sich manchmal, sie würde einfach sagen, was sie dachte und nicht immer versuchen beiden Seiten gerecht zu werden. Entweder sie stand zu ihrem Vater oder sie stand zum Ordnen, aber beides ließ sich kaum unter einen Hut bringen. Trotz dieser Gedanken wollte er nicht weiter darauf eingehen und erwiderte stattdessen: „Es sieht schlecht aus um sein Auge, aber wer weiß schon, was die Heiler erreichen können? Nur sie sprachen nicht sehr zuversichtlich. Manches können selbst sie nicht mehr reparieren und wenn Vater einmal zuschlägt, dann wächst an der Stelle kein Gras mehr.“ Er seufzte. „Und was immer zwischen den beiden vorgefallen ist, Vater hätte sich trotzdem anders verhalten sollen. Rhodri ist nicht sein Feind, sondern sein Verbündeter.“ Der Wolf merkte, dass da die Lehren des Ordens aus ihm sprachen, denn es wurde ihnen immer wieder gesagt, dass man seine Kameraden achten musste, selbst wenn man noch so eine Abneigung gegen sie hatte. „Richtig, die Verhandlung findet morgen statt. Wirst du dich ins Publikum gesellen? Ich überlege fernzubleiben und damit zu zeigen, dass ich seine Tat zutiefst verabscheue.“ Der Graubraune war sich darüber im Klaren, dass das einer Verleugnung seines Vaters gleichkam. "Mag sein, dass das was er getan hat nicht das Beste war, aber er ist immerhin noch dein Vater. Ich kann mir vorstellen, dass er alles versuchen wird, um frei gesprochen zu werden, ich weiß nicht, ob du dies sehen willst. Sicher wird er alle Register ziehen. Ich werde zumindest auf die Verhandlung gehen." Erin war sich in diesem Punkt unschlüssig, ihre Kräfte verließen sie, sie wusste nicht, was sie Pavan am besten raten solle, ebenso wenig hatte sie eine Ahnung, auf welcher Seite ihr Bruder wirklich stand. Das verwirrte sie, normal war diese Fähigkeit schon sehr gut ausgeprägt. Wahrscheinlich, so dachte sie, liegt es daran, weil es um ihr persönlich Umfeld ging, vielleicht irritierte sie das so sehr, weil sie so versteift darauf war das Richtige zu tun. Mit Nachdruck bestätigte sie nun noch einmal die Aussage von eben: "Ja, ich werde dort sein.“ Damit hatte seine Schwester verraten auf welcher Seite sie wirklich stand, was den jungen Rüden zutiefst enttäuschte. Verstand sie denn nicht, dass es ihrem Vater nur darum gegangen war seine weitere Ausbildung zu verhindern? Dass er nur eifersüchtig gewesen war und deswegen jemand verletzt hatte, der sich seinem Sohn annehmen und ihm all sein Wissen beibringen wollte? Besonders von einer Magierin konnte man doch mehr erwarten, immerhin galten diese doch als höhere Wesen. „Du musst tun, was für dich am besten ist“, antworte er geknickt. „Nun, ich sollte meinen Kontrollgang fortsetzten und dich nicht weiter von deiner Meditation abhalten. Mach es gut, Schwesterherz.“ Mit schnellem Schritt lief er davon und hetzte durch den Wald, noch mehr verwirrt als vor dem Gespräch. Was sollte er nur tun? Erst einmal erledigte er seine Aufgabe und kontrollierte die inneren Grenzen auf fremde Gerüche, als er nichts Auffälliges fand, kehrte er zum Lager zurück und erstattete dem Gildenführer Bericht. Als er aus der Höhle des Anführers kam, rasten in seinem Kopf immer noch die Gedanken um den Vorfall und seinen Vater umher. Schließlich konnte er nicht anders und steuerte auf die Behausung von Rhodri zu. Ganz vorsichtig trat er ein und fand den Elitejäger sich ausruhend auf dem Boden. „Verzeiht mein Eindringen, Meister. Es gibt das etwas, was ich Euch fragen muss. Es geht um meinem Vater. Ich würde gerne wissen, warum er Euch so hasst.“ Bedrückt ließ er den Kopf hängen. Der Braune hatte den Jungwolf schon von weitem gehört, so war er nicht überrascht, als er in die Höhle eintrat. Langsam richtete er sich auf. Auf der einen Seite hatte er eine tiefe Narbe im Gesicht, auf der anderen klaffte ein Loch aus dem Kopf, dort wo normal das Auge sein sollte. "Erschrick nicht, dein Vater hat es geschafft, mir die Hälfte meiner Sehkraft zu nehmen, doch einen guten Jäger hindert selbst dies nicht. Außerdem solltest du etwas leiser sein, ich habe dich schon gehört, da warst du noch nicht einmal in der Höhle. Naja, bisher hattest du ja auch noch keinen anständigen Lehrer, der dir dies zeigen konnte." Er hielt kurz inne, dann sprach er weiter: "So nun zurückkommend auf deine Frage: Ich weiß es nicht, ich habe deinem Vater nichts getan." Er machte ein betroffenes Gesicht. "Ganz im Gegenteil ich habe deinen Vater bisher immer sehr verehrt, ich weiß nicht, an was es liegen mag. Vielleicht ist er auch eifersüchtig, denn deine Mutter begehrte einst mich, allerdings hatte ich zu jener Zeit keine Lust auf Bindung, so musste sie sich für deinen Vater entscheiden. Doch warum sollte dein Vater so kindisch sein, wegen einer alten Sache so auszurasten? Ich gönne ihm das Glück mit Akira, vor allem wenn ich dich so ansehe, da du ja ein Gewinn für den Orden bist." Rhodri grinste innerlich. Er wusste, dass Akira ihn einst verschmähte, doch er wollte Pavan täuschen, sollte der Jungwolf nur denken, dass sein Vater überreizt und kindisch sei. Der Anblick des Auges erschrak den jungen Rüden, aber er riss sich mit aller Gewalt zusammen und wagte es sein Gegenüber direkt anzusehen. Sein Vater hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, so alt er auch sein mochte, er kämpfte mit tödlicher Kraft und Pavan schätze, dass er Rhodri sogar getötet hätte, wäre er nicht aufgehalten worden. Das Überraschungsmoment war auf seiner Seite gewesen und wie oft erzählten die Jägerlehrer davon, wie mächtig das sein konnte. „Es tut mir so leid“, gab der Jüngling zu verstehen. „Das hätte mein Vater nicht tun dürfen. Ich weiß nicht welcher Irrsinn ihn da geritten hat.“ Verlegen schaute der Graubraune weg. „Wie blöd es auch klingen mag, aber Ihr wärt mir sicher ein besserer Vater gewesen. Einer, der meine Talente zu schätzen wüsste und mit Freuden gesehen hätte, wenn ich meinen Mentor bekomme. Ihr wärt nicht der Eifersucht unterlegen, weil Ihr ein stärkerer Wolf seid als er. Körperliche Stärke ist eben nicht alles, der Geist muss ebenfalls stark sein. Verzeiht, ich weiß, dass es sich nicht geziemt so über seinen Vater zu sprechen. Es ist nur…ich kann es nicht beschreiben.“ Er war einfach total verwirrt und flüsterte nur noch kaum hörbar: „Dafür bekommt er sicher eine schlimme Strafe.“ Noch einmal sah er sich die furchtbaren Wunden an, die Nimrod hinterlassen hatte. „Womöglich richten sie ihn sogar hin.“ Bei dem Gedanken erschauderte er. Trotz all seiner Wut wollte er nicht, dass sein Vater starb. Nimrod konnte die ganze Nacht kein Auge zu machen und auch den ganzen Vormittag hockte er auf seinen vier Buchstaben und starrte einfach gedankenversunken auf die kalten Mauern seines Gefängnisses. Die Verhandlung war für den Nachmittag festgelegt und jede Minute, die dieser näher kam, fühlte sich der alten Rüde so, als würde der Wolf des Todes ihm immer weiter zu Leibe rücken, in Erwartung seine Seele an sich reißen zu können und sie mit ins Jenseits zu nehmen. Schließlich kamen Schritte auf ihn zu. Vier Wachen standen vor der Gittertür, die sich auf magische Weise öffnete. Keiner sprach ein Wort, brauchten sie auch nicht, denn der Graue wehrte sich nicht und ging einfach nach draußen, wo die Wächter ihn zum Gerichtssaal eskortierten. Der Verhandlungsort erstrahlte in alter Pracht und die Zuschauer hatten sich bereits eingefunden und tuschelten vor sich hin, als der Gefangene hineingeführt wurde. Als dieser an seinem Platz war, trat ein Sprecher der oberen Magier hervor: „Eure Lordschaft, der dunkle Wolf!“ Es wurde auf der Stelle still als der große, weiße Wolf den Raum betrat. Imponierend setze er sich auf den Platz, auf dem früher immer Talon gesessen war und sah sich erhaben seine Gefolgsleute an. Der Sprecher fuhr fort: „Lord Vin und Lady Aura!“ Hier merkte man, dass der Respekt nicht so groß war, wie beim dunklen Wolf, aber jeder wusste, dass sich mit Vin anlegen ebenfalls sehr gefährlich sein konnte. „Dann lasst uns mit der Verhandlung gegen den Jäger Nimrod beginnen!“, gab Vin von sich. Er trat zur Seite und machte den Weg für Aura frei, die in sehr vielen Fällen die Befragung von Verdächtigen, Opfern und Zeugen übernahm, da man sie als neutral ansah und sie im Orden sehr schätze. Aura nahm auf ihrer Erhebung, von welchem aus die Zeugenbefragungen immer stattfanden, platz. Sie sah in die Runde, dann zu Nimrod. Sie kannte den Wolf zu gut, er war ein ausgezeichneter Jäger. Kurz vor dem großen Angriff der Wilden kämpfte er tapfer an der Seite des Ordens. Sie wusste bereits, dass sich Nimrod mit Rhodri angelegt hatte, doch auch sie mochte den Wolf nicht, genauso wenig wie sie den Orden noch mochte, seit Übernahme durch den dunklen Wolf. Sie wusste, dass der Graue sicher einen guten Grund für den Angriff hatte und sie ihr war auch klar, dass sie solche Wölfe brauchte, Wölfe die gegen die großen Führer im neuen Orden waren. Sie musste unbedingt versuchen den Wolf freizusprechen, denn nur mit solchen Wölfen konnte sie den Orden wieder zurückgewinnen. Sie räusperte sich, dann sprach sie mit respektvoller Stimme: "So möge die Befragung beginnen! Der Angeklagte ist Nimrod, ein Jäger aus dem Stand der Elite. Ihm wird vorgeworfen einen Jäger, der ebenfalls aus dem Stand der Elite kommt, angegriffen und schwer verletzt zu haben. Ist dies richtig? Wenn ja, so nenne er den Grund seines Verhaltens!" Sie sah streng zum Angeklagten. Alle warteten gespannt auf seine Antwort. Akira, seine Gefährtin war ebenfalls anwesend, gemeinsam mit Ihren Sohn Cailean. Nimrods Tochter Erin saß weiter hinten auf der anderen Seite in den Reihen der Magier, dennoch gut sichtbar für ihren Vater. Erin war es nicht gestattet neben ihrer Mutter zu sitzen, in Verhandlungen hatte jeder seine Seite, Jäger und Magier. Familiäre Bande spielte dabei keine Rolle. Der Graue sah sich um und entdeckte seine Familie, auch seine Tochter, die auf der Seite der Magier saß. Es ärgerte ihn etwas, weil er Cailean gesagt hatte, er solle der Verhandlung fernbleiben, aber was erwartete er auch? Sie standen zu ihm und so war es selbstverständlich, dass auch sein Sohn hier war. Nur Pavan fehlte, was dem Jäger einen tiefen Stich versetzte, obwohl er immer noch als Zeuge aufgerufen werden könnte, was Nimrod allerdings für unwahrscheinlich hielt, da der nächste Satz, den er sagen würde, keine weitere Zeugenbefragung mehr notwendig machte. Mit stolzer Haltung trat er vor und richtete den Kopf hoch zu Aura, deren leeren Augen ihn durchbohrten, wenn er auch glaubte ein wenig Freundlichkeit darin zu lesen: „Lady Aura, alles was gesagt wurde, entspricht der Wahrheit.“ Ein Raunen ging durch den Saal und nur ein leises Brummen des dunklen Wolfes brachte wieder Stille. Das Herz des Angeklagten schlug wie wild, aber er fuhr fort: „Ich weiß, dass es ein großer Fehler war und ich kann mich nur entschuldigen, wie unentschuldbar meine Tat auch sein mag.“ Er bemühte sich den Schwanz einzuziehen und die Ohren anzulegen, um sich schuldbewusst zu zeigen, wenn ihm das auch gegen den Strich ging. „Rhodri hatte mich schon immer herausgefordert und seit ich ihn kenne gestichelt bis es wirklich an die Grenze ging, doch ich bin mir durchaus bewusst, dass das keine Entschuldigung sein kann. Es war nicht seine Schuld, sondern meine. Meine Lords und Ladys, ich bin ein alter Jäger, aber ich habe dem Orden immer treu gedient und das werde ich auch weiterhin tun. Mein Leben gehört Euch und ich weiß, dass Ihr die richtige Entscheidung treffen werdet, der ich mich ohne zu Zögern beugen werde. Ich habe mich hinreißen lassen, meine strenge Ausbildung für einen Moment vergessen, aber ich verspreche, dass das nie wieder passieren wird, deswegen bitte ich um Gnade. Dass ich eine Strafe erhalten werden, weiß ich und ich bin bereit sie zu ertragen, nur möchte ich um mein Leben bitten, da ich Familie habe und sie an meinem Ausrutscher keine Schuld tragen. Ihr würdet auch sie bestrafen und das haben sie nicht verdient.“ So sehr es ihm wiederstrebte, er verbeugte sich und bettelte mit zittriger Stimme: „Bitte verschont mich.“ Am liebsten wäre er wieder Amok gelaufen, so sehr hasste er so zu tun, als würde er bereuen, aber in seinem Geständnis sah er die einzige Möglichkeit das Schlimmste abzuwenden und so musste er im Staub kriechen, um sein Leben zu behalten. Dabei dachte er nur daran, wie er dem dunklen Wolf und Vin die Kehle zerfetzen würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekam. Kapitel 8: Auge um Auge ----------------------- Erin merkte wie ihr Vater log. Die anderen konnte er täuschen, sie aber nicht. Nur wenige Magier hatten die Fähigkeiten Gedanken zu lesen oder zwischen Wahrheit und Lüge das Richtige zu erkennen. Sie hasste sich manchmal dafür, dass sie diese Fähigkeit beherrschte, denn sie wusste wie fatal dies sein konnte. Vor allem bei Zeugenbefragungen. Sie wusste auch, dass Aura diese Gabe hatte. Ihr Vater war verloren, die Weiße würde erkennen, das er log. Zum Glück hatte außer den beiden kein anderer diese ungewöhnliche Fähigkeit, denn je mehr diese Technik anwandten, desto eher glaubt die Menge daran. Wobei bei Auras Aussage würde niemand daran zweifeln. Diese begann darauf hin zu sprechen. Erin kam es so vor, als hätte die Alte sie für einen Moment fixiert. "Ich sehe, dass er seine Tat zutiefst bereust und ich kann ihn verstehen. Du bist ein temperamentvoller Jäger, dieses Temperament hat unserem Orden schon sehr viel Gutes eingebracht. Ich habe mich mit der Vorgeschichte von ihm und Jäger Rhodri befasst. Es stimmt, dass diese Wölfe sich gegenseitig nicht so gut leiden können, doch dies ist keine Entschuldigung für dieses Vergehen! Dennoch denke ich, dass uns Nimrod der Jäger noch für vieles nützlich sein kann. Außerdem, ein so ausgezeichneter Jäger, wie Rhodri es ist, wird sicher auch mit einem Auge fabelhaft weiterkämpfen können." Die Ordensführerin sah zu dem Braunen und dieser musste nur nicken, wenn er sich seine Ehre bewahren wollte. Sein Stolz ließ es niemals zu vor aller Öffentlichkeit zuzugeben, dass ihn dies beeinträchtigte. Die Fähe fuhr fort: "Ich würde zu dem Entschluss kommen dem Jäger noch eine Chance zu geben und ihm eine milde Strafe aufzuerlegen. Vor allem, da er es selbst gestand. Oder gibt es irgendwelche Einsprüche?" Erin war außer sich. Was war nur mit Aura los? Sie musste doch merken, dass der Graue nicht die Wahrheit gesagt hatte. Alle schwiegen, bis der dunkle Wolf weit das Maul aufriss, um demonstrativ zu Gähnen, dann erhob er das Wort: „Du hast recht, Aura. Diese Verhandlung könnte auch nicht unspannender sein. Ein Geständnis. Wie langweilig.“ Dann trat er vor und sah zu Nimrod herab. „Ich sehe deinen Stolz, Jäger. Oder sollte ich es Arroganz nennen? Aber gut, die heiße Schnitte“, er sah herüber zu Aura, „hat sich für eine milde Strafe eingesetzt. Nimrod, hiermit stufe ich dich in deinem Rang herab. Du gehörst nun den gewöhnlichen Jägern an.“ Der Graue atmete auf. Die Strafe wurmte ihn, aber sie war zu ertragen. Er würde sowieso nur sein Ziel verfolgen die Ordensanführer zu stürzen, ob er der Elite angehörte oder nicht. „Und“, als der dunkle Wolf das sagte, stellten sich die Nackenhaare des Jägers auf, „damit du nie wieder auch nur auf so eine Idee kommst, muss noch eine zweite Bestrafung erfolgen. Du hast einem jungen und wertvollen Jäger das Auge gekostet und jeder weiß, welche Ansicht ich vertrete: Wie du mir, so ich dir. Du sollst auch ein Auge verlieren! Jetzt auf der Stelle!“ Geschockt starrte der Angeklagte nach oben. Die Worte wollten nicht so recht in seinem Kopf ankommen. Das Lebenslicht des Ordensanführer verriet, dass ihm das Spaß machte, denn es flackerte wie wild und sein Grinsen war breit und fies. „Was hast du gedacht? Das du einfach so davon kommst? Rhodri, tritt vor. Du wirst der Vollstrecker meiner auferlegten Strafe sein.“ Der Angesprochene, der die ganze Zeit schon geschluckt hatte, wegen des milden Urteils, sah nun seine Chance auf Vergeltung gekommen. Zwar hätte er das Nimrod so oder so zurückgezahlt, aber so in aller Öffentlichkeit, das ehrte ihn sehr. Er kam mit Stolz erhobenen Hauptes vor und verbeugte sich demütig. Dann fragte er den Grauen: "Soll es ein Bestimmtes sein oder ist es egal?“ Dieser knurrte leise, aber die Angst schlich sich nun doch langsam ein. So kalt er sich auch gab, Schmerz ließ auch ihn nicht kalt und er wollte kein Auge verlieren. Irgendwann, Rhodri, wirst du den Tag bereuen, an dem du es gewagt hast, dich mit mir anzulegen, dachte er sich, aber er sprach das nicht aus. „Such dir eines aus“, sagte er im neutralen Ton, zumindest versuchte er es so gut es ging unbeteiligt zu klingen. Er zwang sich zur Ruhe und sah seinem Erzfeind direkt ins Gesicht. Rhodri hielt kurz inne, dann überlege er. Schließlich sprach er: "Wäre es vielleicht nicht besser, jemand würde den Wolf festhalten? Nicht dass er sich noch zu Wehr setzt?" Dann fuhr er fort: "Wie wäre es mit Pavan?“ „Schwein“, flüsterte Nimrod seinem ewigen Feind zu. „Verdammtes Schwein.“ Der dunkle Wolf lachte laut und wollte sich schon gar nicht mehr beruhigen, presste dann aber hervor: „Rhodri, du gefällst mir. Bringt den Jungen her!“ „Nicht nötig.“ Pavan trat aus der Menge. Er hatte sich dahinter versteckt, weil er nicht gesehen werden wollte, doch jetzt machte es auch nichts mehr. Mein Sohn ist doch gekommen, schoss es seinem Vater durch den Kopf. Sein Junge lief auf ihn zu und sah ihn mit düsterer Miene an, doch man erkannte dass er nicht begeistert über dieses Entwicklung war. Der Schüler konnte nicht verstehen, warum sein Meister das von ihm verlangte. Forderte er so vollen Gehorsam? Testete er ihn? „Verzeih mir, Vater“, sagte er betrübt. Der Graue schwieg. Eine Antwort wollte ihm auch nicht einfallen, stattdessen starrte er Rhodri ins Gesicht. „Willst du jetzt noch mehr Zeit verschwenden? Bring es endlich hinter dich.“ Mutig biss er die Zähne zusammen und wartete auf den Schmerz, während sein Sohn ihn festhielt, damit man ihm sein Mentor ein Auge aushacken konnte. Der braune Jäger sah genussvoll auf das Bild, was sich ihm darbot. Der Vater vom eigenen Sohn verraten. Wie köstlich. Er hätte sich nie gedacht, dass er jemals solch ein Vergnügen haben würde. Akira und Cailean beobachteten geschockt das Schauspiel. Die Wölfin war so verbittert über das Verhalten ihres Sohnes und voller Hass gegenüber Rhodri. Sie biss die Zähne zusammen. Erin hingegen hatte die Verhandlung bereits verlassen. Sie wusste was passieren würde und wollte es nicht mitansehen. Sie verdrängte das neue Bild ihrer einst so heilen Familie. Beim Hinausgehen aus dem Verhandlungssaal hörte sie den schmerzhaften Schrei ihres Vaters. Rhodri hatte die Strafe ausgeführt. Der graue Rüde war der Ohnmacht nah, aber da sein Sohn ihn festhielt, konnte er sich auch insgeheim an ihm stützen, um nicht hilflos auf den Boden zu krachen. Der Schmerz, der durch seinen Körper schoss, konnte nicht beschrieben werden und so sehr er sich auf irgendwelche Techniken, die ihn den Schmerz ausblenden lassen sollten, versuchte zu konzentrieren, in diesem Fall half das alles nichts. Zumindest nicht im ersten Moment. Einige Sekunden nach der Ausführung des Schlages schaffte er es wenigstens nicht mehr zu schreien. Stumm blickte er mit dem noch verbliebenen Auge zu Rhodri. Blut, vermischt mit dem, was einmal sein Augapfel gewesen war, tropfte aus der Wunde und landete auf dem steinigen Untergrund und trotzdem blieb sein Blick weiter auf dem Brauen gerichtet. „Vater?“, flüsterte Pavan völlig verängstigt. „Schweig!“ Seine Stimme klang gebrochen, aber immer noch lag in ihr die Kälte, die so typisch für ihn war. Doch da hörte der Graubraune noch etwas anderes heraus: Hass. Sein Vater musste ihn nun hassen, nichts anderes kam in Frage. Er hasste sich ja selbst für das, was er da tat, aber den Mut dem dunklen Wolf zu wiedersprechen, hatte er auch nicht aufbringen können. Nimrod riss sich los und schwankte in Richtung Ausgang. Ein paar Mal sah es so aus, als würde er fallen, doch er fing sich wieder und wurde schließlich von ein paar Heilmagierinnen empfangen, die dafür sorgen wollten, dass die Wunde wenigstens aufhörte zu bluten, aber sein Augen würde sie nicht retten, selbst wenn es noch möglich gewesen wäre, was es nicht war, denn der braue Jäger hatte ganze Arbeit geleistet und nichts mehr übrig gelassen, was man noch hätte wiederherstellen können. Cailean sprang von seinem Platz auf und lief zu seinem Vater. Der Schreck stand ihm ins Gesicht geschrieben. Auch Akira folgte ihrem Sohn, langsam ging sie zu Nimrod. Der Schock saß noch immer tief in ihr. Sie konnte nur erahnen wie es ihren Gefährten ging. Vorsichtig näherte sie sich ihm. Leise fragte sie den Grauen: "Wie geht es dir?" Auch wenn es eine dumme Frage war, aber etwas Besseres fiel ihr gerade nicht ein. „Wie wird es mir wohl gehen?“, fauchte er sie unbedacht an, im nächsten Moment tat es ihm leid, doch da hatte der Schmerz aus ihm gesprochen. Die Blutung war gestillt, aber noch immer sah die Wunde verheerend aus und tat auch dementsprechend weh. Langsam ging Nimrod die letzten Schritte aus dem Verhandlungssaal, dass er nicht länger den anklagenden Blicken des Publikums ausgesetzt war. Pavan sah seinen Mentor mit angelegten Ohren an. Er verstand noch gar nicht wirklich, was sich gerade abgespielt hatte und verzweifelt versuchte er zu begreifen, wie er nur in so eine Situation hineingeraten war. „Entschuldigt mich“, meinte er nur zu Rhodri und flitze davon, seiner Familie hinterher. Sein Vater blickte ihn nicht an, als er bei ihnen auftauchte, doch er bemerkte ihn und stellte sein Nackenfell auf, was seine Wut verriet. „Es tut mir leid“, meinte der Braungraue. „Ich konnte nicht anders, der dunkle Wol…“ „Ich verzichte auf deine Entschuldigung!“, hallte Nimrods kalte Stimme durch den Vorraum des Gerichtssaals, dann drehte er sich um und kam bedrohlich auf seinen Sohn zu, der zurückwich, bis er an einen Felsen stieß und nicht mehr entkommen konnte. „Vom heutigem Tag an, Pavan, habe ich nur noch einen Sohn und das ist Cailean. Ich verstoße dich aus unserer Familie. Du wirst nie wieder unsere Höhle betreten, du wirst nie wieder auch nur mit einem von uns sprechen, nie wieder, hörst du?“ „Vater,…ich…“ „HALT DEIN MAUL! Ich will dich nicht mehr sehen. Verschwinde.“ Mit feuchten Augen wendete sich der junge Rüde an seinen Bruder: „Das kann doch nicht auch dein Wille sein?“ Cailean trat vor und stellte sich neben seinen Vater: „Du bist eine Schande, Pavan. Ich schäme mich mit dir in einem Wurf geboren worden zu sein.“ „Mutter?“, wimmerte der Braungraue verzweifelt. Akira sah ihren Sohn mitfühlend an. Sie wusste, das was er getan hatte, war nicht richtig gewesen, doch sie war noch immer seine Mutter. Sie konnte ihn nicht so einfach verstoßen. Mit schwerem Herzen antwortete sie ihm: "Ich denke, es ist erst einmal das Beste für uns alle, wenn du deinem Vater gehorchst. Auch wenn du noch so sehr darüber grübelst, es ist geschehen, was geschehen ist. Wir müssen dies nun akzeptieren." Dann drehte sie sich um. Ihr Herz war schwer, sie liebte ihren Sohn, genau so sehr wie alle ihre Kinder, doch sie hielt es für das Beste, wenn er sich von seinem Vater fernhielt. Nimrod meinte seine Worte ernst, dieser Fehler würde nur sehr schwer, wenn überhaupt nicht verziehen werden von ihm. Wie in Trance schlich sich Pavan davon. Zurück zu dem Einzigen, der ihm noch geblieben war - seinem Mentor. Vielleicht war das nötig, damit er ein starker Jäger werden würde. Vielleicht musste er sich dazu von seiner Familie lösen. Immerhin hatte sein Vater das damals auch getan. Nur warum war er dann so furchtbar unglücklich? Aber das würde sich legen. Ganz sicher. Starr blickte Nimrod seinem Sohn hinterher, dann sah er seine Gefährtin an: „Es ist besser so, glaube es mir.“ Ohne sein Gesicht zu verziehen, ging er einfach davon. Talon beobachtete seine Enkel, wie sie Zaubersprüche übten. Mittlerweile hatten sie fast die Welpenschule hinter sich und sie mussten schon darüber nachdenken welche Kampftechniken sie lernen wollten. Seit Monaten war alles ruhig im Lager und manchmal konnte man glauben, es herrschte Frieden, aber in dem alten Zauberer kam nichts zur Ruhe. Er vermisste Aura. Jeden Tag dachte er an sie, auch wenn der Schmerz nicht mehr ganz so schlimm war, wie am Anfang. So langsam setzte doch das Vergessen ein. Er konnte sich nicht mehr an ihre Stimme erinnern, was ihm unheimliche Angst machte. So gedankenverloren wie er dasaß, bemerkte er erst nach einiger Zeit, dass Runa neben ihm stand. „Die Alphas wollen dich sehen. Wir gehen in die nächste Phase.“ Ein leichtes Lächeln kam über die Lefzen des Rüden. Endlich würde etwas geschehen. Ohne zu zögern, rannte er los. Die Gelbe konnte ihm kaum folgen und fragte sich, woher der alte Wolf nur die Energie hernahm. So schnell konnte man gar nicht schauen, da erreichte er auch schon die Steine der Alphatiere und wartete auf deren Worte. Die Vier hatten sich bereits versammelt. Skadi trat als Erste hervor und sprach zu dem ehemaligen Ordensanführer: "Schön dass du gekommen bist! Setz dich, alter Wolf, wir beginnen." Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie fort: "Wir haben uns hier alle versammelt, damit wir die nächste Phase besprechen können." Sie blickte kurz in die Runde, keiner wiedersprach ihr. "Es ist nun an der Zeit dem Feind näher zu kommen. Wir werden Patrouillen aussenden, die die Lager des Ordens ausspionieren. Vielleicht sollten wir auch Spione einschleusen, aber ich glaube die Magier würden das bemerken. Oder was glaubt ihr? Was sollten wir tun?" Sie sah zu Talon. Sie erwartete eine Antwort, denn er kannte den Orden besser als alle anderen. Der alte Rüde hatte geduldig zugehört, auch wenn ihn die Aufregung, dass nun endlich etwas passierte, fast um den Verstand brachte. „Den Orden erst einmal zu beobachten, halte ich für sinnvoll. Spione einzuschleusen wäre idealer, nur das wird nicht leicht werden. Wilde nimmt man für gewöhnlich nicht auf. Vielleicht gibt es aber das ein oder andere unzufriedene Ordensmitglied, das wir für unsere Sache begeistern können. Selbst nach so einer langen Zeit habe ich sicher noch ein paar Freunde im Orden.“ Runa, die nun endlich hinter gekommen war und die Worte Talons mitbekommen hatte, mischte sich ein. „Ich melde mich freiwillig für den ersten Trupp, den ihr hinschickt.“ „An Mut hat es dir nie gefehlt, gelbe Wölfin“, meldete sich Rena, die mit arrogantem Blick von ihrem Felsen sah. „Vielleicht sollte sie die Späher führen?“ Nun ergriff Talon wieder das Wort: „Verzeiht, wenn ich das anbringe: Runa ist eine hervorragende Wahl als Anführerin, allerdings kenne ich sie schon seit einiger Zeit und weiß, dass sie oft sehr risikobereit ist, fast so als müsste sie den Tod nicht fürchten. Späher sollten eine andere Taktik verfolgen und mit viel Vorsicht handeln.“ „Das ist doch…!“, knurrte Runa, wurde aber durch den scharfen Blick Renas wieder still. „Ich schlage Artus als Anführer dieser Gruppe vor. Er ist kampferfahren und besonnen. In den letzten Monaten hat seine Familie bewiesen, dass sie zu uns gehören“, fuhr der Braunschwarze seine Argumentation fort und beachtete dabei nicht die Wut, die in den Augen der Gelben aufleuchtete. Ehrfurchtsvoll wartete er auf Skadis Antwort. Zwar konnte sie das nicht alleine entscheiden, aber die beiden Alpharüden hatten großen Respekt vor ihr und schlossen sich im Normalfall ihrer Meinung an. Einzig Rena vertrat ihre Standpunkte immer ohne Beeinflussung und stand so oft alleine da. Skadi überlege kurz. "Artus kennt die Begebenheiten und das Land, er stammt von da. Zweifellos ist er ein guter Kämpfer, doch ist er auch als Magier gut?" Sie rümpfte die Nase, denn sie war eine sehr mächtige Magierin, deshalb beäugte sie alle sehr streng. Des Weiteren fehlte es ihr nicht an Arroganz. "Ich weiß zudem nicht, ob nicht einer im Orden Artus oder gar Runa wiedererkennen würde. Es ist ein Risiko, sofern sie erwischt werden, versteht sich. Runa könnte der Bote sein, der zwischen den Spähern und unserem Standpunkt Nachrichten übermittelt. Ob wir Artus nun nehmen oder nicht, was haltet ihr davon? Es gibt viele für und wider?" Sie blickte fragend in die Runde. Überraschenderweise meldete sich Sonan zuerst zu Wort: „Sie sind zum Spionieren da und sollten somit alles tun, um nicht erwischt zu werden. Da würde ich Artus Runa vorziehen. Verzeih mir, gelbe Wölfin, aber du bist mehr eine Kämpferin und keine Späherin.“ Die Angesprochene ließ das nicht auf sich sitzen. „Dafür ist meine Magie stärker als die von Artus.“ Ein Seufzen von Rena erfüllte den Raum. „Damit wollte ich keine Debatte auslösen. Ich denke auch Artus könnte genauso gut die Gruppe anführen. Beide wären eine gute Wahl. Es hängt an dir Skadi. Ich habe keine Lust mich da zu sehr einzumischen.“ Sie gähnte gelangweilt, legte sich hin und ließ ihren Kopf auf ihren Pfoten nieder. "Gut, dann sollen meinetwegen beide gehen! Aber ich rate es jeden der zwei aufzupassen! Einen Fehltritt können wir uns nicht erlauben, wir haben nur eine Chance!" Skadi war entschlossen. Sie sah in die Runde, um zu sehen, ob es jemanden gab, der gegen sie war. „Wie ihr wünscht“, sagte die Gelbe mit einer leichten Verbeugung, doch in ihrer Stimme hörte man deutlich einen gereizten Unterton. Der Rest der Anführer schien mit dieser Lösung zufrieden zu sein, zumindest machte keiner einen Mucks und Talon konnte sich auch mit dem Gedanken anfreunden, dass die Gruppe von beiden angeführte wurde. Er war einfach nur froh nicht mehr zum Stillstehen verurteilt sein. Endlich begannen sie mit ihren Vorbereitungen den Orden zu Fall zu bringen. Schon verrückt, wenn er daran dachte, dass er früher auf der anderen Seite gestanden hatte. Kapitel 9: Auf neuen Pfaden --------------------------- Runa verließ die Höhle sehr genervt und verabschiedete sich schließlich von dem Schwarzbraunen, um zu der Unterkunft von Artus zu gehen. Auf dem Weg dahin wurde sie von dem ein oder anderen Wolf aufgehalten, der sie um Rat fragte, so dass ihre Laune nicht mehr ganz so mies war, als sie ihr Ziel erreichte. Lexie saß vor dem Bau und beobachte einen Vogel, der am Himmel seine Kreise zog. Seit ihre Kinder so groß waren, hatte sie nicht mehr so viel zu tun und wusste nicht viel mit sich anzufangen. Zwar unterrichtete sie ab und zu, doch Heilzauber waren mehr ein Begabung, als reines Lernen, weswegen es sich als schwer erwies darin viele Jungwölfe auszubilden. Entweder man konnte es oder nicht. Hatte man Talent, dann drehte sich alles nur noch um die Verbesserung der Fähigkeiten. Insgesamt gab es nur ganz wenige Schüler, die überhaupt das Zeug zum Heiler besaßen. Die gelbe Wölfin wollte keine weitere Zeit verschwenden und fragte die Blaugraue: „Wo ist dein Gefährte?“ „Oh, er ist gerade unterwegs, aber ich denke er kommt bald wieder. Du wirst ein wenig warten müssen.“ Seufzend setzte sich die Gelbe. Er würde sicher bald auftauchen. Zur gleichen Zeit saß Aura auf einer Anhöhe im Kristallschloss und blickte in die Ferne. Sie spürte dass etwas zugange war, aber sie konnte nicht erklären, um was es sich handelte, doch irgendwie war es, als würde sie eine Art Vorfreude spüren. Aber auf was wohl? Ihre Gabe wollte es ihr nicht genau deuten, vielleicht lag es am Alter. Eine kleine, blaue Wölfin tauchte plötzlich hinter ihr auf. Aura sprach ernst: „Es ist nun an der Zeit, bestelle den Jäger Nimrod zu den großen Eichen an der Waldlichtung." Die Wölfin drehte sich um und gehorchte. Flink rannte sie in das Lager der Jäger, immer darauf bedacht nicht gesehen zu werden. Allerdings war ihr klar, dass die Jäger ihre Anwesenheit nicht so spüren konnten wie die Magier, also erwies sich nicht auffallen als keine so schwere Aufgabe. Als sie bei der Höhle Nimrods angekommen war, sah sie den Wolf vor dieser ruhen. Er war alleine. Langsam näherte sie sich und meinte: "Großer Nimrod, Lady Aura schickt mich, sie bitten um ein Treffen. Wäret Ihr so frei mir zu folgen?“ Nimrod bemerkte die blaue Wölfin erst, als sie schon vor ihm stand. Sein Körper war immer noch geschwächt und so auch seine Sinne nicht ganz bei der Sache. Die Umgewöhnung nur ein Auge zu haben, machte zwar nicht ganz so viele Probleme, weil er es mit Gehör- und Geruchsinn ganz gut ausgleichen konnte, trotzdem fraßen die ganzen Ereignisse an seiner Selbstsicherheit. „Du brauchst mich nicht großer Nimrod zu nennen“, brummte er vor sich hin, während er mühsam aufstand. „Ich bin nur noch ein gewöhnlicher Jäger unterster Stufe. Nicht mehr wert, als der Dreck unter deinen Pfoten. Lady Aura ist meine Anführerin und wenn sie nach mir verlangt, werde ich dir auch bis ans Ende der Welt folgen, falls es sein muss.“ Er bekam nur ein Nicken von der kleinen Wölfin, dann ging sie voraus. Auf dem Weg zu den Eichen fragte sich der Graue, ob die Kleine wohl mit Lexie verwandt war. Die Fellfarbe war nicht so häufig und Magier waren doch irgendwie sehr oft Verwandte, weil sich immer die gleichen, starken Familien untereinander fortpflanzten. Etwas außerhalb des Lagers lag die Baumgruppe, unter der die Ordensanführerin wartete. Die Sonne glitzerte auf ihrem Fell und ein leichter Wind blies ein paar gelbe Blätter umher. Erst jetzt wurde Nimrod bewusst, dass schon Herbst geworden war. „Lady Aura.“ Er verbeugte sich vor ihr. „Ihr wünscht mich zu sprechen?“ Die Ordensanführerin erwartete den Jäger bereits. Besonnen sah sie in die Ferne. "Jäger Nimrod", begann sie," ich habe gemerkt, dass du nicht die Wahrheit gesprochen hast bei deiner Aussage vor Gericht. Das war auch der Grund wieso ich dich so gnädig verurteilte. Ich habe lange überlegt, ob ich dir das anvertrauen soll, doch ich wage es. Der Orden ist nicht mehr das was er einst war und wird es auch niemals mehr werden. Die Herrschaft des dunklen Wolfes hat alles verändert und mir die Augen geöffnet. Viel zu starre Regeln auf denen unser aller Leben aufgebaut ist. Die Herrschaft des Dunklen verstärkt dies noch mehr. Ich spüre, ich bin alt und meine Zeit wird kommen, doch vorher muss der Orden wieder in feste Pfoten! Ich habe eine Vision, eine Vision eines neuen Ordens, doch dazu muss der dunkle Wolf zuerst besiegt werden. Ich habe gespürt, dass du zu den wenigen gehörst, die ebenfalls so denken, daher möchte ich dich mit einer Mission betrauen. Doch zuerst von Anfang an. Wie du weißt, so habe mit Talon zwei Söhne, einer davon sollte die Nachfolge übernehmen. Doch er ist verschwunden. Kurz nach der Machtübernahme durch den dunklen Wolf wurde er verbannt, da er Thronfolger war. Bevor er ging, gab ich ihm den Rat nach dem weißen Wolf zu suchen. Man sagt er wäre der Einzige, der es mit dem Dunkeln aufnehmen könne. Doch ich hörte nichts mehr von meinem Sohn, nicht einmal mit meiner Magie erspüre ich ihn. Du fragst dich sicher, warum ich dich nun hierher bestellt habe. Die Sache ist so, ich würde dich gerne auf die Suche schicken, nach dem weißen Wolf und meinem ältesten Sohn. Denn nur so könne wir den Orden retten. Ich weiß es ist eine große Bitte, doch vielleicht wäre es eine gute Idee, da du hier sowieso geächtet wirst. Dem dunklen Wolf erzähle ich, ich hätte dich auf eine Mission geschickt, die in Wahrheit nur eine Schmach für dich darstellen soll. Dies wird er glauben, er liebt es, wenn solche wie du es bist, ins Lächerliche gezogen werden. Doch er wird sich umschauen. Ich vertraue dir und weiß, dass du es schaffen kannst. Doch bist du bereit dazu? Zudem bräuchte mein Sohn eine fähige Gefährtin um eine neue Generation aufbauen zu können. Ich dachte da vielleicht an Erin...?“ Sie sah den Grauen fragend an. "Du musst mir auch nicht sofort antworten. Überlegt es dir ruhig.“ Diese Bitte stieß dem Grauen bitter auf. Verzweifelt sah er seine Anführerin an, nicht sicher, ob sie nun verrückt war oder die Lösung aller Probleme gefunden hatte, aber wenn er ehrlich in sich hineinhört, hielt er es für durchgedreht, wollte es aber nur nicht wahrhaben, da er Aura so sehr schätze. „Verzeiht, Lady Aura, aber was ist, wenn es den weißen Wolf gar nicht gibt? Womöglich ist es nur eine Legende, sonst nichts.“ Es war einfach so aus ihm herausgeplatzt und jetzt würde er es am liebsten zurücknehmen, aber das konnte er nicht, denn nach seiner Ansicht hatte er die Wahrheit gesprochen. „Wenn Ihr wünscht, dass ich Euren Sohn suche, dann tue ich es. Ich bin ein alter Jäger und für mich wird es ein beschwerlicher Weg, aber vielleicht kann er uns helfen den dunklen Wolf zu besiegen und dafür würde ich alles tun, was ich nur kann. Nur erlaubt mir, dass ich vorher meine Gefährtin frage, ob ich diese Reise antreten darf. Sie hat da ein Wörtchen mitzureden, fürchte ich.“ Dann sah er verlegen weg. „Was Erin betrifft, so entzieht es sich meiner Macht ihr zu sagen, was sie tun soll. Da sie Magierin ist, sehe ich sie viel zu selten und niemals würde sie auf ihren alten Vater hören, wenn es um Liebesangelegenheit geht. Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt möglich ist, jemand in dieser Richtung zu beeinflussen. Natürlich bin ich überzeugt, dass sie eine gute Anführerin wäre, eine sehr gute sogar, aber ich kann und werde sie zu nichts zwingen. Sie muss das selbst entscheiden. Ich hoffe, ich habe Euch nicht beleidigt, meine Herrin.“ Aura schüttelte den Kopf: "Nein, nein, nein, du dummer Jäger. Woher möchtest du das wissen? Du kennst dich nicht aus in der Welt der Magie, diesen Wolf den gibt es sicher. Hörst du?" Aura schwieg kurz, dann fuhr sie fort: "Gut, frage deine Gefährtin, sie kann meinetwegen auch mitkommen, je mehr desto besser! Du bist vielleicht schon ein alter Jäger, aber es steckt ein großes Feuer in dir! Ich werde dir ein Elixier zukommen lassen, es wird dich um Jahre Jüngern lassen, so dass du keine Probleme mehr hast mit deinem Alter! Das mit Erin beleidigt mich nicht, ich denke noch viel zu sehr in den alten Regeln des Ordens. Früher wurde man nicht gefragt. Es tut mir leid. Nun geh! Ich erwarte deine Nachricht bis morgen zum Sonnenuntergang!“ Der Anführerin zu wiedersprechen, würde keinen Sinn machen, also hielt Nimrod sein Maul zu dem Thema weißer Wolf. Sollte sie doch weiter in ihrer Traumwelt leben, damit konnte er sich abfinden. Bei der Erwähnung des Elixier zuckte er allerdings nervös mit den Ohren, doch er beließ auch das dabei. Allerdings würde er so etwas niemals schlucken. Es war magisch! Nein, Magie konnte er nicht nutzen! Er verabscheute sie noch immer, auch wenn er das immer tiefer in sich eingrub. Alter hin oder her, es war der Lauf der Dinge, auch wenn er sich wünschte, er könnte noch immer so herumspringen wie ein Jungwolf. Alles was er machte, war der weißen Wölfin zuzunicken und zu seinem Bau zu laufen. Dort angekommen, fand er Akira darin. „Ich muss mir dir reden. Eben gerade habe ich mit Aura gesprochen und sie hat einen Auftrag für mich.“ Schnell begann er zu erzählen und als er fertig war, blickte er seine Gefährtin an. Was würde sie wohl darüber denken? Akira hörte sich die Rede ihres Gefährten an und schwieg. Sie wusste erst nicht was sie sagen sollte, dann antwortete sie schließlich: "Ich weiß nicht, einerseits würde uns ein wenig Abstand vom Orden sicher gut tun, wenn du möchtest würde ich dich begleiten, aber ich lasse dich auch alleine ziehen. Momentan herrscht hier sowieso dicke Luft. Cailean und Erin sind in der Ausbildung. Sie verbringen ihre nächste Zeit ohnehin im Ausbildungslager. Okay, Erin schon länger, aber auch Cailean wird nicht mehr bei uns wohnen und Pavan…" Akira unterbrach bedrückt, dann überging sie das unangenehme Thema einfach und meinte: "Du musst wissen, was dein Herz spricht. Ich werde jede Entscheidung akzeptieren.“ „Wie könnte ich von dir verlangen, dass du dich in Gefahr begibst?“, erwiderte Nimrod. „Aber ich kenne dich. Du wirst mich nicht einfach so ziehen lassen, oder? Und ich brauche wohl jemand, der mit mir kommt. Die Welt ist nicht sicherer geworden und ich muss bestimmt hinter die Grenze. Dort kennt man mich. Viele haben durch mich Familienmitglieder verloren. Akira,“, er sah sie eindringlich an, „wenn du mit willst, dann nehme ich dich mit.“ Dann lächelte er verschmitzt. „Noch einmal wir zwei auf reisen. Unser letztes großes Abenteuer?“ War es etwa wieder da das alte Feuer, welches sie so sehr an ihrem Gefährten liebte? Auch wenn sie es nur kurz sehen konnte, war doch ein kleines Leuchten in Nimrods Augen zu erkennen. Sie antwortete: "Ich weiß, es wird vielleicht nicht einfach, aber ich denke wir schaffen das schon. Für dich würde ich jeder Gefahr entgegen sehen wollen! Doch sage bitte nicht, dass es unser letztes Abenteuer werden soll, das macht mich traurig.“ „Ach Akira, du weißt doch, dass ich die Dinge realistisch sehe. Du wirst sicher noch ein paar Abenteuer vor dir haben, aber ich bin alt und irgendwann zu nichts mehr zu gebrauchen. Sag mir nicht, dass dir nicht aufgefallen ist, dass das Fell um meine Schnauze so langsam immer weißer wird? In meinen Gelenken fühle ich die jahrelangen Strapazen der Jagd und die unzähligen Wunden, die mir Wilde zugefügt haben, melden sich auch ab und zu. Alles hat seinen Preis und meine Zeit ist so gut wie vorüber. Es hat mich immer getröstet, dass meine Söhne mein Erbe weiterführen, doch nach dem Verlust von Pavan...“ Betrübt blickte er zu Boden. „Wir brechen morgen bei Sonnenaufgang auf. Ich werde noch die Heiler besuchen, damit sie sich um meine Auge kümmern. Es schmerzt ein wenig. Wir sehen uns später.“ Missmutig verließ er die Höhle. Akira sah ihrem Gefährten mit angelegten Ohren hinterher. Sie wusste er hatte recht, doch sie wollte es nicht wahrhaben. Angestrengt seufzte sie. Artus schlenderte nichts ahnend durch den Wald. Es war friedlich, doch er wusste der Schein konnte trügen. Irgendwo da draußen war ein schrecklicher Krieg dabei zu entstehen. Es war ein Gedanke, der ihm Angst machte, viel zu oft musste er sinnloses Morden miterleben. Er hatte genug ertragen, doch was sollte er machen? Es war wohl sein Schicksal. Langsam kehrte er zu seinem Bau zurück, schon von weitem sah er die gelbe Wölfin Runa davor sitzen. Was sie wohl wollte? Er konnte Runa nicht besonders gut leiden, das hatte viele Gründe, doch er schätze sie trotzdem, da sie eine weise Wölfin mit großer Kraft war. Langsam kam er auf sie zu. "Runa? Kann ich dir helfen?“ Die Wölfin versuchte nicht zu angefressen zu wirken, als sie zu dem Schwarzen sagte: „Ich komme von den Anführern. In Kürze soll ein Spähtrupp zum Orden entsandt werden und sie möchten, dass wie beide diesen führen.“ „Was wieso Artus?“, fragte Lexie erschrocken. „Ich weiß es nicht. Sie hielten ihn einfach für den Besten, da er Erfahrung mit dem allen hat. Es bleibt immer noch deine Entscheidung, Artus, ob du diesen Befehl ausführen wirst. Natürlich werde ich tun, was die Anführer von mir verlangen, doch ich habe auch keine Familie, um die ich mich sorgen muss.“ Er schluckte schwer. Auch wenn es ihm selbst überlassen war zu entscheiden, so wusste er doch, dass eine Ablehnung nicht gut ankommen würde. Man erwartete von ihm, dass er zusagte. "Gut, lasse mich bitte noch einmal mit Lexie darüber sprechen. Bei Sonnenuntergang werde ich meine Entscheidung dir und den Anführern mitteilen." Er sah Runa eindringlich an. Ein Zeichen, dass sie nun gehen sollte. Er wollte mit seiner Familie alleine sein. Stolz schritt Runa davon und ließ das Paar alleine. Erst als sie außer Reichweite war, wagte Lexie zu jammern: „Du gehst nicht! Das darfst du nicht!“ Sie wusste, wie egoistisch diese Worte waren, doch es platze einfach so aus ihr heraus, dann rief sie sich ins Bewusstsein, dass sie trotz ihres Einwandes wohl kaum eine Wahl hatten. Der Krieg stand bevor und sie durfte ihren Gefährten nicht von seiner Pflicht abhalten. Verstört kuschelte sie sich an ihn und ergänzte dann: „Das würde ich am liebsten sagen, aber wir wissen beide, dass du gehen wirst. Versprich mit nur, Liebster, dass du immer auf dich aufpasst.“ Ihr Herz fühlte sich in diesem Moment an, als würde es tausend Tonnen wiegen. Artus seufzte. Er sah die Sache genauso wie seine Gefährtin. Für einen kurzen Moment kam ihm die Flucht in den Sinn, doch es würde nichts nützen. Der Krieg musste ein Ende nehmen und er konnte dazu beitragen. Er wollte, dass seine Kinder in einer besseren Welt aufwuchsen. Einer Welt des Friedens und dieses Mal durfte er es nicht wieder vermasseln. Zu groß war der Verlust damals gewesen, als er seinen ersten Wurf an die Jäger verloren hatte. Noch immer schwor er auf Rache und in diesem Fall kam ihn dieser Streifzug sehr gelegen, vielleicht bekam er die Chance, das zu tun, was er schon lange hatte tun wollen. Er sprach zu Lexie: "Nun gut, dann werde ich wohl gehen müssen. Glaube mir, ich würde lieber bei euch bleiben, doch es ist meine Pflicht!“ Kapitel 10: Überraschende Begegnung ----------------------------------- Der nächste Morgen kam schneller als Nimrod lieb war. Cailean kam gerade in die Höhle um seine Eltern zu verabschieden, ob Erin überhaupt von ihrem Weggang wusste, konnte der Graue nicht sagen, denn er war nicht mehr zu ihr gekommen, da er den Bereich der Magierschüler nicht betreten dürfte. Sein Sohn sah traurig aus, aber da er sowieso kaum noch zuhause wohnte, würde er schnell darüber hinwegkommen. „Euer Auftrag kam so plötzlich“, merkte der Braune an. „So ist das als Jäger, mein Sohn. Es gibt keine Zeit zu verschwenden. Es dauert höchsten ein paar Wochen, dann werden dich deine alten, spießigen Eltern wieder nerven.“ Cailean sah seinen Vater schief an, da es tatsächlich nach einem Witz geklungen hatte, allerdings hatte sein Gegenüber dabei so bitterernst gesprochen, dass der Jungwolf nicht so recht wusste, was er davon halten sollte. Seiner Meinung nach müsste der Ältere einfach das Witzeln sein lassen, denn er beherrschte es einfach nicht. „Mach mich stolz, mein Sohn, und lerne gut für deine Prüfungen.“ „Natürlich. Du kennst mich doch, Papa. Passt auf euch auf, ja?“ Der erwachsene Rüde nickte stolz und sah zu seiner Gefährtin. Sie würde er mit seinem Leben beschützen und das wusste jeder, der das Paar kannte. Akira nickte. „Du wirst sicher auch ohne uns gut auskommen. Wir werden schon auf uns aufpassen, immerhin ist es auch nicht unsere erste Mission." Der junge Wolf lächelte kurz, auch wenn seine Mutter recht hatte, machte er sich doch Sorgen, vor allem um seinen alten Herrn. Doch er wollte dies nicht so vor ihm sagen. Akira und Nimrod setzen sich langsam in Bewegung. Vor der Höhle wartete bereits die Botin, die sie zu Aura führen sollte, um die letzten Instruktionen zu erhalten. Ohne seine Gefährtin auch nur anzusehen, folgte der Graue der Botin, die wohl eine Magierschülerin war. Es ging auf den Kristallpalast zu, ein Ort, an den er eigentlich nicht wollte, doch Aura schien dort auf sie zu warten. Die aufgehende Sonne ließ das Gebilde rötlich erstrahlen, ein prachtvoller Anblick, wenn es einen interessierte, Nimrod ließ es kalt. Im Grunde wollte er nicht auf diese Reise, auch wenn er nicht wusste wieso, er hatte ein schlechtes Gefühl dabei. Gerade als sie das Lager verließen, entdeckte er zu allem Übel auch noch seinen Sohn Pavan, der mit einem Hasen im Maul zu seinem Mentor unterwegs war. Sein verbleibendes, rotes Auge blieb nicht lange auf dem Jungwolf hängen, er ignorierte ihn einfach. Traurig blickte der Graubraune seine Mutter an, wendete sich dann aber ab und ging einfach mit angelegten Ohren weiter. Ein paar Minuten später betraten sie den Palast und wurden die Treppen zu den Schlafgemächer der Anführer hochgeführt. Die weiße Wölfin saß auf dem höchsten Ausblick, den es im Ordensgebäude gab. „Sie sind da, Lady Aura“, meinte die kleine Magierschülerin mit ihrer hellen Stimme. Die Wölfin nickte und bedeutete der Botin sich zu entfernen, was diese auch tat. Dann trat sie auf die Jäger zu. Im Sonnenlicht glitzerte ihr Fell wunderschön und man konnte gerade noch ein wenig erkennen, wie es sich von Silber zu Gold färbte. Ein Zeichen, dass der Tag die Nacht besiegt hatte. Akira war schon immer beeindruckt gewesen von Lady Aura, so nahe war sie ihr noch nie gewesen, doch auch die Graue musste erkennen, dass das Alter an keinem spurlos vorüber ging. Aus der Nähe betrachtet wirkte die Ordensführerin erschöpft und müde. Es war kein Wunder, so hatte sie in der letzten Zeit vieles mitgemacht. Der Verlust ihres Gefährten, die neue Herrschaft und zudem gebar sie Vin noch einen Sohn. Akira fragte sich, ob es ein Kind der Liebe war, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder. Sie hatte Angst Aura würde ihn erraten, doch sie tat nichts dergleichen. Mit ihrer erhabenen Stimme sprach die Wölfin: "Nun gut, ihr kennt eure Mission! Sucht wonach ich euch befohlen habe. In welche Richtung ihr geht, ist euch überlassen. Passt auf euch auf und habt Erfolg, mehr kann ich euch nicht sagen!" Aura wollte nicht zu viel reden, immerhin war der Orden allgegenwärtig. Keiner wusste wonach die Wölfe wirklich suchten und es würde auch nie jemand erfahren. "Doch dir Akira werde ich noch etwas geben!" Wie aus dem nichts zauberte sie ein Fläschchen mit einer Kette hervor und hängte es ihr um den Hals. "Ein Trank für alle Fälle, er heilt die schwersten Wunden und verjüngt den Körper. Setzt ihn gut ein, ein paar Tropfen reichen für eine Behandlung aus. Ich gebe ihn dir Akira, Nimrod würde ihn nicht nehmen. Und nun geht. Macht schnell, dass ihr los kommt!" Dies war ein Zeichen, dass sich die Wölfe auf den Weg machen sollten. Mit wenig Begeisterung blickte Nimrod auf den Trank, sagten wollte er nichts dazu, denn seiner Anführerin konnte er nicht widersprechen. Mit einem respektvollen Nicken verabschiedete er sich von Aura und ging dann mit seiner Gefährtin nach draußen. Die Sonne schien freundlich vom Himmel, immerhin das Wetter würde ihnen keine Probleme machen. Ohne Worte zu wechseln liefen sie los und entfernten sich immer weiter vom Kristallpalast. Die Vögel zwitscherten fröhlich und der Wald war voller Leben, wohin man auch sah. „Wir werden das hier wiedersehen, oder?“, sagte der Graue ganz leise zu seiner Vertrauten neben sich. „Unsere Kinder wachsen hier auf und wir werden es wieder zu einem besseren Ort verändern, meinst du nicht? Ganz bestimmt. Selbst wenn wir einer Legende nachjagen, die nicht existiert, vielleicht finden wir auf unserer Reise auch eine andere Lösung für den Orden.“ Akira war schweigsam. Auch sie plagten die Gedanken, was wäre, wenn ihr Mission ein Desaster werden würde. Ihr Gefährte sprach aus, was sie dachte. Ruhig antwortete sie: "Sieh was der Orden aus unserer Familie gemacht hat! Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie alleine die Macht dazu haben, es sind zu wenig... Nimrod!" Sie blieb stehen. "Ich habe schon seit längerem eine Idee, die ich nie wagte auszuspreche, aber vielleicht... " Sie stockte. "Vielleicht gibt es ja noch Wilde, die uns helfen? Eine Armee so wie damals.“ Bei dem Wort „Wilde“ musste Nimrod kurz knurren, aber er wusste auch, dass seine Gefährtin recht hatte, dieser Plan konnte wohl tatsächlich funktionieren, zumindest besser als einer haltlosen Legende über einen weißen Wolf nachzurennen. „Das sollte unsere letzte Alternative sein, denn den Wilden kann man nicht trauen. Erst müssen wir Auras Auftrag erfüllen, dann sollten wir über weitere Schritte nachdenken.“ Nun war die kleine Gruppe von Spähern schon einigen Tagen unterwegs und hielten sich so gut es ging von fremden Revieren und Hauptwegen, die von Magiern benutzt werden könnten, fern, was aber auch sehr viel Zeit kostet. Runa redete mit Artus nur das Nötigste, sie wollte ihn in Ruhe lassen, weil er sicher traurig war, dass er seine Familie hatte verlassen müssen. Jetzt lief sie neben ihm und schaute zu dem Schwarzen herüber: „Wir nicht mehr weit vom Orden entfernt. Ein seltsames Gefühl, oder?“ Der Rüde war in Gedanken versunken. Er brauchte ein paar Sekunden um zu verstehen, dass er angesprochen worden war. Verwirrt sah er Runa an, als hätte er sie nicht verstanden, doch dann erwiderte er: "Ja, das ist es sehr wohl. Vieles ist hier passiert, gutes und schlechtes. Hier lebte ich einst mit meinem Rudel. Zurückgezogen in den Wäldern, geschützt vor den Jägern, doch eines Tages überfielen sie uns. Ich war der Einzige, der überlebte." Er sah traurig zu Boden, doch dann hellte sich seine Miene etwas auf. "Und hier begegnete ich zum ersten Mal Lexie!" Ihm wurde in diesem Moment erst bewusst, wie lange dies alles schon her war. Er, der große Rudelführer von halbstarken Wölfen, er musste fast etwas Grinsen. Doch dann holte ihn das schlechte Gewissen, als Einziger überlebt zu haben, wieder ein. Schwer seufzte er. "Ach Runa, warum muss das Leben nur so grausam sein?" Im Grunde stellte er sich die Frage eher selber, als der Gelben. „So ist das Leben eben. Wir können unsere Zeit damit verschwenden dauernd über diese Frage nachzudenken oder wir können handeln und etwas daran ändern. Ich bin dafür dass wir unser Schicksal selbst in die Pfote nehmen und um unser Glück kämpfen. Und wenn wir verlieren, haben wir es wenigstens versucht.“ Ihr Blick schweifte über die Baumkronen, die sich an dieser Stelle etwas lichteten. Man konnte den höchsten Turm des Kristallpalastes schon sehen, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte. „Dieses Gebilde lässt den Orden immer so mächtig erscheinen. Leider ist das kein Trugbild, sondern Realität. Sie sind wieder stark geworden, wenn auch vielleicht nicht so mächtig wie sie einst waren. Aber ich will mir gar nicht ausmalen zu was der dunkle Wolf fähig ist. Unser Feind ist kein klug handelnder Wolf wie Talon, nein, es handelt sich hier um ein rachsüchtiges Monster, das Grausamkeit seinen Freund nennt. Wir müssen vorsichtig sein.“ Plötzlich zuckte sie mit den Ohren. „Da ist wer! In die Büsche!“ Die Gruppe versteckte sich so schnell sie konnten, da tauchten auch schon von weitem zwei graue Wölfe auf. Die Gelbe traute ihren Augen nicht. „Nimrod und seine Gefährtin“, flüsterte sie Artus zu. Akira hielt ihre Nase in die Luft, sie nahm eine Witterung auf. Sie sah zu ihrem Gefährten. Er regte sich nicht, doch sie wusste, dass auch er es gerochen haben musste. Ein exzellenter Jäger wie Nimrod ließ es sich nur nicht so leicht anmerken. Auch die Fähe schlenderte langsam weiter, sie spürte, dass sie jemand beobachtete, wollte es sich ebenso wenig anmerken lassen. Gelassen sprach sie: "Riechst du das auch?“ „Diese Frage ist überflüssig“, erwiderte er leise. „Es müssen schon einige sein.“ Sie gingen ein Stück weiter und waren jetzt sicher von der ganzen Meute umzingelt. Der Graue konnte sie genau riechen und ahnte auch, dass die Gruppe ebenfalls wusste, dass sie bemerkt worden waren. Der Wind stand einfach sehr schlecht für sie. Dann erkannte er einen der Gerüche und blieb einfach stehen: „Komm raus, Runa! Ich weiß, dass du hier bist!“ Die Gelbe gab sich geschlagen und schlüpfte aus dem Busch, in dem sie sich versteckte. „Du hättest einfach weitergehen sollen, Nim. Wir sind in der Überzahl.“ Erschrocken bemerkte sie sein zerstörtes Auge, unterdrückte aber eine Bemerkung dazu. „Es ist nicht meine Absicht mit euch zu kämpfen, aber solltet ihr es wagen uns anzugreifen, dann zerlege ich jeden von euch in seine Einzelteile.“ „Immer noch so freundlich wie früher, was? Wir werden euch nicht gehen lassen können. Der Orden darf nicht erfahren, dass wir hier sind und wie ich Jäger kenne, rennt ihr gleich zurück und petzt was das Zeug hält. Erzählt uns erst einmal, was für einen Auftrag ihr habt, würde ich vorschlagen. Wir können uns diese Information auch mit Gewalt holen und ihr wisst, dass ihr keine Chance hättet!“ Nun übernahm Akira das Wort: "Lasst uns durch, wir haben kein Interesse daran dem Orden irgendetwas zu verraten. Unsere Mission ist auch nicht nach Wilden oder Abtrünnigen zu suchen! Mehr können wir momentan nicht sagen, nur so viel ist sicher, wir werden euch kein Leid zufügen. Wir machen so etwas nicht mehr. Mit dieser Antwort müsst ihr euch wohl zufrieden geben. Woher sollten wir wissen, was IHR vorhabt? Wir vertrauen niemanden, genau so wenig wie ihr es tut." Artus hörte die ganze Zeit das Gespräch im Verborgenen mit. Auch wenn er keine hellseherischen Fähigkeiten hatte, meinte er in Akiras Stimme die Wahrheit zu hören. Er wollte jedoch nichts sagen und zeigen wollte er sich ebenso wenig, zu groß war der Groll auf das Jägerpaar. Als Antwort bekam sie aus den Reihen der Wilden ein wildes Knurren. Einige der Wölfe waren wohl sehr schlecht auf die Jäger zu sprechen, Runa wusste, dass es der pure Hass war, da viele von ihnen Familienmitglieder oder Freunde an Jäger verloren hatten. Die Gelbe konnte diese Gefühle gut verstehen, auch wenn sie selbst keine Wut auf ihre zwei Feinde verspürte. „Wir sollen euch tatsächlich glauben, dass ihre den Orden verratet? Warum seid ihr dann überhaupt noch Mitglieder? Das alles klingt nicht sehr plausibel.“ „Sieh mein Auge an“, erwiderte Nimrod. „Eine Strafe des dunklen Wolfes. Meinem Sohn haben sie den Geist vergiftet, so dass er sich gegen mich gewandt hat. Meine Tochter ist eine Magierin, die weit über uns steht und die ich so gut wie nie sehen darf. Glaubst du tatsächlich wir würden noch weiter dieser Organisation dienen? Allerdings wäre es unklug den Orden zu verlassen, immerhin kann man Dinge von innen heraus besser zerstören als von außen. Aura, die Anführerin des Ordens, steht auf unserer Seite und hat uns auch fortgeschickt, um nach Hilfe zu suchen.“ Vom weißen Wolf wollte er lieber nichts erwähnen. „Wie ich sehe, formierten sich die Wilden wieder einmal gegen den Orden und in diesem Fall unterstürzte ich das.“ Einen Moment verschlag es der gelben Wölfin die Sprache, doch dann sammelte sie sich wieder: „Okay, lasst sie gehen.“ Das Rudel starrte Runa ungläubig an, viele schrien erschrocken auf. „Ich kenne diesen Wolf und das was er sagt, würde er schon aus Stolz niemals einfach so behaupten.“ Dann sah sie den Grauen an: „Kehrt ihr zum Orden zurück, um ihnen von uns zu berichten und wir bekommen das mit, dann werde ich euch alle töten lassen. Habt ihr das verstanden?“ „NEIN!“ Einer der Rüden aus dem Rudel, sein Name war Yaransan, brummte wütend auf. „Es sind Jäger! Wir sollten sie auf der Stelle vernichten!“ Mit einem Satz sprang er auf Akira zu. Kapitel 11: Im Lager des Feindes -------------------------------- Akira war nicht darauf gefasst, dass sie einer der Wilden angriff. Sofort wurde sie zu Boden gerissen, sie merkte jedoch schnell, dass es sich um einen unerfahrenen Hitzkopf handelte, also wehrte sie sich. Sie bäumte sich auf und konnte den Rüden so abschütteln, doch sie durfte ihn nicht unterschätzen, da der Wolf trotz seines Alters stark war. Schließlich startete sie einen Gegenangriff. Wütend sprang sie den Wolf an und packte ihn in der Nähe der Kehle. Sie ließ ein Knurren erklingen. Mit ihrer Pfote drückte sie den Wolf zu Boden und kam seiner Halsschlagader gefährlich nahe. Dann sprach sie zu Runa: "Ich werde diesen Wolf nicht töten, genauso wenig wie ich irgendjemand anders von euch etwas antue. Doch solltet ihr unser Vorhaben nicht respektieren, so müssen wir uns wehren. Es liegt nun an dir, Runa, welches Schicksal deinen Kameraden ereilen wird!" Sie sah die Wölfin herausfordern an, hoffte jedoch, dass die andere Fähe sie verstand. Im Grunde wollten weder sie noch Nimrod Streit mit diesen Wölfen. Die Gelbe kam näher, bis sie knapp vor Akira stand. Ihr Blick war ernst, sagte aber auch aus, dass sie die Jägerin nicht fürchtete. „Ich hatte meinen Befehl bereits gegeben, falls du es nicht bemerkt hast. Dass diese Wölfe hier Hass auf euch verspüren, könnt ihr ihnen nicht übelnehmen. Viele von ihren Angehörigen sind durch die Zähne eines Jägers gestorben. Für sie seid ihr das Böse, etwas was sie verabscheuen und tot sehen wollen. Yaransan hier hat seinen Vater im Alter von zwei Monaten verloren. Er musste mitansehen, wie seine Mutter Tag für Tag litt, bis sie schließlich nach langen Monaten an ihrer Trauer verendete. Der Vater wurde von einer Gruppe Jägern ermordet. So viele sind gestorben. Diese Schuld kann keiner von euch je wieder gutmachen. Merkt euch das.“ Die meisten Wölfe des Rudels knurrten den beiden Grauen entgegen. „Geht nun“, fuhr Runa fort. „Nicht einmal auf ihre Anführerin werden sie noch länger hören, wenn sie euch Jägerpack weiter betrachten müssen. Aber eines will ich euch noch sagen. Wenn es euch wirklich ernst ist, dann solltet ihr überlegen auf unserer Seite zu kämpfen, wenn es so weit ist. Was immer ihr für Hilfe sucht, womöglich sind wir die beste Alternative.“ Akira schluckte ihre Wut herunter, auch wenn Runa sicher Recht hatte, sie mochte es nicht, wenn sich jemand überheblich gab. Doch sie durfte es sich nicht anmerken lassen, das war zu gefährlich. Sie ließ den jungen Wolf laufen, der sofort keuchend aufstand, jedoch nicht ohne die Graue noch einmal anzuknurren. "Auch unter den Jägern gab es Verluste zu beklagen, auch Jäger haben Söhne und Töchter. Auch Jäger wurden von euch angegriffen. Doch wir verleugnen nicht, dass es wohl die Hauptschuld des Ordens war und ist. Ein Einfluss stark und mächtig. Dieses Leben ist nicht so schön, wie ihr vielleicht denkt. Ich weiß es ist schlimm was wir getan haben, so viel unnütz vergossenes Blut, doch für uns ist es nun Vergangenheit. Wir schauen nach vorne in eine hoffentlich bessere Zukunft." Dann sah sie zu ihrem Gefährten. "Gehen wir nun oder willst du noch was sagen?“ „Wenn man nicht das Opfer ist, kann man leicht sagen, dass man nach vorne schauen soll“, schnauzte Runa, wendete sich dann aber ab. Der alte Jäger nickte seiner Gefährtin zu und deutete an, dass sie schon vorgehen soll. Er selbst ging der Gelben hinterher und hielt sie auf. „Ich weiß, dass es viele Feindseligkeiten zwischen uns gegeben hat, aber ich möchte dich um etwas bitten.“ „Die Feindseligkeiten kamen von dir“, erwiderte sie etwas brummig. „Aber gut, um was geht es denn?“ Er flüsterte, so dass Akira es auf keinen Fall hören konnte: „Sollte mir etwas passieren, dann möchte ich, dass meine Gefährtin sich deinem Rudel anschließen kann. Im Orden wäre sie nicht sicher. Sollte sie mit unseren Kindern kommen, dann bitte ich auch um Aufnahme dieser.“ Verblüffung leuchtete in ihren Augen auf. „Warum gerade in meinem Rudel? Du hast doch keine Ahnung, welchen Wölfen ich angehöre. Ich führe vielleicht diese Gruppe, aber ich bin ansonsten keine Alphawölfin mehr. So etwas kann ich gar nicht entscheiden.“ „Aber du hast Einfluss. Setze dich für sie ein und passe auf sie auf, ja? Es ist ja nur, falls mir etwas passiert. Ich bin alt und ich möchte meine Familie versorgt wissen.“ „Wahrscheinlich können sie besser auf sich aufpassen, als du denkst.“ Daraufhin folgte ein schwerer Seufzer. „Na gut, ich werde ihnen helfen, wenn dir etwas passieren sollte.“ „Danke sehr.“ „Du bedankst dich? Etwas ganz Neues. Das Alter macht dich weich, Nimi.“ Ein kurzes Knurren konnte er auf diese Worte nicht unterdrücken, was Runa zum Grinsen brachte. „So gefällst du mir schon besser.“ Mit genervter Miene lief er wieder in Richtung Akira und gesellte sich neben sie. Eine Weile schwieg er einfach, dann meinte er im neutralen Ton: „Das hätte auch ins Auge gehen können.“ Akira nickte. „Ja, doch ich traue diesen Wilden nicht über den Weg. Wahrscheinlich werden sie uns nun Späher auf den Hals hetzen, damit wir ihnen ja nicht zu nahe kommen. Was ist bloß aus dieser Welt geworden? Alles ist im Wandel und der Ausgang ungewiss. Ich habe Angst, Angst vor der Zukunft und Angst um unsere Kinder.“ „Unsere Kinder sind dort, wo sie sind, sicher“, versuchte der Graue seine Gefährtin zu beruhigen. In Wirklichkeit machte er sich genauso Sorgen, aber einer musste Ruhe bewahren. Irgendwie wusste er, dass Runa ihnen nichts Schlechtes wollte, trotzdem fragte er sich, was sie und die Wilden wohl planten. Der Orden würde nicht mehr so leicht fallen, wie beim letzten Mal, denn jetzt herrschte ein Wolf über ihn, der nicht einmal vor schwarzer Magie zurückschreckte. Doch es machte keinen Sinn sich zu viel damit zu beschäftigen. Sie hatte einen Auftrag, der ausgeführt werden musste. Die Gelbe trommelte alle zusammen und ließ sie ihren Weg fortsetzen. Nachdenklich lief sie wieder neben Artus: „Woher kam deine Zurückhaltung? Du hast dich nicht in die Konfrontation mit den Jägern eingemischt. Das hätte ich nicht von dir gedacht.“ In diesem Moment überschritten sie die Grenze zum inneren Kreis des Ordens. „Jetzt müssen wir vorsichtig sein. Hier entdeckt zu werden, könnte tödlich ausgehen. Was meinst du, sollen nur wir zwei losziehen und uns genauer umsehen?“ Der Schwarze erwiderte: "Weißt du, diese Wölfe haben sehr viel Leid über mich und meine Familie gebracht. Ich will ihnen einfach aus dem Weg gehen. Doch du hast Recht, Vorsicht ist geboten! Nun sind wir in Gefahr. Wo möchtest du als erstes hingehen? Ich kenne mich hier nicht so besonders gut aus! So nahe war ich dem Orden selten.“ „Ich möchte einen alten Bekannten besuchen. Es ist zwar ein Risiko, aber ich denke er wird uns nicht verraten, uns wahrscheinlich sogar helfen. Wir müssen ins Jägerlager. Eine sehr gefährliche Angelegenheit dorthin zu kommen. Sprichwörtlich ist das die Höhle des Löwen, aber womöglich werden wir genau dort am wenigstens erwartet. Es gibt schließlich viele Jäger und im Notfall geben wir uns als solche aus. Am besten werden wir aber erst gar nicht entdeckt. Und sollten alle Stricke reißen, wenden wir Magie an und laufen um unser Leben. Niemand wird uns für Rebellen halten, sondern nur für durchgedrehte Wilde.“ Sie atmete tief ein, um ihre Konzentration zu steigern und sich zu erinnern, wohin sie mussten. „Da entlang. Ich führe dich.“ Erin beobachtete die zwei fremden Wölfe schon eine Weile. Zufällig war sie gerade zum Jägerlager unterwegs, um ihren Bruder zu besuchen. Vor ein paar Minuten hatte sie sich auf den Weg gemacht und entdeckte dabei die zwei. Was hatten sie im Orden verloren? Ganz klar, es waren Wilde. Sie spürte zwar, dass von ihnen keine allzu große Gefahr ausging, aber recht war es ihr trotzdem nicht. Dank ihrer großen hellseherischen Fähigkeit wusste sie, um wem es sich bei Wölfen handelte. Sie wusste auch, dass es besser war diese Wölfe aufzuhalten. Sie stürzten sich frei weg in eine große Gefahr. Sie folgte ihnen leise, dann schnitt Erin den zwei Fremden den Weg ab. Sie vergewissere sich natürlich, dass kein anderes Ordensmitglied anwesend war, dann erst stellte sie sich ihnen mutig in den Weg. "Halt, bis hierher und nicht weiter!" Selbstbewusst richtete sie sich auf. Der schwarze Wolf knurrte sie an, doch Erin beschwichtigte ihn: "Seid still, ich weiß wer ihr seid und ich will euch nur warnen! Den Wolf, den ihr sucht, findet ihr hier nicht und wenn ihr noch weiter geht, dann kann euch Schlimmes wiederfahren!“ Verwundert blieb Runa stehen und starrte ihr Gegenüber an. „Du willst uns warnen? Wieso solltest du das tun? Du bist eine Magierin des Ordens.“ Es war für die Gelbe ganz genau zu spüren, dass eine große Macht in der jungen Wölfin wohnte und sie vielleicht selbst nicht einmal wusste, dass sie so mächtig sein konnte. Plötzlich schoss ihr etwas durch den Kopf, dass ihr zwar ziemlich absurd vorkam und die Chancen auf Erfolg standen fast bei null, auf der anderen Seite wäre es einen Versuch wert. Friedlich setzte Runa sich hin, um zu zeigen, dass sie die Jungwölfin nicht angreifen wollte. „Es ist freundlich von dir uns zu helfen. Wie ist dein Name?“ Die Gelbe war sich bewusst, dass ihr netter Ton für die anderen zwei Wölfe wahrscheinlich überraschend kam, zumindest Artus kannte sie wohl ganz anders. „Kannst du uns denn sagen, wo wir den Wolf finden, denn wir suchen?“ Erin sah sich die gelbe Wölfin genau an, sie wusste, dass sie keine bösen Absichten ihr gegenüber hatte, außerdem spürte sie, dass die Wölfin in irgendeiner Verbindung zu Aura stand, sie konnte jedoch nicht erkennen welche, dazu ging von der gelben Wölfin zu viel Energie aus. Doch es schien, als hätte die ganze Gruppe etwas Vertrautes an sich. Erin setzte sich ebenfalls hin. Sie wusste, sie hatte nichts zu verlieren, außer ihr hatte im Orden nur Aura die Fähigkeit Gedanken zu erraten, selbst der dunkle Wolf konnte das nicht. Niemand würde es ihr nachweisen können, wenn sie den Wölfen half. Zudem spürte sie, dass Aura in diesem Fall auf ihrer Seite stand. Ruhig sprach sie: "Durchquert das Lager der Jäger, am anderen Ende, etwas abgeschnitten, liegt die Höhle des besagten Wolfes. Ihr werdet ihn antreffen. Seid jedoch vorsichtig, es sind zwar momentan nicht vielen Jäger im Lager, doch ein paar sind es schon. Wenn euch jemand nach dem Losungswort fragt so antwortet: Gelobt sei der dunkle Wolf - Fürst der Magier, König der Wölfe! Das ist alles was ich euch zu sagen habe, doch nun muss ich gehen. Es nähern sich Wölfe, ich will nicht mit euch gesehen werden!" Und kaum hatte sie das gesagt, war die junge Wölfin weg. Doch sie log nicht. Artus sprach hastig: "Runa, sie hatte recht, es kommen Wölfe!" „Artus,“, aufgeregt schaute Runa der jungen Magierin hinterher, „weißt du wer diese Wölfin ist?“ Verheißungsvoll blickte sie dem Schwarzen in die Augen und grinste dabei. „Ich glaube, sie wird eine wichtige Rolle in unserem Kampf spielen, das kann ich fühlen.“ Und sie spürte noch mehr in ihr. Diese Zauberkraft in der Kleinen war unglaublich groß und eines stand fest: Sie musste auf die Seite der Rebellen gebracht werden. Die andere Frage war, wie sie das anstellen sollten. „Gut, wir machen wohl besser, dass wir hier wegkommen. Es ist ein Risiko direkt durch das Lager der Jäger zu gehen, aber vielleicht fällt man so am wenigstens auf. Der Weg ist mir bekannt, ich bin früher mit Nimrod öfters durch die Quartiere der Jäger gestreift.“ Schnell liefen sie in die Büsche und nahmen den Weg ins Revier der Jäger. Geschickt übersprang die Gelbe einen kleinen Bach, der erst in einigen Metern immer breiter werden würde, bis man nicht mehr einfach über ihn hinwegkommen konnte, weswegen Runa bewusst den einfacheren Pfad gewählt hatte. „Seltsam, dass es hier so ruhig ist. Kein einziger Wolf zu sehen“, merkte sie an. „Vermutlich sind die meisten beim Training.“ Ohne weiter gestört zu werden, liefen sie auf einem der Wege, trotzdem blieb Runa wachsam und auch Artus sah so aus, als würde er alles genau beobachten. Plötzlich schlüpfte ein roter Rüde aus einer der Behausungen und hielt auf sie zu. Kurz vor ihnen blieb er stehen und sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, der verriet, dass er sie nicht zuordnen konnte. „Guten Tag“, grüßte die Wilde daraufhin in der Hoffnung ihn damit den Verdacht zu nehmen. „Hallo.“ Sein Blick war immer noch verwundert, aber dann senkte er den Kopf und ging weiter. Erleichterung machte sich in Runa breit, doch sie hatte nicht viel Zeit um sie zu genießen, denn sie gingen so schnell sie konnten weiter. Schließlich erreichten sie den Bau, nach dem sie gesucht hatten. Vorsichtig betrat die Gelbe ihn. Innen war es dunkel und es roch moderig, man merkte schnell, dass hier ein alter Wolf wohnen musste. „Nantwig?“ Zuerst bekam sie keine Antwort, doch dann bewegte sich etwas im Schatten und ein schmaler Wolf kam näher. Er schnupperte, so dass man es deutlich hören konnte, und setzte sich dann ganz langsam vor ihnen hin. Nun erkannte man besser, dass es sich um einen greisen Rüden handelte, der ziemlich ramponiert daherkam. Ein Ohr zeigte sich nur noch in Fetzen und viele Narben zierten seinen klapprigen Körper. „Runa?“ Seine Stimme klang krächzend, aber trotzdem sehr freudig und freundlich. „Das ich dich eines Tages wiedersehen würde, hätte ich nicht zu glauben gewagt. Zeig dich her, Goldchen, du scheinst ja keinen Tag älter geworden zu sein.“ Verlegen lachte sie: „Das sind nur die guten Gene, denke ich.“ „Du hast jemand mitgebracht? Das ist doch nicht etwa dein Gefährte?“ Artus blickte sofort verlegen zur Seite bei den Worten des alten Wolfes. "Nein Verzeihung, ich bin nicht ihr Gefährte, sondern nur Wegbegleiter in einer wichtigen Mission.“ "So?" Der alte Wolf musterte den schwarzen Rüden eindringlich, dann nickte er. "Nun gut, aber trotzdem schade. Runa wäre dir sicher eine gute Gefährtin." Wieder war Artus ziemlich beschämt, er wagte es nicht Runa anzusehen. Er wollte auch nicht vor dem Alten zugeben, dass er seine Begleitung eigentlich nicht so gut leiden konnte. Sofort versuchte er vom Thema abzulenken. "Alter Wolf, du musst uns bitte helfen." Ehrfürchtig verbeugte er sich vor Nantwig. "Es ist sehr wichtig, wir brauchen dringend Informationen über den Orden. Wir kommen aus einem Lager von Rebellen und wollen dem Grauen hier ein Ende bereiten. Doch ohne Hilfe geht das nicht. Hast du vielleicht auch eine Idee, wie wir am besten ein paar Ordensmitglieder für uns gewinnen könnten?" Er redete sehr leise, dennoch verständlich. Doch er brauchte sich nicht zu sorgen, denn der alte Nantwig hatte noch gute Ohren. Besser als so mancher junger Wolf. Der alte Wolf senkte nachdenklich den Kopf: „Ihr würdet euch wundern, wie viele Wölfe mit der Situation im Orden unzufrieden sind, aber die meisten fürchten den dunklen Wolf und seine Macht. Seine Grausamkeit kennt keine Grenzen.“ Dann sah er Runa an. „Du kennst doch die alte Weide, nicht wahr?“ Sie nickte daraufhin. „Heute um Mitternacht müsst ihr dorthin. Ich werde zu Aura gehen und sie um ein Treffen bitten. Ob sie kommt, kann ich nicht versprechen, aber es ist einen Versuch wert.“ „Moment, Aura?“, fragte Runa. „Die Aura? Die Anführerin des Ordens?“ „Ja, genau die. Keine Sorge, sie steht auf unserer Seite. Werdet ihr heute um Mittnacht an der alten Weide warten?“ „Natürlich, das werden wir“, gab die Gelbe zurück. „Ich habe noch ein Frage. Heute trafen wir auf eine graubraune Magierin. Kennst du zufällig ihren Namen? Sie muss sehr stark sein in ihrer Magie, aber ich schätze sie nicht älter als ein Jahr, vielleicht ein wenig darüber.“ „Du fragst den Falschen, ich bin ein ehemaliger Jäger und heute Ausbilder. Mit Magier habe ich kaum etwas zu tun. Du wirst diese Frage Aura stellen müssen.“ „In Ordnung. Danke, Nantwig.“ Sie verabschiedeten sich und verließen die Höhle. Runa grinste Artus an: „Das sieht doch nach einem Fortschritt aus, nicht wahr?“ Artus nickte ihr freudig zu: "Oh ja, liebe Runa, doch ich kann es noch kaum glauben, dass Aura auf unserer Seite steht! Was sagst du dazu und wie glaubst du wird Talon reagieren, wenn er das erfährt?“ „Ich glaube es erst, wenn ich es aus ihrem Mund höre und selbst dann sollten wir aufpassen“, dämpfte sie seine Euphorie. „Im Orden gibt es so viele Intriganten, Lügner und Blender. Hoffentlich gehört Aura nicht dazu. Und was Talon angeht, er wird froh sein zu hören, dass es seiner Gefährtin gut geht. Es freut mich für ihn.“ Geschwind drehte sie sich um und ging den Weg durch das Lager zurück. Froh etwas erreicht zu haben, oder zumindest das Gefühl zu haben, dass es so wäre, kehrten sie zu ihren Mitstreitern zurück. Jetzt konnten sie nur noch darauf warten, dass die Sonne unterging und es Geisterstunde wurde. Runa hatte vor sich bis dahin auszuruhen. Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal dazu kamen dies zu tun. Kapitel 12: Ein neues Mitglied ------------------------------ Die Zeit zog sich unheimlich langsam für Artus. Er war unruhig und konnte nicht schlafen, auch wenn er es gewollt hätte. Endlich kam die Nacht und Runa holte den schwarzen Rüden ab. Beide hatten ein mulmiges Gefühl. Langsam näherten sie sich dem Treffpunkt, eine Lichtung auf der ein wunderschöner und zugleich alter Baum erhaben in die Höhe schoss. Schon von weitem konnten sie einen silbernen Schein erkennen. Artus klopfte das Herz bis zum Hals, aber auch Runa wirkte angespannt. Er war der hohe Wölfin noch nie begegnet und plötzlich sah er sie in ihrer gesamten Pracht. Sie war wunderschön, eingehüllt in einen sanften silbernen Schein wie Mondlicht. Ihm stockte der Atem und für einen Moment schien er den Hass auf den Orden und allem was dazu gehörte zu vergessen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese liebreizende Wölfin für so viel Leid verantwortlich sein sollte. Doch plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, denn Aura sprach mit ihrer erhabenen Stimme: „Seid gegrüßt! Fürchtet euch nicht und tretet näher, ich habe nur wenig Zeit und nach unserem Treffen müsst ihr sofort von hier verschwinden!" Artus jedoch gab zur Antwort: "Woher wissen wir, dass euch vertrauen können?" Sie nickte und erwiderte weise: „Hört mich an und entscheidet selber.“ Sie schwieg eine Weile und fuhr dann fort: "Ich weiß schon lange, dass ihr hier seid und ich weiß auch wieso! Dennoch habe ich euch nicht verraten, da ich nun weiß, was zu tun ist! Der Orden wie es ihn einst einmal gab, der existiert nicht mehr. Auf schmerzliche Weise musste ich erkennen, wie viel Grausamkeit der Orden all die Zeit über alle Wölfe gebracht hat! Außerhalb, aber auch innerhalb der Mauern des Ordens. Doch seit der dunkle Herrscher an der Macht ist, ist alles noch viel schlimmer! Noch weiß er nichts von eurem Vorhaben und ihr habt noch Zeit eure Krieger zu sammeln, doch seid wachsam! Viele Späher ziehen durch das Land und bald werden sie bis an die Grenzen zu euren Lagern vorstoßen, wenn ihr nicht aufpasst!" Der Schwarze musste unweigerlich an seine Familie denken und an die zwei Jäger, Nimrod und Akira, welche sie vor nicht allzu langer Zeit gesichtet hatten. Aura redete weiter: "Doch ich sehe Verstärkung kommen! Hoch vom Norden trifft ein großes Rudel in euer Lager in den Bergen ein. Runa, du kennst ihre Anführerin! Sie ist ebenfalls eine mächtige Wölfin, die jedoch noch nicht vieles über den Krieg hier weiß. Ein Hilferuf hat sie ereilt und sofort machte sie sich mit vielen starken Wölfen, Kriegern und Magiern, auf um euch zu helfen! Sie beherrscht die Elemente und ist eine gute Heilerin, die sich mit Kräutern auskennt und so manch anderes wird ihr nachgesagt, jedoch musst du es am besten wissen, was sie alles kann! Weißt du wen ich meine?" Aura sah die Gelbe auffordernd an. Vor langer Zeit hatte Runa Aura schon einmal gesehen. Damals wurde sie gerade in den Orden aufgenommen und die Anführerin musste, wie damals üblich, natürlich auch ihre Zustimmung dazu geben. Jetzt war zu bezweifeln, dass die Weiße noch die gleichen Rechte besaß, wie zu dieser Zeit, aber sicherlich konnte sie noch sehr viel bewirken im Orden. „Nun, es ist möglich, dass ich weiß von wem Ihr sprecht“, erwiderte die Gelbe neutral. „Unterstützung können wir immer gut gebrauchen und wenn es sich um ein mächtiges Rudel handelt umso besser.“ Dann beugte sie ihren Kopf, wenn sie das auch nicht wirklich gerne tat. „Wir danken Euch für den Hinweise, weise Magierin. Darf ich Euch noch etwas fragen?“ Als keine Antwort kam, deutete sie das als Zustimmung. „Auf unserem Weg hierher begegneten wir einer jungen Schülerin. Sie trug graubraunes Fell und hatte unter dem Augen einen einprägsamen Fleck. Ich weiß, es klingt vielleicht seltsam, aber irgendetwas sagt mir, dass sie eine entscheidende Rolle im Krieg spielen wird. Es handelt sich nur um eine Ahnung, es tut mir leid, falls ich Euch damit beleidige, aber mich lässt das Gefühl nicht los, das sie unbedingt auf unserer Seite kämpfen sollte. Das lässt mir keine Ruhe. Wisst Ihr zufällig, wen ich meine? Sie ist sehr mächtig, das konnte ich deutlich spüren.“ Sich so einzuschleimen mochte Runa zwar nicht, aber es war notwendig, um die Informationen zu bekommen, die sie benötigte. "Nun gut, auf diesen Punkt wollte ich ebenfalls hinaus. Ihr meint sicher Erin, sie ist trotz ihrer hervorragenden Eltern aus dem Jägergeschlecht, doch eine mächtige Magierin geworden. Ich sehe sie mit großer Freude und das ist, worum ich euch bitten wollte: Nehmt sie mit. Erin hat bereits alles gelernt, was sie im Orden lernen kann. Die einzigen Fähigkeiten, die sie noch ausbauen kann und muss ist die Kunst des Heilens, sowie das Beherrschen von Elementen. Unsere Heilmagier sind bei weitem nicht so mächtig, wie die in euren Reihen, das Erlernen der Elemente wurde vom dunklen Wolf sehr eingeschränkt. Und sicher gibt es noch mehr, welches verbesserungswürdig ist, jedoch muss sie das nicht im Orden beigebracht bekommen. Aber nun zurück zu meiner Frage: Würdet ihr sie noch heute mitnehmen? Das ist die einzige Chance, die Schergen des Ordens ahnen bereits, dass etwas im Gange ist. Lange könnt ihr nicht mehr bleiben!" Ein wölfisches Grinsen konnte Runa nicht unterdrücken. Das lief ja noch besser, als sie gedacht hatte und sie nickte der weißen Wölfin daraufhin zu. „Wenn Erin damit einverstanden ist, kann sie gerne mit uns kommen. Ich garantiere, dass ich auf sie aufpassen werde und wenn ich dafür mein Leben einsetzen muss.“ Natürlich war es für die gelbe Wölfin ein Leichtes mit ihrem Leben zu bürgen, aber da hier ja keiner um ihr Geheimnis wusste, sah sie kein Problem darin es so auszudrücken. „Und danke für die Warnung, wir werden diesen Ort so schnell es geht verlassen, so dass wir nicht entdeckt werden können.“ Die Gelbe verbeugte sich höflich. „Wir stehen in Eurer Schuld, weise Magierin. Ein Anliegen habe ich noch: Ich soll Euch von Talon grüßen. Er hat sich in unseren Reihen eingefunden und ist ein wertvolles Mitglied unseres Rudels. In seinen Augen habe ich aber oft genug lesen können, wie sehr er sich nach Euch sehnt. Es geht ihm gut und wenn er kann, wird er zu Euch zurückkommen.“ Aura zuckte zusammen. Talon lebte? Schnell jedoch gewann sie wieder die Fassung, sie sah die Gelbe an und meinte: "Danke Runa, richte ihm bitte ebenfalls schöne Grüße aus, es geht mir gut!" Dann wurde sie wieder ernst. "So nun geht jetzt! Vorne an der Lichtung wartet Erin auf auch! Sie wusste bereits, dass ihr sie mitnehmt! Sie wird euch den Weg weise, sobald ihr den Orden verlassen habt, liegt es aber an euch, dass ihr so schnell wie möglich euer Versteck wieder erreicht! Sie werden es sicher bald merken, spätestens morgen, wenn Erin nicht mehr zum Training kommt. Und nun lauft!" Das war der Startschuss. Artus und Runa rannten zurück auf die Lichtung und wie Aura gesagt hatte, wartete dort Erin. Ruhig aber bestimmt sagte sie: "Folgt mir!" und die Wölfe folgten der jungen Fähe in die Dunkelheit. Schon nach wenigen Minuten hatten sie den Orden sicher und unbemerkt verlassen. Erin verlangsamte ihre federnden, anmutigen Schritt und sprach: "Nun seid ihr dran!" Ungefragt übernahm Runa die Führung, sie ging davon aus, dass es für Artus so in Ordnung war, immerhin kannte sie sich hier viel besser aus als er. Geschickt nahmen sie ihren Weg durch den Wald und schon bald trafen sie auf den Rest des Rudels, die alle ungeduldig warteten. „Wer ist das?“, kam es von einem der Rüden, der die junge Magierin durch ihren Geruch sofort als Ordensmitglied identifizierte. „Ab heute gehört sie zu uns.“ Der hellbraune Rüde knurrte leise, doch als die gelben Wölfin ihm die Zähne bleckte, verstummte er. „Es gibt einige Mitglieder bei den Rebellen, die vorher dem Orden angehört haben. Auch ich zähle dazu und willst du behaupten ich sei nicht vertrauenswürdig?“ „Nein, würde ich niemals denken, aber sie muss sich diesen Respekt erst verdienen!“ „Das wird sie, wenn man ihr die Chance dazu gibt. Und jetzt los, wir haben genug in Erfahrung gebracht. Wir müssen zurück, bevor jemand Verdacht schöpft.“ Die Wölfe waren zwar verdattert über die Worte ihrer Anführerin, aber sie fügten sich, wie es sich in einem Rudel eben gehörte. Und Runa war gut im Kommandieren, immerhin hatte sie jahrelang nichts anderes gemacht. Ein Seufzen kam über ihre Lefzen, als sie an ihr altes Rudel dachte. Von vielen wusste sie nicht, was aus ihnen geworden war. Der weiße Wolf mit dem grauem Nackenfell sah vom höchsten Punkt hinunter auf das Land, das dem dunklem Wolf und ihm gehörte. Die Sonne war vor drei Stunden aufgegangen und stand nun schon ziemlich hoch am Himmel. So schön und friedlich wirkte es da unten, aber der Schein konnte trügen. Die Vögel erzählten von Unruhen hinter der Grenze, auch wenn keiner wirklich wusste, was es genau damit auf sich hatte, weil selbst das Federvieh den Orden verachtete und sich nicht auf einen Wissensaustausch einließ. Plötzlich bemerkte Vin eine Anwesenheit und drehte sich blitzschnell um. Hinter ihm kam ein kleiner, weißer Wolf auf ihn zu und blieb zitternd vor ihm stehen. „Was hast du zu berichten, Cloud?“ Vin mochte es nicht in die traurigen Augen dieses armen Geschöpfes zu sehen. Grausamkeit lag ihm zwar im Blut, aber gegen diesen Rüden hatte er komischerweise keinen Groll. Vielleicht weil das was er durchmachte schon Strafe genug sein mochte. Man sah die Spuren seiner Pein noch deutlich an seinem Körper. Wenn er ging, erkannte man, dass mit der rechten Vorderpfote etwas nicht stimmte: Ein Zeh fehlte. Außerdem war das Bein damals gebrochen worden und nicht wieder richtig zusammengewachsen, so dass er Schwierigkeiten beim Laufen hatte. Doch der Kleine lief für diese Verhältnisse noch ziemlich gut. In seiner Stirn steckte ein Art grüner Kristall und das stieß Vin so auf. Damit konnte der dunkle Wolf sich ein Lebewesen zum Sklaven machen. Cloud konnte sich nicht wehren, bekam aber alles bei vollem Bewusstsein mit. Befahl man ihm, dass er Selbstmord begehen sollte, dann würde er selbst das tun. Die Meisten, bei denen der Dunkle diese Prozedur versucht hatte, überlebten nicht einmal die erste Stunde, aber dieser kleine Kerl hier, schien sich mit allem was er aufbringen konnte am Leben zu halten. Selbst Vin würde in so einer Situation lieber den Tod wählen, wenn er ganz ehrlich war. „Eine junge Magierschülerin ist verschwunden, Meister“, kam es aus dem Mund des Weißen. „Was? Wer?“ „Erin.“ „Ah, die Tochter des Jägerpaars. Wen wundert das schon? Gut und nun verschwinde.“ Nachdem er den anderen Wolf aus den Augen hatte, stieg er nach unten und begab sich zum Gildenführer. Dieser fraß gerade an einem Rehschenkel, als sein Boss die Höhle betrat. „Friss ruhig weiter“, meinte Vin. „Du musst mir ein paar Jäger ausleihen.“ „Was immer Ihr wünscht“, schmatzte sein Gegenüber. „Eine Magierin ist verschwunden. Ihre Fährte ist sicher noch frisch, also müssen sie so schnell es geht aufbrechen. Ach ja, schickt diesen graubraunen Schüler mit. Wie heißt er noch?“ „Ihr meint sicher Pavan, Sir.“ „Richtig. Ihn und seinen Ausbilder. Es geht um seine Schwester Erin. Falls sie abtrünnig geworden ist, habt ihr die Erlaubnis sie zu töten. Wenn ihr Bruder uns treu ergeben ist, wird er es selbst tun.“ Der Ordensanführer verließ mit einem Grinsen den Bau. Ach, wie er solche Dramen liebte. Aura war unruhig. Sie musste stets an das Erlebte denken. An die Rebellen, Erin und an...Talon. Sie zitterte willkürlich, doch dann war sie wieder gefasst, bis sie wieder Zweifel einholten. Die Wölfin war müde und erschöpft. Die Zeit unter den dunklen Wolf hatte sie um Jahre altern lassen. Ein Außenstehender würde zwar noch immer die einst so mächtige und strahlende Ordensführerin in ihr sehen, doch wäre es Talon, der sie so erblickte, er würde sich wohl erschrecken. Auch ihre Fähigkeit Visionen zu empfangen oder mit anderen telepathisch in Kontakt zu treten wurde immer schlechter. Sicher sie war noch mächtig und könnte sich leicht noch einem Kampf stellen, doch der Ausgang wäre ungewiss. Sie dachte wieder an Erin. Sie hatte die Wölfin lieb gewonnen. Seit der Verhandlung ihres Vaters, wo nur sie beide die Wahrheit über das Urteil kannten, hatten Sie eine stille Abmachung getroffen. Aura vertraute ihr und darum ließ sie die Wölfin mit den Rebellen ziehen. Plötzlich wurde die Weiße jäh aus ihren Gedanken gerissen. Ein äußerst gutgelaunter Vin kam des Weges. Er flötete ihr entgegen: "Guten Morgen, Süße, wie geht es dir?" Sie gab ihm keine Antwort. Auch wenn sie zusammen einen Sohn hatten, empfand sie nur Verachtung für Vin. Dieser überspielte ihre Abneigung und rief ihr im Vorbeigehen noch beiläufig zu: "Ach, eines deiner Schäfchen ist ausgebrochen, aber ich habe bereits einen Trupp losgeschickt! Sie werden sie sicher bald finden. Das dumme Ding hat sich sicher draußen verirrt.“ Diese Nachricht kostete die alte Wölfin Jahre ihres Lebens. Sie musste Erin warnen! Die kleine Gruppe von Wölfen rannte so schnell sie nur konnte. Keiner wagte es sich umzusehen. Artus erkannte nun, wie wichtig es war sich an die Anweisungen der Rebellenführer zu halten. Der Befehl lautete: Sollte ihnen etwas zustoßen, dann durfte ihre Flucht nicht kopflos nach Hause enden, nein, um Verfolger zu verwirren, mussten sie quer durch die Ebene laufen. Ihr Weg führte sie auch durch Bäche, um Spuren zu verwischen. Erin erkannte die Strategie, doch sie bezweifelte, dass die Jäger, die sie sicher bald suchen würden, sich davon beeindrucken ließen. Sie zitterte vor Furcht. Der Zorn des Ordens konnte grausam sein, wenn man die Regeln brach. Und sie hatte gegen genug davon verstoßen. Nicht einmal Aura würde sie dann noch beschützen können. Nach einer langen, anstrengenden Hatz kam das kleine Rudel um Artus und Runa endlich im Rebellenlager an. Artus bemerkte gleich, das Aura Recht hatte und ein neues Rudel hinzugestoßen war. Wer mochte das nur sein? Viel Zeit zum Nachdenken hatte er jedoch nicht, den Runa steuerte umgehend auf die Rebellenführer zu. Dort sah er den Neuankömmling. Eine unscheinbare, graue Wölfin. Als sie das Rudel bemerkte, lächelte sie diese an und der schwarze Rüde musste zurück grinsen. Eine scharfe Stimme durchschnitt die Stille. Es war Skadi. "Ah, ihr seid also zurück! Schön und ihr habt uns was mitgebracht?" Sie sah Erin geringschätzig an. "Das müsst ihr mir noch erklären, doch zuerst möchte ich euch noch unsere neueste Verbündete vorstellen: Felana. Sie ist uns mit ihrem großen Rudel zu Hilfe gekommen, aber ich denke Runa ist sie bekannt?“ Skadi wartete allerdings keine Antwort ab, sie fuhr fort: "Nun gut, so erstattet mir Bericht!" Sie sah die Gelbe auffordernd an und in dem Moment, wo diese das Maul öffnen wollte, schrie Erin laut auf: "Nein! Wir sind in Gefahr!“ Kapitel 13: Das Verhör ---------------------- So sehr sich die Verfolgten auch bemühten ihre Spuren zu verwischen, die Jäger durchschauten ihren Plan und waren ihnen dicht auf den Fersen. Allerdings hielt sie die ganze Aktion schon ziemlich auf und so kamen sie erst später im Revier der Rebellen an. Pavan konnte immer noch nicht fassen, was gerade geschah. Wie konnte seine Schwester nur so einen Verrat begehen? Mittlerweile war wohl allen klar, dass sie sich nicht nur verlaufen hatte und wie eine Entführung sah das alles auch nicht aus, nein, sie schien eine Verräterin zu sein. Erst fing sein Vater an zu spinnen und nun auch noch seine Schwester. Der junge Wolf konnte die Welt nicht mehr verstehen. Dazu musste er noch Spott seiner Kameraden über sich ergehen lassen, weil seine Familie sich so aufführte und so langsam begann in ihm etwas zu zerbrechen. Sein Mentor hatte wohl recht, er kam aus einer Familie von Verbrechern und nur er schien die Dinge mit klarem Verstand wahrzunehmen. An der Grenze, die deutliche Markierungen aufwies, blieb die Gruppe aus acht Rüden stehen und besprach das weitere Vorgehen. „Es müssen in dieser Revier sehr viele Wölfe sein. Da ist Vorsicht angesagt“, gab Zuio, ein gelbbrauner Wolf zu verstehen. „Es ist wohl nicht klug da einfach so hereinzuplatzen. Außerdem sollten wir herausfinden, ob das vielleicht Rebellen sind.“ Alle nickten. „Wir könnten uns zurückziehen und die Wachrundgänge genau beobachten“, warf Pavan ein, worauf ihn die älteren Jäger ein wenig ärgerlich ansahen, weil sich keiner von ihnen gerne etwas von einem Jungwolf sagen ließ. „Das wird nicht nötig sein“, kam es plötzlich von der Seite. „Denke ich auch!“, sagte eine weitere Stimme. Aus dem Gebüsch tauchten plötzlich ein ganzer Haufen Rebellen auf und umzingelten das deutlich kleinere Rudel. „Gebt auf oder ihr werdet die Konsequenzen tragen“, ließ einer der Magier verlauten. Zuio knurrte daraufhin und sprang auf den jungen Wolf zu, doch dieser setzte Magie ein, was dem Angreifer tiefe Wunden zufügte, die ihn ohne Versorgung innerhalb kürzester Zeit verbluten lassen würden. Das wollten sich die Jäger nicht gefallen lassen und griffen an. Der Kampf würde nicht lange dauern, dass wussten beide Seiten und jeder konnte auch sagen wer gewann. Der graubraune Jungrüde kämpfte mit allem was er hatte, doch gegen so viel Magie gab es einfach kein Mittel. Etwas traf ihn am Kopf und sofort wurde alles schwarz um ihn. „Erin?“, fragte Runa verwundert, doch die schaffte es nicht mehr zu antworten, da kam schon Talon angerannt und meinte: „Jäger! Jäger vor unseren Grenzen! Wir konnte sie allerdings stellen und schlagen.“ „Sie müssen uns gefolgt sein. Habt ihr sie getötet?“ Die Gelbe sah ihn ernst an. „Drei sind noch am Leben. Der Anführer der Gruppe, ein brauner Wolf mit einer üblen Narbe am Auge und zwei junge Rüden. Sie wurden in eine der Höhlen geschleppt und warten auf Befragung. Skadi, du willst sicher dabei sein?“ Die Fähe nickte energisch: "Ich muss euch leider alleine lassen, ein Verhör wartet auf mich. Ich möchte Rena und die anderen ebenfalls dabei haben, ah und dich auch Talon, vielleicht kennst du das Gesindel!" Skadi machte sich umgehend auf. Erin blieb mit Runa, Artus und Felana allein zurück. Die Jungwölfin war noch immer verwirrt, Aura hatte ihr noch nie eine so starke Botschaft geschickt, doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. "Ich muss da auch hin! Mein Bruder!" Panisch sah sie in die Runde und wollte loslaufen, in der Hoffnung beim Verhör dabei zu sein. Runa stellte sich der jungen Magierin in den Weg. „Du solltest dich zurückhalten. Keiner von ihnen wird getötet werden, man befragt sie nur. Wir sind keine Barbaren. Falls dein Bruder dabei sein sollte, werde ich dafür sorgen, dass du ihn sehen kannst.“ Erin sah traurig zu Boden und antwortete Runa: "Du weißt ja von nichts, gelbe Wölfin, aber ich versichere dir, dass mein Bruder in der Gruppe dabei ist. Er, der graue Wolf, ein weiterer Schüler mit braunen Fell und ihr Mentor Rhodri. Einer der gefährlichsten Wölfe im Orden.“ „Wir werden das überprüfen, Erin, gedulde dich ein wenig. Bei dem Verhör können wir nicht stören. Es würde nicht zum Vorteil für deinen Bruder sein“, erklärte Runa ruhig. Die Ungeduld der jungen Wölfin war verständlich, aber es würde im Moment nichts helfen. Dann blickte Runa mit einem Lächeln auf den Lefzen zur Felana: „Es muss eine Ewigkeit her sein, dass wir uns gesehen haben. Schön, dass du dich uns anschließt. Ich hoffe dir ist klar, worauf du dich hier einlässt?“ "Ja, es ist schon eine Ewigkeit her und ich wünschte wir hätten uns zu einem günstigerem Zeitpunkt getroffen, aber es herrscht Krieg. Mein Rudel ist groß und stark, doch als wir uns aufmachten wusste jeder, dass nicht alle wieder zurückkommen würden. Wir sind weit gereist, aber selbst hoch im Norden hat man Gerüchte und Geschichten über diesen Orden gehört. Es waren bei weitem keine guten, deswegen müssen wir diesen Orden schnellstmöglich besiegen, ehe noch mehr unschuldige Seelen zu Tode kommen." Dann sah sie zu Erin. "Gut gemacht, kleine Wölfin, doch höre auf Runa und handle mit Bedacht und Respekt." Die Angesprochene nickte kurz, doch sie war zu aufgewühlt, dass sie an ihre guten Manieren denken konnte. „Ich kann mich nur bedanken, Felana“, meinte die Gelbe. „Es ist ein großes Opfer, was du bringen willst, aber ich bin sicher zusammen können wir den Orden plattmachen. Dass die Geschichte des Ordens so weit über die Grenze hinaus erzählt wird, hätte ich gar nicht gedacht. Aber erzähl, was ist in den letzten Jahren so passiert? Gibt es einen Rüden an deiner Seite? Wie groß ist dein Rudel?“ Es handelte sich um einfachen Tratsch, aber genau das war es, was man ab und zu brauchte. Gute Nachrichten, weit weg vom Krieg. Vielleicht lenkte das auch Erin ein wenig ab, hoffte Runa. Erin blieb stumm und hört aufmerksam zu. Sie wusste, dass es ohnehin wenig Sinn machte, sich mit der Gelben anzulegen. Sie war nicht mehr im Orden, hier herrschten andere Regeln. Felana meinte: "Wenn wir es dem Orden sobald als möglich zeigen, werden wir gute Chancen haben. Ich hörte nicht vieles über den Orden, doch das was ich hörte reichte. Doch auch erst seit dieses Monster die Macht an sich gerissen hat. Zuvor war mir der Orden nicht bekannt." Dann lächelte die Graue. "Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, bin ich noch lange herumgereist, bis ich endlich im Norden einen Flecken gefunden habe. Während meiner Reise schlossen sich Wölfe an, die nun in meinem Rudel sind. Es ist sehr groß, an die 60 Wölfe, wir habe sehr viel Futter und viel Platz. Die Rudelregeln sind auch lockerer. Jedes Wolfspaar hat das Recht auf Nachwuchs. Jedoch nur ein Wurf, außer der vorherige Wurf ist bereits abgewandert. Sonst würde es wirklich zu viel werden. Doch meine Wölfe leben in dem großen Revier verstreut. Nur zum Jagen kommen wir zusammen. In der Tat habe ich einen Gefährten, der ist jedoch bei denen geblieben, die nicht mit mir in die Schlacht ziehen konnten oder wollten. Es war jeden freigestellt, ob er mitkommen möchte oder nicht. Etwa die Hälfte des Rudels ist nun hier. Aber sag, wie ist es dir so ergangen?“ „Der dunkle Wolf ist unser Hauptproblem“, bestätigte die Gelbe nickend. „Oh, Respekt 60 Wölfe sind eine Menge und die Hälfte davon ist für unseren Kampf eine große Unterstützung. Mittlerweile ist das Rebellenrudel so groß, dass ich schon gar nicht mehr sagen kann, wie viele wir hier sind. Andauernd vergrößert sich unsere Streitmacht und so langsam können wir es wohl zahlenmäßig locker mit dem Orden aufnehmen. Allerdings haben diese eben sehr mächtige Magier, die wir nicht unterschätzen dürfen. Wie es mir ergangen ist? Nun ich bin nach unserem letzten Treffen wieder zur Grenze des Ordens zurückgekehrt, wo mich ein Rudel aufnahm. Irgendwann wurde ich die Alphawölfin.“ Traurig blickte sie zu Boden. „Dann kam der dunkle Wolf und riss uns alle auseinander. Ich musste fliehen, damit mein Rudel die Schuld auf mich schieben konnte und die schwarze Bestie sie verschonte. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich bis heute nicht. Auf mich alleine gestellt, fand ich schließlich zu den Rebellen, die damals ein wenig mehr als eine Pfote Wölfe waren. Ich half beim Vergrößern des Rudels so gut ich konnte und die siehst ja, wie erfolgreich wir waren.“ Felana nickte. "Das tut mir Leid, doch ich bin mir sicher, dass wir dieses Scheusal in die Knie zwingen werden!" Dann mischte sich wieder Erin in das Gespräch ein: "Es tut mir leid, dass ich euch unterbreche, doch eines wollte ich noch sagen: Traut dem braunen Wolf nicht! Er ist hinterlistiger als ihr denkt!" Felana sah die Wölfin an und antwortete: "Danke für deine Warnung!" Die Junge nickte nur traurig. „Unsere Anführer sind nicht leichtgläubig und Jägern vertrauen wir grundsätzlich nicht.“ Runa erwähnte dabei nicht, dass es für ihren Bruder deswegen schlecht aussah, aber er war jung und konnte vielleicht einer härteren Strafe entgehen. Getötet werden würde er aber auf keinen Fall, davon war sie überzeugt. Zumindest wollte sie sich das einreden. Die blaugraue Heilerin traf in der Höhle ein, in die man sie gerufen hatte, und stellte überrascht fest, dass sich darin drei verletzte Jäger befanden. Eine der Wachen, insgesamt waren es fünf innerhalb und noch einmal zwei vor dem Eingang, kam auf sie zu und klärte sie auf: „Die haben sich an unserer Reviergrenze herumgetrieben. Der Kleine da“, er deutete mit der Schnauze auf graubraunen Jungwolf, „hat etwas am Kopf abbekommen. Wir brauchen eine Heilung. Nur das Nötigste, damit auch er befragt werden kann.“ Lexie nickte und begab sich zu dem Patienten, der mit einer kurzen Berührung schnell geheilt war. Es handelte sich nur um eine Gehirnerschütterung, kein Problem für eine erfahrene Heilerin. „Na, ist es besser?“, fragte sie sanft und sah ihm in die Augen, die ihr in Rot entgegenstrahlten. Warum kam ihr der Junge nur so bekannt vor? In diesem Moment stürmten die Anführer in den Bau, in dem es langsam verdammt eng wurde. Die blaugraue Wölfin trat zurück und begab sich in den Hintergrund, so dass die Neuangekommenen freie Sicht auf die Gefangenen hatten. Talon betrachtete die Jäger genau: „Die beiden Jünglinge kenne ich nicht, aber der hier“, seine Pfote zeigte auf Rhodri, „ist einer der Elitejäger.“ Skadi nickte. "So dann ist er unser Mann!" Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. "Was wollt ihr hier? Und wer hat euch geschickt?" Ein drohendes Knurren kam dabei aus ihrem Maul. Der Braune schwieg und starrte die dunkle Anführerin nur starr an. Das man am besten nichts sagte, wenn man gefangen genommen wurde, lernte man schon in der Ausbildung, das wusste Pavan genau, doch er merkte auch wie die Wut ihn ihm hochstieg und er den Drang verspürte diesen Wölfen an die Kehle zu springen. Natürlich hielt er sich zurück. „Wir können auch den Jünglingen etwas antun, wenn du nicht sprechen willst, Jäger“, warnte Talon ihn, nicht in dem Wissen, dass das Rhodri nun wirklich nicht von seinem Vorhaben abbringen konnte. Daraufhin schob sich der braungraue Jungwolf noch vorne. „Wir werden genauso keine Informationen preisgeben, egal was ihr mit uns macht!“ Doch dann sah er zu seinem Kameraden, der es deutlich mit der Angst zu tun hatte. Jeder der Anwesenden würde erkennen zu wem er gehen musste, wenn er Informationen haben wollte, denn das war die schwächste Glied der drei Gefangenen. Sein Name war Zuian und sein Fell glänzte im einem sehr dunklen und dreckigen Braun, dazu hatte er noch auffällige pinke Augen. Seine ganze Erscheinung konnte man wohl nicht als hübsch bezeichnen. Er war etwas älter als Pavan, aber kein besonders guter oder mutiger Schüler. Insgeheim ärgerte sich der Graubraune, dass man so einen unfähigen Wolf überhaupt mitgenommen hatte, wahrscheinlich verdankte er sein Überleben des letzten Kampfes wohl nur seiner Feigheit. Skadi lächelte höhnisch. "Uns ist es auch egal, was mit euch geschieht!" Sie knurrte, dann sah sie zu Zuian und lächelte. Er war schwach, zu schwach. Ihre Augen glühten ihn regelrecht an, ein Lichtstrahl aus Magie erschien und legte sich um den jungen Wolf wie Ketten. Zuian schrie gequält auf. Skadi schnürte die magische Kette noch etwas enger. Der magische Strahl war sehr kalt, dies schmerzte den jungen Wolf nun noch mehr. "So was ist? Redet ihr nun oder soll ich euren Gefährten ernsthaft verletzten?" Sie blickte in die Runde doch ihr eindringlicher Blick blieb auf Zuian hängen. Sie wusste, dass sie in diesem Moment brutal vor ging, jedoch würde es anders nicht helfen. "Du kannst dich auch gerne selber verteidigen, Jüngling!" Kuckunniwi betrachtete das Schauspiel fasziniert. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Skadi konnte wirklich gnadenlos sein, er würde es jedoch nicht wagen, ihr zu wiedersprechen. Geschockt starrte Pavan auf seinen Kameraden, der ängstlich wimmerte. Würden sie hier herauskommen - was im Moment allerdings nicht danach aussah - wäre klar, wer seine Karriere als Jäger an den Nagel hängen konnte. Dieser Wolf war vollkommen ungeeignet, stellte sich heraus. Der Graubraune sah zu seinem Mentor und hoffte dieser würde handeln, aber es zeichnete sich nur ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ab. „Was wollt ihr damit bezwecken?“, fragte er höhnisch. „Ihr seid nicht so wie der Orden. Ihr bringt keine unschuldigen Kinder um, sonst wärt ihr nicht besser als wir.“ Zuian schrie verzweifelt auf, als sich der Zauber fester um ihn schlang und plötzlich war es jemand ganz Unerwartetes, der sich in den Vordergrund drängte und rief: „Halt.“ Lexie stand mit angelegten Ohren zwischen Skadi und dem jungen Rüden. „Ich stimme ihm zu. So sehr ich die Jäger verachte, aber er hat recht. Krieg hin oder her, wir dürfen nicht so werden wie die, die wir hassen. Sonst wird das niemals enden. Und wir wissen es doch schon. Sie wurden vom Orden geschickt. Man kann man schon kilometerweit riechen, das sie von dort kommen.“ Wenn sie genau hinroch, kam ihr der Geruch des brauen Wolfes unheimlich bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht zuordnen, nur brachte sie es mit nichts Gutem in Verbindung. Als Rhodri die blaue Wölfin sah, erstarrte er für eine kurzen Augenblick. Das war doch sie? Genau die Wölfin, die er vor nicht allzu langer Zeit schon einmal dem Orden ausgeliefert hatte, aber was machte sie hier? Er musste mehr über diese Rebellen in Erfahrung bringen. Die Kleine war ihm gerade egal. Die Informationen, die er hier erhalten würde, wären bei Weitem viel wertvoller. Doch wie sollte er es anstellen, daran zu kommen? Sie würden ihm sicher nicht vertrauen, aber er hatte eine Idee. Leise räusperte er sich und sprach zu Skadi und den anderen Rebellenführer: "Bitte lasst ihn los, er ist noch jung. Man sollte kein unschuldiges Blut vergießen." Seine Augen huschten kurz zu Lexie, dann blickte er wieder zu Boden. "Was wollt ihr von uns? Wir waren doch nur auf der Suche nach der Schwester dieses kleinen Rüden." Wehleidig und mit unterwürfiger Miene verbeugte er sich vor den Rebellenführern. Kapitel 14: In den Fängen der Rebellen -------------------------------------- Pavan starrte seinen Mentor geschockt an. Was sollte das jetzt? Fuhr er etwa eine andere Strategie oder machte ihm der mögliche Tod doch Angst? Starr blieb der junge Rüde stehen und wagte es nicht einen Mucks von sich zu geben, aber in seinen Augen verhielt sich Rhodri nicht gemäß den Regeln des Ordens. Die Rudelführerin Rena hatte sich die ganze Zeit herausgehalten, aber nun konnte sie sich ein Knurren nicht verkneifen. „Wir sollen dir dieses Schauspiel tatsächlich abkaufen? Ich halte es durchaus für die Wahrheit, dass ihr nach der Schwester sucht, aber die Frage ist warum? Sie darf hingehen, wohin sie will, das könnte ihr nicht bestimmen und schon gar nicht euer verdammter Orden! Und was wolltet ihr dann mit ihr machen? Sie umbringen, richtig? Allein dafür sollte man euch die Köpfe von den Hälsen abtrennen.“ Die Rote war dafür bekannt extreme Maßnahmen anzuwenden, aber das ging natürlich zu weit und diente mehr als Drohung. Skadi lachte hämisch. "Na, da habt ihr es gehört. Ich wüsste jedoch viel Schlimmeres als Töten. Wie wäre es wenn ihr keine Zunge mehr hättet oder euch ein Auge fehlen würde?" Sie sah dabei zu Rhodri. "Wäre sicher nicht optimal, Einauge!" Der Braune brummte die Wölfin wütend an, dennoch versuchte er ruhig zu bleiben. Er wusste, sie wollten an Informationen. Er musste sich etwas überlegen. Wieder übernahm Skadi das Wort: "Oder was würdet ihr machen, wenn wir euch in den Kerker werfen? Ich glaube nicht, dass sich ein primitiver Jäger aus dem Verlies alleine retten könnte. Dazu müsstet ihr schon Magier sein, aber das seid ihr leider nicht." Die Anführerin lächelte. Sie kostete ihren Vorteil voll und ganz aus. Sie und die Rebellen waren momentan einfach im Vorteil. Alle drei Jäger schwiegen weiterhin. Schließlich erkannte Skadi, dass das heute nichts mehr werden würde und befahl gelangweilt: "Bringt sie in die Kerkerhöhlen und macht sie gefügig. Wie, das ist eure Sache." Sie sah dabei zu einer Gruppe von Wachen, die aus starken, muskulösen Rüden mit magischen Fähigkeiten bestand. "Oder gibt es noch irgendwelche Einwände von irgendeiner Seite?" Niemand hatte etwas einzuwenden, die Wenigsten würden es auch wagen Skadi zu widersprechen. Die Wachen umkreisten die drei Gefangenen und führten sie ab. Alle Anwesenden sahen ihnen nach und Lexie fragte sich, was wohl im Kerker mit ihnen geschehen würde. Sie wusste zwar von den Anlagen, war aber noch nie dort gewesen, denn die Gerüchte, die umhergingen, hatten sie immer ferngehalten, weil es ein schrecklicher Ort sein musste. Der junge, graue Jäger merkte wie sein Herz bis zum Hals schlug, so sehr er es auch zu unterdrücken versuchte, er verspüre Angst. Man hatte ihm beigebracht, dass alle Wilden Monster waren und dieser Eindruck bestätigte sich jetzt. Der Kerker lag in einem sehr steinigen Gebiet, etwas außerhalb von den Höhlen, die von den Rebellen bewohnt wurden. Knurrend und Zähne fletschend trieb man die Jäger in den Untergrund, der sich als sehr geräumig entpuppte. Es roch ekelerregend, so dass Pavan sich wirklich zurückhalten musste, um nicht angewidert zu husten. „Da rein!“, meinte eine der Wachen streng, worauf die Jäger wohl oder übel hören mussten. Vor ihnen erstreckte sich eine dunkle, dreckige Höhle, die nach Urin und anderen Dingen, über die die Gefangenen gar nicht nachdenken wollten, roch. „Ihr wartet hier. Ein Versuch auszubrechen wird euch nichts bringen, nur dass ihr es wisst. Hier ist alles mit Magie geschützt.“ Daraufhin ließ man sie alleine. Rhodri brodelte innerlich. Wie konnte es nur so weit kommen? Er brauchte einen Plan, um fliehen zu können und wenn er über Leichen gehen würde. Er sah zu Pavan und Zuian. Sein Blick blieb auf dem Schwächeren der beiden hängen. Er überlegte still: Dieser Jüngling ist schwach, zu schwach. Er würde sicher alles verraten, wenn man ihn dazu zwingen würde. Pavan hingegen ist besser. Zuian muss sterben. Kaum unmerklich winkte Rhodri seinen Schüler zu sich. Der andere Schüler war zu ängstlich um etwas zu merken. Er lag nur auf dem Boden, zitternd und laut atmend. War es der Schock oder die Magie oder beides, er konnte es selbst nicht sagen. Er dachte immer, er wäre ein guter Jäger, doch gerade eben wäre er alles lieber als an diesem Ort. Die beiden anderen Jäger wandten sich von dem Jungwolf ab. Dann flüsterte Rhodri leise: "Zuian ist schwach, er wird sicher den Rebellen alles verraten." Er machte eine Pause. "Ich denke wir müssen uns ihm entledigen oder was meinst du?" Er sah Pavan mit seinem gesunden Auge eindringlich an. Geschockt starrte der graue Rüde seinen Meister an. Im Grunde wusste er, dass dieser recht hatte, aber einen Kameraden töten, dass wollte er nicht. „Wir…wir können doch nicht?“, stammelte er entsetzt. Aber war es nicht so, dass ihn die Wilden sowieso töten würden? Wie lange konnte Zuian hier unten überleben? Sie würden ihn sicher foltern und leiden lassen und dieser junge Rüde hielt fast gar nichts aus, war es da nicht besser ihn gleich zu erlösen? Ein Tod durch seine Begleiter wäre schmerzlos und schnell. Mit angelegten Ohren fuhr Pavan fort: „Ich hoffe ihr versteht, Meister, dass ich es nicht tun kann,“ seine Kopf zeigte Richtung Boden, als er weitersprach, „aber ich werde auch nicht einschreiten, wenn Ihr das tut, was Ihr tun müsst.“ Bedrückt suchte er den Blick von Rhodri, nur um sich dann gleich wieder abzuwenden. Er musste jetzt stark sein, denn es zählten hier nur die Interessen des Ordens. Der Ältere lachte höhnisch. "Und so was will ein guter Jäger sein? Dass ich nicht lache! Wenn sie ihn foltern, dann wird er alles preisgeben, alles! Und wer weiß, was sie mit deiner Schwester anstellen werden, wenn sie erfahren, dass du ihr Bruder bist. Pavan, es wird dir nichts anderes übrig bleiben. Doch du kannst gerne noch weiter überlegen, vielleicht kommen ja die Wilden in der Zwischenzeit wieder zurück." Dann wandte sich Rhodri ab und legte sich in eine Ecke des stinkigen Verlieses. Pah, sollte sich doch der Kleine die Pfoten schmutzig machen, dachte sich der Braune. Doch würde Pavan dazu wirklich in der Lage sein? Es wurde immer schlimmer, aber eines stand fest: Der Graubraune konnte seinen schwachen Kameraden nicht töten, soweit war er noch nicht gesunken. Er sah es nicht als schlimm einen Wilden zur Stecke zu bringen, immerhin waren sie die Feinde und für ihr Tun selbst verantwortlich, doch einen aus den eigenen Reihen umzubringen? Nein, so etwas hatte man ihnen auf der Jägerschule nicht beigebracht und selbst Rhodri wusste, dass dieses Vorgehen ein klarer Regelverstoß sein würde. Jetzt dachte Pavan an seinen Vater. Was würde er in dieser Situation tun? Ganz sicher tötet er keinen anderen Jäger, oder doch? War es vermutlich das Beste? Doch der Graue wusste, er konnte es nicht. Alles in ihm sträubte sich gegen den Plan seines Meisters, auch wenn er vielleicht seine Schwester damit in Gefahr brachte, er wollte dafür kein unschuldiges Blut vergießen. Langsam ging er zu dem kauernden Rüden herüber und beugte sich zu ihm herunter: „Beruhige dich. Ich bin sicher wir finden einen Weg zu entkommen. Alles wird gut.“ Danach suchte sich der junge Wolf selbst eine Ecke und ließ sich dort nieder. Rhodri knurrte. Pavan war ein Feigling, sollte er doch selber zusehen, wie er hier weiter kam. Er wollte sich jedoch nicht die Pfoten schmutzig machen. Knurren ließ er sich nieder um zu Überlegen. Wie sollten sie hier jemals wieder rauskommen? Die gelbe Fähe führte die beiden Neuankömmlinge ein wenig im Lager herum und erklärte ihnen alles. Felana und ihr Rudel hatten bereits einen Bereich zugewiesen bekommen, Erin würde ein Weile bei Runa wohnen können, bis man eine Höhle für sie fand. Mittlerweile war das Revier schon ziemlich überfüllt und gar nicht mehr einfach alle unterzubringen, deswegen gab es schon ein paar Wölfe, die neue Behausungen buddelten oder mit Magie herstellten. Als sie dem Trainingsbereich näher kamen, waren Felana und Runa in einem Gespräch über alte Zeiten vertieft, also plötzlich eine junge, blaugraue Wölfin um die Ecke bog, die einer aufgeregten Ente hinterher lief. „Ich krieg dich!“, rief Chiyo, doch dann sah sie Erin vor sich und versuchte vergeblich zu bremsen. Mit einem Schlag krachte sie in die graue Wölfin und riss sie um. Erin wusste bescheid, sie wehrte sich dagegen, dass sie andauernd Visionen hatte und alles voraus sehen konnte. Sie hasste ihre Fähigkeit, daher dachte sie gar nicht weiter über Pavan und die anderen nach. Wenn sie verdrängen konnte, dann konnte sie auch keine Visionen empfangen. Da sie ganz in Gedanken versunken war, bemerkte sie die Wölfin zu spät. Von einer zu anderen Sekunde lag sie am Boden, über ihr eine Wölfin im gleichen Alter. Schnell befreite sie sich aus der misslichen Lage. Plötzlich hielt sie kurz inne. Was war das? Eine weitere Vision? Erin schüttelte sich, sie wollte keine Visionen mehr haben. Sie sah zu der Wölfin und im selben Moment kam noch ein Rüde dazu. Er hatte alles mitbekommen, verlegen kam er auf die beiden Wölfinnen zu. "Hey, entschuldige bitte, wir haben eine Ente gejagt und naja, leider war meine Schwester etwas zu stürmisch." Aramis blinzelte kurz zu Chiyo. "Kein Problem, ist das Teil eurer Ausbildung?", frage Erin höflich nach. "Ausbildung? Ach nein, das machen wir aus Spaß!" Er grinste. Erin hob die Augenbrauen. "Spaß?" "Ja, Spaß, kennst du das nicht?", meinte Aramis etwas unsicher. "Naja..." Doch Erin konnte den Satz nicht beenden, denn der junge Rüde viel ihr ins Wort: "Ich bin übrigens Aramis und das ist meine Schwester! Und wer bist du?" "Mein Name ist Erin und ich bin neu hier!“ „Chiyo“, stellte sich die junge Wölfin vor, die immer noch ziemlich verdattert drein blickte, dann rappelte sie sich so schnell es ging auf. „Im Moment kommen so viele neue hier an, man verliert schon den Überblick. Sollen wir dir die Schule zeigen?“ Die Blaugraue ließ Erin keine Wahl und stürmte schon schwanzwedelnd voraus. Erin lächelte. Schnell folgte sie Chiyo und ihrem Bruder. Sie war schon ganz gespannt auf das Lager der Rebellen. Zudem tat es ihr ganz gut mit den Gedanken nicht mehr bei Pavan sein. Runa sah den drei Jungwölfen hinterher und meinte zu Felana: „Sie scheint sich schon Freundschaften zu schließen. Hast du es auch gemerkt? Sie ist mächtig, nicht wahr?“ Felana nickte. "Oh ja sie ist eine sehr starke Wölfin. Doch ich sehe auch großes Potenzial in den anderen beiden Jungwölfen. Es sollte schnellstmöglich noch weiter ausgebaut werden. Ich fürchte der finale Kampf gegen den Orden wird bald bevorstehen." Sie sah traurig in den Himmel. "Schade, dass sich Wölfe gegenseitig bekämpfen müssen. Das Spiel mit der Macht ist sinnlos.“ Die Gelbe konnte ihrem Gegenüber nur zustimmen. „Ich schätze auch, dass der Krieg nicht mehr weit entfernt ist. Vermutlich wird es wieder viele Toten geben, wie vor ein paar Jahren. Wenn ich nur daran denke, stehen mir alle Nackenhaare zu Berge.“ Aramis und Chiyo zeigten Erin aufgeregt das Lager. Die drei Jungwölfe jagten nur so an den Behausungen vorbei, bis sie schließlich den Fluss erreichten. „Das Gewässer ist die westliche Grenze, dahinter liegen nur noch die Kerkerhöhlen, ein Gebiet, in das man sich nicht wagen sollte“, erklärte Chiyo. „Ich war da noch nie.“ Die graue Fähe sah unschlüssig zu den Höhlen, sie wusste, dass dort Pavan gefangen war und in großer Gefahr schwebte. Leise fragte sie die Jungwölfe: "Ist das Gelände für alle zugängig oder darf da nicht jeder hin?" Aramis sah die Graue etwas verwirrt an. "Aber Erin, was willst du denn dort? Kein normaler Wolf geht da freiwillig hin. Aber ein offizielles Verbot, dass man da nicht hin sollte, gibt es glaub ich nicht, oder?" Er sah seine Schwester fragend an. „Richtig, man darf dorthin“, meinte Chiyo. „Nur kommt niemand auf die Idee diesen Ort aufzusuchen. Ob man die Kerker selbst besuchen darf, da bin ich allerdings überfragt. Aber dort sind doch nur Jäger.“ Neugierig blickte sie wieder zu den Höhlen. „Vielleicht sollten wir einen Blick dorthin wagen? Was meint ihr?“ Erin nickte. "Ich werde zu den Kerkern gehen!" Kapitel 15: Eigensinniger Nachwuchs ----------------------------------- Aramis sah überrascht aus und wendete sich schließlich an seine Schwester. "Ich weiß nicht, Chi? Ich müsste da nicht unbedingt hin, weil da sowieso nur Verbrecher gefangen sind. Erst heute haben sie wieder welche eingebuchtet, hab ich gehört. Und ich denke Skadi wird auch nicht so begeistert sein, wenn wir uns da herumtreiben. Du kennst sie ja, wie mürrisch sie sein kann.“ „Feigling!“, rief die Blauschwarze und rannte einmal um ihren Bruder herum. „Dann gehen eben nur Erin und ich. Du kannst ja zu unserer Mutter rennen und petzen.“ Eigentlich verstanden sich die beiden gut, aber ab und zu kamen eben die typischen Geschwisterstreitereien zustande. „Komm schon“, meinte die junge Magierin zu ihrer neuen Freundin und wie es ihre Art war, rannte sie unbedacht und sorglos voraus. Starke Neugierde hatte sie schon immer gelenkt, gepaart mit ihrer Naivität und ihrem unvorsichtigem Vorgehen, war das eine ziemlich gefährliche Mischung. Das Gebiet selbst wirkte nicht sehr einladend, aber das hinderte die zwei Jungfähen nicht daran weiter vorzudringen. Wachen waren in diesem Moment keine zu sehen, aber es konnte sich wohl jeder denken, dass es sie irgendwo gab, auch wenn das Gefängnis sicherlich über und über mit Zaubern geschützt wurde. Nicht magische Wesen konnten dem kaum entkommen. Auch den Geruch empfand Chiyo abstoßend, aber was erwartete man anderes von einem Kerker? Dann erblickte sie einen Eingang, der in eine Höhle führte. „Sollen wir uns da hineinwagen?“, fragte sie ihre Begleiterin. Diese sah die Höhle stumm an. Sie schluckte, konnte sie doch erahnen, was sich darin verbarg. "Nun ja...jetzt wo wir schon da sind..." Plötzlich hörten sie Stimmen. Schnell versteckten sich die beiden hinter einem Felsen. Zwei Wölfe waren in Anmarsch, wie Erin erfühlen konnte. Ihr Herz pochte laut. Sie sah zu Chiyo, die nicht weniger geschockt aussah. Doch warum fürchteten sie sich so sehr? Im Grunde war es ja nicht verboten, doch dann konnte man sie schon sehen: Zwei große, kräftig gebaute Rüden nahmen ihren Platz als Wachposten ein. Die wirkten irgendwie schon ziemlich bedrohlich. "Was sollen wir nun machen?“, flüsterte die Graue. „Uns einen anderen Eingang suchen, wird wahrscheinlich nicht klappen, es dürfte nämlich keine weiteren geben. Vielleicht ist das wirklich ein Nummer zu groß für uns und wir sollten wieder zurück zu den anderen“, meinte Chiyo enttäuscht. „Mein Bruder könnte uns auch verpetzten und du willst doch nicht gleich am ersten Tag Ärger haben, oder?“ Es war nicht so, dass sie den Plan schon komplett verworfen hatte, doch im Moment machte es einfach keinen Sinn. Man durfte zwar das Gelände betreten, aber die Höhlen der Gefangenen sicher nicht ohne guten Grund. Die kräftigen Rüden schüchterten die junge Fähe dann doch etwas ein, auch wenn sie für eine Wölfin nicht unbedingt die Kleinste war. Erin nickte entschlossen. "Ja du hast recht, heute ist nicht der richtige Zeitpunkt." Sie dachte kurz an ihren Bruder Pavan, doch verwarf den Gedanken sofort, aus Angst vor einer Vision. Langsam schlichen sich die beiden wieder fort. Als sie aus Reichweite der Wachen waren, rannten sie schnell wieder zurück. Oben auf dem Felsen, von dem man die Kerker sehen konnte, saß nach wie vor der unschlüssige Aramis. Als er die beiden kommen sah, wedelte er freudig mit dem Schwanz. "Irgendwie habe ich geahnt, dass ihr es da unten nicht lange aushaltet!" Chiyo sah ihren Bruder mit einem leicht arroganten Blick an. „Wenigstens sind wir nicht so feige wie du und haben uns ganz gedrückt.“ Daraufhin stolzierte sie in Richtung Lager zurück. Die Tage waren ins Land gezogen und so langsam neigte sich der Sommer eindeutig dem Ende zu. Die ersten Blätter der Bäume färbten sich ein, die Nächte wurde ein wenig kälter, nur am Tage merkte man noch ab und zu die Wärme des Sommers, der noch nicht ganz verschwinden wollte. Nimrod spürte den nähernden Herbst in seinen alten Knochen und irgendwie bekam er das Gefühl nicht los, dass das sein letzter Winter sein würde. Die Grenze des Ordensrevier lag nun ganze vier Sonnenaufgänge hinter ihnen und bis jetzt hatten sie nichts als Wiesen und Wälder durchquert. Von Wölfen gab es so gut wie keine Spuren, nur ein Rudel musste sich einmal einige Kilometer nicht allzu weit weg befunden haben, denn man hatte sie heulen gehört, doch das lag nun auch schon zwei Tag zurück. Die meiste Zeit liefen die Gefährten stumm nebeneinander her, das macht aber nichts, da sie keine Worte brauchten, um sich zu verstehen. Doch nun beschloss der Graue die Stille zu durchbrechen: „Glaubst du, wir laufen in die richtige Richtung? Auras Sohn hat den Orden vor so langer Zeit verlassen, wer weiß schon, ob er nicht doch wo ganz anders ist.“ Den weißen Wolf wollte er nicht erwähnen, denn er glaubte immer noch nicht daran. Nach ihm zu suchen, würde nur unnötige Zeit verschwenden und selbst wenn es ihn gab, warum sollte er ihnen helfen? Was ging ihn das Schicksal irgendwelcher Wölfe an, die meilenweit von seinem Revier entfernt lebten? Akira sah ihren Gefährten traurig an. "Ich weiß es nicht, aber ich denke wir sind auf der richtigen Spur... zumindest hoffe ich das. Wir sind schon weit vom Orden entfernt und bestimmt schon im Revier der Wilden. Seltsam, dass wir niemanden begegnet sind bisher." Aus sicherer Entfernung beobachte sie neugierig ein Rüde. Er blickte von einem Felsen herab. Der Wind lag günstig, weswegen ihn das Paar nicht bemerkte. Gespannt blickte er auf die beiden Wölfe. Er war eingeteilt Wache zu halten. Normal gab es an den äußeren Grenzen nicht viel zu sehen außer Steinen, doch er mochte diesen Wachposten, da er recht gerne alleine war. Im Grunde bereute er es, dass er Felana begleitet hatte. Hier würde ihm ohnehin die Vergangenheit einholen und wenn er den beiden so zusah, bekam er das Gefühl nicht los, dass es wohl früher war als gedacht. „Wir sind wirklich schon sehr weit ins Gebiet der Wilden vorgedrungen. Hier war ich noch nie“, merkte der graue Rüde an. „Vielleicht sollten wir eine Pause einlegen. So langsam knurrt mir der Magen und die Sonne geht sowieso bald unter. Was hältst du von den Felsen da drüben als Übernachtungsplatz? Sicher gibt es dort den ein oder anderen Unterschlupf für uns.“ Also drehten sie und liefen auf das steinige Gebiet zu. Dort angekommen machte sich Nimrod daran einen hohen Punkt zu finden, um einen guten Ausblick auf das umliegende Gebiet zu haben. Verzweifelt versuchte er sich nicht anmerken zu lassen, wie mühsam es für ihn war den felsigen Untergrund zu besteigen. Oben angekommen, schnappte er kurz nach Luft und sah sich dann um. Die Umgebung war auch von hier aus schlecht einsehbar, da viel Vegetation die Sicht versperrte. Früher, als er noch fit und stark gewesen war, hätte er wohl alles genau abgesucht, doch dafür fehlte ihm jetzt die Kraft. „Ich denke hier können wir bleiben.“ Seinen alten Körper ließ er auf den Boden gleiten, um sich vor der Jagd noch etwas auszuruhen. Die Graue machte sich Sorgen um den alten Wolf. Zwar hatte sie Auras Zaubertrank noch immer dabei, aber sie glaubte nicht daran, dass er ihn nehmen würde. So sagte sie sanft: "Na gut, dann lass mich mal ein wenig umschauen und uns etwas zu fressen suchen. Bleib du hier und halte Wache!" Dass ließ sich der Graue nicht zweimal sagen. Dankbar blickte er die Fähe an und sah ihr dann nach, wie sie sich davon machte. Müde versuchte er die Gegend so gut es ging im Auge zu behalten, bis sie zurückkehrte. Der geheimnisvolle Rüde hielt sich versteckt, die ganze Zeit beobachtete er die beiden Wölfen. Eigentlich hätte er die Eindringlinge sofort melden müssen, aber irgendetwas hielt den kräftig gebauten Wolf mit Federschmuck in den Haaren davon ab. Wild stürmte Chiyo herum und vergaß dabei, wie so oft, völlig die Zeit. In den letzten Wochen trainierte sie häufig so weit draußen, weil man sie an diesem Ort nicht störte. Ihre Mutter wollte zwar nicht, dass sie sich an den Rand des Revieres wagte, doch da die junge Wölfin gerne rebellierte, hörte sie natürlich nicht auf sie. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter war sowieso ziemlich angespannt, da Chiyo sich wünschte eine große Kriegerin zu sein, Lexie sie aber lieber als defensive Heilerin sehen würde. Das bot sich sogar an, da die Jungfähe eine ziemlich talentierte Heilerin abgab, doch sie wollte halt einfach nicht in diese Rolle gedrängt werden, deswegen übte sie hier die Kampfkünste in allen Variationen, etwas was ihr allerdings kaum lag, doch Aufgeben entsprach nicht dem Wesen dieser Wölfin. Nach stundenlangen Ausführen von Zaubern hatte sie ihren Plan geändert und versuchte nun ihre Ausdauer zu verbessern. Seit einer halben Stunde rannte sie nun schon an den äußeren Grenzen des Rebellenrudels entlang, bis ihr plötzlich ein fremder Geruch in die Nase stieg. Schnell stoppte sie und sah sich genau um. Vor ihr lagen eine Menge Büsche, die ihre die Sicht versperrten. Langsam schlich sie hinein und bewegte sich immer weiter auf ihr Ziel zu. Von Weitem entdeckte sie schließlich einen muskulösen Wolf, der auf etwas lauerte. Er gehörte zu Felanas Rudel, das wusste sie, also war es nicht er gewesen, den sie gerochen hatte. Sie betrachtete den Rüden ganz genau, konnte sich aber nicht erinnern jemals mit ihm gesprochen zu haben. Aufgefallen war er ihr allerdings sehr wohl, immerhin fand sie ihn ziemlich attraktiv. Verlegen starrte sie zu Boden. Was gingen ihr da für Gedanken durch Kopf? Jetzt sollte sie doch mehr interessieren, was hier vor sich ging. Gab es hier vielleicht einen Eindringling? Da sie nicht entdeckt werden wollte, musste sie sich wohl oder übel weiterhin versteckt halten, sonst bekam sie sicher Ärger. Der weiße Wolf, sein Name war Cesare, bemerkte einen weiteren Duft. Er kannte ihn, es war eine Wölfin aus dem Rebellenlager um Skadi und den anderen Führern. Ob sie die Fremden auch wahrgenommen hatte? Er blickte kurz in Chiyos Richtung. Es reichte um zu erkennen, dass es sich um eine Jungwölfin handelte. Da er sich fast sicher war, dass sie die Eindringlinge noch nicht bemerkt hatte, wandte er sich ab, um sie weg zu locken. Erst einmal wollte er die Information für sich behalten. Anmutig erhob sich der cremefarbene Wolf. Sein Fell glitzerte leicht golden in der Sonne. Er blickte gebannt zu Chiyo. Die junge Wölfin zuckte mit den Ohren und starrte ebenfalls zurück. Leider hatte er sie bemerkt, genau das was sie gerne verhindert hätte. Geduckt ging sie auf den großen Rüden zu und flüsterte: „Ich wollte dich nicht bei deinem Rundgang stören. Verzeih.“ Er roch gut, so anziehend, sie wusste aber auch, dass sie viel zu jung für ihn war. So ein Wolf würde sich sicher eine erfahrene Fähe in den besten Jahren suchen, keine kleine, naive Wilde wie sie. „Durch Zufall kam ich hier vorbei und erschnüffelte Fremde. Deswegen wollte ich nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“ Cesare nickte. "Kein Problem, Kleine! Hier ist alles sicher, du kannst wieder zurück nach Hause gehen." Er musste die Wölfin los werden, sie sollte von den Fremden vorerst nichts mitbekommen. "Ich begleite dich ein Stück, komm mit! So kann dir auch wirklich nichts passieren!" Der große Wolf ging voran und bedeutete Chiyo ihm zu folgen. Kleine? Genau das war sie wohl in seinen Augen. Etwas traurig senkte sie den Kopf, da sie gerne gehabt hätte, dass er sie als erwachsene Wölfin sah, doch wenn sie ehrlich war, das entsprach eben einfach nicht der Wahrheit. Chiyo hatte eine beträchtliche Körpergröße, wodurch man sie älter schätzen konnte, aber sie blieb ein Lehrling, der seinen Platz im Rudel noch finden und sich dann beweisen musste. Etwas verwundert darüber, dass er sie begleiten wollte, schritt sie hinter ihm her und holte schließlich auf. „Sind hier jetzt Eindringlinge? Ich habe da doch etwas gerochen“, fragte sie offen heraus. Er blieb kurz stehen und antwortete knapp: "Da hast du dich sicher geirrt, ich rieche nichts. Nun komm endlich!" Er sah zu Chiyo. "Sag mal, wie heißt du eigentlich? Und was genau für Funktionen hast du in dem großen Rudel? Ich bin ja noch nicht so lange da und weiß fast gar nichts darüber." „Komm schon, ich bin doch nicht dumm. Keine Sorge, ich werde nicht durch die Gegend laufen und allen davon erzählen. Sicher hast du irgendwelche Befehle von unseren Anführern. Ich verstehe schon, wenn du nichts sagen darfst, aber ich weiß, was ich gerochen habe.“ Dann sah sie verwundert an, weil sie so viel Interesse an ihrer Person gar nicht erwartet hätte. Schließlich entgegnete sie: „Oh, ich bin Chiyo. Ich bin…naja…wie soll man sagen? Ich bin noch in der Ausbildung, allerdings bald fertig. Welche Aufgabe ich haben werde, steht aber noch nicht fest. Ich wäre gerne eine Kriegerin, aber alle drängen mich dazu ein Heilerin zu sein, da ich Talent dafür habe. Das ist auch der Grund, warum ich mich so weit vom Zentrum des Reviers aufhalte. Hier draußen kann man unheimlich gut, und vor allem ungestört, trainieren.“ Warum erzählte sie das eigentlich alles diesem fremden Wolf? Er musste sonst was von ihr denken. „Und bist Cesare, oder?“ Das war neben Felana der einzige Name, den sie sich von den Neuankömmlingen gemerkt hatte. „Welche Aufgabe hast du in deinem Rudel?“ Er musste lachen und sprach: "Da wo ich herkomme, da wurden die wenigsten Fähen zu Kriegerinnen ausgebildet. In der Regel mussten sie die Kinder der Krieger gebären, die unter ihnen keine Gefährtin fanden! Außer sie hatten magische Kräfte. Heiler waren sehr selten, du solltest dich geehrt fühlen. Sicher könntest du eine Menge von Felana lernen, die ist da sehr gut auf dem Gebiet. Die kennt auf sehr viele Heilpflanzen." Er schwieg einen Moment. "Ja, ich bin Cesare, ich bewache die äußeren Grenzen!" „Auch hier hält man nicht so viel davon Fähen als Kriegerinnen auszubilden, da Rüden ja angeblich mehr körperliche Kraft zur Verfügung haben. Aber sieh mich an. Ich bin recht groß für ein Weibchen und dazu noch stark. Und mutig bin ich auch. Dazu sind wir keine Gebärmaschinen, auch wir sollten die Wahl haben dürfen über unsere Zukunft zu entscheiden. Nicht jede Fähe sieht es als ihre Hauptaufgabe neues Leben in die Welt zu setzen.“ Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ein klein wenig übermütig gesprochen hatte. „Mir ist natürlich klar, dass du ja auch nichts dafür kannst und es ist ja auch nicht so, dass ich Heiler keinen Respekt entgegenbringe. Sie sind wichtig für uns alle, aber auch als Kriegerin kann ich diese Fähigkeit nutzen. Das Eine schließt das Andere ja nicht aus.“ Amüsiert musste er grinsen. Die junge Wölfin hatte Mumm, das musste man ihr lassen. "Nun denn", sprach er. Dann trottete er weiter. "Weißt du, der Krieg da draußen ist aber nicht besonders schön, du musst zusehen, wie andere sterben, womöglich deine eigenen Familienmitglieder und Freunde. Kämpfen alleine ist nicht alles. Man muss damit auch klar kommen können, wenn vor deinen Augen andere zerfleischt werden und so. Das ist nicht schön, wenn Blut an deinen Pfoten klebt, dein Fell rot gefärbt ist. Und ja, könntest du jemanden töten?" „Über diese Frage denke ich ständig nach. Ich will nicht behaupten, dass ich gerne töten würde, aber ein Krieger sollte Töten auch nicht als Spaß sehen, oder? Es ist notwendig, doch wenn es zu vermeiden ist, dann tut man es nicht. Genau deshalb würde ich eine gute Kriegerin sein. Kämpfen dient zu Verteidigung. Wir kämpfen selbst in einer Schlacht für unsere Freiheit und für Gerechtigkeit. Das sind Dinge, die man verteidigen muss, damit wir irgendwann in einer friedlichen Welt leben können, wo unsere Welpen das Wort Krieg nicht einmal kennen. Ich will nicht Kriegerin werden, um anderen Schaden zuzufügen, sondern zum Schutz derer, die sich nicht so gut verteidigen können.“ Nach ihrer Ansprache sah sie verlegen weg. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Vor ihr stand ein erfahrener Krieger und sie hatte nichts Besseres zu tun, als ihm Vorträge über ihre Beweggründe vorzutragen. Er würde sicher alle Gründe kennen, die einen auf den Weg des Kämpfers schickten. Als sie nach vorne sah, merkte sie, dass sie den Höhlen schon ganz nahe waren und Bedauern stieg in ihr auf, weil die Zeit mit Cesare sich dem Ende entgegen neigte. Wahrscheinlich kämen sie nie wieder zu einem Gespräch, immerhin hatten sie so gut wie nichts miteinander zu tun. Also nutzte sie die letzte Chance um ihn etwas zu fragen, was sie einfach brennend interessierte: „Ist deine Gefährtin eigentlich auch mitgekommen, um hier zu helfen?“ Er war von der jungen Wölfin sehr überrascht. Sie war reif für ihr Alter, doch die letzte Frage war ihm unangenehm. Peinlich berührt sah er kurz zur Seite, um schnell zu antworten: "Du solltest nun besser nach Hause gehen, es ist spät." Cesare wollte noch etwas fragen, doch er traute sich nicht, es der Wölfin nachzurufen, da sie bereits ein paar Meter vor ihm stand. Die junge Fähe unterdrückte ihre Enttäuschung über die unzureichende Antwort. Warum hatte sie auch erwartet, dass er ihr das verraten würde, wo sie doch fast noch ein Kind in seinen Augen sein musste? „Du hast wohl Recht, meine Mutter macht sich sicher schon Sorgen. Dann mach es gut, Cesare. Vielleicht unterhalten wir uns ja irgendwann wieder.“ Mit einem Satz drehte sie sich den Höhlen zu und rannte davon. Eigentlich hatte sie ja noch weiter trainieren wollen, aber das lohnte sich jetzt nicht mehr wirklich, da es bereits dunkel wurde. Sich um diese Uhrzeit an den Grenzen aufzuhalten, brachte nur Ärger, den die junge Wölfin nicht gebrauchen konnte. Cesare atmete tief durch. Er war schon zu nah an das Lager herangekommen. Als er kehrte machte, sah er wie sich Felana näherte. "Na, hast du schon eine Freundin gefunden?", neckte sie ihn. Der Rüde sah peinlich berührt zur Seite. Er mochte so etwas nicht. Es war ihm peinlich, dass er noch keine Gefährtin gefunden hatte. In seinem Alter waren die meisten bereits liiert und hatten Welpen. Er hatte jedoch noch nie eine Gefährtin gehabt. Ohnehin war er in Gegenwart von Fähen eher schüchtern, wahrscheinlich war dies auch der Grund. Felana war eine Ausnahme, immerhin war sie seine Mentorin. Sie nahm ihn damals auf und lehrte ihm vieles über Kampf und Magie. Er war ein guter Schüler, doch an seinem Selbstbewusst sein musste er noch arbeiten. "Oh, hallo Felana,", entgegnete er schließlich. "Sie ist mir nur zufällig über den Weg gelaufen, sonst nichts. Ich kenne sie nicht." "Nun ja, vielleicht ist es auch besser so." "Wieso?", fragte er fast etwas zu interessiert. "Ich kann dir leider keine Antwort darauf geben, dass musst du selbst herausfinden." Cesare schnaubte. "Aber du weißt ja sonst auch alles, immerhin kannst du in die Zukunft sehen und Gedanken lesen!" Felana nickte und sprach: "Dies ist wahrlich eine mächtige Fähigkeit, doch genau deswegen, darf man sie nicht missbrauchen! Du musst deinen eigenen Weg finden, Cesare!" Er sah etwas beleidigt zu Boden, dann sprach er knapp: "Ich gehe wieder zurück auf meinen Posten!" Auf seinen Vater würde er ohnehin früh genug treffen, wenn es stimmte, dass er hier war. Ganz in Gedanken rannte er los, die zwei Fremden fielen ihm plötzlich ein. Er musste sie unbedingt weiter beschatten. Hoffentlich waren sie keine Gesandte des Ordens, nicht dass sie ihn noch kannten. Kapitel 16: Mit dem Alter kommt die Weisheit -------------------------------------------- Nimrod erhob sich erst wieder als die Sonne schon nicht mehr zu sehen war. Nur noch ein rötlicher Streifen am Horizont erinnerte daran, dass sie noch vor einigen Minuten tief am Himmel gestanden hatte. Der alte Wolf fühlte sich ein wenig erholt, trotzdem saßen die Strapazen ihres langen Laufs noch immer in seinen Knochen. Wehmütig dachte er an seine Jugend. Damals wäre er die doppelte Strecke ohne Probleme gelaufen und hätte dann noch erfolgreich Wilde zur Strecke gebracht, doch das war heute gar nicht mehr denkbar. Auch der Drang Wilde zu jagen, regte sich in ihm nicht mehr. Früher hatte alles für ihn Sinn ergeben, aber jetzt empfand er den Orden schlimmer als das Übel der Wilden. Ihm wurde bewusst, dass das Alter ihm auch Weisheit geschenkt hatte. Der Weg des Ordens entsprach nicht dem Richtigen. Anstatt die Wilden zu töten, hätte man sie ausbilden müssen, damit sie ihre Kräfte beherrschten und keinen Schaden anrichten konnten. Aber hier ging es wohl immer nur um Macht und ihnen beizubringen Magie zu beherrschen, war niemals im Sinn des Ordens gewesen, da man so viele Magier nur schlecht kontrollieren konnte und sich neue Gruppierungen vielleicht erhoben und die Herrschaft an sich gerissen hätten. Müde ging der alte Graue ein paar Schritte. Als seine Glieder wieder zu schmerzen begannen, dachte er an den Trank, den Aura ihnen gegeben hatte. Es könnte alles so einfach sein und trotzdem weigerte er sich. Auch wenn der Hauptgrund seine Abscheu vor Magie war, es gab noch andere Erkenntnisse, die ihn davon abhielten sein Leben auf diese Art zu verlängern. Die Magier hatten einfach verlernt den Tod zu akzeptieren und nahmen selbst Nebenwirkungen in Kauf, die weitreichende Folgen haben könnten. Auch wenn er die Erinnerung immer so gut es ging verdrängte, dieses Mal konnte er nicht anders, als an seinen Großvater zu denken, der damals ebenfalls auf einen Verjüngungstrank zurückgegriffen hatte. Geklappt hatte es durchaus, aber er verlor dabei sein Gedächtnis, wusste nicht einmal mehr etwas von seinen Kindern und Enkeln. Magie hat seinen Preis, hatte seine Großmutter daraufhin immer gesagt. Sie nahm diesen Trank nicht und starb ohne ihren Gefährten an der Seite, da dieser nicht mehr gewusst hatte, wer sie war. Traurig legte Nimrod die Ohren an. Daran sollte er nicht denken, es gehörte der Vergangenheit an. Plötzlich schoss ihm ein Geruch in die Nase, als der Wind überraschend die Richtung änderte. Erschrocken drehte er sich in dessen Richtung und lief darauf zu. Nachdem er sich durch eine Menge Büsche gekämpft hatte, kam er auf eine freie Fläche, die ihm einen besseren Überblick erlaubte. Und da rannte ein Wolf genau auf ihn zu. Sein helles Fell verriet ihn selbst in der Nacht. Sofort schlüpfte der alte Jäger zurück ins Gebüsch und lauerte dort. Wer das wohl war? Cesare blieb abrupt stehen. Er witterte etwas. Verdammt, dachte er sich. Da ist jemand. Was soll ich nur tun? Bestimmt hat mich der andere bereits gerochen. Ich habe nicht aufpasst, der Wind weht auch noch in die falsche Richtung und mein Fell... Er hasste sein helles Fell. Ein Erbe seiner Mutter. Seine Mutter schimmerte am Tage golden und bei Nacht silbern. Er mochte dies an seiner Mutter, es passte zu ihr. Aber zu ihm? Zum Glück war es nicht so schlimm bei ihm, sein Pelz schimmerte nur bei Sonnen- oder Mondlicht. Bei trüben Wetter war er einfach weiß. Cesare stand unsicher auf dem Feld, er hasste sich dafür so zu sein. Er schluckte, dann beschloss er langsam auf den Fremden zuzugehen. Sein Gefühl sagte ihm, er war alleine. Der alte Jäger musste sich zurückhalten um nicht zu fluchen, als der Unbekannte ihn bemerkte. Genau das hatte er verhindern wollen, aber da es jetzt sowieso zu spät war, schlüpfte er einfach aus dem Gebüsch und wartete geduldig auf die Ankunft des hellen Wolfes. Ihm kam ein starkes Exemplar seiner Art entgegen und Nimrod wusste, dass Vorsicht nun das oberste Gebot sein würde. Vor ein paar Jahren wäre er so arrogant gewesen und hätte nichts und niemand gefürchtete, eine Eigenart, die ihn auch manchmal in Gefahr gebracht hatte, doch zu diesem Zeitpunkt war er noch stark gewesen und wenn nötig wurde so ein Problem von ihm eben mit roher Gewalt gelöst. Doch jetzt fiel das weg. Klar, er konnte noch kämpfen und war sicherlich noch zu kräftigen Attacken fähig, aber er musste sich seine Kraft auch einteilen, außerdem hatte die Reise ihn erschöpft. Als Cesare bei ihm ankam, hielt der Graue seinem Blick stand, Schwäche zu zeigen, sollte man in so einem Moment auf jeden Fall verhindern. „Ich habe keine bösen Absichten, falls du das denkst“, sprach der Alte mit tiefer Stimme. Der Weiße atmete innerlich durch. Der Eindringling war alleine. Zudem handelte es sich um einen alten Wolf, mit dem er im Falle eines Angriffes leicht fertig werden würde. Cesare antwortete dem Grauen: "Das ist schön und gut, aber was machst du hier? Dies ist nicht dein Revier. Woher kommst du und was ist deine Absicht?" Er war neugierig und wollte so viel wie möglich über den Fremden erfahren. Zum Glück waren sie weit abseits des Lagers und er der Einzige, der hier Wache hielt. Niemand würde den Eindringling bemerken. Da fiel ihm noch ein: "Und wo ist eigentlich der andere? Ihr wart zu zweit!" Plötzlich gab es ihm einen Stich, er spürte, wie sich der andere Wolf näherte. Noch war er nicht da, aber er konnte fühlen, dass er oder sie wieder zum Alten zurückkehrte. „Mhm…es scheint sich hier allerdings um ein Grenzgebiet zu handeln, denn ich konnte keine eindeutige Markierung entdecken“, kam als Antwort zurück. „Auch wenn ich nicht gezwungen bin mich zu erklären, ist mein Anliegen kein Geheimnis und ich kann es dir gerne erzählen. Ich suche einen Wolf. Seine Mutter schickt mich, um ihren Sohn zu finden. Natürlich kommen wir aus dem Ordensgebiet, der Gestank des Ordens wird noch immer an uns haften und es zu leugnen wäre Schwachsinn. Es wäre genauso, wenn du behaupten würde, du wärst kein Wilder, man sieht es dir an und selbst meine alte Nase erkennt es auf kilometerweite Entfernung. Es spielt allerdings keine Rolle für mich. Mein Bestreben gilt nur der Suche nach diesem Wolf, nicht mehr und nicht weniger. Und wie du siehst bin ich alt und wohl kaum ein Gefahr für irgendjemanden.“ Jetzt spielte er seine Kraft zwar herunter, aber es war von Vorteil unterschätzt zu werden, falls er sich doch verteidigen musste. „Und ja, wir sind zu zweit. Meine Gefährtin begleitete mich. Sie wollte ein wenig für uns jagen. Sind damit alle deine Fragen beantwortete, junger Wolf?“ Auffordernd blickte er ihm in die Augen. Der jüngere Rüde knurrte leise. Bei dem Wort "Wilde" zuckte er zusammen. War er wirklich ein Wilder? Er, der einst stolze Sohn des Ordens. Er hatte es zudem geahnt, sie waren aus diesem Orden. Doch welchen Wolf sollten sie suchen? Er befürchtete fast, es war SEINE Mutter die nach ihm schickte. Wer sonst würde diese Autorität besitzen, als sie, Aura? Er musste den alten Wolf bei Laune halten, ehe seine Gefährtin zurückkam. Wer wusste, wie die drauf war, aber er wollte unbedingt mehr erfahren. "So und welchen Wolf genau sucht ihr? Vielleicht kann ich dir ja weiterhelfen. In unserem Rudeln sind mehrere aus dem Orden. Oder suchst du etwa die Gefangenen? Wenn ja, dann hast du hiermit Pech gehabt und ich würde es dir raten zu verschwinden, ehe es zu spät ist. Ich werde dir nichts tun, ich sehe, dass du keine schlechten Absichten hast, aber ob all die anderen hier es auch so sehen werden oder so sehen wollen? Immerhin haben die jungen Wölfe auch noch kein verdorbenes Herz, leiden jedoch im Kerker!" Cesare war richtig mutig, er hoffte jedoch nicht zu viel preisgegeben zu haben. „Gefangene?“ Nimrods Ohren zuckten bei dieser Frage neugierig. „Ich will mal nicht hoffen, dass der Wolf, den ich suche, dazu gehört. Wenn ihr Jäger festhaltet, solltet ihr damit rechnen, dass noch mehr nachkommen werden. Mein Rat wäre eure Grenzen noch verstärkter zu bewachen, immerhin war es für meine Gefährtin und mich ein Leichtes hier einzudringen und wir hatten nicht einmal die Absicht das zu tun.“ Was war hier los? Gab er jetzt schon Wilden Tipps, wie sie sich besser gegen seinesgleichen schützen konnten? Ihm wurde plötzlich bewusst, wie wertvoll so jemand wie er für den Widerstand sein könnte, trotzdem hielt er es für besser im Orden zu bleiben und von innen heraus an seinem Sturz zu arbeiten. „Junge Wölfe sagst du? Hast du sie gesehen? Ich frage nur, weil…“, er wollte natürlich wissen, ob einer seiner Söhne dabei war,„…vielleicht ist es jemand, den ich kenne. Um auf deine Frage zurückzukommen: Wir suchen den Sohn der Ordensanführerin Aura. Sie schickte uns in diese Richtung, weil sie ihn hier vermutet.“ Chesare zuckte zusammen. Er ahnte es. Unsicher begann er zu antworten: "Tut mir leid, dieser Wolf ist nicht bei den Gefangenen dabei. Wie soll der Sohn dieser Wölfin denn aussehen? Bei den Gefangenen handelt sich um zwei Jungwölfe grau und braun, sowie einen erwachsenen Wolf mit braunem Fell. Der Graue schaut dir etwas ähnlich. Vielleicht kennst du ja diesen Wolf? Leider kann ich dir nicht mehr dazu sagen. Zu der Bewachung der Grenzen: Es gibt mehrere Wölfe hier, doch sie stehen unter dem Kommando einer Wölfin, die erst seit kurzem angekommen ist. Sie weiß, dass Eindringlinge sich herumschleichen, doch bis dato wurde es noch nicht gemeldet, also seid auf der Hut!" Dann machte Cesare kehrt und rannte davon, mitten in ein Gebüsch. Ein weißer Falke flog erregt in die Höhe. Im selben Moment kam Akira mit einem Hasen angetrabt. Verwundert frage sie ihren Gefährten: "Was war das?“ Erschrocken blieb Nimrod zurück. Seine Gedanken drehten sich nur um die beschriebenen Gefangenen. Natürlich mussten es nicht sein, dass es sich um einen seiner Söhne handelte, denn es gab viele graue Wölfe im Orden, doch dass der erwachsene womöglich Rhodri sein könnte, war dem alten Rüden nicht entgangen. Und Pavan sah seinem Vater tatsächlich ähnlich. Sehr sogar. Allein die roten Augen waren verräterisch. Auf die Frage, wie der Sohn der Wölfin aussah, konnte der Graue gar nicht mehr antworten, denn der Helle war ja einfach verschwunden. Sein seltsames Verhalten machte ihn irgendwie verdächtig. Könnte es sein, dass er…? Nimrod schüttelte den Kopf, das wäre schon ein ziemlich großer Zufall. So einfach würde sie Auras Nachkommen nun auch nicht finden. Seine Konzentration galt nun seiner Gefährtin, die genauso überrascht aussah, wie er selbst. „Wenn ich das nur wüsste. Ich erzähle dir die ganze Geschichte beim Essen.“ Cesare ruhte sich auf einem Felsen aus. So viel ging ihm durch den Kopf. Warum nur er? Er wusste, dass sie nach ihm suchten. Er war schon immer der Liebling seiner Mutter gewesen. Ein Grund mehr, warum er von allen verspottet wurde damals im Orden. Vor allem von seinem Bruder, der ein viel besserer Krieger war als er. So selbstsicher. Cesare seufzte. Was war wohl aus ihm geworden? Er interessierte sich früher für dunkle Magie, aber heute? Und wann würde er seinem Vater gegenüber treten? Er hatte Angst vor diesem Moment, denn auch er hielt ihn früher eher für einen Versager, der das Anrecht auf den Thron nicht verdient hatte. Ein Grund mehr, warum er damals den Orden verließ. Nachdem sie ihr Mahl verspeist hatten, fühlte sich Nimrod wieder besser. Er hatte Akira alles genau berichtet, auch das womöglich Pavan einer der Gefangenen war. Nun lagen sie da und schwiegen. Der Rüde dachte genau nach, wie sie mit der Sache umgehen sollten. Sein Sohn hatte ihn verraten und er würde ihn am liebsten einfach hier lassen, doch ganz so einfach erwies sich dieser Gedanken nun auch nicht. Schließlich wendete er sich an seine Gefährtin: „Wenn wir in das Gefängnis einbrechen und nachsehen, wird es mit Sicherheit damit enden, dass auch wir darin landen. Es muss also eine bessere Lösung geben. Der Wolf von eben hat mich gewarnt hier zu bleiben, aber ich denke er weiß mehr über Auras Sohn, als er zugibt. Wollen wir unsere Mission erfolgreich beenden, müssen wir also versuchen mehr herauszufinden. Nur es wird schwer. Ich wette es gibt hier genug, die uns kennen und uns am liebsten die Kehle herausreißen würden. Auch Runa wird hier sein und uns sicher verraten, wenn uns kein anderer erkennen sollte. Trotzdem müssen wir probieren uns irgendwie in dieses Rudel zu einschleichen. Wir könnten mit den Anführern sprechen und ihnen unser Anliegen vorbringen. Vielleicht hat Aura auch hier den ein oder anderen Freund, der für uns sprechen würde. Es ist allerdings ein großes Risiko. Was meinst du? Akria überlegte. "Ich weiß nicht, Runa hasst uns doch wie die Pest, ich glaube, die würde alles daran setzen, dass wir da auch rein kommen zu den Gefangen. Und hinterher ist Pavan gar nicht dabei. Was ist mit diesem seltsamen, großen Wolf? Vielleicht kann er uns ja helfen.“ Nach kurzem Überlegen erwiderte der Graue schließlich: „Ob er uns tatsächlich etwas sagt? Immerhin ist er einfach abgehauen, fast so als hätten wir einen wunden Punkt bei ihm getroffen. Vielleicht sollten wir eine Weile an den Grenzen bleiben und die Lage beobachten. Womöglich könnten wir herausfinden, wo die Gefangenenlager sind. Mit mehr Informationen wird es uns sicher einfacher fallen einen Plan auszuhecken. Und die Wahrscheinlichkeit den hellen Wolf noch einmal zu treffen ist groß, immerhin scheint er für diesen Sektor hier verantwortlich zu sein. Außerdem werden uns ein paar Tage Ruhe vom Reisen sicher gut tun.“ "Du hast recht, etwas Ruhe tut uns beiden bestimmt sehr gut. Beobachten wir sie eine Weile.“ Kapitel 17: Ein Besuch im Kerker -------------------------------- Runa streifte durch das Lager und suchte nach Erin, doch die junge Wölfin schien wie vom Erdboden verschluckt. Das Problem lag daran, dass das Gebiet der Rebellen einfach zu groß war und durch die vielen Wölfe man keine Spur mehr aufnehmen konnte, da die Gerüche auf einem Haufen so verwirrend waren. Wenn sich ein Wolf nicht an seinem üblichen Plätzen aufhielt, war es möglich den ganzen Tag herumzulaufen und niemanden zu finden. Jetzt durchkämmte die Wölfin die Gegend an der Grenze entlang, an der sich kaum einer aufhielt. Plötzlich fiel ihr ein Wolf auf. Sein heller Pelz stach ziemlich aus der Landschaft heraus, sicher kein Vorteil beim Jagen, etwas was sie nun allzu gut kannte, immerhin besaß auch sie so ein auffälliges Fell. Sie blieb stehen und legte den Kopf schief. Irgendetwas war mit diesem Wolf, sie wusste aber nicht was. Er strahlte eine Energie aus, die sie nicht zu beschreiben vermochte. Langsam näherte sie sich ihm und bemerkte, dass er ziemlich bedrückt wirkte. Frech wie sie war, stellte sie sich zu ihm und sprach ihn einfach an: „Es scheint eine klare Nacht zu werden. Sicher sieht man heute jeden Stern am Firmament.“ Als sie seine Aufmerksamkeit hatte, fügte sie hinzu: „Hast du zufällig eine junge Fähe hier gesehen? Sie ist grau mit ein paar braunen Färbungen.“ Der Rüde seufzte. "Ja, das wird es wohl... Zudem haben wir Vollmond." Die Sonne ging langsam unter und strahlte den Wolf komplett an. Sein Fell leuchtete wunderschön golden, doch genau das hasste er. Er sah die gelbe Wölfin an und meinte: "Es tut mir leid, ich habe keine Fähe gesehen, zumindest keine, die deiner Beschreibung gleicht. Nur eine andere mit blaugrauen Fell, auch noch sehr jung. Allerdings gehe ich nicht allzu weit in das Lager hinein. Ich bin als Außenposten stationiert und das ist wohl auch das Beste." Ihm kam sein Vater in den Sinn. Er wusste, dass neben den vier Alphas auch Runa, Felana und sein Vater Talon eine Art Alphastellung einnahmen, doch er konnte ihm nicht gegenübertreten, noch nicht zumindest. "Weißt du, ich bin nicht so gut in Magie, wie ich sein sollte, aber ich bin groß und kräftig und kann kämpfen. Aber sag, wieso suchst du eigentlich genau diese Wölfin?" Cesare war etwas neugierig. „Blaugrau, sagst du?“ Die Gelbe schnaubte. „Nein, das ist sie nicht, obwohl ich weiß von wem du sprichst, immerhin trägt fast keiner so einen Pelz. Sie ist die Tochter von Artus und Lexie. Chiyo.“ Dann betrachtete sie den Rüden von oben bis unten: „Sicher, dass du nicht gut in Magie bist? Du wirkst so…ach, vergiss es, nicht wichtig“, unterbrach sie sich selbst. „Ich suche die graue Wölfin, weil ich ihr vor einiger Zeit etwas versprochen hatte und es jetzt erfüllen möchte. Um was es genau geht, kann ich nicht verraten. Streng geheim.“ Mit einem breiten Grinsen stupste sie ihn mit der Pfote an: „Du scheinst sehr bedrückt zu sein? Was ist denn los?“ Cesare war peinlich berührt. Ausweichend antwortete er ihr: "Es ist nichts, du täuschst dich. Nur lastet große Verantwortung auf unser aller Schultern. Weißt du, das ist es bloß." Dann lenkte er vom Thema ab: "Ah, Chiyo heißt sie? Sie war ziemlich weit draußen an den Grenzen als ich sie traf. Kein besonders geeigneter Platz für so eine junge Wölfin. Sind ihre Eltern auch Magier?“ „Mhm, das klingt nicht gerade überzeugend“, gab die Gelbe offen zu. „Aber gut, du musst nicht darüber sprechen, um was es wirklich geht.“ Sie sah wieder zum Himmel, wo man den vollen Mond schon deutlich erkennen konnte. „Ja, beide sind Magier. Ihr Vater führte einmal ein starkes Rudel von Wilden an, das aber den Jägern zum Opfer fiel. Ihre Mutter ist eine Heilerin, die dem Orden den Rücken gekehrt hat. Auch Chiyo hat Talent fürs Heilen, weiß es aber nicht so recht zu schätzen. Ich kann sie da aber gut verstehen. Wenn von anderen bestimmt wird, was man mit seinem Leben anzufangen hat, ist das kein schönes Gefühl. Man sollte selbst entscheiden, was man tun will.“ Dann lächelte die Wölfin ihr Gegenüber wieder an: „Aber ich bin überzeugt, dass sie ihren Weg finden wird. Und jetzt sollte ich wohl mal weiter nach meiner vermissten Jungwölfin suchen, nicht wahr?“ Sie stand auf und wandte sich zum Gehen, als ihr plötzlich noch etwas einfiel: „Ach übrigens: Ich habe letztens ein Gespräch zwischen einem Mitglied deines Rudels und Talon mitbekommen. Er hatte ziemlich viele Fragen über dich. Vielleicht solltest du ihm mal einen Besuch abstatten, denn er scheint dich ja zu kennen.“ Dem Rüden stockte der Atem. Er wusste nicht was er sagen sollte und meinte nur knapp: "Wenn die Zeit dazu da ist." Dann sah er ihr nach wie sie ging. Also setzte Runa ihren Weg fort. Sie lief weiterhin an der Grenze entlang, bis sie schließlich den Fluss erreichte, der das Lager mit Wasser versorgte. So weit draußen hielt sich so gut wie niemand auf, aber falls die Gesuchte sich tatsächlich etwas zurückziehen wollte, war das der perfekte Ort. Und schließlich wurde diese Schlussfolgerung auch mit Erfolg gekrönt, denn die junge Wölfin saß tatsächlich am Rand des Gewässers und starrte verträumt auf die Oberfläche, auf der sich der Mond glitzernd spiegelte. Erin betrachtete ihr Spiegelbild. Sie fand sie war eine sehr hübsche Wölfin. Sie war zwar keinesfalls eitel oder eingebildet, dennoch selbstbewusst. Traurig blickte sie in den Sternenhimmel. Was wohl die restliche Familie nun machte? Alle auseinandergerissen und zerstritten, so hatte sie sich das niemals vorgestellt. Ach wie schön war doch die Zeit als Welpe gewesen. „Da bist du also!“, merkte die Gelbe an und riss die junge Wölfin aus ihren Gedanken. „Weißt du, dass ich dich schon den ganzen Tag suche? Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich etwas bei den Alphas erreicht habe, damit du deinen Bruder im Gefängnis besuchen kannst. So lange hatte ich dir das schon versprochen und nun endlich eine Genehmigung dafür bekommen. Was sagst du? Wollen wir gleich zu den Kerkern?“ Erin schreckte auf, sie hatte nicht mit der gelben Wölfin gerechnet und noch weniger mit dieser Nachricht. Das überraschte sie, normalerweise konnte sie vieles klar sehen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie momentan lieber verdrängte. "Oh ja, natürlich, aber wie hast du das nun geschafft?“ „Viel Überredungskunst“, betonte Runa. „Sehr viel Überredungskunst.“ Tatsächlich hatte sie Skadi sehr lange bearbeitet, bis sie ihre Zustimmung für den Besuch gab. Diese wollte nämlich zu Anfang absolut nichts davon wissen und wenn die Alphawölfin sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie kaum vom Gegenteil überzeugen. Aber der Gelben war es schließlich doch gelungen, ohne ihre Freundschaft zu der Anführerin hätte das allerdings niemals geklappt. „Komm schon, wir sollten uns beeilen!“ Hastig trieb sie die junge Wölfin an. Sie mochte die Kerker nicht sonderlich und wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen, sie tat es nur für Erin, dass sie sich dorthin wagte. Diese musste schließlich schon genug durchmachen und sollte wenigstens wissen, wie es ihrem Bruder ging. Erin hastete der gelben Fähe nach. Es dauerte nicht lange und sie waren beim Kerker. Ein modriger Duft wehte ihnen entgegen. "Ganz schön gruslig“, meinte sie und fügte in Gedanken hinzu: Vor allem wenn es finster ist. "Sollen wir uns da wirklich rein wagen? Ich meine, irgendwie schaudert es mich schon." Plötzlich hörten die beiden Wölfinnen einen gequälten Schrei. Eine kalte Prise wehte ihnen aus dem Höhlenkomplex entgegen. „Verständlich, dass es dich schaudert, aber nun sind wir schon hier und sollten machen, weswegen wir gekommen sind.“ Runa ging auf die Wache zu und nickte dem Rüden freundlich zu: „Hat Skadi gesagt, warum ich hier bin?“ „Ja, ihr dürft den Kerker betreten. Haltet euch nicht zu lange auf, es ist nicht gerade ein schöner Ort.“ „Danke, das hatten wir auch nicht vor.“ Sie forderte Erin mit einer Geste auf ihr zu folgen. Der Geruch wurde nicht gerade besser, als sie in das Tunnelsystem eindrangen. Der Gestand von Urin stach am meisten heraus und ließ der Gelben die Nackenhaare zu Berge stehen, zum Glück konnte sie ein Würgen gerade noch unterdrücken. Ein kleiner Trost war, dass die Gefangenen es sicher schon nicht mehr riechen würden, weil sie es einfach gewohnt sein mussten und es dadurch nicht mehr wahrnahmen. Zielstrebig bewegte sich die Fähe durch die Gänge und zeigte der Jüngeren, wo ihr Bruder zu finden war. Heute Morgen hatte sie sich natürlich bei einem Wärter nach dem Weg erkundigt. Schließlich erreichten sie den Zellentrack, den sie suchten. Runa blieb vor einem großen Loch in der Wand stehen, durch das man drei Gefangene sehen konnte. Sie waren heruntergekommen und man erkannte deutlich, dass man sie gefoltert haben musste. Einer der Jüngeren hob den Kopf und starrte zu ihnen herüber. Mit fragendem Blick stand er auf und kam ganz nah an den Ausgang heran. Weiter konnte er nicht, denn zwischen ihnen befand sich eine magische Barriere, die man zwar nicht sehen konnte, die einen aber einen Stromschlag verpasste, wenn man sie von innen berührte und das wusste der Graue ganz genau, schließlich hatte er das schon am eigenen Leib erfahren. „Ich träume, oder?“, flüsterte er und fixierte seine Schwester mit leeren Augen. „Du kannst gar nicht hier sein.“ „Pavan..." flüsterte Erin. "Doch ich bin hier. Was machst du in diesem Gefängnis. Was hast du nur angestellt?" Traurig blickte sie in die ausdruckslosen Augen ihres Bruders. Im Hintergrund bemerkte Rhodri, dass sein Schüler wohl Besuch bekommen haben musste. Leise hielt er sich im Hintergrund, da er erst einmal wissen wollte, um wen es sich handelte. Pavans Blick huschte kurz zu Runa, die sich respektvoll zurückhielt, dann verlor er auch schnell das Interesse an ihr. Seine Schwester war hier das wirklich Wichtige, auch wenn er nicht wusste, ob er sie anschreien sollte, da er ja schließlich wegen ihrer Flucht hier gelandet war oder ob er sich freuen sollte sie zu sehen. Zu beiden konnte er sich nicht durchringen, da ihn das Leben hier all seine Emotionen ausgetrieben hatte, zumindest fühlte es sich so an. Leere und Kälte herrschten nun in seinem Herzen. Er senkte die Stimme, so dass nur Erin hören konnte, was er sprach: „Ich habe einen Fehler begangen. Alles was passiert ist, sehe ich nun in einem anderen Licht. Vater hatte Recht. Mein Mentor“, er wurde immer leiser, damit Rhodri es auf keinen Fall mitbekam, „ist verrückt. Er würde mich sterben lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Schwesterherz, du musst mir helfen. Bitte. Hol mich hier heraus. Lange kann ich an diesem Ort nicht mehr überleben.“ Sie schluckte. Ja, sie wusste, der brauen Rüde war ein übler Bursche, der ihrer Familie schon genug Elend zugeführt hatte. Sie flüstere zurück: "Ich werde mein Bestes geben Bruder." Sie sah ihn traurig an. "Ich muss jetzt gehen, aber ich versichere dir zurückzukommen." Rhodri beobachtete die Szene genau, er war wütend, weil er nicht verstand, was die beiden untereinander redeten. Die verdammte Göre, dachte er sich. Die hat mir das alles eingebrockt, wenn ich die erwische, die kann was erleben! Er knurrte leise in sich hinein, dann fiel sein Blick in die andere Ecke. Dort lag schon der fast halb tote Zuian. Er war sehr schwach und psychisch so gut wie am Ende. Wäre er ein guter Kamerad, so hätte er ihn von seinem Leiden erlöst. Aber was kümmerte es ihn? "Also bis dann!" Erin sah ihren Bruder noch ein letztes Mal an und drehte sich dann weg um Runa zu folgen. Als sie weg waren, begab sich der Mentor wütend zu seinem Schüler und baute sich drohend hinter ihm auf. Sehnend sah Pavan seiner Schwester nach, noch immer nicht ganz sicher, ob das nicht doch ein Traum sein könnte. Natürlich merkte er, wie Rhodri immer näher kam, bis er seinem Atem deutlich hinter sich spüren konnte, doch er drehte sich nicht um, weil er dem Braunen nicht in die Augen blicken wollte. Stattdessen meinte er mit leiser Stimme: „Vielleicht schafft sie es uns hier herauszuholen. Sie wird doch ihren geliebten Bruder nicht einfach an so einem Ort lassen.“ Er sagte dass, um seinen Meister zu beruhigen und sein Flüstern zu erklären, was der Ältere sicher mitbekommen hatte. Danach wendete er sich mit angelegten Ohren Zuian zu. Halte durch, Kumpel, dachte er sich traurig. Rhodri knurrte seine Schüler an. Plötzlich erhob er seine Pfote und schlug den unvorbereiteten Wolf zur Seite, so dass er in die Richtung von Zuian fiel. Dieser jaulte vor Schreck laut auf. "Ihr verdammten Memmen! Mit euch kann man nichts anfangen. Glaubst du denn wirklich, dass sie dich rettet? Nach alle dem was DU deiner Familie angetan hast?" „Ich habe nur meine Pflicht getan, dass weiß Erin genau!“, konterte der graue Jüngling. Kurz darauf bereute er es so mit seinem Mentor geredet zu haben. Im Kerker zu sitzen, machte wohl beide sehr aggressiv. „Meister, es ist zumindest eine Chance“, sagte er kleinlaut. „Ich sehe hier absolut keinen anderen Ausweg. Besser als die Pfoten stillzuhalten und überhaupt nichts zu machen, meint Ihr nicht?“ „Hm..." Der Braune brummte. Er wusste genau, dass die beiden Jünglinge davon kommen konnten. Aber er? Er musste sich etwas ausdenken. Um den grauen Jungwolf zu beruhigen antwortete er: "Du hast wohl recht." Dann drehte er sich um und legte sich wieder nieder. "Runa...? Meinst du wir könnten es schaffen Rhodri von den anderen zwei wegzubekommen? Ich mache mir Sorgen", war Erins schüchterne Frage an die Wölfin, als sie die Zelle hinter sich gelassen hatten. Und wieder schritten sie durch die Gänge des Kerkers, der die Gelbe immer noch anwiderte. Erst die Frage der jungen Erin riss sie aus ihrer Konzentration auf diesen Ort und sie erwiderte: „Wenn ich das nur wüsste. Die Alphas haben nicht sehr viel Mitleid mit Jägern und immerhin sind sie gekommen, um uns Schaden zuzufügen. Gnade haben die drei wohl kaum zu erwarten.“ Ein Seufzen kam über ihre Lefzen. „Ich weiß, er ist dein Bruder und ich würde dir gerne helfen, aber auch mir sind da die Pfoten gebunden, es sei denn…“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Ach, Erin, du bringst mich in eine Zwickmühle.“ Sie blieb stehen. „Glaubst du Pavan hat seine Lektion gelernt? Ist er es wert gerettet zu werden?“ Die junge Fähe sah Runa verdutzt an. Die Frage überrumpelte sie ein wenig. Bis jetzt hatte sie nicht darüber nachgedacht, was Pavan sich wirklich dachte. Vielmehr hatte sie alle äußeren Umstände verdrängt und in ihm nur ihren Bruder gesehen. Den, mit dem sie früher so viel getobt und erlebt hatte, als sie beide noch Welpen waren. Doch ehe sie antworten konnte kam Felana auf sie zu und sprach: "Runa, ich weiß es ist spät, aber kannst du bitte kurz mitkommen? Skadi hat nach uns gerufen. Sie hat irgendetwas von einer Verhandlung gesprochen. Vermutlich geht es um die Gefangen." Ihr Blick schweifte kurz zu Erin, dann wieder auf die gelbe Wölfin. "Bei Anbruch des neuen Mondes soll eine Entscheidung getroffen werden, doch zuvor will sie sich mit allen Alphas beratschlagen.“ Beunruhigt zuckte Runa mit den Ohren. Sie hatte gehofft mehr Zeit zu haben. „Natürlich, wenn die Alphas rufen, bin ich immer bereit.“ Eine andere Wahl blieb ihr nicht, denn es waren ihre Anführer. Dann drehte sie sich zu Erin um. „Ich denke, du findest alleine zu deiner Höhle. Wenn ich mehr weiß, werde ich dir bescheid geben, okay?“ Daraufhin folgte die Gelbe Felana, die sicherlich auch eingeladen war der Unterredung beizuwohnen, und ließ die verzweifelte Jungwölfin mit ihren quälenden Gedanken alleine zurück. Kapitel 18: Ein riskanter Plan ------------------------------ Schnell erreichten Felana und Runa den Treffpunkt der Alphas und traten einfach ein. Die Vier saßen auf ihren Felsen und starrten auf sie herab. Talon befand sich auch hier und blickte ernst zu den beiden Wölfinnen. Skadi begann mit schneidender Stimme zu sprechen: "So nachdem wir hier alle anwesend sind, möchte ich beginnen. Erst einmal danke für euer schnelles Kommen. Ich weiß es ist spät, aber nichts ist so inspirierend wie eine kalte Vollmondnacht." Sie machte eine kurze Kunstpause in der Hoffnung die anderen würden ihr zustimmen, als sie aber nur Schweigen bemerkte, fuhr sie schnell wieder fort. "Wie ihr alle wisst sitzen bei uns im Kerker Eindringlinge des Ordens. Ich bin der Meinung, dass wir schnellstens entscheiden sollen, was wir mit diesen Wölfen machen. Daher bitte ich um eure Vorschläge bevor es zur Verhandlung kommt!" Als niemand etwas sagte, sprach schnell Kukuuniwi: "Aber Skadi, die drei Wölfe wurden noch nicht einmal verhört. Wie soll es da eine Verhandlung geben!" Ein eisiger Wind umwehte den Platz. Rena trat vor. „Er hat Recht. Wir haben sie nicht wirklich angehört. Klar, im Kerker hat man sie gefoltert und versucht zu verhören, aber unsere Bemühungen blieben ohne großen Erfolg. Einer von ihnen, der Schwächste, ist zwar eingebrochen, doch welche Informationen sollte ein Jägerschüler schon haben? Er sprach von Dingen, die wir alle bereits wussten. Und den Ältesten von ihnen konnten wir nicht brechen.“ Der sonst so fröhlich aussehende Sonan wirkte plötzlich sehr ernst. „Vielleicht sollten wir nicht so zimperlich mit ihnen umgehen? Es sind immerhin Massenmörder, die dort im Kerker sitzen!“ „Die beiden Jünglinge haben vermutlich noch nie getötet!“ Man hörte wie erbost die rote Wölfin über die Worte des Rotbraunen war. „Und was wären wir für Wölfe, wenn wir unsere Gefangenen unnötig quälen, um am Ende sowieso mit leeren Pfoten dazustehen, weil wir den braunen Rüden so oder so nicht zum Reden bringen können?“ Hin- und hergerissen hörte Runa zu. Sie dachte an Erin und ihre Verzweiflung über die Gefangenschaft ihrer Bruders. Er war jung und womöglich konnte er sich tatsächlich noch ändern. Selbst Nimrod hatte sich verändert, warum sollte dieser Jungwolf das eigentlich nicht können? Es bedeutete zwar ein Risiko Partei für den Graubraunen zu ergreifen, trotzdem wollte die Gelbe es wagen. Mit klopfenden Herzen wendete sie sich an die Alphas. „Darf ich einen Vorschlag machen?“ Als keine Antwort kam, aber alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war, deutete sie das als Zustimmung. „Ich habe die beiden jungen Jäger kennenlernen dürfen und halte sie für keine wirkliche Gefahr. Sie sind noch in einem Alter, in dem man sie formen kann. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir Kinder in Kerker stecken und sie dort sterben lassen. Warum bieten wir ihnen nicht an, dass sie sich uns anschließen können? Warum erklären wir ihnen nicht, wie wir den Orden sehen und zeigen ihnen, dass wir nicht die Monster sind, für die sie uns halten? Natürlich kann es zu spät sein, aber was haben wir zu verlieren? Zumindest um diese zwei noch unschuldigen Seelen sollten wir uns bemühen. Den anderen Jäger ist allerdings nicht zu trauen. Ich konnte spüren, wie verdorben er ist.“ „Trotzdem verdient auch er eine gerechte Verhandlung“, fügte Rena hinzu. Runa nickte. „Nichts anderes denke ich auch.“ Sonan brummte mürrisch, meinte dann aber: „Ja, vermutlich wäre das eine gute Lösung.“ Auch Kukuuniwi stimmte dem zu. "Ich bin auch für eine gerechte Verhandlung!" Skadi war die ganze Zeit still geblieben, während die anderen Wölfe sprachen. Sie beobachtete die Runde, ehe sie mit ihrer eisigen Stimme dazwischen fuhr: "Und was sagst du Felana, schließt auch du dich der Meinung der anderen an?" Felana sah in kalten Augen der Rudelführerin und nickte entschlossen. "Einen fairen Prozess haben alle verdient, notfalls können wir sie immer noch weiter einsperren, oder was auch immer ihr euch vorstellt!" Ein zustimmendes Raunen ging durch die Menge. "Nun denn, dann soll es so sein. Ich setzte die Verhandlung auf Übermorgen nach Mittag an, wenn niemand etwas dagegen hat!" Als keiner einen Einwand hatte, nickte Skadi und löste die Versammlung auf, fügte jedoch noch hinzu: :"Ich will dass wir uns morgen gegen Mittag noch einmal treffen um zu besprechen, wie die Verhandlung ablaufen wird, bzw. wie wir das Verhör planen werden." Dann verließ sie den Treffpunkt. Bis auf Felana und Runa verließen die Wölfen den Platz. Die Graue trat zur Gelben und sprach: "Ich denke dies ist die gerechteste Lösung. Meines Erachtens sind die Jünglinge keine große Gefahr, ihre Charakterzüge können wir noch formen. Doch wer weiß, ob der jüngste von Ihnen jemals wieder normal wird? Er scheint mir sehr traumatisiert. Dem alten Wolf ist nicht zu trauen, er ist von Grund auf böse. Der andere Jüngling, Erins Bruder, ich denke aus ihm kann noch was werden. Er hat einen starken Charakter. Aber vielleicht sagen wir der jungen Fähe vorerst nichts über die Verhandlung, sofern sie es noch nicht in Ihren Gedanken erahnt hat. Sie hat eine gute Veranlagung zum Vorhersagen der Zukunft.“ „Wenn du es sagst, dann ist sie es wohl“, murmelte Runa vor sich hin. Sie wusste, dass Felana die gleiche Fähigkeit besaß, konnte aber nicht sagen, ob man das als Fluch oder als Segen sehen sollte. Die Gelbe wollte gar nicht in die Zukunft sehen können, es wäre erschreckend und irgendwie auch langweilig, da man alles vorher wusste und keine Überraschungen mehr erlebte. Genauso gut wusste sie aber, dass die ganze Sache nicht so ablief, dass man automatisch immer alles vorausahnte. Es war eben kompliziert. Sie beneidete weder Felana noch Erin um diese Fähigkeit. „Ich hoffe, dass den Jünglingen einen Chance gegeben wird. Sie weiter einzusperren oder sie sogar hinzurichten, wäre ein großer Fehler. Weißt du was seltsam ist, ich kann nicht einmal sagen, warum ich das glaube. Ich bin keine Hellseherin, ganz und gar nicht, aber trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass Erin für den Ausgang des Krieges unglaublich wichtig sein wird und wenn wir sie verärgern, uns das nicht gut bekommen könnte. Verrückt, oder? Naja, vermutlich alles nur Einbildung. Ob Erin anzulügen eine gute Idee ist, weiß ich nicht. Versprechen kann ich es nicht, dass ich ihr nicht die Wahrheit sage, wenn sie mich danach fragt.“ Nachdenklich betrachtete Runa ihre Pfoten. Ihr schwirrte gerade ein echt dummer Gedanken im Kopf herum, was auch damit zu tun hatte, dass sie Pavan im Kerker gesehen hatte. Denn dort war ihr die Erkenntnis gekommen, wer er wirklich war. Die roten Augen und das graue Fell hatten ihn verraten. Da war ein junger Nimrod gestanden, ganz eindeutig. Und Erin, sie war Nimrods Tochter. Das passte auch zu der Geschichte, die der Graue erzählt hatte, als sie sich das letzte Mal getroffen hatten. Die Tochter eine Magierin und der Sohn, dessen Verstand vom Orden vernebelt worden war. Offensichtlicher ging es nicht mehr. Aber was sollte sie jetzt tun? Wie konnte sie Erin und Pavan helfen? Zwar wollte sie nicht glauben, dass die Rebellen einfach so junge Rüden hinrichteten, aber die Möglichkeit bestand trotzdem, da so viel Hass gegen die Jäger bestand. Traurig richtete sie ihren Blick wieder auf Felana. Standen sie nun vor einem Wendepunkt? Was wenn Pavan sterben würde oder weiter im Kerker festsaß? Wie würde Erin reagieren? Das alles verwirrte die Gelbe, weil sie keine Antworten wusste und nur diese dumme Idee in ihrem Kopf herumschwirrte, die sie alles kosten könnte – Ihren Rang, ihren Platz im Rudel und ihren Einfluss. Es war zum Fell ausreißen, wenn eine Entscheidung so tiefe Einschnitte haben könnte und sie war nicht in der Lage mit jemandem darüber zu reden, weil ihr Plan einen Verrat an den Rebellen gleichkam. Jetzt verstand sie ein wenig, wie sich Artus damals gefühlt haben musste, als er ihr Rudel verriet, eigentlich etwas was er nicht hatte machen wollen, aber hatte tun müssen. Runa war sich einfach nicht sicher, was das Beste sein würde und musste genau darüber nachdenken. „Wer weiß, vielleicht wird alles anders als wir glauben“, meinte Runa und legte dabei die Ohren an. „Vielleicht wenden sich die Dinge in eine ganz andere Richtung.“ Eine seltsame Aussagen, das wurde ihr klar, als sie es ausgesprochen hatte. Womöglich sollte sie sich lieber damit zurückhalten mit dem was sie sagte, um nicht verdächtig zu klingen. Felana sah ihr Gegenüber neugierig an. "Was meinst du damit? Du kannst mir deinen Plan gerne anvertrauen. Ich verrate diesen niemanden. Ich habe selber in meinem Rudel genug verschwörerisches Potenzial, zumindest gegenüber den Rebellen." Sie hoffte Runa würde sich ihr anvertrauen. Nie würde sie die gelbe Wölfin anschwärzen, doch sie wusste nicht, ob das Vertrauen zu ihr groß genug war. „Dich da mit hineinzuziehen, das kann ich doch nicht einfach so…“ Als sie Felanas Blick sah, verstummte sie. Sie waren alte Freunde und Runa bezweifelte, dass die andere Fähe sie verraten würde, selbst wenn ihr Vorhaben einem Verrat gleichkam. Besonders wenn sie erklärte, warum sie es tun wollte, durfte eigentlich nichts passieren, dafür kannten sie sich schon zu lange. „Okay.“ Noch einmal sah sie sich um, ob nicht jemand in der Nähe war, der sie hören konnte, doch alles erschien ruhig, dann fuhr sie flüsternd fort: „Ich möchte Pavan, Erins Bruder, befreien. Die Alphas sind nicht immer gerecht, was die Bestrafung von Ordensmitgliedern betrifft und ich will nicht, dass er den Rachegelüsten dieses Rudels zum Opfer fällt. Er ist der Sohn eines alten Freundes und dazu noch der Bruder einer sehr mächtigen Magierin. Sein Tod könnte Folgen nach sich ziehen, die wir nicht mehr kontrollieren können. Außerdem bin ich dagegen so junge Wölfe hinzurichten, es ist einfach nicht richtig. Er hat sein ganzes Leben noch vor sich und kann nichts dafür in solche kriegerischen Zeiten geboren worden zu sein.“ Sie machte eine Pause und wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht. „Es wird schwer alleine, aber ich kann dich unmöglich bitten mir zu helfen, deswegen werde ich es auch nicht tun. Dein Rat, ob es eine Dummheit oder eine richtige Entscheidung ist, würde mir allerdings eine große Hilfe sein.“ Felana hatte es erahnt und antwortete leise: "Ich denke genauso Runa. Ich weiß nicht wie die Alphas reagieren werden. Natürlich werde ich dir helfen. Ich bin niemanden verpflichtet und könnte genauso dem Orden helfen. Ich bin nur gekommen, weil ich wusste, dass dein Rudel dabei ist. Hast du schon eine Idee, wie wir das anstellen könnten? Am unauffälligsten wäre es, wenn wir das komplette Verlies, bzw. den entsprechenden Höhlentrakt, lahm legen. Es sind aktuell nur die drei Wölfe in diesem Bereich untergebracht. Der alte käme zwar dabei auch frei, aber den könnten wir selber auch erlegen, immerhin ist er geschwächt. Oder was denkst du?" „Felana, du kannst doch nicht einfach…?“ Die Gelbe war wirklich überrascht über das Angebot ihrer Freundin. So viel Mut zur Intrige hätte sie ihr gar nicht zugetraut. „Wir sollten versuchen“, meinte Runa schließlich, „dass wir nicht erwischt werden, damit wir beide im Rudel bleiben können. Es geht hier ja nicht darum die Rebellen zu verraten, wir wollen ja nur das Leben von zwei Jungwölfen retten, nicht wahr? Lahmlegen wäre eine gute Idee. Ich kenne einen guten Schlafzauber, den wir den Wachen verpassen könnten. In der Nacht sind dort kaum Wärter zu finden, denn die magischen Barrieren tun ja ihren Dienst. Für uns sind die jedoch kein Problem. Ich würde sagen, wir schlagen morgen Nacht zu, dann haben wir noch genug Zeit um zu planen. Und mit dem alten Jäger werden wir spielend fertig, denn der darf auf keinen Fall entkommen.“ Die Graue grinste. "Ja, das hört sich wirklich gut an! Ich denke jetzt sollten wir uns langsam zur Ruhe legen und morgen Nachmittag das Ganze nochmal durchgehen, wie wir es genau machen! Wir müssen es auf alle Fälle schaffen nicht entdeckt zu werden, aber ich denke das ist kein Problem. Mir kommen da noch ein paar gute Ideen. Aber dazu mehr morgen Nachmittag! Ich wünsch dir noch eine gute Nacht! Bis morgen." Sie zwinkere noch einmal Runa zu und verließ die Steine der Alphas. Die Gelbe starrte der anderen Fähe noch eine Weile nachdenklich hinterher, dann beschloss auch sie sich zur Ruhe zur legen. Am nächsten Tag holte Runa der normale Alltag ein. Sie machte ihre Runden und kontrollierte wie jeden Morgen die Grenzen, dann fraß und trank sie, danach kümmerte sie sich um ein paar Angelegenheiten des Rudels. So wurde es Mittag und die Besprechung mit den Alphatieren stand an, danach fand sie schließlich Zeit zu Felanas Höhle zu kommen. Die beiden besprachen alles ganz genau und machten dann ein Treffen in der Nacht aus, da sich in der die meisten Rebellen in ihren Behausungen aufhielten und sie nicht so leicht entdeckt werden konnten. Stunden später schlüpfte die gelbe Fähe dann aus ihrem Bau und machte sich auf zum Kerker. Der Mond nahm zwar jetzt schon wieder ab, aber er leuchtete immer noch ziemlich hell, wenn er es schaffte durch die Wolkendecke zu lugen. Dass er nicht immer zu sehen war, machte die Wölfin nicht mal unglücklich, denn in einer klaren Vollmondnacht leuchtete man mit gelben Fell sehr heraus und gerade heute wäre das ziemlich ungünstig. Nach ein paar Minuten erreichte sie den Treffpunkt, von dem aus man die Gefängnisse zwar sehen konnte, einen Gebüsch aber vor Blicken schütze. Alles hier war ruhig, wie sie es erwartete hatte. Jetzt musste nur noch ihre Komplizin eintreffen. Plötzlich schlug das Wetter um. Der Himmel verfinsterte sich zunehmend und dicke Wolken zogen auf. Der Wind begann leicht zu wehen. Ein paar Minuten später war auch Felana am Treffpunkt angelangt. Sie grinste Runa an. "Na, was sagst du zu meinem kleinen Sturm? Ich hoffe, ich habe nicht zu viel versprochen. Der Wolf in meinem Rudel, von dem ich dir erzählte, hat wirklich gute Fähigkeiten Einfluss auf das Wetter zu nehmen, auch wenn er es sich nie so sehr zutraut. Aber es wurde ihm in die Wiege gelegt. Nicht einmal Talon wird diese Manipulation bemerken und in Kombination mit dem Schlafzauber erst recht nicht. Zusammen mit dem Wind wird der Schlafzauber über das Lager fegen und alle die sowieso nicht aus ihren Höhen gegangen wären, tun es dann erst recht nicht mehr. Nur wir sind sicher. Sobald wir die Türe der Gefangen geöffnet haben, werde ich den Gegenzauber sprechen. Leider kann ich ihn nur auf die Gruppe, nicht auf die Einzelnen anwenden, sonst hätten wir den alten Wolf drin lassen können!" „Ich weiß wie schwer Wettermanipulationen sind“, erwiderte Runa. „Habe mich selbst einmal daran versucht und war nicht gerade erfolgreich damit. Man braucht Talent und eine Menge Geduld. Ob mein Misserfolg nun an dem einem oder dem anderen lag, ist schwer zu sagen. Dein Rudelmitglied hat seine Sache auf jeden Fall gut gemacht. Jetzt bin ich wohl dran.“ Der Wind blies ihr in den Rücken und genau zu den Höhlen herüber. Sie konzentrierte sich und begann schließlich den Schlafzauber einzusetzen, gleichzeitig errichtete sie um Felana und sich ein Schutzschild, damit er sie nicht traf. Wenn man ganz genau hinsah, erkannte man winzig kleine magische Sporen, die sich von der Gelben lösten und hinaus über das Lager geblasen wurden. Auch der Kerker blieb nicht unverschont, genauso wie ein weites Gebiet über das Revier hinaus betroffen sein würde, da sie einen sehr starken Zauber benutzen musste, um wirklich alle zu betäuben. „So, das müsste reichen.“ Runa drehte sich zur Grauen herum. „Sie werden nichts davon merken, ich habe auch einen Vergessenszauber mitwirken lassen. Alles wird morgen wieder normal ablaufen, als wäre nichts gewesen. Wollen wir?“ Sie sah herüber zum Kerker. Die beiden Wölfinnen lief schnurstracks auf das Gefängnis zu. Vor dem Haupteingang lag eine Wache, die sich zusammengerollt hatte und friedlich schlief. Obwohl die zwei wussten, dass selbst Lärm niemanden geweckt hätte, schlichen sie lieber an dem Schlafenden vorbei und traten dann leise in den Korridor ein, in dem ihnen der beißende Gestank entgegenschlug, der hier immer herrschte. Runa schüttelte angeekelt den Kopf, riss sich dann aber zusammen und übernahm wie abgemacht die Führung, weil sie ja wusste, wo sie die Zelle fanden, wegen der sie hergekommen waren. Der Weg durch die Gänge war frei, nicht einmal einen schlummernden Wärter trafen sie dort. Innerhalb weniger Minuten befanden sie sich an ihrem Ziel. Die Magiewand, die die Gefangenen festhielt, war für die beiden Magierinnen schnell überwunden, dann betraten sie die Zelle, in der die Jäger gefangen gehalten wurden. Felana sah die drei Wölfe an. Die Jünglinge schliefen dicht aneinander gekauert, während der Braune etwa abseits lag. Leise murmelte sie den Gegenzauber, der sich wie eine Wolke über die Zelle legte. Sie flüsterte Runa zu: "Sie werden gleich aufwachen. Wir sollten uns aufmachen, damit sie uns nicht bemerken. Wenn wir aus dem Kerker hinauslaufen, werden wir eine dezente magische Spur hinterlassen, die beim Ausgang endet. Solange sie der Spur folgen, werden sie sich über nichts Gedanken machen, da diese sie benebelt, doch sobald sie draußen sind, werden sie zur Besinnung kommen, hier liegt es an uns die Jünglinge von dem alten Scheusal zu trennen!" Entschlossen sahen sich die beiden Fähen an und rannten leise aus dem Kerker. Langsam kam Rhodri zu sich. Er blinzelte müde. Doch was war da? Er konnte seinen Augen nicht trauen! Das magische Tor war weg! Er blickte sich kurz um, niemand zu sehen. Die beiden Jünglinge schienen zu schlafen, doch als er genauer hinsah, wachten auch sie gerade auf. Rhodri überlegte jedoch nicht lange, ohne zu zögern oder zu warten ging er aus der Zelle. Er bemerkte ein leichtes Funkeln. Wie hypnotisiert folgte er dem magischen Zauber. Es war schon irgendwie verstörend, was Felana mit ihrer Magie anrichten konnte. Runa hielt sich von Zauber fern, die den Verstand veränderten, immerhin hatte sie selbst schon böse Erfahrungen damit gemacht. In dem Fall war sie das Opfer solcher Mächte gewesen und deswegen wusste sie ganz genau, dass andere zu manipulieren wirklich nur in größter Not anzuwenden war, doch diese Situation konnte man wohl als solch eine bezeichnen. Rhodri trat zuerst aus dem Kerker. Er wirkte verstört, doch man erkannte an seinen Augen, dass sein Verstand langsam wieder klar wurde. Daraufhin folgten die Jünglinge, die ebenfalls ziemlich durcheinander daherkamen. Pavan war allerdings in einer sehr viel besseren Verfassung als sein junger Kollege und erholte sich deswegen sehr viel schneller. „Was ist hier los?“, fragte er verwirrt. Runa beachtete diese Frage gar nicht und wendete sich stattdessen an Felana: „Ich übernehme den alten Jäger, führe du die jungen Rüden hier weg.“ Die Angesprochene nickte und folgte dem Vorschlag der anderen Fähe. Mit ihrer Magie konnte sie die jungen Rüden zum Glück noch ein wenig weiter manipulieren, so dass sie ihr folgten, doch auch dieser Trick würde schon bald nicht mehr funktionieren. Als die Gelbe sah, dass sie die anderen weg waren, trat sie mutig auf den Brauen zu. Auch wenn er geschwächt sein musste, so durfte man ihn nicht unterschätzen. Man konnte seine Rippen zählen, fiel ihr in diesem Moment auf. Sehr viel Kraft würde er wahrscheinlich nicht mehr haben. Umso besser, dachte sie. Mit einem Satz sprang sie auf ihn zu und riss ihn zu Boden. Es war ihr Ziel ihn zu überwältigen und ihn dann wieder in sein Gefängnis zu bringen. Der Braune noch vom Zauber schläfrig, riss die Augen auf: "Du?" Sofort blitzte der Hass in seinen Augen auf. Er erkannte die gelbe Wölfin wieder. Der Hass in ihm gab im Kraft für ein letztes Aufbäumen seiner Kräfte und er schaffte es sich von der gelben Wölfin zu befreien. Doch er war klug genug in seiner Verfassung keinen Kampf einzugehen und flüchtete so schnell ihn seine geschwächten Pfoten trugen. „Oh nein, mein Lieber, so schnell entkommst du mir nicht“, knurrte Runa und schickte dem Flüchtenden einen Windzauber hinterher, der ihn sofort umriss. Trotzdem stand der Braune wieder auf und rannte weiter, was seine Angreiferin schon ein wenig beeindruckte, doch das hielt nicht lange an, denn sie schüttelte den Gedanken ab und nahm die Verfolgung auf. Ihre Pfoten waren im Gegensatz zu denen des Fliehenden gesund und stark, die Chancen standen also gut, dass sie ihn einholen würde, auch wenn er einen gewissen Vorsprung hatte. Rhodri flitze Richtung Reviergrenze, Runa schnurstracks hinterher, sie erkannte allerdings schon, dass er es wohl bis hinter die Grenze schaffen würde. Womöglich musste sie ihn sogar töten, wenn er so weitermachte. Etwas was sie ungerne tat, aber ihn zum Orden laufen zu lassen, damit er petzen konnte, empfand sie auch als keine gute Möglichkeit. Der Verfolgte erreichte Gestrüpp und verschwand darin, seine Verfolgerin fluchte leise und legte einen Zahn zu, um ihn nicht zu verlieren, doch Rhodri war für seinen Zustand immer noch ein ziemlich schneller Läufer. Der Braune schlug Haken und versuchte so die Gelbe zu abzuhängen. Dabei ahnte er nicht, dass er beobachtet wurde. Erst als er kurz anhielt, um zu verschnaufen, wagte sich der Beobachter aus dem Gebüsch. Dieser hatte nur eigentlich nur die Kontrollgänge der Rebellen überprüft, um mehr über dieses Gebiet zu erfahren. Als er den brauen Rüden entdeckte, war ihm ganz anders geworden. Jetzt stand er vor ihm. Sein mattes, graues Fell fing den wenigen Glanz des Mondes auf, der durch ein kleines Loch in der Wolkendecke lugte. Nimrod erhob seine tiefe Stimme: „Schön dich wiederzusehen, Rhodri!“ Man hörte deutlich die Abscheu, die er für seinen Rivalen empfand, aus diesem Satz heraus. Kapitel 19: Eine schwere Entscheidung ------------------------------------- „Jetzt halt mal an“, posaunte Pavan in Richtung Felana, als sie sich schon weit vom Lager entfernt hatten. „Warum tust du das? Du gehörst doch zu den Rebellen und dann befreist du Jäger? Zu welchem Zweck?“ Er zeigte deutlich, dass er keinen Schritt mehr weiterging, bevor das nicht geklärt war. Sie blieb stehen und knurrte den jungen Rüden wütend an: "Wenn dir eure Leben lieb sind, dann komm mir lieber nach! Ich werde es euch noch bald genug erklären, doch wenn nicht, so werde ich euch beide auf der Stelle töten müssen!" Erst jetzt wurde der Grauen bewusst, dass es keine andere Chance gab, denn sollten die beiden nicht mitspielen, so könnten die Rebellenführer Wind davon bekommen, was weder ihr noch Runa zu Gute kommen würde. Die einzige Alternative war nur noch den Vergessenheitszauber anzuwenden, der ihre ganzen Erinnerungen an die Rebellen und die Gefangenschaft löschen würde. Doch dies sollte erst im sicheren Versteck erfolgen, damit den Wölfen eine sichere Flucht gewährleistet werden konnte. „Warum solltest du das tun, wenn du doch so viel Energie darauf verwendet hast uns zu befreien?“, wollte der Graubraune wissen. „Vielleicht ist das hier ja eine Falle. Ich traue keinen Wilden. Ihr wollt doch nur an Informationen kommen. Euch ist jedes Mittel recht dazu.“ Zuian zitterte neben seinem Kameraden, doch nun fand auch er seine Worte wieder und meinte mit leiser Stimme: „Pavan, wir sollten so schnell wie möglich hier weg. Um solche Kleinigkeiten können wir uns später kümmern.“ Der junge Rüde kniff die Augen zusammen, dann nickte er. Er wusste, er musste mitspielen und so würde er der unbekannten Fähe erst einmal folgen. Mürrisch knurrte er: „Okay, besprechen wir das später.“ Felana war erleichtert, dass ihr die Jungwölfe zur Vernunft kamen. Sie konnte sie durchaus verstehen, einem fremden Wolf zu vertrauen, noch dazu einen vermeintlichen Feind, das würde wohl niemand gerne machen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten Sie die Höhle, die bereits mit einem Schlafzauber belegt war. Die beiden Jungwölfe fielen sofort in einen tiefen Schlaf. Sie hoffte Runa würde bald kommen, um alles Weitere zu abzuklären. Rhodri erschrak. Es war trotz der Befreiung wohl nicht sein Glückstag heute. Er knurrte leise. "Du...!" Er hasste die Situation. Umkehren konnte er nicht, da ihm sonst die Gelbe auseinandernehmen würde, doch gegen seinen alten Feind zu kämpfen wollte er ebenso wenig. Er hatte nicht sehr viel Kraftreserven übrig und nur ein Ziel vor Augen – Weglaufen. Also sammelte er seine ganze Kraft zusammen und schoss auf den grauen Wolf zu. Dieser hatte nicht damit gerechnet und fiel fast zu Boden. Der kurze Moment der Verwirrung reichte, um weiterzulaufen ohne auf die Richtung zu achten. Hauptsache weit genug weg von diesem verdammten Rebellenlager. So schnell schüttelte man einen Wolf wie Nimrod allerdings nicht ab. Zwar warf ihn die Überraschung zurück, doch er nahm sofort die Verfolgung auf und da er im Moment fitter war als sein ewiger Rivale, holte er diesen ein, schaffte es ihn am Fußgelenk mit dem Maul zu packen und zu Fall zu bringen. Wütend stellte er sich über ihn und leuchtete seinen Gegner mit seinem verbliebenen roten Auge an. „Was tust du hier? Und noch viel wichtiger: WO IST PAVAN?“ Er wusste, dass sein Junge bei seinem Mentor sein musste und da er ihn hier nicht sah, befürchtete er Schlimmes. Rhodri knurrte. Sollte das etwa schon sein Ende gewesen sein? Wütend antwortete er dem Grauen: "Lass mich los! Ich weiß wo Pavan ist, ich bringe dich zu ihm, aber lass mich verdammt nochmal los jetzt! Oder willst du mich töten? Dann tu es doch, aber deinen geliebten Jungen wirst du dann nie mehr wiedersehen, hörst du! Nie mehr!" Perplex starrte der Graue seinen Rivalen an. Dann zog er die Lefzen hoch und zeigte seine Zähne. „Warum sollte es mich kümmern, ob ich ihn wiedersehe? Er hat mich verraten. Soll er doch sterben, es ist mir egal!“ Da meldete sich etwas in ihm, dass er zu unterdrücken versuchte. Die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn konnte man eben nicht so leicht ausschalten, so sehr er es auch versuchte, er schaffte es nicht. Pavan war sein eigen Fleisch und Blut und da gab es auch noch Akira, die ihm es nie verzeihen würde, wenn ihrem Kind etwas passieren sollte. Doch nicht seine Erkenntnis brachte ihn dazu von seinem Gegner abzulassen, sondern eine gelbe Wölfin, die auf die beiden zustürmte. Verwundet blieb Runa stehen und blickte den Grauen an. „Nimrod? Du hier?“ Dieser knurrte drohend. „So sieht man sich wieder.“ „Gut, du hast ihn gefangen. Welch ein Glück. Ich dachte schon, er ist mir entkommen.“ Nimrod stieg von dem Braunen herunter. Dieser wusste sicher, dass es keinen Sinn machte wegzulaufen, denn so geschwächt, wie er war, würde ein ehemaliger Elitejäger und eine recht flinke Magierin ihn in Windeseile wieder eingefangen haben. „Was geht hier vor und wo ist Pavan?“, wollte der graue Rüde wissen. Die Gelbe nickte nur. „Ich werde dich aufklären. Zuvor führe ich dich zu deinem Sohn. Und den da“, Runa sah abfällig zu Rhodri, „nehmen wir mit.“ Wie durch Zauberpfote schoss plötzlich eine leuchtende Fessel um den Fuß des Braunen und schloss sich. Das andere Ende hatte sich um Runas Hals gelegt. So konnte der Gefangene nicht fliehen. Dann schritt die Wölfin voran. Sie liefen nicht weit, da erblickten sie eine Höhle vor sich. Davor wartete Felana. "Runa! Schön dass du da bist, aber wenn hast du da dabei?" Sie blickte argwöhnisch auf Nimrod und Rhodri. "Die beiden schlafen nun, aber bevor wir das weitere besprechen, müssen wir wohl überlegen, was wir mit diesen beiden Wölfen hier machen sollen.“ Grimmig blickte Nimrod Felana an: „Was soll das nun wieder heißen? Mit mir wirst du gar nichts machen, immerhin bin ich ein Unbeteiligter.“ Runa schnaubte belustigt. „Also nachdem du dich eingemischt hast, bist du alles andere als unbeteiligt.“ „Und was jetzt? Wollt ihr mich schlafen legen, wie die beiden?“ Er wies mit Kopf auf die jungen Rüden. „Was wird hier eigentlich gespielt?“ Ruhig setzte sich die Gelbe hin und begann zu erläutern: „Ganz einfach, wir wollten die Jungwölfe aus den Kerker der Rebellen befreien, damit ihnen nichts passiert. Der braune Jäger ist versehentlich entkommen. Die Frage ist nicht was wir mit dir machen, sondern mit ihm. Er darf nicht zurück zum Orden gelangen. Obwohl“, ihr Blick traf den von Felana, „wenn wir sein Gedächtnis löschen, könnte es vielleicht klappen.“ Energisch schüttelte der Graue den Kopf. „Ihr solltet euren Feind nicht unterschätzen. Es gibt Methoden solche Dinge zurückzuholen. Meistens sterben die Betroffenen dabei, doch das wird dem dunklen Wolf kaum interessieren.“ „Was würdest du also vorschlagen? Ihn töten?“ Selbst Rhodri konnte den Schrecken nicht ganz verstecken, der ihn bei diesen Worten erfasste. Man sah wie sein ganzer Körper kurz zusammenzuckte. Anstatt zu antworten ging Nimrod auf die Höhle zu, betrat sie aber nicht. Dort sah er Pavan friedlich schlafen. Er sah schlimm aus. Abgemagert und voller Narben. Mitleid stieg in ihm auf. Wie er diese Gefühlsduselei hasste. Es machte ihn schwach und das wollte er nicht. „Du da!“, meinte er schließlich zu der grauen Wölfin. „Kannst du Rhodri ebenfalls in Schlaf versetzen? Erst dann sollten wir weiterreden.“ Felana sah den Grauen mürrisch an und meinte: "Mein Name ist Felana, das solltest du dir besser merken. Und eigentlich bin ich es gewohnt, dass man bitte und danke sagt, aber ich mache bei dir eine Ausnahme. Immerhin geht es um deinen Sohn und auch wenn du es nicht zugibst, es liegt dir mehr daran als du denkst. Natürlich kann ich ihn in Schlaf versetzen!" Sie blickte zu Rhodri, ihre braunen Augen fingen an zu glühen und ehe sich der Braune versah, schlummerte er tief und friedlich. "So das hätten wir vorerst erledigt, allerdings sollten wir nun beratschlagen, was wir mit diesen armen, verirrten Seelen machen, denn früher oder später werden sie wieder aufwachen!" Sie sah hoffnungsvoll in die Runde. Momentan war Runa und ihr die Situation etwas entglitten. Mehr als ein genervtes Brummen kam Nimrod bei Felanas Antwort nicht über die Lefzen. Er schätzte sie ziemlich zickig ein, etwas was er nicht ertragen konnte, aber irgendwie reagierten ja die meisten Fähen so auf ihn. Ob das vielleicht an ihm lag? Diese Frage war jetzt allerdings unwichtig und so widmete er sich anderen Dingen. Sein Blick fiel auf seinen Rivalen, dessen Brustkorb sich langsam auf und ab senkte, seit ihn der friedliche Schlaf heimgesucht hatte. Der Graue dagegen saugte angestrengt Luft ein, bevor er meinte: „Wir wissen doch alle, was wir mit Rhodri machen müssen. Ich werde das übernehmen.“ „Du meinst doch nicht…?“, stammelte Runa. „Du kannst ihn nicht einfach tö…“ „Und was genau sollen wir tun?“, unterbrach er sie. „Aber so, Nim? Er schläft und du willst ihn einfach so hinterrücks um die Ecke bringen?“ Sie hatte auch vorgehabt den Rüden im Notfall zu töten, jedoch im Kampf auf ehrenvolle Art und Weise. „Er ist ein Welpenmörder, Runa! Er würde genauso handeln und das ohne mit der Wimper zu zucken. Er würde uns alle umbringen, wenn er könnte und du hast Mitleid mit ihm?“ Entschlossen erwiderte sie: „Wir könnten auch sein Gedächtnis löschen und ihn einfach weit weg aussetzen. Wenn er nicht zum Orden zurückkommt, dann kann auch nichts passieren.“ „Es wäre ein großes Risiko. Ihn hier und jetzt zu erledigen, würde ein mögliches Problem erst gar nicht entstehen lassen.“ Nimrod wendete sich schließlich an die graue Fähe: „Was meinst du, Felana? Willst du das Leben dieses Rüden schonen?“ Die graue Fähe hatte befürchtet, dass diese Frage auf sie zukam. "Nun ja, ihn hier und jetzt einfach so zu töten, finde ich nicht besonders ehrenhaft. Natürlich, wir hätten ein Problem weniger, dennoch, ich will mich nicht auf die Ebene dieses Wolfes begeben. Mein Vorschlag wäre ihm das Gedächtnis zu löschen, so wie bereits Runa vorgeschlagen hat, und ihn dann irgendwo da draußen auszusetzen. So kann er selber sehen, ob er zurechtkommt oder nicht! Was die anderen zwei angeht, sehe ich ebenfalls keine andere Chance, um ihr Überleben zu sichern. Sie können nicht mehr zurück, weder zum Orden, noch zu den Rebellen..." „Du wirst meinen Sohn nicht das Gedächtnis löschen!“, fuhr Nimrod sie an. „Wir können nicht drei hilflose Wölfe irgendwo aussetzen und hoffen, dass sie überleben. Sieh dir den anderen Jüngling an. Er ist so gut wie tot. Es würde sein Ende bedeuten so schwach wie er ist.“ Wenn die Graue schon so viel Mitleid mit Rhodri hatte, dann setzte der Jäger darauf, dass sie es auch für die jungen Wölfe haben würde. Außerdem war es ja darum gegangen die beiden zu retten und sie dann letztendlich doch sterben zu lassen, machte ja keinen Sinn. „Darf ich einen Vorschlag machen?“, meinte Nimrod in einem ungewöhnlichen freundlichen Ton. Als Runa nickte, fuhr er fort: „Mein Gefährtin ist ganz in der Nähe. Sie wird mit Pavan reden und ihn dazu bringen, dass er ein Leben hinter der Grenze führen wird, weit weg von Orden und den Rebellen. Ich bin sicher, sie kann ihm klar machen, dass er weder auf der einen noch auf der anderen Seite stehen kann, nachdem was passiert ist. Im Gegenzug werde ich euch nicht im Weg stehen Rhodri wegzubringen, wo er niemanden schaden kann. Ich verspreche ihn nicht anzurühren.“ Er sah die Fähen an. Runa blickte fragend zu Felana, was sie davon hielt. Diese überlegte kurz, dann nickte sie. "Wenn du versprichst alle wegzubringen, dann denke ich, wird das in Ordnung gehen. Das Land hinter dieser Höhle ist eine neutrale Zone. Die Rebellen halten sich dort nicht auf und vom Orden kommt normalerweise auch niemand hin. Dort könnt ihr ungestört leben, sofern ihr das wollt! Sie erkannte, wie besorgt der graue Wolf um seinen Sohn war. "Aber bitte tut uns den Gefallen und nehmt den anderen Jüngling mit, sofern er überlebt. Er ist schon sehr schwach." Sie hatte Mitleid mit dem jungen Wolf. Akira wurde langsam unruhig. Wo war bloß ihr Gefährte, war ihm etwas zugestoßen? Sie wartete nun schon eine ganze Weile, aber er kam einfach nicht zurück. Mutig fasste sie den Entschluss nach ihm zu suchen. Beunruhigt begab sie in die Dunkelheit. Als sie eine Weile gelaufen war, wundere sie sich, wie ruhig es alles erschien. Als sie an eine Lichtung kam, konnte sie plötzlich die Gerüche von Wölfen wahrnehmen, die ihr sehr bekannt vorkamen. Plötzlich stieg Panik in ihr auf, als eine ruhige Stimme zu ihr sagte: "Keine Sorge Wölfin, es geht ihnen gut!" Akira sah sich um, konnte aber nichts erkennen, dann sah sie nach oben. Auf einem Baum im Geäst saß ein falkenähnlicher Vogel mit silbern schimmerndem Gefieder. "Wer bist du?" "Das tut nichts zu Sache! Folge diesem Pfad tief in den Wald hinein, dann wirst du auf eine Höhle treffen, dort findest du die Antworten, hab keine Angst, dir geschieht nichts!" Akira wollte antworten, doch der Vogel war plötzlich weg. Ohne noch weiter zu überlegen, rannte sie los, um die Höhle zu finden. Felana wartete noch auf eine Antwort Nimrod, als sie plötzlich den aufgeregten Schrei einer Fähe hörte. Sie blickten zum Eingang, dort stand Akira. Angst und Verwunderung waren in ihr Gesicht geschrieben. Sie blickte auf Nimrod, dann Pavan, dann auf Rhodri und dem zweiten Jüngling, dann zu den Rebellen Runa und Felana. "Was ist hier los?“ Der Graue öffnete gerade das Maul, um zu sagen, dass er den anderen Jäger mitnehmen würde, doch da erblickte er plötzlich seine Gefährtin, die verstört auf sie zukam und anstatt der Magierin zu antworten, wendete er sich Akira zu: „Kurz gesagt, die beiden Rebellinnen haben die Jäger aus dem Kerker befreit und hierher gebracht.“ Sein Blick fiel auf Pavan. „Und unser Sohn war unter ihnen. Wir brauchen deine Hilfe Akira. Du musst Pavan überreden, dass er ein neues Leben hinter der Grenze anfängt und sich aus dem Krieg heraushält, wenn er das nicht tut, sehen Felana und Runa es als notwendig sein Gedächtnis zu löschen. Auf mich wird er nicht hören, aber ich bin sicher, dass er es bei dir tun wird.“ Runa trat vor. „Ich würde sagen Felana weckt Pavan auf und dann kannst du mit deinem Sohn alleine darüber sprechen. Lass dir aber nicht zu lange Zeit, der Schlafzauber hält nicht ewig und wir wollen nicht schon wieder Probleme mit diesem brauen Biest haben.“ Die Mutter nickte und sah zu der grauen Wölfin die offensichtlich Felana sein musste. "Okay, ich werde es versuchen!" "Gut, dann würde ich nun alle bitten, die hier nicht bei dem Gespräch anwesend sein sollen, die Höhle zu verlassen!" Wortlos verließ das kleine Rudel den Umkreis der Höhle bis nur noch Akira und Felana anwesend waren. "Ich werde den Schlafzauber der anderen zwei nochmals intensivieren, dennoch bitte ich dich, dass du die Sache so schnell es geht klärst. Ich weiß, das ist nicht so einfach, aber es muss leider sein. Dein Junge wird gleich sanft aufwachen. Du kannst dann mit ihm reden, wir versuchen draußen zu abzumachen, was aus dem Braunen wird.“ Daraufhin ging auch Felana. Akira legte sich zu Pavan, so wie damals als er noch ein kleiner Welpe war gewesen. Zärtlich leckte sie sein Fell. Die graue Magierin trat zu den anderen. "Es ist nun soweit, ich hoffe es klappt! Was sollen wir aber mit dem braunen Köter machen? Ich würde vorschlagen ihn in die entgegengesetzte Richtung zu bringen, in der sich Nimrod mit seiner Familie begeben wird. Ein Zusammentreffen wäre somit vorerst ausgeschlossen. Natürlich kann man nie sagen, ob ihr euch jemals wieder über den Weg laufen werdet oder nicht und ob nicht doch sein Gedächtnis wieder zurückkommen wird, aber einen Versuch wäre es wert. Irgendwo hinter der Grenze in dem kargen Tal, wo nur Steine rumliegen, da wäre er meiner Meinung nach am besten aufgehoben." „Ich überlasse es euch wohin ihr ihn bringt“, murrte Nimrod. „Trotzdem ist ein Fehler. Umzubringen wäre die bessere Lösung.“ Runa ergriff das Wort. „Dann machen wir es so wie Felana es vorgeschlagen hat. Ich kenne da einen guten Ort, an den wir ihn aussetzen können.“ Dann sah sie die graue Wölfin direkt an. „Also dann lösche sein Gedächtnis. Wir sollten uns beeilen.“ Die Fähe nickte zustimmend. "Es ist nun wirklich schon spät, wir müssen schauen, dass die beiden da fertig werden. Uns läuft die Zeit davon! Wenn das Ganze hier erledigt ist", sie sah zu Nimrod, "lasse ich den Braunen wegbringen!" „Felana“, meinte Runa betrübt. „ich werde ihn selbst wegschaffen.“ Als die andere Wölfin so aussah, als würde sie nicht ganz verstehen, warum die Gelbe darauf bestand, fügte sie hinzu: „Einem müssen sie die Schuld zuschieben und sie werden schnell auf mich kommen. Es ist zu offensichtlich. Deswegen werde ich die Rebellen verlassen müssen. So wird nie einer erfahren, wer noch beteiligt war.“ Als Pavan die Augen öffnete, dauerte es eine Weile bis er begriff, dass er sich in einer Höhle befand und seine Mutter neben ihm lag. Verschlafen blinzelte er und fragte sich ob er nicht träumte. „Mutter? Was machst du hier? Wo bin ich?“, stammelte er. Dann rappelte er sich blitzschnell auf und entfernte sich ein paar Schritte. Akira sah ihren Sohn eindringlich an. "Sei ruhig Pavan, alles wird gut! Es ist verständlich, dass du Angst hast und nicht weißt was los ist, aber du musst mir jetzt zuhören. Wir müssen von hier verschwinden, weit weg hinter die Grenzen des Ordens, sonst droht dir der Tod!" Sie sah ihn auffordernd an, in der Hoffnung er würde nicht allzu stur sein. Noch immer ziemlich verstört, meinte er: „Was sollen wir denn so weit hinter der Grenze? Warum kehren wir nicht einfach zum Orden zurück und berichten diesen, was hier vorgefallen ist? Wir können doch hier einfach heraus spazieren und zu unserer Heimat laufen.“ Verwirrt begann er auf und ab zu rennen, dabei versuchte er seine Gedanken zu ordnen. „Oder gehörst jetzt etwa zu den Rebellen? Bist du auch eine Verräterin geworden? Ich weiß einfach nicht, was hier los ist.“ „Pavan! Hör zu, wenn wir zurückgehen, werden sie uns kein Wort glauben, darauf kannst du Gift nehmen. Sie haben zwar ihre Magier mit denen sie deinen Gedanken lesen können, aber glaube mir, solche Wölfe wie wir es sind, wollen sie nicht haben. Ich gehöre sicher nicht zu den Rebellen, aber einfach zurückgehen und sie verraten, nur damit wir unter Umständen ungeschoren davonkommen, will ich auch nicht. Immerhin haben sie dir dein Leben gerettet! Und für die Beteiligten war das sicher auch gefährlich. Sie hätten es nicht tun müssen. Also sei jetzt nicht so undankbar und komm, wir haben nicht viel Zeit. Außerdem, schau wohin dich der Orden nur gebracht hat!" Akira war nun schon etwas wütend, da die Zeit drängte. Leiser fügte sie hinzu: "Was er aus unserer Familie gemacht hat." Angestrengt dachte der Jüngling nach. Im Moment war es wohl das Beste seiner Mutter zu folgen, aber dass der Orden ihn nicht glauben würde, das fand er lächerlich. Der Orden war seine Familie, seine Eltern und seine Geschwister dagegen hatten ihm den Rücken gekehrt, also wem sollte er mehr vertrauen? Denen, die immer hinter ihm gestanden hatten oder seiner Verräterfamilie? Er merkte wie die Wut darüber in ihm aufstieg und seinen Verstand vernebelte. Selbst die Liebe zu Akira rückte dabei in den Hintergrund. Er schluckte hart und unterdrückte dieses Gefühl so gut es ging. Starke Jäger ließen nicht zu, dass ihre Empfindungen sie beeinflussten. „Gut, Mutter“, meinte der graue Jungwolf mit stolzer Stimme. „Ich komme mit dir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)