Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 30: Realität -------------------- Vorwort? Nun, es gibt wohl nicht viel zu sagen. Außer, wie ihr euch vorstellen könnt, dass Katsuya am Abend nicht bei Yami sein wird, um dessen Erklärungen anzuhören. Wer sich für Abwehrmechanismen interessiert, ich verschicke die Erklärungen per ENS, schreibt einfach in eurem Kommentar dazu, dass ihr sie gerne hättet. Ich wünsche ein gutes Lesen: ________________________________________________________________________________ Katsuya joggte durch die verschiedenen Straßen und Gassen des Randbezirkes Dominos. Ein Glück, dass seine Wohnung fast auf dem Weg zur Schule lag. An seine Schulsachen hätte er gestern – oder sollte er heute sagen? – beim Weggehen gar nicht gedacht. Nun, musste er eben noch kurz zu Hause vorbei. War ja keine große Sache und massig Zeit hatte er auch. Genug Zeit zum Überlegen. Was Yami ihm erklärt hatte, das war keine Lebenseinstellung sondern ein Menschenbild. Etwas, dass den Menschen erklärte und definierte. Mal ausgehend davon, es wäre so richtig – dann braucht jede Handlung einen Grund, der in den Trieben oder dem Unbewussten lag. Folglich musste Kaiba einen Grund haben ihn so zu behandeln. Mal angenommen also, er hasste ihn wirklich. In dem Fall wären der Hass und die Abneigung der Grund für sein Benehmen. Aber auch der Hass brauchte einen Grund. Irgendwie musste er Kaiba also verärgert haben. Und zwar nicht nur verärgert sondern wirklich zum Hassen gebracht. Und um sich den Hass eines Menschen zu verdienen musste man schon ganz schöne Scheiße bauen. Aber mal rational betrachtet – das hatte er nicht. Er hatte getan, was Kaiba wollte. Aber… der hatte auch gesagt, dass er es mochte, wenn man sich widersetzte. Aber nicht gegenüber ihm, zumindest nicht in großem Maße, wenn er ihn weiterhin richtig verstanden hatte. In dem Sinne hatte er also alles richtig gemacht. Entweder musste ihm Kaiba also von Anfang an feindlich gegenüber gestanden und den Rest gespielt haben oder Katsuya hatte etwas übersehen. Was hatte sich verändert, seit ihrem ersten Zusammentreffen und Montag? In dieser einen Woche… Katsuya war freundlich geworden, er hatte neue Freunde gefunden und sich fast pflichtbewusst verhalten. Weil er Kaiba gefallen wollte, wie er sich eingestehen musste, aber auch weil es ihn selbst weiterbrachte. Zuerst hatte er das Bild einer lebenden Leiche gegeben, ausgezerrt von Drogen und Hunger, aschfahl mit schwarzen Augenringen und in seiner dunklen Kleidung. Was musste Kaiba über ihn gedacht haben? Nach seinen Worten musste er ihn für einen Kämpfer und Freigeist gehalten haben. Aber das war Lüge, wenn Kaiba im zweiten Gespräch ehrlich war. Und ganz rational gesehen, musste das ehrlich gewesen sein. Denn um wirklich Kämpfer und Freigeist zu sein, hatte er zu beschissen ausgehen. Nur die Kleidung und der rebellische Sinn, ja, dann vielleicht, aber nicht so. Was musste Kaiba gesehen haben? Und was hatte Kaiba zu seinem Tun bewegt? Er hatte mit seiner Rede irgendetwas erreichen wollen, ja. Man tat nichts grundlos, nur zu eigenem Zweck. Er musste ein Vorteil für sich darin gesehen haben Katsuya so etwas zu sagen. Und dass er ihn jetzt hasste, musste dann das Resultat sein, dass eben das, was Kaiba wollte, nicht geschehen war. Jetzt war nur die Frage, was er erreichen wollte. Was sollte ein Lehrer, stellvertretender Schulleiter, schön und gebildet und anscheinend auch nicht gerade arm, von einem halbtoten Neunzehnjährigen wollen? Kein Geld, das war sicher. Ob Kaiba jemanden umbringen wollte? Nicht wenige Leute hielten ihn auf den ersten Blick für einen jungen Yakuza. Das wäre schon mal eine Option. Vielleicht hatte der Brünette auch gedacht, er sei Stricher? Die Möglichkeit bestand immer bei Leuten aus seiner Gegend. Und so schlimm sah er ja nun nicht aus. Aber ehrlich, da gäbe es leichtere Wege… nein, das war ausgeschlossen. Außerdem wirkte Kaiba nicht wie der Typ für so etwas. Kaiba war hübsch genug um sich alle möglichen Männer zu leisten, wenn er sie haben wollte. Ein wirklich plausibler Grund fiel Katsuya nicht ein. Um so etwas zu bedenken, müsste er erstmal mehr über Kaiba wissen. Er zog den Schlüssel aus seiner Hintertasche und öffnete die Tür zu seiner Wohnung. Das wäre doch schon mal ein Anfang… er musste mehr über Kaiba herausfinden. Okay, er sollte also einen Plan entwickeln. Bedürfnis sechster Ordnung – Pläne aufstellen. Zuerst einmal würde er sich Informationen über Kaiba beschaffen. Namen hatte er ja, also brauchte er noch Wohnort, Familienstand, Herkunft, direkte Verwandte, Freunde, Hobbys, Sexualität und den alltäglichen Lebensrhythmus. So weit, so gut. Das wären mal die wichtigsten Punkte. Einzige Anlaufstelle war allerdings die Schule. Die verwarten Akten über jeden Schüler wie Lehrer – gut abgeschlossen. Seinen Unterrichtsplan könnte er im Sekretariat bekommen. Yugi könnte man befragen, aber das wäre wahrscheinlich zu auffällig. Das Lehrerzimmer in seinen Freistunden oder Pausen zu beobachten wäre wahrscheinlich sinnlos, wenn man daran dachte, dass er ein Büro besaß. Und dessen Fenster waren von keinem Punkt aus einsehbar… Irgendwie würde das schon werden. Ob das wohl eine gute Tat war? Jemanden hinterher zu spionieren? Nicht wirklich, oder? Yami hatte gesagt, ein paar Leute sollten als Beispiele voran gehen… er war sicher kein Beispiel. Er war gewalttätig. Er setzte immer seinen Kopf durch und ging eher weniger auf andere Leute ein… bei ihm zählte nur seine Sicht. Aber war er da wirklich so schlimm? Er tratschte nicht und machte andere nicht schlecht. Okay, früher hatte er das getan, aber jetzt nicht mehr. Er konnte sich langsam auch Fehler eingestehen, selbst wenn sein Stolz dagegen stand. Obwohl… eigentlich war es ja nicht sein Stolz sondern sein Trieb. Hach… herrlich kompliziert. Eigentlich wäre es ja nicht so schlimm ein gutes Beispiel zu sein. Wenn das nicht bedeutet, dass man tugendhaft sein soll, sondern nur, dass man nicht lasterhaft sein darf… irgendwie erinnerte das an die zehn Gebote. Da stand auch nicht, was man tun sollte, sondern nur, was man nicht tun sollte. Wie gingen die noch gleich? Nicht töten, nicht lügen, nicht stehlen… und noch irgendetwas. Aber ganz so sinnvoll waren sie auch nicht wirklich. Vielleicht sollte mal jemand neue Gebote erfinden? Man könnte mal Yami fragen. Und dann konnte man mit gutem Beispiel voran gehen. Einer predigte und alle folgten ihm nach… erinnerte doch sehr an die Bibel. Ob in diesen Geboten wohl stand, dass man anderen nicht nachspionieren sollte? Egal, er brauchte die Infos. Es geht vor Über-Ich. Triebe vor Moral. Es schadete doch keinem, oder? Als gutes Beispiel vorangehen konnte er auch später noch. Er griff nach seinem Block und dem Füller und wandte sich wieder zum Flur. „Kaschuya?“ Oh nein… „Bis’ du dasch?“ Was hatte der denn intus, dass er auf einmal lallte? Schnell weg. „Heh?“, der Betrunkene lehnte sich aus der Wohnzimmertür und packte Katsuya am Oberarm. „Lass mich los.“, befahl dieser kalt. „Hall die Klappe!“, Herr Jonouchis freie Hand schlug gegen Katsuyas Brust und ließ ihn so einen Schritt zurück machen, während der Ältere sich vor ihn stellte, „Wo warschu heu’ nach’?“ „Bei einem Freund.“ „Vöscheln, eh?“, er stützte sich an seinem Sohn mit einer Hand auf der Schulter, „Warse gut?“ „Ich muss zur Schule.“, erwiderte der Jüngere und versuchte an dem anderen vorbei zu kommen. Doch der schlang einen Arm um ihn und schob ihn zurück, bevor er weiter sprach und Katsuya dabei seinen scharfen alkoholischen Mundgeruch ins Gesicht blies. „Isch hab’ disch was gefrascht…“ „Ich habe mit niemandem geschlafen und jetzt lass mich gehen!“ „Keen Weib?“, er versuchte die Augenbrauen hochzuziehen, doch das führte nur dazu, dass er blinzeln musste, „Aber du brausch en Weib.“ „Deine Frau ist dir weggerannt.“, stellte Katsuya ziemlich nüchtern fest. „Willschu ’ne Mutda?“ „Nein, danke, ich verzichte.“, sagte Katsuya fast höflich, „Meine Schwester hätte ich gerne wieder.“ „Du wilsch ’eine Schweschter vöscheln?“ „Nein, verdammt!“, schrie der Jüngere, „Ich will jetzt zur Schule! Lass mich gehen!“ „Aber isch will reden.“, meinte Herr Jonouchi wie verwirrt. „Ich aber nicht! Wir können reden, wenn du nüchtern bist!“ „Aber isch bin nüschtern…“ „Dann guck mal ins Wohnzimmer, was du heute schon gesoffen hast!“ „Isch hab’ nisch getrunken…“, sein Kopf drehte sich ein wenig in Richtung des Wohnzimmers, „Nur scho’n paar Flaschen…“ „Reden wir, wenn du gar nichts getrunken hast. Und das für mindestens drei Tage.“, legte Katsuya fest. Ordnung musste sein. Regeln mussten sein. Gesetze auch. Ohne ging nichts. Irgendwie war das Ganze immer logischer. Man brauchte eben nur ein gutes Beispiel. Tja, wenn nur einer vorangehen würde… „Drei Tahsche?“, wiederholte Herr Jonouchi. „Ja, drei Tage. Drei Tage keinen Alkohol. Gar keinen.“ Der Ältere stellte sich auf und guckte etwas über Katsuya hinweg. Er kratzte sich an seinem Drei-Tage-Bart, als würde er angestrengt nachdenken. Der junge Blonde blieb stehen und wartete auf eine Antwort. Oder… irgendein Zeichen, dass sein Vater ihn verstanden hatte. Und das kam. Als Schlag. Mitten ins Gesicht. Katsuya taumelte rückwärts. „Dschu…“, knurrte der Betrunkene, „Dschu hasch nischts schu schagen!“ Dessen Linke krallte sich in des Jüngeren T-Shirt, sein Ellbogen drückte sich in den Bauch, ein weiterer Faustschlag fuhr auf Katsuya nieder. „Nischts!“ Ein Schlag mit dem Handrücken, er wurde nach hinten gedrückt, die Linke traf ihn ebenfalls. Katsuya hustete, beugte sich etwas vor und zog einen Arm vor den Kopf. Eine Faust traf seinen Magen. Er keuchte, hustete, krümmte sich. Eine Hand packte seinen Kopf, zog diesen an den Haaren zur Seite und schlug ihn gegen die Wand – die, modrig wie sie war, etwas nachgab. Katsuya versuchte die Augen zu öffnen, doch alles verschwamm vor seinen Augen. Er spürte seine Knie auf dem Boden. Die Hand löste sich, schlug als Faust gegen seine Wange. Seine Stirn prallte wieder gegen die Pilzschicht. Er kippte zur Seite weg, Rücken gegen die Wand, zog instinktiv Arme und Beine an. Ein Tritt traf nur das Unterbein. Der nächste von oben traf in seine Seite. Nicht wimmern… nur nicht wimmern. Die Schuhspitze traf zwischen seinen Armen und kratzte über die Haut. Kein Laut… Katsuya kniff die Augen zusammen. Dieselbe Spitze tippte fast sanft seinen Kopf an. Der Blonde zuckte und zog so leise wie möglich die Luft ein. Die Sohlen standen still, entfernten sich dann. Ende. Die braunen Augen folgten durch ihr Versteck mit dem Blick den Schuhen, die aus dem Sichtfeld verschwanden. Die Tür des Wohnzimmers schlug zu. Die Gliedmaßen erschlafften. Eine Hand Katsuyas strich über dessen Stirn und der Schmerz durchzuckte ihn wieder. Verdammt… Tränen bahnten sich ihren Weg. Nur einer. Wenn nur einer… ein einziger… nur ein einziger… Der Blonde schloss die Augen. Ein Schritt. Ein weiterer Schritt. Katsuya stützte sich an der Wand und setzte einen Fuß vor den anderen. Seine freie Hand drückte er fest auf seine Stirn. Ein Schritt. Noch ein Schritt. Tränen rannen aus seinen Augen. Es tat weh. Es tat so verdammt weh. Schritt. Schritt. Schmerz. Schritt. Sein Atem ging schwer. Sein Bauch krampfte. Seine Kiefer brannten. Sein Nacken… Kopfschmerzen. Schritt. Ein Schritt. Weiter – immer weiter. Jemand ging an ihm vorbei, hielt Abstand, wandte den Blick ab. Noch ein Schritt. Sein Blick blieb gesenkt. Schritt. Der Boden wurde dunkler. Seine gesamte Sicht… Schritt. Er griff nach der Klinke vor sich. Lasse es die Richtige sein… Schritt. Alles schwarz. Er fiel vornüber. Den Aufschlag spürte er nicht mehr. Ein einziger… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)