Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 42: Scherben -------------------- So, fertig ist es ^.^ Und ein weiteres Kapitel auch schon, wobei ich die Vorwarnung gebe: Das nächste wird wieder kurz und dafür inhaltsreich. Bleiben wir aber erstmal bei diesem. Viele haben es bereits erkannt: Das Ende des letzten Kapitels war ein weiterer Wendepunkt. Was für eine Wendung es genau gibt, das erfährt man im übernächsten Kapitel. Ich freue mich aber bereits über die Spekulationen ^.- ________________________________________________________________________________ Katsuya zog seine Knie näher an sich, rieb seine Hände und hauchte sie an. Mit den Ellbogen drückte er die schwarze Lederjacke gegen seinen Schenkel, die Finger hatte er wieder zwischen diese geschoben. In seinen Schuhen hatte er die Zehen angezogen, seine Lippen presste er hart aufeinander. Auch die Nase versuchte er so gut wie möglich zwischen seine Beine zu drücken. Seine – einst kunstvoll zerrissene – Hose hielt kaum Wärme bei ihm. Und auch das Netzshirt trug kaum dazu bei, dass er sich wohl fühlte. Er ließ den Blick zur Seite gleiten. Ja, das da wäre warm. Aber er wagte es nicht näher dran zu gehen. Zwischen ihm und dem hatte er vorsorglich die blutige Eisenstange gelegt. Mittlerweile wäre es wohl auch schon kalt. Katsuya seufzte leise. Seinetwegen könnten sie Plätze tauschen. Dann läge er mit aufgeschlagenem Schädel tot da. Und das Tier würde frieren. „Köter…“, flüsterte der Blonde mit einem verzweifelten Lächeln. O ja, da könnte auch er liegen. Hündchen… Süß, was? Aber das desorientierte, tapsige, kleine Etwas war nur eine ausgehungerte Töle, die vor Kraftlosigkeit schon nicht mehr bellen konnte. Kaiba traute ihm also alles zu? Schön. Recht hatte er. Schließlich hatte er gerade erst einen Artgenossen getötet. Der hatte doch auch nur Hunger gehabt und wollte sein Heim verteidigen. Mord für den Platz unter’m Lüftungsschacht. Und warm war das auch nicht. Mitten in der Nacht war vom Sommer wahrlich nichts zu spüren… Oder war er das? Spürte er nur keine Wärme? Vielleicht. Die einzige Wärme seines Lebens war zerbrochen. Katsuya blinzelte. Sonne? Er war bei der Kälte eingeschlafen? Unglaublich… Er versuchte seine Hände aus ihrer steifen Umklammerung zu holen, doch er schaffte es kaum sie zu bewegen. Sie waren wie festgefroren. Er hob beide in Augenhöhe und versuchte sie zu strecken. „Tsss…“, er drückte die Kiefer fest zusammen, „Arrrgh…“ Der Großteil seiner Haut war eher kalkweiß, die Fingerspitzen leicht blau. Gut, das ging noch. Keine Erfrierungen also. Oder… Er streckte langsam die Zehen aus. „Aaargh!“, Tränen schossen ihm in die Augen. Mit den steifen Fingern öffnete er den rechten Schuh, zog seinen Fuß hinaus und rollte die Socke hinunter. Oh… weiß mit leichtem Violettstich. Er packte seinen Fuß mit beiden Händen und versuchte zu reiben. Aber so ganz gehorchten die fast tauben Pfoten ihm nicht. „Scheiße.“, fluchte der junge Mann, zog die Socke wieder hoch und steckte den Fuß zurück in den Stiefel, „Und jetzt?“ Er ließ den Blick schweifen. Mülleimer waren manchmal warm. Und wenn er was zum Verbrennen entdeckte… Er seufzte und ließ langsam den Kopf sinken. Nein. Er brauchte einen warmen Ort. Es war Montag, oder? Er schluckte, atmete tief durch und schloss die Augen. Er hatte keine Wahl. Yami war zu weit von hier. Seine Lider zogen sich wieder nach oben, während seine Lippen sich zusammenkniffen. Er verlagerte das Gewicht langsam nach vorne, fing sich mit den Händen ab und stabilisierte seine kniende Haltung so. Seine Zähne wurden zusammengebissen, während er das Kreuz streckte und sich so aufrichtete. Erst das rechte, schließlich auch das linke Bein wurde mit dem Fuß auf den Boden gestellt und durchgestreckt. Eine Träne rann über seine Wange. Tja, Glückwunsch… er stand. Die Uhr über dem Eingang der Schule hatte beide Zeiger fast geradlinig nach unten zeigend. Halb sieben… Um diese Uhrzeit wäre nie und nimmer jemand da. Selbst Lehrer waren nicht so verrückt… Der Punk lenkte seine Schritte zum Parkplatz. Intelligenterweise der erste Ort, an den irgendjemand kommen würde. Hoffentlich Isis… Er wüsste nicht, wie er reagieren sollte, wäre es Kaiba. Die Chance bestand ja. Kaiba gehörte sicherlich zu den Verrückten, die schon eine Stunde früher in die Schule kamen. Ob Isis so etwas auch tat? Vielleicht musste sie ja Medikamente ordnen oder so… Der Blonde seufzte. Okay, die Chancen in nächster Zeit überhaupt jemanden zu treffen, waren ziemlich gering. „Katsuya?“ Allen Engeln und Göttern und was auch immer sei Dank! Er drehte sich in Richtung der Stimme. „Was machst du denn hier?“, der Lehrer musterte ihn, „Und dann… so?“ Allen Mächten und übersinnlichen Kräften den größten Dank… „Herr Muto…“, flüsterte der Jüngere glücklich. „O mein… was ist das für Blut? Wo kommt das her?“, der Mann trat auf ihn zu und hob seine Ponysträhnen, „Heilige- du bist ja vollkommen ausgekühlt!“ Katsuya lehnte sich gegen die warme Hand. „Komm rein, schnell.“ Der Schwarzhaarige packte seinen Arm und zog ihn grob Richtung Seiteneingang des Schulgebäudes. Das Eisenrohr ließ Katsuya über den Boden schleifen, bis der Ältere es ihm schließlich aus der Hand riss. „Was?“, der Lehrer blieb abrupt stehen und starrte das Stück Metall an, „Katsuya, das… das ist Blut…“ „’N Hund hat mich angegriffen.“, murmelte der Blonde. Der Kleinere warf ihm einen verstörten Blick zu. „Ehrlich…“ Muto zog scharf die Luft ein, biss kurz auf seine Lippe und wandte sich wieder zur Tür. „Lass uns erstmal reingehen…“ Natürlich war das Krankenzimmer verschlossen. Aber Muto war definitiv durch den Wind. Setos Büro war auch zu. Also endeten sie im Lehrerzimmer. Irgendwie… bedrückend. Zu wissen, dass man in dem Raum saß, wo sonst hunderte Lehrkörper vor sich hin siechten… „Ich… ich… brauchst du irgendetwas?“, fragte der Lehrer eher verzweifelt. Katsuya ließ sich erstmal nieder und zog die Schuhe und Socken aus. Der Schwarzhaarige zog scharf die Luft ein. „Handtuch oder Geschirrtuch mit heißem Wasser…“, murmelte der Jüngere nach einer Musterung seiner Füße. Muto rannte sofort Richtung Küche und Bad los, die an das Zimmer angeschlossen waren und war kurz darauf mit Besagtem wieder zurück. Der Blonde hatte währenddessen die Heizung eingeschaltet und sich dagegen gelehnt. „Ich… ähm…“, er stellte die Sachen ab, „Noch etwas? Soll ich dir helfen?“ Katsuya packte seine zitternde Hand, drückte sie kurz und bedankte sich, bevor er sich – den Lehrer vollkommen ignorierend – an das Aufwärmen seiner Haut begab. Er tauchte das Geschirrtuch ins Wasser, wrang es aus und legte es wie einen Verband an seinen Fuß an – anderer Fuß, selbe Prozedur. Seine Finger tauchte er direkt in die Wärme. „Gibt es hier vielleicht etwas zu essen? Ich brauche ein paar Kohlenhydrate. Schokoriegel oder Banane oder Traubenzucker oder etwas Derartiges?“ „Ich… ich hätte einen Apfel.“, Mutos Stimme hatte sich etwas gefestigt. „Dürfte ich den haben, bitte?“, fragte der Blonde höflich. „Klar.“, der Ältere sprang wieder auf und griff nach seiner – bei allen Göttern, sie war pinkrot! – Frühstücksdose, „Hier…“ „Danke.“ Katsuya wischte seine Hände an der Hose ab und griff nach dem Obst. „Möchtest du das Brot auch haben?“ „Sehr freundlich.“, erwiderte er knapp und nahm dem Lehrer die ganze Dose aus der Hand. Während er aß, tat der Ältere so, als müsste er dringend seine Unterlagen durchsehen. Sein Anblick musste Muto wohl wirklich mitnehmen… „Danke, Herr Muto.“, wiederholte Katsuya noch einmal förmlich und reichte dem Lehrer seine Dose zurück. „Ähm… kein Problem.“, er beobachtete den Jüngeren, wie dieser sich die Umschläge von den Füßen wickelte, die mittlerweile ein leichtes gelbweiß aufwiesen, „Aber was ist denn mit dir passiert?“ Ach ja, was war denn passiert… Zu erzählen, was nicht passiert war, wäre wohl einfacher. „Wollen sie es ausführlich oder kurz?“ Er tauchte das Tuch mit einer Ecke wieder ins Wasser und säuberte damit sein Gesicht. Meine Güte, diese Schminke hatte zwei Tage überstanden… „Tja…“, der Ältere rutschte etwas auf seinem Stuhl herum, „Ich denke… die kurze Version…“ „Okay.“, Katsuya schmiss das Handtuch zu Boden, „Freitag Abend habe ich ihren besten Freund bei ihrem Bruder im Bett erwischt.“ Mutos Miene versteinerte mit einem Ausdruck zwischen Unglauben und Entsetzen. „Ich kam ziemlich down nach Hause und mir wurde der Rücken zu Brei geprügelt.“ Der Ältere schluckte. „Ich war Samstag arbeiten, habe die Nacht bei Atemu verbracht, achtzehn Stunden geschlafen und fand beim Nachhausekommen mein Zimmer in Trümmern.“ Seine Lider wurden bedenklich gespannt. „Dann bin ich abgehauen und hab' mir draußen ein halbwegs warmes Plätzchen gesucht. Da kam allerdings der Hund und dachte, ich wäre wohl ein ganz guter Mitternachtssnack. Bei uns muss man töten um nicht getötet zu werden. So stand es dann auch mit dem Hund. Vor ungefähr einer Stunde bin ich dann neben seiner Leiche wieder aufgewacht und war halb tot gefroren. Also bin ich hier her in der Hoffnung auf etwas Wärme.“ Muto fiel scheppernd die Dose aus der Hand. „Das war eigentlich die Kurzversion.“ Einige Sekunden starrten sie sich an. Zumindest, bis Katsuya etwas Regung in die eingefrorene Szene brachte, indem er sich mit einem Seufzer zurücklehnte und die mittlerweile warme Heizung an seinem leicht pochendem Rücken genoss. Wow… Dass er das jemals jemandem sagen würde… Und dann Yugi? Oder eher seinem Lehrer Muto? Na ja, manchmal musste man sich selbst einfach nicht verstehen. „Du…“, der Ältere fuhr sich durch die Haare, „Ich… ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ „Kann ich verstehen.“, flüsterte der Blonde. „Wahrscheinlich bringt es gar nichts, wenn ich nach deinem Befinden frage oder Mitleid bekunde oder dir sage, dass du immer zu mir kommen kannst…“ „Ja.“ „Ich… ähm…“ Ob es doch nicht gut war, ihn mit seiner Psyche zu belasten? Er hatte gar nicht daran gedacht, dass er Muto schaden könnte. „Ähm…“ „Mir reicht es, dass sie mir glauben.“, beendete Katsuya das Gestammel. „Dass ich dir… glaube?“ „Ja.“, er starrte weiterhin zur Decke, „Zu viele Menschen der ach so tollen Gesellschaft wollen gar nicht sehen, dass es in der Welt etwas Schlechtes gibt. Also schließen sie die Augen statt zu helfen.“, er seufzte, „Mir reicht der gute Wille.“ „Wie meinst du das?“, fragte Muto verunsichert. „Sie sagen mir nicht, dass ich lüge. Sie sagen mir nicht, dass ich übertreibe. Und sie nehmen mich und meine Situation ernst.“, beide Blicke trafen einander, „Das reicht mir.“ Der Lehrer schluckte hörbar. „Wussten sie, dass Kaiba mit ihrem Bruder schläft?“, wechselte der Blonde das Thema. „Ich… Nein.“, Muto wandte den Blick ab, „Ich dachte nie… bist du dir sicher?“ „Ja.“, der Jüngere zog die Jacke aus und lehnte sich – extrem vorsichtig – wieder an die Heizung, „Ach ja, ich soll es niemandem sagen, hat er befohlen. Also nicht weitersagen.“ Der Schwarzhaarige hustete einmal. „Einen Teufel würde ich tun…“ „Ich dachte nur, sie interessiert das.“ „Das tut es ganz sicher…“, er seufzte und fuhr sich abermals durch die Haare. Katsuya beobachtete seine Bewegungen. Es war auch er gewesen, der ihm gesagt hatte, dass Kaiba single war, oder? Und wenn man jetzt an Yamis Worte dachte… „Schläft er auch mit ihnen?“ Der Lehrer hustete laut auf, mehrfach hintereinander. Sein entsetzter Blick traf Katsuyas musternden. Und glitt zu Boden. Jetzt wich er ihm also aus… „Ich… ich…“ „Also ja?“ „Nein!“ Und vehemente Leugnung bestätigte die angenommene These… Auch Katsuya ließ den Blick sinken. Yugi also… Tja, ein hübscher Fang. Und Yami noch dazu… Aber nein, natürlich hatte Kaiba es nicht gewusst, natürlich hatte er nie bemerkt, dass sie Zwillinge waren. Natürlich hatte er nur mit einem Fremden geschlafen. Natürlich… „Ehrlich nicht…“, versuchte der Ältere es noch einmal. „Schon gut, ich kann das verstehen…“, Katsuyas Stimme brach. „Nein, das…“, der Lehrer seufzte, „Das war eine einmalige Sache… das ist schon Monate her…“, und wieder fuhr er sich durch die Haare, „Wir sind Freunde. Mehr ist da nicht…“ Ganz neue Perspektiven… Kaiba hatte sich Yami geschnappt als Ersatz für Yugi. Schön… Und, gab es auch ein noch schöner? „Wieso erzähl’ ich das überhaupt? Ach, verdammt…“ „Sagen sie nur noch, er hat einen Hund und eine Kinderleiche im Keller, dann haben wir die größten Sexualverbrechen durch.“, erwiderte Katsuya sarkastisch. Der Andere warf ihm einen Blick voller Entsetzen und Ekel zu. O ja, zu lange hatte er darauf verzichten müssen. Da war er also wieder. Punk Katsuya. Er gegen den Rest der Welt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)