Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 44: Wahrheit? --------------------- So, hier euer - längeres - Kapitel, auf dass ich etwas weniger Drohungen bezüglich der Wörteranzahl erhalte XD Und nein, Kaiba wird Katsuya nicht umbringen, sonst wäre diese Geschichte hier viel zu schnell zu Ende und ich würde meine 102 Kapitel nicht voll kriegen. Wir sind hier ja gerade mal am Montag der dritten Woche und ich habe schließlich bis in die fünfte Woche geplant ^.- Und die Frage, ob Katsuya mit Kaiba oder doch Yami, Yugi oder sonst wem zusammenkommt, werde ich auch weiterhin nicht beantworten - auch beim tausendsten Mal nicht ^.- Ich danke euch erstmal noch mal herzlich für die lieben Kommentare (wisst ihr eigentlich, was für Rekorde ihr hier sprengt? ô.o) und wünsche euch jetzt viel Spaß beim Lesen. ________________________________________________________________________________ Mord? Mord an seinem Bruder? Der Mann, der damals umgekommen war, war… Kaibas Bruder? „Guck nicht so überrascht.“, wies der Lehrer ihn an. „Ich… ich…“, stammelte Katsuya und wandte den Kopf ab. Dieser Blick war nicht zu ertragen. Dieses eiskalte Blau… „Deine Reaktion zeigt mir, dass mein Gedächtnis noch gut genug arbeitet dich auch nach fünf Jahren noch wieder zu erkennen.“ Fünf Jahre… Fünf Jahre, die er das alles verdrängt hatte. Und nun… „Es war ein Unfall…“, flüsterte der Blonde. „Unfall?“, Kaiba stieß sich vom Tisch ab und warf mit einem trockenen Lachen den Kopf in den Nacken, „Unfall? Sicher. Ich bezeichne es auch als Unfall, wenn ich jemandem wissentlich die Kehle durchschneide.“ „Ich wollte das doch nicht!“, schrie der Jüngere und sah ihn mit seinen von Tränen schimmernden Augen an, „Ich wollte nicht, dass er stirbt! Und ermorden wollte ich ihn erst recht nicht!“ Der Lehrer schüttelte – von seinen eigenen Lachen zitternd – den Kopf und wandte den Blick ab. „Fakt ist, dass du es warst, der das Messer in der Hand hielt und mein Bruder, der sich nicht wehrte…“, seine Stimme erstarb. „Und sie der Mann mit der Kapuze…“ Kaiba stieß die Luft aus. Also doch… Wie hatte er auch auf den Gedanken kommen können, dieser Typ könnte für irgendwen mal etwas empfinden? Auch für Yugi nicht. „Wir stritten.“, erhob der Brünette wieder die Stimme, „Er rannte weg, genau dahin, wo ich ihn immer vor warnte. Diese tollen Gegenden, die du Heimat nennst. Er zog sich mit Drogen zu und ich hielt die Sorge nicht mehr aus. Ich dachte mir schon, dass er in euer Viertel gerannt war. Ich habe mich vor so einigen Gangs verstecken müssen, aber ich war schon froh, dass sie meinen Bruder noch nicht erwischt hatten. Und dann dieses Gelächter…“, er schien das Wort auszuspeien, „Erinnerst du dich eigentlich noch? Ihr habt laut gelacht. Ein paar von euch noch irrer, als das Blut floss. Und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl sterben zu müssen…“ Sterben… Er war das gewesen. Nur er. Schuldig… „Es tut mir Leid.“, flüsterte Katsuya unter Tränen, „Es tut mir so Leid…“ „Das hilft mir jetzt auch nicht mehr.“, erwiderte der Ältere kalt. Ein Schrei. Er hörte nur diesen Schrei. Schreiende Kapuze. Schatten. Etwas zog ihn davon. Blut an seinen Händen… Katsuya starrte sie an. Mit diesen Händen… „Tut das weh?“, flüsterte der Ältere, „Tut es dir jetzt weh?“ „Ich wollte es nicht…“, murmelte der Blonde. Der Blauäugige trat wieder auf ihn zu. „Ich wollte das nicht…“ „Du hast es dennoch getan.“ Katsuya ließ seine Hände auf die Knie, seinen Blick nach unten und seinen Kopf gegen Kaibas Schulter sinken. Dieser hob seinen Arm und ließ seine Linke durch das blonde Haar fahren. „Sagst du mir das?“, flüsterte er, „Warum musste mein Bruder sterben?“ Die Antwort war leises Schluchzen. Warum unbedingt er? In diesem verdammten Viertel gab es genug Obdachlose ohne Familie oder Hintergrund, genug Typen, bei denen es keinen interessieren würde, wenn sie abkratzten. Warum also er? „Fünf Jahre habe ich nach dir gesucht um dir diese Frage zu stellen.“, durchbrach Kaiba die entstandene Stille, „Und alles, was ich finde, ist ein abgemagerter, halbtoter Junkie. Kreidebleich bis auf die blauvioletten Flecken und ein paar blutige Wunden.“, er atmete tief durch, „Ich weiß nicht genau, was ich überhaupt erwartet hatte…“, die Hand kraulte weiter in seinem Haar, „Aber du warst es nicht.“ Enttäuschung? Kaiba war… enttäuscht? Hatte er Sadismus erwartet? Brutalität? Kaltblütigkeit? „Ich wollte nur jemanden, den ich hassen kann… dem ich die Schuld geben kann…“, die Hand sank zu seiner Schulter und wanderte dort die Musterung des Nitzshirts entlang, „Dich zu finden und zu quälen, das war fünf Jahre lang alles, was ich wollte…“ Rache… Rache war kein guter Sinn des Lebens. Man konnte Rache nicht befriedigen. „Und dann finde ich ein wehrloses, gebrochenes Hündchen…“ Er war eine Enttäuschung. Nicht mal als Symbol des Hasses reichte er mehr. Er war Punk ohne Punk zu sein… Abschaum ohne Hintergrund. Auch sein Leben hatte keinen Sinn. Susano. Sturm. Das wollte er sein. Frei und ungestüm, selbst bestimmend, stark genug allem zu trotzen. Und nun riss seine Vergangenheit ihn nieder. Stürme kümmerten sich nicht um die Orte, an denen sie gewesen waren, sie kümmerte nicht einmal die Zerstörung, die sie hinterlassen hatten. Stürme blickten immer nach vorne. Aber er konnte nicht nach vorne blicken. Vor ihm stand Kaiba, versperrte den Weg. Er hielt ihn fest, raubte ihm die Freiheit – durch die sanfte Gewalt einer Umarmung. Katsuya war vom Tisch gehoben worden, lehnte nun an diesen. Er krallte sich in Kaibas Jackett. Kaiba war kein sehr emotionsbestimmter Mensch. So hatte der Blonde zumindest gedacht. Doch Kaiba hatte eine Maske getragen. Genau wie er. Jetzt war der Moment, in dem die Masken fielen. Und hinter diesen Masken liefen die Tränen. Sie weinten – beide. Zumindest im Schmerz waren sie vereint. Doch auch wenn eine Träne ihren Weg über Kaibas Wange suchte, war seine Stimme fest und sein Körper behielt dieselbe straffe Haltung wie sonst auch. Einzig die Hand an Katsuyas Rücken, die diesen sanft gegen den Größeren drückte, war untypisch. „Was soll ich mit dir machen, hm?“, fragte der Lehrer. Töten… „Was immer wenigstens ihrem Leben Sinn gibt.“, flüsterte der Blonde stattdessen, „Meins ist eh im Eimer.“ Der Ältere ließ seinen Kopf auf Katsuyas Schopf sinken. „Mein Leben ist verwürgt.“, zitierte er mit bebender Stimme, „Drum nimm den Dolch und stich.“ Bizarr. Einfach bizarr. Situationen mit Kaiba waren bizarr. Irreal. Denn er lächelte. Sie lächelten beide. „Nun, was wirst du jetzt machen?“ Katsuya atmete tief ein und seufzte. „Also?“ „Sterben bringt mich auch nicht weiter.“, er löste sich langsam von dem Älteren, lehnte sich wieder an den Schreibtisch und sah ihm in die Augen, „Ryou sagt, mit dem Tod ist alles vorbei. Sterben ist also noch sinnloser als Leben. Wenn sie mich nicht töten, werde ich demnach leben.“ „Das heißt praktisch gesehen?“ „Ich gehe zur Krankenstation und lasse meine Hände und Füße untersuchen.“, Katsuya hob seine kreideweiße Hand, „Da – totes Gewebe.“ Weiß hieß tot. Rosa hieß lebendig. Schwarz hieß Amputation. „Hast du die Nacht etwa draußen verbracht?“ „Hm-hm…“, bestätigte der Jüngere mit einem Nicken. Kaiba seufzte. „Wenn du so weitermachst, stirbst du schneller, als du willst.“ „Ich konnte nicht nach Hause.“, erwiderte der Blonde leise, „Meine Familie ist zerbrochen.“ „Deine… Familie?“ „Mein Drache.“, flüsterte er, „Den mir meine Schwester zum Abschied geschenkt hatte.“ Ein Paar blauer Augen beobachtete ihn still. „Bevor sie mich in die Hölle warfen…“ „Du hattest ein Leben vor dem Ghetto?“, fragte der Lehrer nach einigen Sekunden nach. Katsuya nickte still. „Eine Schwester? Und eine Mutter?“ Nicken. „Warst du glücklich?“ Katsuya stockte. War er damals… glücklich? War er unter der Ignoranz und dem Hass seiner Mutter glücklich gewesen? „Nein.“, antwortete der Blonde schließlich, „Aber es war schöner als heute. Demnach bin ich dankbar es erlebt haben zu dürfen.“, er wandte den Blick ab, „Auch wenn ich nicht glücklich war…“ Sie schwiegen sich einige Zeit an. Es könnten Minuten gewesen sein. Sekunden. Oder Stunden. Eine Ewigkeit, in der Katsuya den Blick abwandte. Weg von diesem Blau. Blau, das ihn schon wieder durchschaute. Und jedes Geheimnis aufdecken wollte. Ein Stille, bis Kaiba sie brach. „Wir stehen uns zum ersten Mal ehrlich gegenüber.“ Eine reine Feststellung. Eine wahre Feststellung. Ein kalter, sachlicher Ton. Waren sie sich nicht näher gekommen? Waren sie es und sich jetzt wieder fremd? Es war alles so bizarr… „Dennoch, die erste Stunde ist schon fast rum. Nach allem bin ich immer noch dein und euer Klassenlehrer. Und wir haben gerade Japanisch.“, der Lehrer griff nach der Tasche, die er am Eingang fallen gelassen hatte. Katsuya ließ den Kopf sinken. Doch die Aufforderung dem Älteren zu folgen, die er als nächstes aussprach – sie war nicht mehr kalt. Sie hatte eine Spur Belustigung, gar Lebensfreude in sich. „Kommst du?“ Der Blonde sah überrascht auf. Schlug ihm kein Hass mehr entgegen? Warum diese freundliche Stimme? Dieses ernste Lächeln? Das leichte Glitzern in den blauen Augen? „Na los, schlag keine Wurzeln.“ Irgendwo war es bizarr. Der ganze Mann war bizarr. Doch irgendwo konnte Katsuya trotz allem nicht verneinen, dass er ihn faszinierte. Und eines war sicher. Es war dieses Lächeln, was sein Herz schneller schlagen ließ. „Morgen, erhebt euch, Wakaba, sprich ein Gebet.“, begrüßte Kaiba die Klasse mit wenigen Worten und ließ Katsuya eintreten, bevor er die Tür schloss und mit schnellem Schritt zum Pult ging. Innerlich den Kopf schüttelnd wandte sich der Blonde zu seinem Platz. Wie zur Hölle machte er das? Gerade noch schien er einen halben Zusammenbruch gehabt zu haben – denn Katsuya vermutete nicht, dass es oft vorkam, dass Kaiba eine Träne über die Wange rann – und jetzt sah man ihm nichts an. Konnten Masken so stark sein? Denn unzweifelhaft trug der Ältere nun wieder eine. Die Rolle Lehrer. Nur eine von vielen Seiten. „Morgen…“, flüsterte Ryou und musterte den Größeren unverhohlen. Oh verdammt, er hatte ja gar keine Schuluniform an. Er… hatte nicht einmal ein Hemd an… Sein ganzer Rücken… Er warf einen Blick über die Schulter. Kaiba erwiderte ausdruckslos. Nun, der konnte sich wohl seinen eigenen Reim darauf machen. Aber die anderen? … Was interessierten ihn die anderen? Zwar hatte sich die Situation gewandelt, aber mussten es seine Einstellungen deswegen auch gleich tun? Nein – er kämpfte und daran änderte sich nichts. Und auch diese Blicke hielt er aus. Es war ja nicht so als wäre er ein unschöner Anblick. Er war nur ziemlich blauviolett. Katsuya atmete tief ein. Ein Sturm blickte nach vorn… Er würde kämpfen. Kein Mensch wagte ihn anzusprechen. Nicht einmal Ryou. Irgendwo war das schmerzhaft. Ryou hatte Angst vor ihm… wegen den Flecken, den Narben, den Nadeleinstichen? Den Verbänden, den Blutflecken, den Muskeln? Dem Eisenrohr, das er im Lehrerzimmer liegen gelassen und nun geholt hatte? Anders konnte er diesen leicht verstörten Blick nicht deuten. Er erinnerte den Jungen doch hoffentlich nicht an seinen Vater, oder? Oder seinen Bruder in seiner Zeit als Junkie und Alkoholiker? Das wäre natürlich super beschissen… „Ryou?“, sprach er ihn schließlich in der letzten Stunde an. „Äh, ja?“, der Junge schien aus seinen Gedanken zu schrecken. „Mache ich dir Angst?“ Er blieb regungslos stehen und atmete tief durch. Katsuya währenddessen lehnte sich gegen seinen Einzeltisch und verschränkte die Arme. „Ein wenig…“, antwortete der Jüngere irgendwann, „Ich habe Angst davor, dass es jemanden gibt, der dazu…“, er nickte zum Oberkörper des Blonden, „…fähig ist.“ „Mich so zu verunstalten?“ „Ja…“, der Blauäugige schlang die Arme um seinen Körper, „Das macht mir Angst…“ „Wieso?“ Er seufzte. Katsuya lehnte sich etwas vor um das Flüstern zu verstehen. „Es erinnert daran, dass in jedem von uns ein Monster steckt…“ Monster? Ach ja, Yamis Gerede von den Trieben und der Gedanke, dass der Mensch mit Willen dagegen ankommen könnte… sein Vater war wohl das lebendige Gegenteil. Aber wollte der sich denn ändern? Wahrscheinlich nicht… „Ich dachte, mit der Erkenntnis seiest du groß geworden.“ Der Weißhaarige schloss wie müde die Augen. „Wolltest du sagen, du verdrängst sie erfolgreich?“ Ein kraftloses Nicken. „Aber wenn du sie nicht beachtest, was hat es dir dann gebracht, dass du all diese Gewalt ausgehalten hast? Wenn kein Sinn dahinter steckte, wie konntest du sie ertragen? Wenn du deine gewonnen Erkenntnisse nicht nutzt, wofür machtest du sie dann? Sie sind doch ein fester Teil unseres Lebens… und vielleicht sind sie für uns da.“ „Das Leiden der Welt? Für uns? Als Teil eines sinnerfüllten Lebens?“, fragte der Kleinere ungläubig nach. „Warum nicht?“, erwiderte der Blonde, „Alles ist möglich.“ Außer Kaiba zu verführen… Katsuya klopfte eher zaghaft an der Tür für die Nachsitzenden. Das erste Mal dieses Jahr musste er nicht nachsitzen und er ging freiwillig zu diesem Raum… was tat man nicht alles für einen sturen Eisblock? Obwohl, solch ein Eisblock war er ja eigentlich nicht. Heute hatte sich ihm noch eine ganz andere Seite geöffnet – eine wahrhaft verletzliche. Der Mann war Kaibas Bruder gewesen… Katsuya schluckte. Diese Aktion war Wahnsinn… Doch irgendwo wusste der Blonde, dass das sein einziger Weg war. Nicht der einzig mögliche – aber der einzig sinnvolle. „Katsuya?“, fragte Kaiba überrascht, als er die Tür geöffnet hatte. „Könnte ich noch einmal kurz mit ihnen sprechen?“ Die blauen Augen musterten ihn eindringlich. Ein Seufzen. War er so eine Last? Wenn er nur eine Enttäuschung war, dann… Katsuya spürte wie sein Herz sich zusammenzog. Nein, nicht daran denken. Kaiba bellte den Schülern im Raum einen Befehl zu und zog den Blonden ein wenig abseits auf den Flur. „Was kann ich für dich tun?“ Wäre das eine Komödie, Katsuya hätte sicherlich gelacht. Allein diese Formulierung… Kein unhöfliches was-willst-du? Oder ein Knurren. Nein, eine freundliche Frage. Und dann in dieser Formulierung… „Es gäbe da tatsächlich etwas…“, begann Katsuya etwas unsicher. Sollte er das tatsächlich durchziehen? Kaiba hob eine Augenbraue. Dieser Lehrer raubte einem auch jedes Selbstvertrauen. „Ich weiß nicht genau, wie ich es freundlich sagen soll…“ „Dann sag’s unfreundlich.“ Er forschte im Blick des Älteren. Abwehr? Angst? Anspannung? „Ich will bei ihnen wohnen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)