Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 50: Der Keil -------------------- Wenn selbst die schlimmsten Zweifler jetzt anfangen ihre Zweifel abzulegen, wird es wahrlich Zeit für dieses Kapitel. Ich denke, der Titel sagt alles. Übrigens danke ich allen für's Daumendrücken, ihr habt meine Note gerettet ^.^ Jetzt kann ich mich guten Gewissens an der Uni bewerben. Das nächste Kapitel gibt es natürlich wieder Samstag ^.- Viel Spaß beim Lesen! ________________________________________________________________________________ Katsuya rannte bereits zum dritten Mal zum Wagen um diesen auszuräumen. Spielzeug, Klamotten, Schuhe, Lebensmittel… irgendwie hatten sich eine Menge Tüten angesammelt. „Beeil dich, sonst wird die Milch sauer!“, rief der Lehrer aus der Küche. „Ja-aah…“, entgegnete der Blonde genervt. Die blasslila gekleidete Frau mit dem Cocker-Spanier auf der anderen Seite der Straße schüttelte pikiert den Kopf, überquerte das Pflaster und steuerte auf das Haus drei Nummern weiter zu. „Ungewöhnliche Nachbarschaft…“, murmelte der Braunäugige, während er zwei weitere Taschen auf dem Esstisch an der Seite der Küche abstellte. „Ich hab’ sie mir noch nie angesehen.“, erwiderte der Ältere und kam auf ihn zu, „Und die Tüte mit der Milch hast du immer noch im Auto stehen.“ „Das war die letzte Tasche!“ „Hast du hinter dem Fahrersitz nachgesehen?“ Der Kleinere verdrehte die Augen und ging wieder los. Und das vierte Mal… Er ging nie wieder mit Kaiba einkaufen! Und dass der Typ auch immer Recht haben musste… „Hier. Das war jetzt aber die Letzte, oder?“ „Ich schätze ja.“ „Und was kann ich nun für euch tun, Majestät?“, spöttelte er. „Was hast du an Hausaufgaben?“ Langer Seufzer… „Japanisch haben wir ja zum Glück nichts aufgekriegt.“, er warf einen Seitenblick auf den auspackenden Kaiba, „Von Mathe habe ich eh keinen blassen Schimmer, da habe ich morgen Nachmittag erstmal Nachhilfe. In Religion haben wir den Test geschrieben, Hauswirtschaft nichts und… äh… ach ja, Geschichte. Da habe ich nicht so wirklich aufgepasst…“ „Und das heißt?“ „Dass ich nicht weiß, was wir gemacht haben und erst recht nicht, was wir aufhaben?“ Dritte Regel gebrochen… oder war es die vierte? Oh je… „Wozu bist du dann da gewesen?“ „Schüler haben vielleicht Anwesenheitspflicht?“ „Wenn du eh nicht aufpasst, kannst du die Zeit auch besser nutzen.“ „Ich habe Englischhausaufgaben gemacht!“, verteidigte sich Katsuya, „Ups…“ Es war nicht so, dass Kaiba ihn sehr dunkel ansah. Das war überhaupt nicht so! Er bildete es sich nur ein… „Katsuya…“, war es ungewöhnlich, dass das a so gehoben und in die Länge gezogen wurde? Nein, nur Einbildung… Katsuya atmete tief ein, seufzte und versuchte Kaibas leicht krakelige Schnellschrift zu entziffern. Namentlich die Schrift, die dieser benutzte, wenn er nur eine Hand frei hatte. Kurzum, wenn er etwas schrieb und gleichzeitig telefonierte. Und genau zu sein… mit seiner Geschichtslehrerin telefoniert hatte… Noch ein Seufzen. Warum mussten stellvertretende Direktoren nur ein Namens- und Telefonregister aller Lehrer besitzen? Und die Nerven haben abends anzurufen – nur für eine kleine Disziplinarmaßnahme… Nein, Kaiba hatte ihm keine Standpauke gehalten, ihn nicht angeschrieen und ihn auch nicht in der Luft zerrissen. Er hatte freundlich nach dem Namen der Lehrerin gefragt, diese angerufen und gesagt, er hätte da einen ganz verzweifelten Schüler, der angerufen hatte, weil sein Ranzen verloren gegangen war, wo alle Notizen zum Unterricht drin gewesen wären. Ob sie denn wohl so freundlich sein könnte ihm die Materialien aufs Fax zu legen? Aber natürlich war sie das – schließlich war er ja ihr Vorgesetzter! Das gehörte wohl echt zu den peinlichsten Aktionen des Jahres… Allein Kaibas überspitzt liebliche Stimme und seine theatralische Gestik und Mimik über diesen äußerst tragischen Fall… „Ich glaub’, ich muss kotzen…“, murmelte Katsuya bei der Erinnerung daran. „Ich habe keine Scheu das bei jedem Lehrer zu tun, bei dem du mal wieder nicht…“, er zischte das nächste Wort, „…aufpasst.“ Er traute dem Mann kein Pädagogikstudium zu. Aber Ahnung von Psychoterror hatte er. Das war wohl wirkliche eine der schlimmsten Demütigungen… Katsuya war unweigerlich klar, dass er in nächster Zeit nicht wieder unaufmerksam sein würde. „Es ist doch nur Geschichte…“, jammerte der Blonde, „Das ist sowieso so was von trocken!“ „Und es ist dennoch eines deiner Fächer und ich erwarte in jedem Fach mindestens ein B im mündlichen und C im schriftlichen – für’s erste.“ „Das ist Wahnsinn!“, schrie Katsuya auf, „Das schaffe ich nie!“ „Du wirst es schaffen müssen, wenn du hier wohnen willst. Geh’ ins Büro oben und kopiere mir deinen Stundenplan. Danach möchte ich dich im Wohnzimmer oder in der Küche bei den Hausaufgaben sehen.“ „Ich soll den Stoff von zwei Wochen nachholen und Hausaufgaben machen?“, fragte der Jüngere und setzte seinen so bezeichneten Hundeblick auf, „Muss das denn wirklich sein?“ „Ja.“, erwiderte Kaiba kalt, „Und beeil’ dich, denn du wirst nicht früher schlafen als das du alles fertig hast – und ich es gegengelesen habe.“ Oh Himmel, schick’ ’nen Blitz… Katsuya gähnte, blinzelte und überflog die letzten Zeilen seines Textes. Fertig! Und gar nicht mal so schlecht. Okay, er hatte keinen blassen Schimmer vom japanischen Bürgerkrieg, aber was seine Lehrerin dazu erzählt hatte, das wusste er jetzt. Und wirklich schwierig war das ja nun auch nicht. Eigentlich nur stupides Auswendiglernen… Er warf einen Blick zur Couch, auf der Kaiba saß. Dieser war über irgendetwas gebeugt, was er über den ganzen Tisch ausgebreitet hatte. „Sind das unsere Tests?“ Der Brünette sah auf. „Bist du fertig?“ Der Jüngere nickte, wobei er den Kopf auf seiner Faust abgestützt ließ – er lag mitten auf dem Boden. „Ja, das sind eure Tests.“ „Und? Wie sind sie so?“ „Ich habe Schweigepflicht.“, erwiderte Kaiba, doch machte dabei so ein gequältes Gesicht, dass man die Antwort daraus ablesen konnte. „Und meiner?“ „Warum hast du die letzte Frage nicht beantwortet?“ „Weil ich keine Ahnung hatte?“, Katsuya machte seinen Füller zu, „Ich weiß nichts vom shintoistischen Glauben.“ „Bist du nicht religiös?“ Der Blonde zog die Augenbrauen zusammen und sah zu seinem Lehrer auf. „Du kannst nicht an etwas Göttliches glauben, willst du sagen? Nun, ich kann es dir nicht verübeln. Aber sag Bescheid, wenn du deine Meinung änderst.“ Seine Meinung ändern? Nie im Leben. Da würde wohl eher der Fuji Lava spucken. Oder Kaiba eine Frau sein, ganz wie man will. „Du hast Glück gehabt.“, fuhr Kaiba fort, „Die Aufgabe hat nicht so viel Punkte gegeben. Aber wenn Tests oder Arbeiten sowieso mit Punkten versehen werden, dann kannst du auch den größten Schwachsinn schreiben, Abzug darf man dir dafür nicht geben. Du hättest es versuchen können. Nächstes Mal?“ „’Kay.“, der Blonde reichte dem Älteren seine Geschichtshausaufgaben, „Wann ist das nächste Mal?“ „In anderthalb Monaten. Das neue Thema wird dir übrigens gefallen.“ „Was machen wir?“ Kaiba richtete seinen Blick auf die Aufgaben vor ihm und murmelte: „Atheismus.“ „Was ist das denn?“, der Jüngere streckte sich. „Religion ohne Gott oder mit Gott, welcher keine Auswirkung auf das Leben hat.“ Dann waren er und Ryou schon mal Atheisten. Yami wahrscheinlich auch. Hörte sich doch ganz interessant an… „Als du in der Grundschule warst, hast du nicht am Stadtrand gewohnt, oder?“, fragte der Lehrer während des Lesens. „Woher wissen sie das?“ „Wegen der exzellenten Rechtschreibung und Zeichensetzung.“ Wow. Das war ein Kompliment, oder? „Für den Rest der Aufgabe bräuchtest du ein Geschichtsbuch, oder?“ „Jupp.“ Kaiba griff nach einem Zettel auf dem Tisch. „Wo brauchst du noch Bücher?“ „Mathe, Chemie, Physik. Englisch, Kunst und Sport keins, Hauswirtschaft und Sozialwissenschaft wurde uns nicht gesagt, Japanisch und Religion wissen sie.“ „Also fünf Bücher. Dann treffen wir uns morgen in der Mittagspause vor meinem Büro und gehen zusammen in den Bücherkeller. Die Sachen sollten wir schließlich da haben.“ „Muss man die Bücher nicht kaufen?“ „Katsuya, ich bin stellvertretender Direktor. Wenn man kein Geld für Bücher hat, stellt man einen Antrag welche leihen zu dürfen. Und bevor du fragst, solche Anträge landen natürlich bei mir.“ „Wüsste gar nicht, dass das geht…“, murmelte der Blonde. „An Schulen geht vieles, aber die wenigsten wissen wie.“, der Lehrer seufzte und überflog weiter die Zeilen, bis er plötzlich das Blatt sinken ließ und Katsuya direkt ansah, „Sag mal, wie kommst du denn ohne jegliche Ausstattung in Kunst zurecht?“ Tiefes Seufzen. „Wir machen seit Schulbeginn Theorie.“ „Und wie schaffst du Physik, wenn du Mathe nicht kannst?“ „Ähm… gar nicht. Obwohl es derzeit geht, ich hatte ja schon eine Nachhilfestunde, die war ziemlich hilfreich.“ „Und wie funktioniert Englisch, wenn du die ganze Mittelstufe kaum da warst?“ „Tja…“, Katsuya setzte sich in den Schneidersitz, „Eigentlich ganz gut. Aber mir fehlen oft die Vokabeln. Außerdem mag ich den Lehrer nicht.“ „Ich auch nicht.“, gab der Ältere zu, „Ich habe den Direktor auch schon gebeten den Mann zu entlassen. Aber der will ihm noch eine Chance geben.“ Der Blonde verdrehte die Augen und kippte gespielt zur Seite. „Was halten sie denn allgemein von dem T-Rex?“ „T-Rex?“, Kaibas Mundwinkel zogen sich ein wenig in die Höhe, „Wenig Standfestigkeit, viel zu gutgläubig und ein wenig eingerostet. Er ist eher so der nette, konservative Opa. Nicht unbedingt zum Direktor geeignet.“, der Brünette reichte Katsuya seine Hausaufgaben, „Aber das habe ich nicht gesagt.“ „Und ich habe es nie gehört…“, ein Grinsen hatte sich auf seine Züge gelegt. „Es ist fast zehn.“, stellte der Ältere fest, „Ab ins Bett mit dir.“ „Ich kann das so lassen?“, fragte Katsuya nach. „Ja, gut gemacht.“, bestätigte Kaiba mit einem kurzen Lächeln. „Yes!“, der Jüngere sprang auf, grinste noch breiter, doch verlor plötzlich allen Ausdruck im Gesicht, „Warum muss ich denn schon ins Bett?“ „Damit du morgen ausgeschlafen bist.“ „Aber ich will noch etwas spielen!“ „Möchten heißt das.“, wies Kaiba ihn zurecht, „Und wenn ich dir das erlaube, sitzt du nur stundenlang dran und schläfst nicht.“ „Wieso? Was machen sie denn?“, fragte der Blonde überrascht. Kaiba würde ihn doch wohl vor der Konsole wegzerren, oder? Wieso heute Abend nicht? Hatte der noch was vor? „Bin ich dir Rechenschaft schuldig? Nein. Ich bin gegen ein Uhr wieder da.“ Was sollte das denn jetzt? Kaiba wollte um diese Uhrzeit noch weg? Wohin denn? Katsuya sah ihm schweigend zu, wie er die Sachen zusammen packte und aus dem Zimmer Richtung Treppe ging – oben ins Büro wahrscheinlich. Der musste doch auch morgen arbeiten… Was wollte der denn noch machen? Um diese Uhrzeit war doch außer den Diskotheken und Bordellen nichts mehr offen. Außer… „Nein!“, schrie Katsuya auf. Nein, nein, nein! Er rannte zur Eingangstür, wo Kaiba sich gerade einen Mantel überwarf und stellte sich mitten in den Flur um dem Älteren den Weg zu versperren. „Nein.“, wiederholte er. „Was soll das werden?“ „Sie wollen zu Yami, oder?“ Kaibas Blick wurde eisig. „Der will sie nicht sehen.“ „Lass mich durch.“ „Er will nicht. Lassen sie ihn in Ruhe.“ Wenn Yami das schon für ihn tat, konnte er das hier auch für Yami tun. „Katsuya. Geh sofort zur Seite.“ „Nein.“, wiederholte der Blonde. „Ein letztes Mal. Tritt beiseite.“ „Yami will nicht mehr mit ihnen schlafen, das hat er mir so gesagt und das sage ich ihnen hiermit auch. Lassen sie ihn in Frieden.“ „Katsuya, ich mag nicht mitten in der Nacht einen Streit anfangen. Wenn Yami das will, dann wird er mir das sagen. Aber würde er es wollen, dann hätte ich sicher nicht mitten in der Nacht einen Termin bei ihm. Finde dich damit ab, dass er Stricher ist und lass mich vorbei.“ Katsuyas Herz fühlte sich wie Blei ein. Schwer, schwerer… es schien ihn nach unten zu ziehen zu wollen. Warum hatte Yami den Termin nicht abgesagt? Hatte er es sich doch anders überlegt? Oder wollte er es Kaiba selber sagen? Aber doch nicht kurz vor Mitternacht… „Bitte tun sie das nicht…“, Katsuya spürte eine Träne seine Wange hinab rinnen, während seine ausgebreiteten Arme schlapp wurden, sodass er sie ein wenig sinken ließ, „Bitte nicht…“ „Du wirst mir mit deinen Tränen kein schlechtes Gewissen machen.“ „Sie haben ja auch keins!“, schrie er auf und rannte an Kaiba vorbei. Nein, nein, nein, nein, nein! Das durfte nicht wahr sein! Das würde Yami nicht tun! Er schmiss sich auf sein Bett. Das würde er nicht tun… Bei allen Göttern, das durfte einfach nicht wahr sein… Nicht Yami… Katsuya hörte unten den Motor starten. Das durfte einfach nicht sein… Ein Schluchzen drang aus seinem Mund. Nein… Yami hatte nicht gelogen… Das durfte er nicht… Katsuya grub sein Gesicht in das Kissen. Verdammt! Wenn Kaiba auch weiterhin mit Yami schlafen würde, dann… Er zog scharf die Luft ein. Dann war das der Grund gewesen, warum er nett gewesen war. Nur damit er selbst nicht rebellierte, dass die beiden auch weiterhin miteinander schliefen. Und Yami hatte gelogen. Sie hatten ihn beide betrogen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)