Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 55: Feelings -------------------- Ja, auch dieses Kapitel ist über 1500 Wörter lang. Möchte vielleicht jemand mal nachzählen, dann wissen wir, welcher Zähler stimmt... So, Kaibas Sensibilität ist verflogen, wie die meisten sich das schon dachten, aber eine gewisse Grundfreundlichkeit schwingt in diesem Teil wohl noch mit. Den Rest der Analyse überlasse ich wie immer meinen über alles geliebten Lesern ^.^ Viel Spaß beim Lesen. ________________________________________________________________________________ „Na komm, Blondchen, raus aus den Federn.“ „Noch fünf Minuten…“, murrte Katsuya und mummelte sich in seine Decke ein. „Wie kommt es, dass ich mich wie eine dieser hysterischen Mütter fühle, die jeden Morgen ihre Kinder aus den Betten zerren müssen?“, grummelte der Ältere. Doch Katsuya erwiderte nichts. „Wieder eingeschlafen?“, fragte Kaiba und lehnte sich nach vorne um dessen Gesicht sehen zu können, „Katsuya? Was ist los?“ Schweigen. Seine Augen waren stur auf die Wand gerichtet. „Deine Mutter hat dich nicht geweckt, hm?“ Immer noch keine Antwort. Der Brünette setzte sich an den Rand der Matratze und strich Katsuya ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Hat ihre Mutter sie geweckt?“, fragte der Jüngere nach. „Keine Ahnung.“, sagte der Blauäugige und seufzte leise, „Sie ist abgehauen, kurz nachdem mein Bruder geboren wurde. Da war ich fünf.“ Katsuya musterte ihn schweigend. „Denken sie manchmal an sie?“ Die Hand hatte sanft durch sein Nackenhaar gekrault, doch löste sich nun. „Ich erkläre die fünf Minuten für rum.“, verkündete Kaiba und erhob sich, „Ich warte in der Küche – ach ja, geh duschen, Frau Ishtar wird dich heute untersuchen.“ „Wär’ ich eh.“, meinte der Blonde wach und schlug seine Decke zurück. Kaibas Mutter war abgehauen? Wegen ihrem Mann? Und was war aus Kaiba und dem Neugeborenen geworden? War das der Zeitpunkt gewesen, wo man sie ins Heim gesteckt hatte? Oder blieben sie bei ihrem Vater? Wie hatte sich der Vater verhalten? Wenn sie bei ihm geblieben waren, wieso waren sie dann ins Heim gekommen? Hatte Kaiba sonst keine Verwandten? Lebte dieser Vater noch? Kaiba hatte noch nie von ihm gesprochen… Wie Kaiba wohl aufgewachsen war? Bei allen Göttern, seine tausend Fragen würden ihn noch einmal verrückt machen, wenn das so weiter ging. Aber stellen konnte er sie auch nicht, oder? Na ja, Fragen kostete nichts… nur den Kopf, wenn er einen empfindlichen Nerv traf. Nein, er sollte warten, bis der Ältere von selbst erzählte – wie sagte Yami? Je weniger du einen Menschen einengtest, desto näher kam er dir. Kaiba mit Fragen zu nerven, wäre nicht der richtige Weg. Sein Interesse anzudeuten und damit den Weg zu ebnen, manchmal zu fragen, manchmal zu schweigen… es war schwer, aber wenn Yami das konnte, konnte er das auch lernen. Wie sagte Ryou? Alles war möglich, solange du nicht aufgabst. Er würde Kaiba nicht aufgeben, auch wenn das vielleicht hoffnungslos aussah – jetzt. Aber wer wusste schon, was morgen kam? Wer wusste, wie es morgen aussah? Jeder Tag war doch irgendwo eine neue Chance. Also, was wollte er mit dem heutigen Tag anstellen? Besuch bei Schwester Isis, Schule und… heute Nachmittag… Yami! Yami besuchen! Das war ja wohl die Idee. Yami hatte er jetzt vier Tage nicht mehr gesehen, vier Tage, in denen so viel passiert war… was Kaiba ihm wohl schon erzählt hatte? Egal, Yami hörte sich so was auch zweimal an. Er wohnte jetzt bei Kaiba und der konnte superlieb sein, wenn er wollte – und der totale Horror, wenn er nicht wollte – und er brauchte einen neuen Lebensinhalt und er müsste endlich all diese wirren Gedanken ordnen und… hach, er sollte echt mal fragen, ob er mit seinen Schwärmereien bezüglich Kaiba nicht vom Boden der Tatsachen abhob. Was, wenn das alles total irre war? Yami würde das schon zu klären wissen. Und wenn nicht, dann würde ihm etwas anderes einfallen. Dafür hatte man seinen kleinen Hobbytherapeuten doch, oder? Zum Ordnen und reflektieren und Hilfe stellen, wenn man wirklich vollkommen am Ende war. Und heute Abend… tja… ach, Mist, Hausaufgaben. Die gab es ja auch noch. Aber danach könnte er sicher Kaiba auf ein Spiel überreden oder sonst die Spielkonsole anwerfen oder… irgendeinen lustigen Streit vom Zaun brechen. Wo sein Drache jetzt wohl war? „Mor’n.“, grüßte Katsuya und trat lächelnd in die Küche, wo sein Blick auf das Papier neben seinem Platz fiel, „Was ist das?“ „Rate mal.“, meinte der Ältere eher desinteressiert und beschäftigte sich lieber mit seinem Kaffee. Bei. Allen. Göttern. „Ja!“, schrie der Blonde auf und sprang in die Luft, „Juhu!“ Achtundachtzig von hundert Punkten. B+. Das war der schönste Tag seines Lebens! Okay, nicht ganz, aber es reichte doch daran heran. Er hatte echt einen Test mit B+ bestanden. Das hatte er seit der Grundschule nicht mehr. Religion lebe dreimal hoch! „Kleine Belohnung für das viele Lernen.“, murmelte Kaiba. „Danke!“, rief der Jüngere lächelnd und ging seine Punkte durch. „Dank’ dir selber, ich habe nur die Note drunter geschrieben.“ „Trotzdem danke.“ „Schon gut…“, ob Kaffee so etwas Besonderes war? Der Brünette trank das Zeug ja literweise. War das nicht ungesund? „Warum kriege ich den Test eigentlich jetzt schon?“ „Der wird gleich verteilt und besprochen, aber du bist die erste Stunde im Krankenzimmer.“ „Wegen den Verkühlungen?“ „Und den blauen Flecken und Blutergüssen und der Platzwunde an der Stirn und den Abschürfungen an deiner Brust und was sonst noch alles in deiner Akte steht, ja.“ Katsuya senkte den Kopf leicht. Manchmal war die Vergangenheit schwer zu verneinen… „Herr Lehrer Kaiba?“ „Ja?“, er ließ doch glatt den Becher ein wenig sinken. „Finden sie mich eigentlich… hässlich?“ „Wegen all der Verletzungen und Narben?“ Der Blonde nickte leicht. „Was ändert das an dir?“ Er blinzelte verwirrt. „Ist doch egal ob nun vernarbt, armlos, drei Zentner schwer oder Supermodel – du bleibst doch derselbe Mensch, oder?“ „Schon, aber… aber…“ „Das ändert etwas an deinem Selbstwertgefühl wie du aussiehst, ja, aber nicht an meiner Sicht von dir, oder? Ist ja nicht so als würde mich dein Körper interessieren.“ Ein Knoten legte sich um Katsuyas Herz. War das nun gut oder… schlecht? „Sieh mich an. Manche interessieren sich für meinen Körper, andere für meine Seele, manche für beides, manche mögen mein Image, mein Auftreten, manche meine Talente, manche meine Schwächen. Auf dem Laufsteg ist die Seele egal. Unter Freunden sind Körper, Herkunft, Sexualität und so weiter egal. Den Arbeitgeber interessiert das Image und die Kompetenz, die Boulevardpresse will meine Schwächen sehen. Jeder will irgendetwas von mir. Und jeder will auch irgendetwas von dir. Ich möchte deine Leistungen, deine Anwesenheit, ein paar Gespräche und Streitereien und vor allen Dingen dein Lachen, weil mir das Depressionen vom Hals hält. Ist schön egoistisch, richtig, aber du beschwerst dich ja nicht, weil du gleichzeitig auch etwas von mir erhältst. Leben ist Geben und Nehmen. Aber dein Körper ist sicher nichts, was ich von dir verlange.“ Sein Lachen? Gespräche mit ihm? Das war es, was Kaiba mochte? „Und was genau kriege ich von ihnen?“ „Frag’ das dich. Ein relativ sicheres und geordnetes Leben. Ich habe keine Ahnung, ob du irgendetwas an mir magst.“ „Natürlich mag ich sie!“, entgegnete Katsuya für seinen Geschmack etwas zu heftig, „Also… ich meine… sie können ja böse und gemein sein, aber… genau so… lieb. Und nett. So… fürsorglich. Stark und erfahren.“ Das… ging doch noch, oder? Also, das konnte man auch zu einem Lehrer als Schüler sagen, oder? Oder als Freund. Das setzte jetzt keine tiefere Zuneigung voraus, ja? Oh Himmel, Kaiba sollte das bloß nicht falsch verstehen… Oder eher… richtig verstehen… Bei allen Göttern, ja, er liebte diesen Mann. Er liebte ihn wirklich. Er liebte dieses Lächeln und dieses kühle Blau. Er liebte Kaiba. „Kann ich heute Abend mal gegen ihr richtiges Deck spielen?“, fragte der Blonde aufgeregt, während er im Auto noch einmal über seinen Tagesablauf nachgedacht hatte. „Du wirst keine fünf Züge überleben.“ „Egal.“, erwiderte der Jüngere, „Dann sehe ich mindestens eine Karte des Decks.“ Stumm griff der Brünette mit einer Hand in die Innentasche seines Jacketts, zog eine Karte in einer Schutzfolie heraus und gab sie dem Anderen mit den Worten: „Sei bloß vorsichtig damit.“ Mit angehaltenem Atem nahm Katsuya die Karte entgegen und hielt sie mit beiden Händen. „Blue-Eyes White Dragon… der ist wunderschön… was? Angriffskraft dreitausend? Verteidigung zweitausendfünfhundert?“, fragte er fast entsetzt. „Es gibt nur drei Karten, die stärker sind. Und von dieser gibt es nur drei andere. Zwei davon befinden sich auch in meinem Besitz.“ „Und die vierte?“ „Hat Opa Muto. Ich habe sie vor zehn Jahren zerrissen, aber irgendwann hat mich das Gewissen gepackt und habe sie mit einer revolutionierten Papiertechnologie wieder zusammensetzen lassen.“ Fast zärtlich fuhr der Blonde mit dem Finger über die Schutzhülle. „Und sie besitzen drei?“ „Ich habe damit außer gegen Yugi und Yami noch nie verloren.“ „Yami?“, fragte der Jüngere überrascht. „Ja, Yami. Guck’ nicht so überrascht.“, er schloss seinen leicht geöffneten Mund, „Yami hat auch Yugi besiegt. Aber er hat nie offiziell gespielt, sonst wäre ich nur Dritter in der Weltrangliste.“ „Yami ist der Weltmeister hier drin?“, hakte Katsuya noch einmal nach. „Er hat aufgehört, als Yugi berühmt wurde. Ich weiß nicht, was damals los war, aber er hat sich geweigert je wieder zu spielen.“ Yami hätte niemals Stricher werden müssen… Er hätte nur spielen müssen um tausende Preise zu erlangen… Er hätte sich niemals prostituieren müssen… Die Gedanken hämmerten in seinem Kopf. „Er ist es auch, der die drei legendären Götterkarten besitzt.“ „Warum?“, flüsterte der Blonde leise. „Warum was?“ „Wieso hat er sich das angetan?“ Die blauen Augen wurden durch eine Spur von Verwirrung durchzogen. „Er hätte Weltmeister sein können. Er hätte alles erreichen können… und er hat sich vor ihnen prostituiert. Er hat sich von seinem Erzfeind für Geld erniedrigen lassen… warum?“ Kaiba lehnte sich in seinem Sitz zurück. „Irgendetwas muss seinen Stolz gebrochen haben…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)