Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 60: Erkenntnis ---------------------- Ganz ehrlich? Die neue Seiteneinteilung bei den Textteilen der FFs gefällt mir überhaupt nicht. Da kann ich gut verstehen, dass mein Stil mit den vielen Absätzen zu nerven beginnt. Zumindest in diesem Detail gefiel mir die alte Version besser. (Ansonsten gefällt mir die neue Version aber sehr gut ^.^) So, aus Berlin bin ich also wieder da, morgen fahre ich weiter nach Bonn, aber ein Kapitel mag ich euch natürlich da lassen. Das nächste gibt es dann, wenn ich wieder zurück bin, d.h. Sonntag Abend (nächste Woche natürlich). Aber jetzt endlich zu diesem Kapitel: Erkenntnis! Im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich bin schon sehr gespannt auf euer Feedback. Viel Spaß beim Lesen ^.^ _________________________________________________________________________________ Seine Schuld… Das zwischen Yami und Kaiba war so viel mehr als nur Sex. Gut, das hatte er nicht wissen können. Er hatte Kaiba wegen seines Selbstbewusstseins für stark gehalten. Und Yami… nun, irgendetwas zwischen labil und stabil. Schwer einzuschätzen. Und jetzt? Yami war stark, Kaiba zwischen labil und stabil. Okay, er hatte von vorneherein gewusst, dass Yami freiwillig mit dem Brünetten geschlafen hatte, aber dennoch hatte er seinen besten Freund für eine Art Opfer gehalten. Kaiba, das sexwütige Charakterekel. Yami für ihn nicht mehr als ein Haustier. Das war ein Bild, das gut gepasst hatte. Und jetzt? Sie hatten ihr Seelenheil ineinander gefunden. Natürlich war es eine wilde körperliche Begierde, die die beiden teilten. Aber es war auch ihre Einsamkeit, die sie zusammen zu vertreiben versuchten. Yami hatte gesagt, er baute seine Energie mit Sex ab. Und Kaiba wollte einfach nur irgendwo seine Masken ablegen und schwach sein dürfen. Aber beide zusammen wollten einfach nur geliebt werden. Und jetzt? Jetzt hatte er sie getrennt. Kein Sex mehr, keine Gespräche, kein Kontakt, wenn er so weitermachte. Er hatte ihnen ihre Grundlage genommen. „Verdammt…“, zischte Katsuya sich selbst zu, drückte sich mit der Seite gegen die Wand und ließ seinen Tränen freien Lauf. Kaiba. Sein Kaiba. Yamis Kaiba. Er hatte überhaupt keine Ahnung von ihm. Er kannte den Kaibas von damals nicht und den Kaiba von heute auch nicht. Er kannte nichts als seine Maske. Kaiba, der schöne, charakterstarke Lehrer mit dem großen Ego und einer Vorliebe für Streit und Psychoterror. Kaiba, der Mann, dessen Lächeln nie seine Augen erreichte. Der Kaiba, bei dem jedes Ja ein Amen und jedes Nein eine Zustimmung war. Immer wieder Kaiba. Und was davon war wahr? Was war Maske, was war Seele? Was wusste er eigentlich von dem wahren Kaiba? Wenig – doch wenig hieß nicht nichts. Wenig war ein Anfang. Wenn Yami jetzt also nicht mehr mit Kaiba schlief – durch seine Schuld, okay, aber daran würde jetzt auch nichts mehr zu ändern sein – dann brauchte Ersterer zwangsläufig eine neue Ablenkung und der Andere ein… ja, was genau brauchte Kaiba eigentlich? Jemand, bei dem er keine Maske tragen musste. Jemand, bei dem er sich entspannen konnte – natürlich! Das war des Rätsels Lösung! Deswegen also die Anspannung. Für Kaiba war es einfach nur anstrengend pausenlos seine Maske aufrecht zu erhalten. Eine Maske entstellte, das hatte er doch selbst gesagt. Wenn Kaiba entstellt war… dann… war dann zwangsläufig seine Selbstachtung auch extrem gering? Könnte es sein, dass Kaiba unter Minderwertigkeitskomplexen litt? Kaum vorstellbar. Aber wenn es nun doch so war? Minderwertigkeitsgefühl, Maske, ein noch stärkeres Minderwertigkeitsgefühl, eine noch stärkere Maske… Teufelskreis. Und Kaibas Maske war sehr, sehr stark, wie er selbst wusste. War der Gedanke da so abwegig? Katsuya wischte sich die Tränen aus seinem Gesicht, denn er hatte längst aufgehört zu weinen und benutzte das Taschentuch, welches er heute mal wieder bei Ryou geschnorrt hatte. Jetzt nur nicht den Kopf verlieren. Wenn Kaiba Minderwertigkeitsgefühle hatte… heute Morgen hatte er doch… natürlich! Er sagte, dass Katsuyas Lächeln ihm seine Depressionen vom Leib hielt. Er hatte gar nicht auf den wichtigsten Teil dieser Aussage geachtet. War doch egal, ob Lächeln oder nicht, Kaiba hatte Depressionen! Verdammt, wieso hatte er nicht gleich herausgehört, was man ihm eigentlich sagen wollte? Minderwertigkeitsgefühle, Depressionen und eine starke Maske. Dann war das eben… Kaiba hatte gefragt, wofür er eigentlich um sich kämpfte. Und als sie über Masken sprachen, hatte er gesagt, dass eine Maske vielleicht der einfachste, aber nicht der beste Weg war. Hieß das, dass Kaiba versuchte seine Maske zu verarbeiten? Wenn seine Theorie stimmte, dann hieß es das ganz sicher. Kaiba war krank. Und er kämpfte gegen seine Krankheit. Aber… Die braunen Augen richteten sich auf das untere Ende der Treppe, während er die Beine an seinen Körper zog und die Arme darum legte. Kaiba kämpfte allein… Der Blonde legte eine Hand auf sein Herz und spürte es ruhig klopfen. Pamm. Pamm. Pamm. Ruhig und gleichmäßig. Immer derselbe Takt, derselbe Rhythmus, der nur manchmal aus der Bahn lief. Doch hier und jetzt – geordnet. Bedürfnis sechster Ebene: Ordnung und Ästhetik. Und jetzt sollte er erstmal seine Gedanken ordnen. Derzeit türmten sie sich auf wie meterhohe Wellen, die über ihm zusammen zu brechen drohten. Das war viel zu viel auf einmal. Reizüberflutung. Kaiba war ein völlig anderer Mensch als er gedacht hatte. Nur wer kannte diesen Menschen außer ihm? Kaiba selbst schien sich einigermaßen zu kennen, sonst hätte er all das nicht über sich sagen können. Er beschäftigte sich anscheinend recht viel mit seinem Selbst – ebenfalls entgegen seiner Erwartungen. Yami kannte diesen Kaiba, aber erkannte ihn nicht. Wie er selbst sagte, er war verwirrt. Er konnte sich die zeitweilig auftretende Sensibilität nicht erklären. Wohl ganz im Gegensatz zu Yugi – der wirkte doch glatt so als kannte er den wahren Kaiba einigermaßen. Obwohl er auch das nicht mit Sicherheit sagen konnte. Und allen anderen war er wohl schlichtweg ein Rätsel. Tja, und Katsuya selbst? Kaiba hatte vor ihm geweint. Nur kurz, wahrscheinlich komplett gegen seine ursprüngliche Intention und doch – er hatte es fraglos getan. Und nicht um den Jüngeren zu verwirren oder in die Irre zu führen, sondern weil er nicht anders gekonnt hatte. Wenn man jetzt mal die sensible Seite als den wahren Kaiba sah und die kalte als den gespielten… dann, ja dann, dann hatte sich Kaiba ihm gegenüber sehr geöffnet. Und jetzt kam wieder die Frage nach dem Warum. Der Braunäugige seufzte. Irgendwie drehte er sich im Kreis, oder? Nun, eigentlich noch nicht. Kaiba hatte gesagt, er brauchte Katsuya. Yami vermutete fehlende Spiegelneuronen dahinter, die er aufzubauen versuchte. Wenn der Brünette aber sehr sensibel war, hatte er zwangsläufig auch viele Spiegelneuronen. Und wenn er nun viele hatte und eine Maske trug, dann hieß das, er versuchte sie zu unterdrücken. Und wenn er gleichzeitig einsam war und nach Nähe suchte, versuchte er sie auf der anderen Seite aber auch zu fördern. Bei allen Göttern, welch eine himmelschreiende Gegensätzlichkeit… Konnte das stimmen? War es möglich, dass ein Mensch etwas wollte und das Gegenteil davon tat? Dass er jemanden von sich stieß, wenn er Nähe wünschte? Katsuya schüttelte traurig lachend den Kopf. Das fragte er sich selbst gerade nicht wirklich, oder? Was tat er denn schon sein ganzes Leben? Und was nun, wenn Kaiba ebenso wie er selbst die Welt dafür verfluchte, dass sie ihn nicht liebte? Bei allen Göttern. Er war so unglaublich dumm. Wie konnte gerade er das noch nicht erkannt haben? Jahrelang als Punk unterwegs mit einem unbändigen Hass auf die verdammte Scheinheiligkeit der ganzen Gesellschaft und eigentlich nur in der Hoffnung, dass ihn eines Tages jemand finden und akzeptieren würde. Alles, was er wollte, war Liebe. Alles, was Kaiba wollte, war Liebe. Er hatte nur einen anderen Weg gewählt das auszudrücken. Wieso verdammt noch mal erkannte er das erst jetzt? Wenn man genau darüber nachdachte, er stand dem Lehrer doch fast mitten ins Gesicht geschrieben. In Leuchtschrift. Wie oft schon hatte Kaiba unbewusst nach Nähe gesucht, wie oft hatte er das vollkommen übersehen? Erst jetzt fiel es ihm auf. Im Nachhinein. Und, was brachte ihm das jetzt noch? Katsuya seufzte tief. Fehler waren dazu da, dass man aus ihnen lernte – wenn er all die Zeichen in der Vergangenheit ignoriert hatte, konnte er sie hoffentlich in der Zukunft besser sehen. Nicht hoffentlich! Was hatte Ryou ihm beigebracht? Nicht hoffen, handeln. Er musste die Zeichen in Zukunft sehen. Er musste einfach. Und er würde. Wenn Kaiba wieder nach Nähe suchte, dann war es genau diese Nähe, die er ihm geben würde. Wie wusste er vielleicht nicht, aber keinesfalls würde er es mehr tatenlos übersehen. Obwohl… wenn man es nun mal ehrlich betrachtete… er war manchmal drauf eingegangen. Unbewusst vielleicht, aber er hatte es getan. Er hatte die Arme für seinen Drachen bereits ausgebreitet. Aber er biss zu, wenn der ihm wirklich mal nahe kam. War doch kein Wunder, dass Kaiba ihn rausschmiss, wenn er ihn zwischendurch immer wieder verletzte. Zum Beispiel das eben mit Yami. Er hätte Kaiba auch freundlich darauf hinweisen können. Er musste ihn nicht gleich anschreien. Wenn Kaiba wirklich so sensibel war, würde er auch das schon verstehen. Bei sensiblen Leuten musste man nicht hart vorgehen, damit man sie strafte. Ein bisschen Missmut reichte da doch sicher schon. Hm… Jetzt musste seine These nur noch stimmen – try by doing. Er musste es einfach ausprobieren. Wenn Kaiba auf ruhige Kritik ansprang, konnte er zumindest nicht kalt sein. Also – auf in den Kampf! Katsuya klingelte an Yamis Tür. „Wer ist da?“, schallte es zurück. „Ich bin’s.“ Wenn ihn nicht alles täuschte, flüsterten die beiden in der Wohnung kurz, bevor ihm aufgemacht wurde. Kaiba saß in der Küche auf einem der Stühle, den Kopf mit einem Arm auf die Tischplatte gestützt und rührte in seinem Kaffee, von dem er den Blick auch nicht abwandte. „Geht es ihnen besser?“, flüsterte Katsuya, der sich einen Stuhl heranzog und daneben setzte. „Was interessiert dich das?“, erwiderte der Ältere nur tonlos. „Ich habe mir Sorgen gemacht.“ Die blauen Augen richteten sich langsam auf den Blonden, während sich Kaibas Miene um keinen Millimeter verzog, bis er schließlich fragte: „Warum?“ „Sie sahen so down aus. Wenn ihre Maske nachlässt, muss es ihnen schon wirklich schlecht gehen.“, volle Kraft voraus… Kaibas linkes Augenlid zuckte kurz, während die Haut seiner Wangen gespannt wurde und seine Lippen sich leicht zusammendrückten. „Ich wollte mich noch einmal ordentlich entschuldigen, dass ich sie vorhin so angefahren habe.“, Katsuya legte einen Arm auf die Tischplatte und seinen Kopf darauf, sodass er zu seinem Lehrer aufsehen musste, der noch immer gebückt saß, „Ich glaube, ich war ein bisschen harsch.“ „Hm…“, murmelte der Brünette tonlos und wandte sich wieder seinem Kaffee zu. „Hat Yami schon erzählt, dass ich ihn zu einer Runde Magic&Wizards überredet habe?“, Kaibas Augen suchten die seinen über den Becherrand, „Ich habe zwar haushoch verloren, aber lustig war es trotzdem. Spielen sie nachher auch noch eine Runde gegen mich?“ So angespannt war der Ältere selten. Als würde er jeden Moment einen Angriff erwarten. Wenn seine These stimme, müsste Kaiba jetzt extrem unsicher sein und sich fürchten durchschaut worden zu sein. Konnte das sein? Seinen Gesichtsausdruck nach zu schließen eigentlich ja. Aber vielleicht sponn er sich hier nur etwas zusammen… vielleicht. Vielleicht auch nicht. „Wollen sie vielleicht nach Hause?“, fragte der Blonde, nachdem er auch nach gut dreißig Sekunden keine Antwort erhalten hatte. Und wieder keinen Ton. Kaiba sah ihn nur an. Mit einem Seufzen griff Katsuya nach dem Autoschlüssel, den er noch in der Tasche hatte und hielt ihn dem Größeren demonstrativ vor die Nase. Keine Reaktion… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)