Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 81: Kindergeschichten ----------------------------- Meine Klausurphase fängt wieder an. Zwei Wochen Stress also, in denen ich all meine abiturrelevanten Arbeiten schreibe. Ich habe einigen noch nicht auf ENS geantwortet und ich hoffe, ihr verzeiht, wenn ich in nächster Zeit nicht dazu komme und Kommentare auch mit ein wenig Verspätung beantworte. Ansonsten kann ich nur noch mal jedem empfehlen in der Fanartgalerie vorbeizuschauen, die rapiden Zuwachs hat ^///^ Danke! Ansonsten gibt es nur noch ein paar Worte zu diesem Kapitel. Zum einen ist es eins, worüber vielleicht manche nur gelangweilt die Augen verdrehen und andere wieder spannend finden - aber ich hoffe es ist trotzdem für jeden etwas dabei. Zum anderen winke ich in diesem Kapitel mit dem Zaunpfahl für alle, die sich immer noch über Kaibas Reaktion auf Katsuyas Bild wundern. Und jetzt viel Spaß beim Lesen ^.^ _________________________________________________________________________________ „Nein!“, rief Katsuya, machte auf dem Absatz kehrt und lief Richtung Auto – aufgehalten von Kaibas rechtem Arm, der sich um seine Hüfte schlang und gnadenlos zurückzog, „Nein, nein, nein! Ich will nicht! Nicht schon wieder! Lassen sie mich looos!“, er verfiel in ein wolfsähnliches Jaulen. „Sagte ich schon mal, dass wir an deinem Problemlösungsverhalten arbeiten müssen?“, grollte der Ältere, schlang einen weiteren Arm um sein Energiebündel und zerrte ihn auf die Arztpraxis zu. „Man wird auf mich einstechen und mein Blut rauben, mir Elektrostöße geben und Folterinstrumente an mir testen. Man wird mich schrecklichen Qualen aussetzen und Gift in meine Venen schleudern. Womit habe ich dieses Schicksal verdient? Was habe ich denn verbrochen?“ „Mir meine Nerven geraubt, du Klageweib.“, er erreichte mit dem strampelnden Jugendlichen im Arm die Tür, die die Rezeptionistin aufhielt, während sie ein Lächeln unterdrückte, „Außerdem übertreibst du maßlos.“ „Dramatisierungen sind ein angemessenes Stilmittel für Reden.“, konterte der Blonde und krallte sich an der Türeinfassung fest, „Nach Gesetz haben Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Der Parentalgeneration ist keine physische Gewalt Kindern gegenüber erlaubt!“ „Ich habe das Gefühl, die Schule schadet dir.“, meinte Kaiba trocken und zerrte weiter an seinem Schützling, „Könnten sie bitte die Tür zuschlagen? Ich erzähle dem Jugendamt, das war ein Unfall. Und der Doktor kann es sofort versorgen.“ „Das ist gemein!“, verteidigte sich der Jüngere. „Erziehung ist auch nicht fair.“ Katsuya ließ den Türrahmen lieber los – nicht dass Kaiba das wirklich noch tun würde. Was im Endeffekt dafür sorgte, dass der Lehrer ihn komplett hochhob und mit einem Eisblick gefesselt ins Untersuchungszimmer trug. „Ich dachte, wir gehen einkaufen…“, murmelte der Blonde und zog eine Schnute. „Werden wir auch nachher, Hün- Katsuya.“, der Ältere atmete tief durch, „Echt, du zerstörst mein ganzes böses Image.“ „Nur zu ihrem Besten.“, der Braunäugige verschränkte die Arme, „Letztes Mal hatte die Dame super Angst vor ihnen, jetzt hält sie uns schon die Tür auf. Nur wegen mir sind sie ihr sympathisch.“ „Und? Jetzt ist sie nicht mehr wegen mir sondern wegen dir froh, wenn wir wieder weg sind.“ „Gar nicht wahr!“, erwiderte er stur. „Wohl wahr.“, Kaiba erhob sich, „Ich gehe jetzt die Formalitäten regeln und du. Bleibst. Schön. Brav.“, er tippte dem Jüngeren bei jedem Wort mit den Zeigefinger auf die Nase, was Katsuya nur dazu verleitete beim letzten Mal zuzubeißen – leider daneben. Der Größere verdrehte nur die blauen Augen und überließ sein Haustier dann dessen grausamen Schicksal. „Er hat mir schon wieder Blut abgenommen. Da!“, Katsuya zeigte demonstrativ auf das Pflaster auf seinem Unterarm und schaute den Brünetten anschuldigend an, „Wie soll ich jemals gute Blutwerte kriegen, wenn mir andauernd welches abgenommen wird?“ „Durch ordentliche Ernährung. Wir gehen jetzt essen.“, entschied der Ältere und zog den Anderen an dessen Handgelenk zwei Häuser weiter in ein Restaurant, wo sie freundlich begrüßt und zu ihrem Platz geführt wurden. „Und was soll ich essen?“, murrte der Blonde und spielte lustlos mit der Karte statt sie zu lesen. „Etwas mit rotem Fleisch oder Spinat.“, der Lehrer blätterte eine Seite um, „Oder soll ich für dich bestellen?“ „Ja, bitte.“, entschied der Blonde und ließ die Karte über den Tisch gleiten, wo sie von Kaiba vor dem Fall gerettet und mit seiner eigenen auf die Tischseite gelegt wurde. „Eine Hühnersuppe, eine Wan-Tan-Suppe und das Rinderfilet von dreihundert Gramm, medium, mild gewürzt-“ „Ich dachte, sie essen ihr Filet englisch?“, warf Katsuya ein. „Mit zweimal Besteck als Hauptgang.“, setzte der Lehrer seinen Satz souverän fort und wandte sich direkt wieder dem Jüngeren zu, „Und es ist eine Unverschämtheit jemanden zu unterbrechen, merk’ dir das.“ „’Tschuldigung…“ „Ich habe jetzt einfach mal vermutet, dass du dein Fleisch nicht fast roh isst.“, er reichte der Bedienung mit einem kalten Lächeln die Karten, „Und dass du nicht allein ein Steak isst.“ Der Blonde stimmte mit einem schüchternen Nicken zu und hob den Blick wieder, während er fragte: „Und welche der Suppen kriege ich?“ „Ach, du wolltest auch eine?“, Kaiba riss beide Augenbrauen in die Höhe, „Hühnchen natürlich, das ist weit proteinreicher.“ „Protein?“, der Jüngere stützte sich mit einem Arm ab, „Das Wort habe ich zum letzten Mal in einem Gameboyspiel gehört. Was ist das?“ „Eine der drei großen Nährstoffgruppen. Kohlenhydrate, Protein und Fett. Ich dachte, du hattest letztes Jahr eine gute Hauswirtschaftslehrerin?“ „Kochen haben wir gelernt.“, er nahm den zweiten Arm dazu, „Aber nichts über Nährstoffe.“ „Biologische Wertigkeit, glykämischer Index, BMI… nie gehört?“, der Brünette lehnte sich vor und legte dabei die vordere Hälfte seiner Unterarme auf den Tisch. „BMI hatten wir mal… ich weiß schon nicht mehr, was das ist.“, der Braunäugige stützte seine Schläfe auf die geballte Faust seiner linken Hand, „Wozu braucht man das alles?“ „Für eine gesunde, ausgewogene Ernährung.“, der Ältere schüttelte den Kopf, „Und Tischmanieren hat sie euch anscheinend auch nicht beigebracht.“ „Häh? Wieso?“, Katsuyas Blick schnellte zu seiner Hand, „Lassen sie mich raten… man soll sich nicht so abstützen?“ „Ganz recht.“, Kaiba stand auf und kam zu seinen Schützling herum, um sich hinter seinen Stuhl zu stellen, „Aufsetzen.“ Der Jüngere tat wie geheißen. „Crashkurs im gesellschaftlichen Benehmen. Der Rücken hat parallel zur Lehne zu sein.“, der Lehrer schob den Stuhl näher an den Tisch, „Auf dem Kopf muss ein Buch zu balancieren sein – außer es gilt das Essen vor den Mund zu halten, dann darf der Kopf gesenkt werden, aber der Rücken muss gerade bleiben. Des Weiteren müssen unter den Armen Bücher halten können.“, Katsuya drückte die Oberarme an den Körper, „Die Ellbogen dürfen niemals die Tischplatte berühren, außer die Tafel wird aufgelöst, also wenn das Dessert abgeräumt ist. Die Stäbchen werden in gewohnter Manier gehalten, aber es wird ruhig gegessen, jeder Bissen hat ein Genuss zu sein. Wenn du fertig bist, werden die Stäbchen quer über den Teller oder die Schüssel gelegt, wenn du noch einen Gang möchtest akkurat auf die Halter rechts von dir. Akkurat heißt übrigens genau passend, geordnet und angemessen.“, setzte er nach. Merken, merken, merken… bisschen viel, oder? Konnte man so überhaupt noch essen? „Wie du vielleicht schon gesehen hast, ist das hier aber ein westliches Restaurant.“ Was? Katsuyas Blick fiel auf seinen Platz. Oh nein… Messer, Gabel und… ähm… Löffel? Ja, genau. „Da gibt es auch noch Besteckregeln.“, Kaiba wies auf die metallenen Gerätschaften, „Gabeln links, Messer rechts, Löffel über dem Teller. Das Besteck wird von innen nach außen benutzt. Also beginnst du mit dem, was außen liegt und endest mit dem innen. Große Löffel für Suppen, kleine Löffel für Dessert, kleine Gabeln für Dessert und Früchte, ansonsten werden Messer und Gabel benutzt. Nichts, absolut nichts wird mit Fingern angefasst. Besteck wird mit Daumen und Zeigefinger gehalten, alle anderen Finger dienen der Stabilisation, der Zeigefinger ist in den meisten Fällen gestreckt.“, er justierte die Gabel in Katsuyas Hand, „Zum Trinken wird das Besteck auf dem Teller abgelegt. Direkt nebeneinander und waagerecht bedeutet, dass du fertig bist mit dem Essen, im Winkel von neunzig Grad, dass du noch weiter essen möchtest. Besteck wird niemals neben dem Teller wieder abgelegt, wenn du es einmal aufgenommen hast. Alles gemerkt?“ Na, das konnte ja heiter werden… „Da sage noch mal einer, Essen sei keine Kunst.“, Katsuya legte den Kopf in den Nacken und sah zu dem Älteren auf, „Wozu braucht man das?“ „Gute Manieren dienen der Sozialisation.“, der Brünette ordnete die Gabeln wieder, „In gewissen Kreisen gilt es einfach als extrem unhöflich sich nicht an diese Regeln zu halten. Außerdem… wenn man damit aufgewachsen ist, ist es manchmal ziemlich ekelhaft andere essen zu sehen. Ich kann einiges tolerieren, aber Essensregeln gehören für mich einfach zu einem ordentlichen Benehmen dazu.“ „Haben sie das durch ihren Vater oder Adoptivvater gelernt?“, wagte Katsuya zu fragen, während sich der Ältere wieder auf seinem Platz niederließ. „Vater.“, Kaiba stützte die Ellbogen auf die Stuhllehnen und verschränkte die Hände, „Er war Geschäftsmann. Gutes Benehmen ist ausschlaggebend in dem Beruf, wenn man seine Firma auf lange Zeit gesehen nicht zugrunde richten will.“, ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, „Verdirbt dir das die Lust auf einen Unternehmerberuf?“ „Nö.“, der Blonde lehnte sich zurück, „Früher habe ich das immer für spießig gehalten. Aber irgendwie ist das lustig. Ich glaube, ich war nur neidisch, dass ich mich nicht so gebildet verhalten kann.“ „Kann ich dir gern alles beibringen.“, das Lächeln verzog sich in ein amüsiertes Schmunzeln, „Am besten finde ich die Regeln zum Betreten eines Gebäudes, wenn man eine Dame dabei hat. Der Mann hat ihr den rechten Arm anzubieten und sie dann vor jeder Tür stehen zu lassen, zu öffnen, sie hindurch zu bitten und ihr hinter der Tür wieder den Arm anzubieten. Das sieht extrem ulkig aus, wenn da plötzlich eine Doppeltür ist. Das Betreten eines Restaurants kann da schon ein richtiges Spektakel werden.“ „Gibt es für alles Regeln?“, fragte der Blonde erstaunt. „Zumindest für vieles.“ Katsuya hielt sich den Bauch vor Lachen. Das war einfach zu gut! Ein Hoch auf Knigge! Kaiba öffnete lächelnd die Beifahrertür, deutete eine Verbeugung an und deutete mit der Hand einladend in den Wagen, schloss die Tür hinter dem Jüngeren und ging vor dem Wagen her, um sich auf seinen eigenen Platz zu setzen. „Wo… wozu braucht… man das?“, brachte er gerade noch hervor. „Die Dame muss den Mann stets im Auge behalten können, deshalb hat er vorne herum zu gehen.“, erklärte Kaiba mit einem unterdrückten Lachen, „Übrigens haben Frauen zu zweit zur Toilette zu gehen, weil sie nicht allein durch die Gegend laufen dürfen. Das verbietet der Anstand.“ Katsuya krallte sich an seiner Tür fest, um nicht in Lachen zusammenzusinken. „Diese Regeln wurden mal zum Schutz von Frauen erfunden, das ist wichtig! Sie konnten jederzeit entführt oder zur Seite gezogen und vergewaltigt werden. Man brauchte einfach Schutz. Damals gab es noch kein Pfefferspray oder Selbstverteidigungstraining.“, der Lehrer startete den Wagen und brachte sie auf den Weg Richtung Innenstadt, „Außerdem vermute ich, dass Selbstverteidigung in Korsett und Kleid ziemlich schwer ist.“ Der Blonde schnappte verzweifelt nach Luft. Aufhören! Das tat schon weh! Sofort aufhören! „Kann ich etwas für dich tun? Etwas Wasser vielleicht?“, erkundigte sich Kaiba amüsiert und sah dem Jüngeren dabei zu, wie er sich vor Lachen krümmte, aber war dann doch still, bis er sich einigermaßen beruhigt hatte. „Aua…“, maulte Katsuya, „Aua… ist eigentlich schon mal jemand an Lachen gestorben?“ „Ja.“, der Ältere lächelte trotz seiner Worte, „Bauern in tiefen Schulden konnten in der Zeit der Römer damit bestraft werden, das man sie anband, Milch auf ihre Füße träufelte und die Ziegen auf sie losließ. Die leckten die Füße ab und die Bauern lachten sich wortwörtlich zu Tode. Erstickt an ihrem Lachen. Eigentlich ein ganz netter Tod, meinst du nicht?“ „Ähm…“, der Blonde beäugte den Fahrenden kritisch, „Sagen wir, einschlafen und nicht wieder aufwachen hört sich freundlicher an.“ „Friedlicher, wohl wahr. Aber das Glück hat man selten. Mein Bruder ist verblutet, meine Mutter hatte wahrscheinlich Herzversagen, mein Vater einen Autounfall und mein Adoptivvater hat sich das Genick gebrochen.“, zählte Kaiba auf, „Kaum ein friedlicher Tod darunter, würde ich sagen.“ „Aber…“, Katsuya verschränkte die Arme und schluckte, „Sie sind doch wenigstens relativ schnell und schmerzarm gestorben, oder?“ „Wohl wahr.“, der Brünette legte den Kopf zur Seite, doch ließ den Blick auf der Straße, „Obwohl ich es bei meinem Vater nicht weiß. Eine Arbeiterin vom Jugendamt ist gekommen und hat mir erklärt, dass mein Vater einen Unfall hatte und ich mit meinem Bruder mit ihr kommen muss. Wir haben nur noch schnell gepackt und kamen direkt ins Waisenhaus. Und außer für eine Gerichtsverhandlung auch nicht wieder heraus. Damals wollte uns keiner unserer Verwandten haben, deshalb blieben wir schließlich auch im Waisenhaus. Mein Gott, Mokuba war erst zwei… er hat jede Nacht geheult und wollte nach Hause. Unsere Zimmernachbarn haben nur gesagt, wir sollen endlich leise sein und die Nachtschwester konnte nichts tun außer Mokuba noch mehr zum Weinen zu bringen. Jede Nacht habe ich ihn getröstet. Beim Einschlafen, bei jedem Alptraum, am Morgen… die erste Zeit war ich wie tot. Sieben Jahre alt und ganz klar völlig überfordert. Alles war neu, ich war fast allein, keine Ansprechperson, nachts kaum Schlaf und ich musste mich um meinen Bruder kümmern. Jeden Tag habe ich ihn mit in die Schule genommen, weil er sonst das ganze Heim zusammen schrie, wenn ich ihn allein ließ. Nach zwei Wochen war ich das erste Mal im Krankenhaus, nach dreieinhalb Wochen wieder… tja, danach habe ich jeden Nachmittag geschlafen und Hausaufgaben in Rekordzeit erledigt. Und drei, vier Monate später konnte ich Mokuba auch tagsüber im Heim lassen und nachts schlief er durch… aber der Anfang war Horror.“, der Ältere seufzte, „Deshalb war ich mir auch so unsicher, was für dich das Beste ist. Eine Woche vergeht und du liegst wegen eines Nervenzusammenbruches im Krankenhaus…“ „Tut mir Leid…“, murmelte Katsuya. „Wage es ja nicht dich dafür zu entschuldigen. Ich meine, schön, dass du es gelernt hast, aber du brauchst es nicht für Dinge zu tun, für die du kaum etwas kannst.“ „Aber ich habe mich überfordert.“, er seufzte, „Ich habe mich selbst überschätzt.“ „Entschuldige dich bei deinem Körper, wenn du es unbedingt willst. Aber nicht bei mir. Ich wüsste gern, ob du etwas ändern möchtest oder vielleicht erstmal etwas Auszeit von der Schule willst oder… irgendetwas.“ Der Braunäugige warf einen Blick zur Seite. Kaiba presste die Lippen aufeinander und sein Gesicht zeigte wieder von dieser altbekannten Anspannung. „Sie haben mehr für mich getan als irgendein anderer Mensch auf dieser Welt und auch mehr als ich mir jemals erträumen konnte.“, flüsterte Katsuya, „Ich bin dankbar für alles. Es gibt wahrlich nichts, was ich noch mehr verlangen könnte. Ich wüsste nicht einmal etwas. Ich muss nur… mit mir selbst fertig werden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)