Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 84: Anxiety ------------------- Mir ist nebenher mal aufgefallen, dass ich einmal versehentlich zwei Kapitel mit deutschem Titel hintereinander gebracht habe... aber ändern werde ich es nicht mehr ^.^ Manche Dinge kann man irgendwie nur in Englisch wirklich ausdrücken. Die Sprache hat irgendwie meine volle Liebe, obwohl ich den Unterricht nicht mag v.v Ich finde es übrigens sehr erfreulich, wie realistisch ihr euch selbst einschätzt, wenn ich versucht euch in diese Situationen zu versetzen. Kaum einer wüsste, was man tun sollte - die einzigen Ideen waren einen Krankenwagen oder Yami zu rufen. Es gab in dieser FF insgesamt schon mehrere Situationen, wo sicherlich viele nicht gewusst hätten, wie sie reagieren sollen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass einige der vorgestellten Reaktionen definitiv nicht die Angemessensten sind - aber etwas tun ist immer besser als nichts. Katsuyas hier gegebene Reaktion ist definitiv keine Empfohlene, aber manchmal hilft sie ^.- Und jetzt viel Spaß beim Lesen und einen frohen Advent ^.- _________________________________________________________________________________ Kaiba zuckte heftig zusammen, sein Kopf flog nach oben und seine Lider rissen auseinander. „Sie bleiben hier!“, schrie der Blonde weiter, „Wenn ich mich schlecht fühle, soll ich zu Hause bleiben, ja? Und sie? Wenn sie sich schlecht fühlen, dann funktionieren sie einfach weiter, als könnten sie bequem mit kaputten Teilen arbeiten! Und, was wollen sie tun, jetzt wo sie die Arbeit nicht abgelenkt hat? Noch weiter funktionieren? Sie machen sich kaputt! Denken sie nächstes Mal nach, bevor sie so eine leichtsinnige Aktion starten! Sie können auch mal einen Tag schwänzen! Und weil sie so einen blöden Fehler gemacht haben an so einem Tag nicht zu Hause zu bleiben, werden sie jetzt gefälligst auch keinen Anfall kriegen! Ich verbiete das!“ Bei. Allen. Göttern. Die Zeit blieb stehen. Da war keine Zeit. Es war alles nicht wahr. Er hatte das nicht gesagt. Das konnte er nicht gesagt haben. Bewegungslos betrachtete er die vor Schock geweiteten Lider, die halbgroßen Pupillen, die stumm geschlossenen Lippen, die Brust, die sich weder hob noch senkte. Ein Schauer durchlief ihn, als wäre ein Regenschwall von oben über ihn herabgesunken. Er hatte es getan. Er hatte Kaiba angeschrieen. Er. Er hatte einen psychisch Labilen... angeschrieen... es war kaum für möglich zu halten, doch Kaibas Augen schienen aus dessen Kopf gedrückt zu werden. Die Zeit lief wieder. Arme schnellten in die Höhe, Hände, Finger, Nägel krallten sich in die mit brünettem Haar bedeckte Kopfhaut, Knie, Hüfte, Oberkörper gaben nach. Ein dumpfer Laut, eine Teilsekunde nur und Katsuya starrte ins Leere. Kaiba war aus seinem Blickfeld verschwunden. Eine zusammen gekauerte Gestalt saß stattdessen vor seinen Füßen, die Beine kraftlos angewinkelt, das Kreuz gebeugt, die Handflächen drückten sich auf die Ohren, als wollte er vom Geschehen nichts mitbekommen. Von diesem atemberaubenden, trommelfellzersprengenden, gequälten, spitzen Schrei, den die Kreatur selbst ausstieß. Bevor Katsuyas Hände seine Ohren auch nur erreichen konnten, war es schon wieder still. Völlige Stille. Es schienen Stunden zu vergehen, bis Kaiba keuchender Atem wieder einsetzte. Ein Zittern durchlief ihn, die Arme sackten schlaff zu Boden und mit geschlossenen Lidern legte er den Kopf in den Nacken. Braun traf silbernes Blau. „Das tat gut.“, flüsterte der Ältere und lächelte zu Katsuya hinauf. „Was ist los?“, schrie eine schrille Stimme von der Tür, „Herr Kaiba, sind sie da drin?“, jemand rüttelte an der Tür, „Herr Kaiba!“ Katsuya schnellte herum, zurück, warf einen Blick zu dem noch leicht desorientierten, verwirrt schauenden Mann, der sich gerade aufrichtete, griff nach dem scharfen Brieföffner auf dem Tisch und fuhr damit über die Handinnenfläche seiner linken Hand, während er die Zähne zusammenbiss. Einige Tropfen Blut sprengten auf der aufgerissenen Haut, verteilte sich in den Furchen, doch er schenkte seinem Werk kaum einen Blick, während er zur Tür rannte. „Katsuya, was soll ich bloß mit dir machen?“, fragte Isis mit einem tiefen Seufzer und tupfte die ihm mittlerweile gut bekannte rote Salbe auf seine Wunde, „Irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, dass du dich wirklich versehentlich mit einem Brieföffner geschnitten hast und deswegen dieser markerschütternde Schrei durch die Schule ging. Zum einen halte ich dich nicht für so dumm und zum anderen... nun ja, dein Schmerzniveau liegt anders als bei anderen Menschen.“ Der Blonde musste sich nicht umsehen, um zu wissen mit welchem Blick Kaiba die Schwester gerade bedachte. Wie gut, dass er davon nicht getroffen wurde. Noch nicht. Aber hey, er hatte es schließlich für ihn getan, oder? Außerdem eine selten intelligente Aktion. „Dem ist so.“, fauchte die Älteste den Lehrer am Fenster an und wandte sich wieder zu dem Blonden, „Bist du sicher, dass du mir nicht die Wahrheit erzählen willst?“, sie beugte sich näher und flüsterte, „War er das?“, sie nickte gen Fenster. „Nein, das war wirklich ich.“, erwiderte der Jüngste ebenso leise, „Bitte... können wir das Thema wechseln?“ Sie atmete tief ein, lehnte sich zurück und seufzte. „Wieder zehn Jahre meines Lebens weniger. Ich sterbe noch eines Tages frühzeitig, weil du mich immer so schockst.“, sie nahm eine Rolle Mullbinden, entfernte die Folie darum und begann die Wunde zu verbinden. „Schützt die Krankenkassen vor unnötigen Ausgaben.“, knurrte der Lehrer, verschränkte die Arme und sah stur weiter aus dem Fenster. „Danke, sie können sehr charmant und taktvoll sein.“, gab die Schwester zurück und kniff die Lider zusammen, während sie die Lippen schürzte – doch Kaiba machte sich nicht einmal die Mühe sie anzusehen. „Der ist nur sauer auf mich, weil ich so dumm bin und mich verletzt habe, obwohl ich es hätte vorher wissen müssen. Man sollte mit Dingen, die einem Schmerzen zufügen können, vorsichtig sein.“, erklärte der Blonde Isis, obwohl er dabei den Älteren ansah, über dessen wütendes Gesicht sich ein Schatten von Traurigkeit legte. Sein Kopf ruckte für einen kurzen Moment in Katsuyas Richtung, bevor er seine Schläfe an das Glas legte. Isis Blick schwenkte von ihm zu dem Schüler, zurück und schließlich auf die Hand, die sie gerade verband. Was immer auch ihre Gedanken waren, sie schien sie für sich behalten zu wollen. „Wo gehst du hin?“, fragte Kaiba tonlos und passte sich Katsuyas Schritt an. „Erstmal zu ihrem Büro, um ihre Sachen zu holen, dann ins Sekretariat, um uns beide abzumelden, in die Chemie, um meine Schulsachen mitzunehmen und dann zum Wagen, damit wir nach Hause fahren. Fühlen sie sich in der Lage Auto zu fahren?“ „Katsuya… ich muss arbeiten.“, flüsterte der Ältere. „Gar nichts müssen sie – außer sich auszuruhen. Wir fahren, keine Widerrede.“ „Ich…“, er griff nach dem Ärmel der dunkelblauen Schuluniform, „Ich werde arbeiten…“ „Pflichtbewusstsein in allen Ehren, aber das werden sie nicht.“, bestimmte der Jüngere hart, „Keinesfalls werden sie in ihrem Zustand arbeiten.“ Kaiba verneinte nicht. Er wusste, dass es ihm bescheiden ging. Aber einen anderen Einwand schien er zu haben: „Arbeit lenkt aber ab.“ „Wäre es nicht so schlimm heute, vielleicht, aber nicht nach solch einem Zusammenbruch. Sie sehen nicht so aus, als stecke gerade sehr viel Selbstvertrauen in ihnen.“, Katsuya nahm die Hand, die seinen Ärmel hielt in die eigene und zog den Anderen in dessen Büro, „Was machen wir eigentlich bezüglich der Videoaufnahmen?“, er warf einen schnellen Blick zur Kamera. „Die nehmen nichts auf.“, flüsterte Kaiba, „Die Schule wurde verklagt, danach mussten sie sie ausmachen…“ „Sehr erfreulich.“, der Blonde griff nach dem Mantel und hielt ihn so, wie der Kellner es im Restaurant getan hatte, „Haben sie noch mehr als die Tasche, was sie mitnehmen müssen?“ Der Brünette schüttelte den gesenkten Kopf, nahm das Gepäckstück und schloss die Tür nach Verlassen des Raumes ab. Er blieb stumm, während Katsuya den Sekretärinnen erzählte, dass Kaiba sich bereit erklärt habe ihn wegen der Hand ins Krankenhaus zu begleiten – oh, wie freundlich sie plötzlich waren – und wartete vor der Tür, als Katsuya sich bei seinem Chemielehrer entschuldigte, Ryou eine Entschuldigung für die restlichen Stunden reichte, sich selbst entschuldigte, dass er nicht kommen könnte und sich schnell seine Nummer geben ließ – so viele Entschuldigungen hatte er selten hervorgebracht – und beide schließlich nach Hause fuhren. Zum Glück ohne Zwischenfälle. Er sollte vielleicht Yami beizeiten fragen, ob man in labilen Zuständen vielleicht nicht Autofahren sollte. Aber Kaiba war dabei sehr sicher, zumindest bei ihm schien es gerade keine übermäßig waghalsigen Manöver hervorzurufen. Keine überfahrene rote Ampel, keine verzögerte Reaktionszeit. Zumindest wirkte es so. Katsuya beobachtete den Fahrer genau. Er hatte den Gedanken lange nicht mehr gehabt, doch in Momenten wie diesen kam er wieder auf: Was ging bloß in seinem Kopf vor? Kaiba war ein Mann von übermenschlicher Schönheit, seidiges Haar, samtene Haut, funkelnde Augen und geschmeidig aussehende Lippen. Eine kräftige, athletische Statur, kein Gramm Fett zu viel, geschmackvolle, edle Kleidung. Und doch war dieser Mann wie zerstört. Er war ein Drache, aber einer mit rissiger Haut, Flügeln, die nie das fliegen gelernt hatten und weißen Augen. Und obwohl er so verletzt war, hatte er Katsuya zu sich gelassen. Kaiba war so unglaublich stark – er hatte vertraut. Er hatte es geschafft Vertrauen zu schenken. Und er sollte es nicht bereuen. In Katsuyas Brust schien ein Feuer zu entfachen. Vielleicht würde er sich zu Tode kämpfen. Yami hatte ihn gewarnt, man konnte nur wenige Menschen mit Liebe und Zuneigung retten. Vielleicht würde ihn dies zerstören. Aber wenn es ihn zerstörte, so konnte er wenigstens eins sagen: Sein Leben hatte einen Sinn gehabt. Und wenn es nur der Versuch war, ein einzelnes Wesen zu retten. Denn dieses Wesen war die Mühen wert. Dass Mokuba gescheitert war, hieß nicht, dass er das auch tun würde. Kaiba stellte den Motor ab, seufzte und sank in den Sitz zurück. „Wie geht es ihnen?“, fragte der Blonde vorsichtig. „Ich bin müde…“, flüsterte der Ältere und fuhr sich mit Zeigefinger und Daumen über Augen und Nasenwurzel, „Solche Anfälle laugen aus.“ „Wie wäre es dann, wenn wir es uns im Wohnzimmer gemütlich machen? Ich koche heiße Schokolade und wir breiten uns mit Decken und Kissen vor dem Sofa aus.“, schlug Katsuya vor. „Da schlafe ich dir ein…“ „Ist wahrscheinlich auch eine gute Idee. Kommen sie.“, er stieß ihn leicht an und verließ selbst den Wagen – Kaiba folgte nur noch widerstandslos. Er schloss den Wagen zu, die Haustür auf, holte wie ihm angewiesen sein Bettzeug und legte alles so hin, wie der Jüngere es ihm sagte. Ihn schien wirklich jeglicher Eigenwille verlassen zu haben. Katsuya schluckte. Ob er das Richtige tat? Wenn er bloß Yami hier hätte. Er musste so viel fragen. Einmal tief durchatmend griff er die beiden Becher Schokolade und trug sie ins Wohnzimmer, wo Kaiba sogar schon den Couchtisch zu umgestellt hatte, wie er vorhin darum bat. Derzeit kniete er einfach nur apathisch auf dem Boden. Kompliziert. Na, wenigstens wusste Kaiba, dass er kompliziert war. Aber wer war das nicht? „Hey…“, flüsterte der Blonde, stellte ein Gefäß ab und hob das andere zu Kaibas Lippen, „Schoko. Trinken sie doch etwas.“ Der Brünette tat wortlos wie gebeten und leerte es direkt um die Hälfte. „Wie wäre es mit hinlegen?“ Dasselbe. Er tat einfach alles ohne auch nur einen Ton dazu verlauten zu lassen. Wann hatte er bloß solch ein Verhalten gelernt? Bei seinem Adoptivvater? Ruhig deckte der Neunzehnjährige den Anderen mit seiner Decke zu, faltete das Kissen einmal in der Mitte, schob es unter den braunen Schopf und setzte sich an dessen Ende, um mit seiner Hand Kaibas Kopf kraulen zu können – was als einziges eine selbstständige Handlung hervorrief, denn der Liegende drehte den Kopf so, dass es viel Fläche dazu gab. „Würden sie mir von ihrer Kindheit erzählen?“, fragte Katsuya und versuchte so sanft wie möglich zu klingen. „Von welchem Teil?“, flüsterte die verwöhnte Person am Boden. „Allem. Von Anfang an.“ „Das wird lange dauern.“, warnte der Blauäugige vor und richtete seine Augen in dieselbe Richtung wie Katsuya – auf die Wand. „Wir haben den ganzen Tag.“ „Das wird reichen.“, Kaiba atmete tief ein und begann zu sprechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)