Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 92: Taming? ------------------- Guten Abend ^.^ Allem voran eine Ankündigung: Es wird nächsten Mittwoch kein Kapitel geben, da ich auf Exerzitien bin. Heißt so viel wie: Nix Text, aber viele neue Kapitel, wenn ich wieder da bin ^.- (Das nächste kommt also nächsten Samstag) Wie schon erwartet taucht eine "lang ersehnte" Person in diesem Kapitel wieder auf. Und ja, es werden glatt mal einige Fragen bezüglich seiner Identität geklärt - wenn auch manche erst im nächsten Kapitel. Nun aber viel Spaß beim Lesen ^.^ P.S.: SVV = Selbstverletzendes Verhalten P.P.S.: Auf Anfrage gebe ich mal kurz einen kleinen Kalender ^.^ Kapitel 1 war erste Woche, Montag. Kats ist zu Seto gezogen am Montag in der dritten Woche. Wir haben jetzt Donnerstag Abend der fünften Woche ^.^ _________________________________________________________________________________ „Hey, Flohschleuder.“, wieso hatte er bloß schon erwartet, dass er das zu hören kriegen würde? „Dir auch einen guten Abend, Bakura.“, dem war sicher nicht einmal mit Freundlichkeit entgegenzukommen – aber man konnte es versuchen. „Und? Bist du immer noch so eine Niete in Mathe?“ „Nein, er hat die Aufgaben gelöst.“, erklärte der Jüngste lächelnd, bevor er mal wieder an seinem großen Bruder hang und ihn küsste. Was auch nur leicht den Gedanken wieder hoch brachte, mit was Ryou gestern für ihn gezahlt hatte… Wobei das einen ganz anderen Gedanken aufbrachte. An was war eigentlich Bakura erkrankt? Denn dieses Verhalten war ganz klar krankhaft. Wie konnte gerade die Polizei ihn beschäftigen? Waren die so offen? Oder was genau machte er? „Sind wir eigentlich jetzt fertig, Ryou?“ „Hm?“, der Kleinste drehte sich zu ihm, „Oh, ja, sind wir eigentlich. Wir haben jetzt sogar das gemacht, was wir heute durchgenommen haben.“ „Gracias.“, die braunen Augen schwenkten zu dem anderen Weißhaarigen, „Ich soll von Seto fragen…“ – was an sich eine Lüge war, aber egal – „…was genau du eigentlich bei der Polizei machst. Und danke für die Entschuldigung, es hat keiner was bemerkt.“ „Natürlich hat keiner etwas gemerkt, ich bin schließlich ein Genie.“, schnaubte der Wolf, „Und bedanken kannst du dich bei Ryou.“, der Blonde formte mit den Lippen einen Dank in Richtung des Jüngsten, „Anbei du eine Menge Schulden bei ihm hast…“ „Kura! Das ist doch gar nicht wahr!“, Ryou schlug eine Hand gegen die Brust seines Bruders – was den anscheinend nicht einmal zwickte, geschweige denn dass er irgendwie Reaktion darauf zeigte. „Das ist wahr…“, versuchte Katsuya beide zu beruhigen, „Und beizeiten werde ich mich sicher auch erkenntlich zeigen.“ „Könntest damit anfangen diese Idioten in eurer Klasse zum Schweigen zu bringen. Aber nein, da bist du ja zu dumm zu. Ich dachte, du wolltest auf meinen Bruder aufpassen?“, zischte Bakura scharf und richtete seine Aggressionen gegen den Blonden, „Aber nein, das kriegst du ja leider nicht hin. Könnte daran liegen, dass dein ach so toller Seto dir langsam den Verstand raubt. Übrigens interessant, dass du ihn mit Vornamen ansprichst.“, die Lider des Älteren verengten sich. Katsuya schluckte. Durchatmen. Ruhig durchatmen. Der Angriff war heftig und unerwartet. Aber gut. Kein Problem. Seine Schuld nicht darauf vorbereitet gewesen zu sein. Er sollte bei Bakura besser das Schlimmste erwarten. „Bakura – komm runter.“, er atmete tief ein und wandte sich zu Ryou, „Gibt es irgendetwas, was ich nicht weiß und vielleicht erfahren sollte?“ Der Blick des Jüngsten schnellte zwischen den beiden hin und her, bevor er einen Schritt zurück trat und sich in Bakuras Rücken drückte. Ein Seufzen entglitt dem Blonden. Jetzt hatte er ihn also doch verschreckt. Sehr gut gemacht, Kats. Diesem Du-bist-ein-Idiot-Blick seitens Bakura konnte er völlig zustimmen. Wahrscheinlich war das genau die Art von Reaktion, die er auch von Seto bekommen würde, sollte er jemals fragen, was ihm verschwiegen wurde – Angst. „Ryou? Du hast mir heute gesagt, dass du mir vertraust. Dass du keine Angst davor hast, dass ich dich verlasse oder verletze. Bitte, erinner’ dich daran. Ich werde nicht wütend auf dich werden und auch nicht gehen. Und im Gegensatz zu deinen Bruder…“, den in diesen Moment ein wütender Blick traf, „…werde ich auch nicht losrennen und Amok laufen.“, denn das Mindeste, was er hatte, war eine Aggressionsstörung. Der Haarschopf hinter Bakuras Schulter hob sich langsam, bis hellblaue Augen über ihr zu sehen waren. Irgendwie war Ryou ein bisschen wie ein Reh – schreckhaft und vorsichtig. Dasselbe wie Seto, nur dass es bei diesem noch schlimmer war und er deshalb eine Persönlichkeit erschaffen hatte, die den Alltag für ihn führte. „Du wirst ganz sicher nicht wütend?“, flüsterte eine zitternde Stimme. „Nein.“, der Blonde lächelte, „Kannst ruhig wieder hervorkommen.“ „Dasselbe hat der Vater auch gesagt, bevor er auf ihn eingedroschen hat.“, warf der andere Bruder mit vor der Brust verschränkten Armen ein, „Gewöhn dich daran, dass er dir nie ganz trauen kann.“ „Muss er ja auch nicht.“, das, was Bakura von sich gab, war definitiv destruktives Verhalten, „Es würde mir nur reichen, wenn er weiß, wie weit er mir vertrauen kann. Und ich kann zusichern, dass ich nicht auf ihn sauer sein werde.“ „Warum dir glauben?“, der Stehende trat vor, „Was ist, wenn du lügst? Was ist, wenn du lügst und es nicht einmal weißt?“ „Genau das nennt man Vertrauen, Wolf.“, Katsuya versuchte seine Stimme ruhig zu halten, während er ihm direkt in die Augen sah, „Nicht jeder Mensch auf dieser Welt ist schlecht.“ „Tz.“, der Silberhaarige beugte sich vor, bis er knapp über Augenhöhe war, „Und du willst einer der Guten sein? Du schlägst andere zusammen, weil sie dir nicht in den Kram passen. Das ist deine Gerechtigkeit, Katsuya. Das hat nichts mit der Gerechtigkeit anderer zu tun. Vielleicht bist in deinem Weltbild ein Guter, lüg’ dir das ruhig vor, wenn dir die Wahrheit nicht in den Kram passt. Aber in meinen Augen ist Gewalt keine Lösung.“ Und dass musste er gerade von ihm hören. Katsuya biss die Kiefer zusammen. Genau diese Antwort wollte Bakura haben. Genau diese Antwort und schon bestätigte er Bakuras Ansicht, dass jeder ihn verletzte und keiner ihn verstand. Nicht, dass er ihn verstand – aber er verstand, dass der Andere in einem ewigen Teufelskreis gefangen war. „Das ist richtig.“, der Blonde atmete tief ein, „Weder Gewalt noch Aggressionen sind Lösungen. Nur leider sind sie manchmal der einzige Weg, weil man keinen Besseren kennt.“ Bakura kannte definitiv keinen besseren. Er selbst hatte auch lange keinen besseren gekannt. Aber im Gegensatz zu Bakura war er dabei neue zu lernen; das hatte Seto sicherlich mit Problemlösungsverhalten gemeint. Entweder er wurde aggressiv oder er brach zusammen – andere Wege hatte er nicht gelernt. Andere Wege hatten auch Bakura und Ryou nicht gelernt. Ryou wusste das. Er war es, dem die Tränen über die Wangen liefen. Bakura wusste es vielleicht auch – denn er reagierte nicht mit einem erneuten Angriff. Er war still. Schlicht und ergreifend still. Vielleicht war es aber auch die Ruhe vor dem Sturm und der nächste Angriff würde sofort kommen. Katsuya hielt Blickkontakt. Bakura wich nicht aus. Ihre einzige Gemeinsamkeit mit Seto war wirklich, dass sie alle nach Liebe und Akzeptanz suchten. Ihre Wege waren sogar noch verschiedener, als Katsuya gedacht hatte. Bakura war nicht nur ein Wolf. Er war noch einsamer und verbitterter. Er war so tief verletzt, dass es wirklich nur noch Verzweiflung zu sein schien, die ihn antrieb – ohne seinen Bruder stände er nicht hier, das war Katsuya vollkommen klar. Und auch Seto war mehr als ein Drache. Er war nicht nur ein Lebewesen, dass als Bestie verkannt war. Er war ein Lebewesen, dass innerlich weinte, wenn ihn ein Angriff traf. Aber sowohl Bakura als auch Seto waren somit Menschen, die daran zugrunde gingen, dass niemand durch ihre Maske sah – und die gleichzeitig zutiefst verängstigt waren, sollte es doch mal jemand tun. Was im Endeffekt bedeutete, dass er jetzt sogar Bakura in Angst versetzt hatte. Er hatte nicht so reagiert, wie er es erwartet hatte. Er hatte nicht die Maske, er hatte die Person dahinter angesprochen. Sehr wahrscheinlich würde er allerdings jetzt nicht Klein-Bakura, die emotionale Persönlichkeit treffen, so wie er es bei Seto plötzlich getan hatte. Bakura würde nicht weinen. Bakura würde auch keinen Anfall kriegen. Bakura konnte seine Gefühle auf keine andere Art als durch Aggressionen ausdrücken. Zumindest hatte er noch immer keine Reaktion gezeigt. Bakura war im Endeffekt also noch verletzter als Seto. Er hatte genau die andere Art DESNOS – die destruktive, sadistische, die völlig fremd zerstörerische Art DESNOS. Seto richtete das Meiste gegen sich selbst. Bakura richtete das Meiste gegen andere. Verletzte er auch Ryou? War er nicht im Endeffekt wie ihr Vater geworden? Katsuya schluckte. War er nicht wie sein eigener Vater? Er atmete tief ein. Würde er genau so enden? Bakura wich seinem Blick aus. Allen Göttern sei Dank – es würde kein Angriff mehr kommen. Ein Lächeln breitete sich auf Katsuyas Gesicht aus. „Macht es dir Spaß andere leiden zu sehen?“, zischte der Wolf, der ihm beim Aufrichten einen Blick zugeworfen hatte und nun die Lider verengte. Na, ganz toll… was auch immer er mit diesem Lächeln sagen wollte, Bakura hatte es definitiv anders aufgehasst. „Ich hatte mich nur gefreut keinen Gegenangriff zu bekommen.“, er hob die Hände, „Nichts weiter.“ „Rede dir ein, was du glauben willst.“, der Silberhaarige drehte sich ab und ging zur Tür, „Und denk beizeiten mal über das nach, was du versprichst. Lass es, wenn du es eh nicht halten kannst.“ Die braunen Augen schwangen zu Ryou, der sein Gesicht in seinen Händen vergrub. Bakura ließ sie allein? Er schien ihm doch ein wenig zu trauen. Nebst der Tatsache, dass er ihm alles vorwarf, was er sich selbst vorzuwerfen hatte – sicher war das auch ein Abwehrmechanismus. Unterstelle Leuten das, wofür du dich selbst nicht magst. Wunderbar. Bakura brauchte eine Therapie und das dringend – Seto hatte gesagt, man konnte die Auswirkungen von DESNOS einschränken. Wenn Seto als Selbstzerstörer weder SVV noch starke Sucht zeigte, dann konnte man Bakura als Fremdzerstörer die schlimmsten Attacken sicherlich auch irgendwie abgewöhnen. Zumindest für Ryou wäre das ganz gut… „Ist gut…“, flüsterte Katsuya und zog das zitternde, weinende Bündel Mensch in seine Arme, „Ich bin ja da… ganz ruhig…“, er wiegte den Jüngeren leicht in seinen Armen und summte die Melodie von „Einmal“ – das hatte er seiner Schwester früher vorgesungen, wenn sie nicht schlafen konnte. Als sie das Lied auf einer Musical-CD gefunden hatte, war das fortan ihr Lieblingslied gewesen. Komisch, dass er sich gerade jetzt daran erinnerte… Ryou litt nicht an einer peritraumatischen Dissoziation. Er hatte keine Maske, mit der er sein Leben lebte. Er war einfach er, die Gefühle direkt tragend. Wenn man ihm eine Freude machte, dann freute er sich. Wenn man ihn verletzte, war er verletzt. Das und nichts anderes. Aber die schwere Selbstwertgefühlsstörung, die hatte er unzweifelhaft. Nebst noch stärkeren Schwierigkeiten mit Problemlösungsverhalten als er selbst sie hatte. Ryou begann zu weinen, wenn ihm eine Situation zu viel war. Anscheinend hatte er damit keine schlechten Erfahrungen – man weine und einem wird geholfen. An sich ungewöhnlich, dass er die Erfahrungen hatte, normalerweise hauten Menschen noch lieber drauf, wenn jemand weinte… oder war sein Bruder wirklich immer da gewesen, wenn er nicht mehr konnte? Hatte Bakura sich wirklich jedes Mal in die Schusslinie gestellt, wenn die Aggressionen ihres Vaters sie trafen? Hatte er jedes Klassenmitglied, jeden Lehrer seines Bruders so verletzt, dass sie es nicht wagten Ryou etwas Schlimmes zu tun? Und jetzt gab es anscheinend Menschen, von denen er nichts wusste. Bakura hatte seinen Bruder in seine Obhut gegeben und er hatte es vermasselt – weil Ryou ihm etwas verschwiegen hatte. Im Nachhinein betrachtet hatte er es immer wieder ganz leicht angesprochen, als wollte er die Frage, ob ihm jemand zusetzt, hervorlocken. Und er hatte es nicht bemerkt… er hatte Ryous Zeichen nicht verstanden – und damit Bakura enttäuscht, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein. In einem hatte der Wolf somit Recht: Er musste noch sehr, sehr viel lernen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)