Lost in music von abgemeldet (Musik heilt) ================================================================================ Kapitel 2: No mercy ------------------- Heute war wieder einer der Tage, an denen ich entspannt war. Vor allem, weil ich mal nicht nachdenken musste. Der Grund dafür war, dass die neue Woche angefangen hatte und ich in meinen Alltagstrott zurückgekehrt war. Ich saß mit meinen Bandmitgliedern und Freundinnen in einem Raum des hauseigenen Studios und wir spielten ein paar unserer älteren Songs. Nicht, dass wir diese am Ende noch vergaßen. Gerade hatten wir einen meiner Lieblingssongs beendet, eine Ballade, die vom Verlust wichtiger Dinge erzählte, als Emily hereinkam und mich zu sich winkte. Ich stellte meinen schwarzen ESP-Fakebass von GrassRoots vorsichtig zur Seite und schritt schnell auf sie zu. „Guten Tag, Emily-sensei“, begrüßte ich sie. Sie nickte mir freundlich zu und winkte mich weiter auf den Gang hinaus. Draußen angekommen lehnte ich mich gegen die Wand und sie positionierte sich vor mir. Mit einer ernsten Miene begann sie zu sprechen: „Ich hoffe es stört deine Kolleginnen nicht, wenn ich mal kurz mit dir plaudere, denn es ist wirklich wichtig.“ Ich nickte, stieß mich wieder von der Wand ab und steckte meinen Kopf noch mal durch den Türrahmen. Als die anderen mich bemerkten, rief ich ihnen zu: „Wir machen mal kurz ne Pause. Wenn ich mit Emily-sensei geredet habe, geht’s weiter.“ Ein vierstimmiges „Viel Spaß“ erhielt ich als Zustimmung. Zufrieden schloss ich die Tür und lehnte mich wieder an die Wand. Eine kurze Pause entstand. Dann trat sie zu meinem Erstaunen neben mich und um sich mit geschlossenen Augen ebenfalls an die Wand lehnte. „Akira, Akira…, “ seufzte sie, „ manchmal weiß ich echt nicht, was ich mir dir machen soll!“ Geschockt drehte ich den Kopf zu ihr. „Lassen meine Leistungen so zu wünschen übrig? Ich geben zu bei der Konzentration hadert es momentan bei mir…“ Ein wissendes Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie fragte: „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“ Ich schwieg und sah geradeaus zur weißen Wand gegenüber. „Sind sie bei deinem Freund Cain?“ Ihrem Ton nach zu schließen wusste sie die Antwort schon, deshalb beließ ich es bei einem leichten Nicken. Sie fuhr fort: „Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber du solltest unbedingt mit ihm reden! Immerhin ist er dein bester Freund und du weißt, wie er ist.“ Sie lächelt. „Zudem hat die Garde mir berichtet, dass Cain die letzten Tage verdächtig oft in der Nähe der Straße war. Du weißt ja, dass nach den letzten Übergriffen Schutztruppen an den Eingängen des Zentrums postiert wurden. Damit nicht noch schlimmere Dinge passieren. Deshalb weiß ich auch, dass Cain ziemlich oft daran vorbeigegangen ist und was noch auffällig war, er war kurz davor hereinzukommen. Bis heute…!“ Mein Kopf fuhr erneut herum und ich starrte sie irritiert an. „Du meinst…?“ Ich schwieg abwartend. Weiterhin lächelnd nickte sie und drehte sich dann zum gehen. Über die Schulter schauend bedeutete sie mir ihr zu folgen. „Follow me!“ Schnell kam ich ihrer Aufforderung nach. Als wir durch das Studio zurück ins Haupthaus liefen, trafen vor allem mich viele neugierige Blicke. Offensichtlich wusste die ganze Familie schon von meinem Besuch. Wundervoll, diese Privatsphäre. Ich riss mich zusammen und konzentrierte mich auf das Kommende. Seit jenem Tag hatte ich nicht mehr mit Cain gesprochen, gute acht Tage. Sonst telefonierten wir mindestens jeden zweiten Tag, auch wenn meist ich diejenige war, die die gesamte Zeit redete. Zu meiner Überraschung wurde ich von Emily zu einem der licht durchfluteten Klavierzimmer gebracht und schon von weitem hörte ich jemanden spielen. Es klang sehr angenehm. Auch wenn diese Musik meinen Geschmack nicht hundertprozentig traf, war diese Melodie so mitreißend, dass sie auch mich erreichte. Eine sanfte Melodie in Moll. Emily begann leise zu summen und schließlich zu singen: „If I could fall into the sky. Do you think time would pass me by 'cause you know I'd walk a thousand miles if I could just see you. If I could just hold you… tonight.” Zum Abschluss folgte ein geradezu brillantes Solothema und ich betrat hinter Emily das Zimmer. Cain saß noch am Klavier und schloss gerade behutsam den Deckel der Tasten. Dann bemerkte er uns, spreng auf und kam auf uns zu. Jedoch behielt er eine Art Sicherheitsabstand bei. Betreten sah er zu Boden, sodass ich ihn ungestört anstarren konnte. Er sah besser aus, hatte mehr Farbe im Gesicht. Bestimmt war er in den letzten Tagen öfter an der frischen Luft gewesen. Auch einen Friseur schien er besucht zu haben, denn seine Haare waren wesentlich kürzer und wirken gepflegt. Er trug Bluejeans, ein dunkelbraunes „Dir en grey“-T-Shirt und braune Vans. Emily brach als erste das Schweigen. „Bevor ich gehe, möchte ich dich gerne um etwas bitten, Cain-kun.“ Er nickte und hob den Blick. Auf Emilys Gesicht lag ein unendlich weicher Ausdruck. „Ich möchte dich gerne in meine Familie aufnehmen. Du weißt, was das heißt?“ Das Erstauen über dieses Angebot war ihm deutlich anzusehen. „Ähm... ja.“ „Was bejahst du? “ forschte meine Mentorin weiter. „I-ich weiß nicht… was ich sagen soll, “ stotterte mein bester Freund. „Natürlich ist es mir eine Ehre dieses Angebot zu erhalten, aber…“ Mich erstaunte diese Aussage, da er es sonst als lästig empfand sich auch nur als Mitglied eines solchen Netzwerks vorzustellen. „Aber um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, ob ich annehmen kann. Bin ich überhaupt musikalisch genug für eure Familie?“ Mit einem raschen Seitenblick auf Emily bestätigte sich meine Annahme, dass sie genauso ungläubig ob dieser Aussage war, wie ich. Emily räusperte sich und antwortete dann langsam: „Ob du nicht genug Begabung hast… Wenn ich nicht wüsste, dass du diese Frage ernst meinst, würde ich denken du scherzt. Also, wenn wir gewusst hätten, dass du so gut Klavier spielst, wie du es gerade eben getan hast…“ Er öffnete den Mund um zu protestieren, sie ließ ihm aber keine Chance zu widersprechen. „Wenn wir es gewusst hätten, dann wärst du schon vor zehn Jahren mit Akira gemeinsam aufgenommen worden. Da du aber bei der Eignungsprüfung kein Interesse an uns zeigtest, warst du für uns kein potentieller Kandidat. Wenn du also jetzt keine anderen Verpflichtungen hast, dann kannst du dich als willkommen sehen.“ Als sie geendet hatte, lächelte er eins seiner Engelslächeln, welches jetzt, da er wieder wie ein Mensch aussah seine ganze Wirkung entfaltete. Ich schluckte unauffällig und sah zur Seite. Jedoch konnte ich sein Lächeln noch in seiner Stimme hören, als er antwortete: „Dann nehme ich gerne an!“ Auch wenn ich diese Antwort erwartet hatte, war es etwas anderes sie aus Cains Mund zu hören. „Wenn das so ist, freue ich mich und heiße dich stellvertretend für alle Clanmitglieder in unserer Familie willkommen! “ erwiderte Emily darauf und als ich wieder zu den beiden schaute, umarmte sie ihn sogar. Das Gefühl, welches dieser Anblick in mir auslöste, war mir nicht ganz unbekannt und ich versuchte es schnell zu vertreiben. Emily löste sich schließlich von ihm und drehte sich freudig grinsend zu mir um. Sie musste ein niedliches Kind gewesen sein, schoss es mir durch den Kopf. „Wenn es dir nichts ausmacht, mit einem Anfänger zusammenzuarbeiten, würde ich ihn gerne in deine Band stecken und Chary dafür rausnehmen. Du warst ja eh nicht so zufrieden mit ihr…“ Froh über den Themenwechsel überlegte ich und sah dabei kurz zu Cain, welcher mich ebenfalls musterte. Zugegeben Charys Spiel war mir einerlei, aber… „Denkst du das passt, Emily-sensei? Immerhin wären wir dann fünf Mädchen und ein Junge!“ Auch sie überlegte kurz und rief dann belustigt aus: „Warte mal! Alex ist doch auch ein Junge, rein biologisch gesehen.“ Ich prustete los. „Wie blöd von mir! Aber wenn man ‚ne längere Zeit mit ihm zusammen ist, vergisst man das schon mal. Okay… dann bin ich vorerst einverstanden. Du weißt ja was ich von Charys Fähigkeiten halte, aber wenn es nicht klappt, will ich sie zurück!“ Emily nickte lächelnd. „Dann wünsche ich euch noch eine hoffentlich erfolgreiche Aussprache. Ich muss jetzt nämlich los und allen die fröhliche Botschaft überbringen!“ Sie zwinkerte uns zu und verschwand mit dem leisen Klicken der Tür. Eine unangenehme Stille entstand und ich konnte mich nicht überwinden etwas zu sagen. Doch das war gar nicht nötig, denn Cain nahm mich an der Hand und zog mich mit sich zum Klavier. Ohne Murren setzte ich mich neben ihn auf die Klavierbank. Er sagte weiterhin nichts, deckte aber die Tasten des Instruments auf und begann langsam eine traurige Melodie zu spielen. Mitten im Spiel brach er jedoch plötzlich ab und flüsterte: „Es tut mir leid, was letzte Woche passiert ist. Ich… ich habe die Kontrolle verloren.“ Er setzte an weiter zu spielen, doch ich hinderte ihn daran. Sicher griff ich nach seinem Handgelenk. Sein Verhalten regte mich echt auf. Konnte er nicht eine Minute mal stillsitzen und erklären, was Sache war? „Kannst du mal kurz nichts machen außer zu erklären was du eigentlich meinst? “ sprach ich meine Gedanken aus. Er starrte weiterhin auf die Tasten, nickte aber und ließ die Hände sinken. Ich ließ auch sein Handgelenk wieder frei. „Also, “ begann ich, „Was ich nun los?“ Weiterhin schwieg er. Ich versuchte es auf eine andere Art. „Cain“, quengelte ich und lehnte mich so zu ihm hinüber, dass er direkt mit meinem Bettelblick konfrontiert wurde. Meinen Schock über seinen erneuten, verschlossenen Gesichtsausdruck unterdrückte ich gekonnt und attackierte ihn weiter mit meinen Blicken. Wenn ich endlich etwas aus ihm herausbekommen wollte, durfte ich keine Gnade walten lassen. Immerhin tat uns diese Ungewissheit beiden nicht gut. Mit einem Seufzen wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Aufmunternd lächelnd lehnte ich mich zurück. Kurz sah er auf, konnte mich aber nicht länger als eine Sekunde anschauen. Wieder begann er leise eine Melodie zu spielen. Diesmal hielt ich ihn nicht davon ab, denn ich erkannte den Song schon nach wenigen Noten. Es war der gleiche, den er vor unserem Zusammentreffen gespielt hatte. „Weißt du, “ begann er, „ ich wollte dir dieses Lied schon lange einmal vorspielen, aber es bot sich mir keine passende Gelegenheit. Er… er ist wie ein Spiegel, der meine Gefühle für dich genau zeigt… Auch wenn es mir eigentlich nicht mehr zusteht, ich will es dir dennoch sagen. Akira… ich liebe dich.“ Nun sah er mich direkt an und stoppte mitten im Spiel. Mein Gehirn brauchte eine Weile um diese Information zu verarbeiten. Sicherlich hatte ich sie nur falsch gedeutet. So wie mein Hirn sie auslegte, ergab sie einfach keinen Sinn. Deshalb sagte ich daraufhin: „Ich liebe dich doch auch Cain! Du bist wie ein Bruder für mich.“ Ein gequältes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und er seufzte. Er setzte sein Spiel langsam fort und sprach den Text leise mit: „Wenn ich in den Himmel fallen könnte. Denkst du die Zeit würde mich verschwinden lassen. Du weißt, ich würde eintausend Meilen laufen, wenn ich dich nur sehen könnte… wenn ich dich nur halten könnte… heute Nacht.“ Er hielt kurz inne, bevor er weiter sprach: „Ich liebe dich Akira! Als Mensch, als Frau, aber nicht als Schwester!“ Nun spielte er weiter. Auf eine Antwort schien er nicht zu warten. Ich hätte ihm in diesem Moment auch keine geben können. ________________________________________________________________ Eigentlich dachte ich, ich hätte diese Geschichte hier schon vollständig hochgeladen, aber falsch! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)