Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 1: Devon ---------------- >>Ein Drache fährt nicht Zug.« Devon hätte bei seiner Entscheidung bleiben sollen, aber ein Flug zwischen den Königreichen Medanien und Isven war einfach zu unsicher. Gerade jetzt, wo diese verdammten Paladine das Sagen übernommen hatten. Da könnte er sich ihnen ja gleich vor die Füße werfen! Den Ellenbogen auf die Lehne gestützt, blickte er aus dem Fenster. Der Zug beschleunigte und ließ die Bäume wie verwaschene grüne Striche aussehen. Die Wälder Medaniens hatte er schon unzählige Male gesehen. Von oben. Nicht aus dieser Perspektive und es behagte ihm nicht, dass der Zug noch eine Spur schneller wurde. Es war einfach… nicht normal. Mit einer Maschine - von Menschenhand erschaffen - durch die Länder zu reisen, war eine Sache, aber sein Vertrauen in die Technologie zu setzen, ja, vielleicht sogar sein Leben in die Hände einer neuartigen Erfindung zu legen, war nicht das klügste, was er hätte tun können. Durch die Spiegelung der Fensterscheiben sah er die Gesichter seiner Begleiter. Sie alle schienen denselben Gedanken zu teilen. »Einem Fahrzeug, das ein Pferd überholen konnte, ist einfach nicht zu trauen.« "Wie lange noch?", fragte Sila und Trias antwortete: "Drei Stunden, wenn ich mich nicht irre." Die gebürtige Lóng unterdrückte einen Seufzer und schlug mit einer ausladenden Geste die Beine übereinander. "Es können aber auch fünf sein", fügte der Leibwächter hinzu und heimste sich einen hasserfüllten Blick Seitens des weiblichen Geschlechts ein. "Und wie lange wir in Masfor halten werden, weiß ich auch nicht." "Sag' lieber nichts mehr", murrte Kyia ihren Sitznachbarn an. Es war ihr erster Satz an diesem Tag - und womöglich auch ihr letzter. Kyia war keine gesprächige Begleitung - das waren Bergdrachen nie -, doch gerade deshalb hatte er sie bei den Verhandlungen dabei haben wollen. Es war immer gut, jemanden in den Reihen zu haben, der sich zurücknehmen konnte. Anders als Sila, der es keineswegs an Gesprächsstoff fehlte und die selbst am Verhandlungstisch kein Blatt vor dem Mund nahm. Nur heute hielt sie sich zurück, was wohl an den unbefriedigenden Ergebnissen liegen konnte. Da hatten sie den weiten - und nicht ganz ungefährlichen - Weg auf sich genommen, um schließlich mit leeren Händen nach Dragor zurückzukehren. Wieder einmal waren die Verhandlungen ins Stocken geraten. Wieder einmal war Isvens König nicht bereit, die Drachen zu unterstützen. Die verbliebenen Territorien »wären es nicht wert« von dem südlich angrenzenden Königreich beschützt zu werden. Der König hatte es nicht direkt formuliert, aber das brauchte er auch nicht. Devon hatte zwischen den Zeilen lesen können, dass ein Bündnis kein lukratives Geschäft darstellte, und das einzige, das Isvens König zu interessieren schien, waren seine Goldmünzen. Und vielleicht noch seine Vollblutaraber, die er ihm allesamt beim Namen vorgestellt hatte. Wenn Devon gewusst hätte, dass der Herrscher seine Entscheidung im Vorfeld gefällt hatte, hätte er sich den Rundgang durch die Ställe sparen können. Er tat einen tiefen Atemzug und verdrängte die baldigen Gespräche, die auf ihn zukommen würden. Was er seinen Beratern und Generälen sagen sollte, wusste er noch nicht. "Ist Euch nicht wohl, Hoheit?" Silas Stimme drang an sein Ohr. "Es ist nichts", antwortete er in ihrer eigenen Sprache. Die menschliche Kommunikation war ihm noch nicht ganz vertraut, er fühlte sich nicht wohl beim Klang seiner eigenen Stimme, ganz zu schweigen von den vielen Silben und Worten, also kommunizierte er lieber so, wie die Drachen es seit tausenden von Jahren taten - durch Schallwellen. Das war unkompliziert und bis auf ein paar mächtige Paladine konnte sie niemand hören. Sila nickte. Ihr besorgter Blick blieb. Vermutlich glaubte sie, er vertrug die Zugfahrt noch weniger als sie. Immerhin war er innerhalb des Drachenvolkes eine Spezies für sich, in seinen Adern floss reines Drachenblut, und obendrein auch noch das mächtigste überhaupt. Vielleicht rührten daher die Kopfschmerzen. Er hatte sie, seit sie die Grenzen überquert hatten, und je weiter sie fuhren, umso heftiger wurde das Hämmern. Nie wieder Zug fahren, schwor er sich und legte den Kopf in den Nacken. "Hoheit", murmelte Sila, bevor sie den Kopf senkte und in ihre Sprache wechselte. "Wenn Ihr eine Pause braucht-" "Nein!", antwortete er und beendete das Thema. Er mochte es nicht, dass man ihn wie einen hilfsbedürftigen Welpen behandelte und in letzter Zeit war es besonders auffällig, wie behutsam seine Leibgarde mit ihm umging. Schlimm genug, dass er keine zehn Meter gehen konnte, ohne die wachsamen Blicke der Soldaten im Rücken zu spüren. Etwas, woran er sich nie ganz gewöhnt hatte. Genauso wie es ihm nicht behagte, mit Hoheit angesprochen zu werden. Nach fast neunzehn Jahren fiel es ihm immer noch schwer, in die Fußstapfen des Königs - des einzig wahren Herrschers des Drachenvolkes - zu treten. Würde König Juras noch leben, wie hätten die Verhandlungen wohl dann ausgehen? Solche Fragen stellte sich Devon immer wieder. Mit seinem Verschwinden hatte er definitiv für Verunsicherungen gesorgt. Einige waren sogar der Ansicht, dass die Vorherrscht nun endgültig den Paladinen gehörte. Eine Äußerung, die ihn jedes Mal an die Grenzen seiner Geduld brachte, und er war ein sehr geduldiger Mann. "Bereitet den Schleier vor", sagte er und verschaffte seinen Untergebenen die nötige Ablenkung. Beinahe gleichzeitig nickten sie, sammelten ihre Kräfte und verstauten sie in ihr Innerstes, damit sie vor den Paladinen unentdeckt blieben. Die Wälder galten als sicher. Erst dahinter - in den umliegenden Städten, die vorwiegend von den Paladinen kontrolliert wurden - war das Reisen als Drache nicht ganz ungefährlich. Trotzdem wollte er kein Risiko eingehen. Die Paladine erweiterten ständig ihre Hoheitsgebiete. Als Menschen mit magischen Begabungen nahmen sie sich ganz schön viel heraus. Für seinen Geschmack ein wenig zu viel. Und die Menschen Medaniens nahmen es einfach hin, sogar der König ließ es zu, dass der Einfluss der Paladine immer weiter wuchs. "Wunderschöne Wälder! All dieses ungenutzte Potential", seufzte die Lóng und erinnerte Devon daran, wie machtlos er eigentlich war. Dort draußen gab es tausende Drachen, die der Leibeigenschaft der Menschen vollkommen ausgeliefert waren. Drachen, die es damals - vor der großen Säuberung - nicht geschafft hatten zu fliehen, steckten in zahlreichen Dörfern und Städten fest, ohne Aussicht, ihre geliebte Heimat  Dragor - oder das, was von ihr übrig geblieben war - wiederzusehen. Devon verschränkte die Arme vor der Brust. Ihm war nicht wohl, sein Volk zurückzulassen. Egal, wie sehr sie sich den Menschen angepasst hatten, wie sehr sie sich bemühten, ihre Kräfte zurückzuhalten, sie blieben nun einmal Drachen, und Drachen brauchten das Gefühl von Freiheit. Genauso sehr wie den Wind durch ihre Schuppen zu spüren oder die Flügel wie ein Adler auszustrecken und dabei über die Spitzen des Kesselberges zu segeln. Ein Drache, der kein Drache sein durfte verkümmerte mit der Zeit und irgendwann- Genug, ermahnte er sich. Die Kopfschmerzen waren kaum noch zu ertragen und zu allem Überfluss hatte er auch noch mit einer inneren Unruhe zu kämpfen. Das alles, weil er etwas durchgerüttelt wurde? Er hatte sicherlich keine Angst vor ein wenig Geschwindigkeit. In seiner Drachengestalt flog er schon mal hundert Meilen die Stunden. Und nur, weil er kein Vertrauen in diese Höllenmaschine hatte, hieß das nicht, dass sie ihn einschüchterte. Zumindest nicht auf diese Weise. Nein, der Grund für seine Unruhe war ein anderer. Auch der Kopfschmerz nahm klarere Züge an, je tiefer sie in den Wald kamen. Er riskierte noch einen Blick aus dem Fenster. Das Pfeifen der Lokomotive dröhnte in seine Ohren, Rauch benebelte die Sicht, aber es war auch nicht die Landschaft, die ihn beschäftigte, sondern der Geruch. "Unmöglich!" "Hoheit?" Er sprang von seinem Sitz auf, riss das Fenster herunter, dass es beinahe aus den Angeln gehoben wurde. Das konnte nicht sein! Sein Geist musste ihm einen Streich spielen, der Stress der letzten Stunden und die nervenaufreibende Fahrt hatten seine Sinne getrübt. "Hoheit", sprach ihn Sila an, doch er hörte sie nicht. Auch Trias und Kyia waren angespannt. Den Kopf aus dem Fenster gesteckt, atmete Devon die Luft des Waldes ein. Sofort war er von schwarzem Rauch umhüllt. Der Gestank brannte ihm in die Nase. Für einen Menschen wäre es unmöglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als Drache jedoch konnte er Gerüche über mehrere Meilen auseinanderhalten. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Mit aufgerissenen Augen starrte Devon zwischen die dichten Laubblätter hindurch. Er wagte es, einen Funken Magie durch seine Augen zu jagen. Auch wenn es riskant war, er wollte - nein, er musste - die Quelle des Duftes finden. Noch blauer erstrahlten die Seelenspiegel des mächtigsten Drachen, drängten sich durch das Dickicht, weiter durch die Lichtungen, um schließlich eine Stadt ausfindig zu machen. "]Die Stadt - nordöstlich des Waldes", sprach er Trias, seinen Leibwächter und Kartographen an, und der Volan antwortete: "[style type="italic"]Kandio, Hoheit."[/style] Die Anspannung war ihm anzuhören. Trias Haut begann zu schwitzen. Wenn er erst wüsste, was Devon gefunden hatte! "Kandio wird unser nächster Halt sein!" "Äh, Hoheit? Kandio liegt außerhalb unserer Fahrtstrecke, der Zug hält erst wieder in Vebrix, wenn wir-" "Dann sollten wir keine Zeit verlieren", Devon ließ die Magie zurück in sein Innerstes fließen und zog dann seinen Kopf ein. Aber nur, um seinen Mantel fest zu binden und den Kragen zu richten. Ein frischer Wind kam auf, er rechnete mit Regen und sobald die Luft von Feuchtigkeit dominiert wurde, war es schwer, die Spur weiter zu verfolgen. Selbst für ihn. Der Geruch war nur stellenweise und auch nur in kleineren, feinen Mengen zu erschnüffeln, dass er bereits ein paar Tage alt sein musste. Es galt, schnell zu handeln. Er wandte sich an Sila und Kyia. "Ihr haltet euch weiter an den Plan." Sie verstanden und nickten. In Kyias Augen blitzte es kurz auf. Sie wollte mitkommen, der Ton ihres Königs ließ etwas Wichtiges erahnen. Aber sie schwieg. Aus Gehorsam, und weil sie wusste, dass sie Sila nicht allein lassen konnte. Im Gegensatz zu ihr, hatte die Lóng einiges zu verlieren, sollte sie in Schwierigkeiten geraten. Außerdem kam Devon mit seinem langjährigen Vertrauten bestens allein zurecht. Trias nickte ebenfalls, knöpfte seinen eigenen Mantel zu und bereitete sich auf eine ungemütliche Landung vor. Dass sie so schnell den Zug verlassen würden, damit hatte wohl keiner von beiden gerechnet, doch Devon interessierte sich längst nicht mehr für das menschliche Transportmittel. Er kletterte aus dem Abteil, Trias hinterher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)