Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 4: Izara ---------------- "Du hast was?!" Mayabe schrie ihr fast ins Ohr. Ihre beste Freundin grinste wie ein Honigkuchenpferd und ließ sich aufs Bett plumpsen. Nach der Arbeit wollte Izara eigentlich nur noch in ihr eigenes Bett, aber der Weg zum Familienhaus ihrer besten Freundin war kürzer als der zu ihrem Zuhause und nach einem weiteren Schwindelanfall wollte sie keine so weiten Strecken alleine laufen. Kaia war noch im Geschäft die letzten Abrechnungen erledigen und hatte Izara etwas früher heimgeschickt. Izara befürchtete, dass ein ernstes Gespräch folgen könnte und dass sie nicht länger so tun konnte, als wäre alles in bester Ordnung. "Ich weiß", jammerte Izara und warf sich ebenfalls aufs Bett. Die weichen Federkissen taten gut und am liebsten hätte sie die Augen geschlossen. "Es war ganz furchtbar, Maya! Ich habe keine Ahnung, warum ich das gemacht habe." "Weil er dir gefallen hat, ganz einfach", entgegnete Mayabe und kuschelte sich an ihre Freundin. Ihr Duft nach Kornblumen und Verbranntem kitzelte ihr in die Nase, normalerweise beruhigte sie immer der Geruch, aber im Augenblick wollte sie sich einfach nur übergeben. "Wie alt war er denn?", bohrte ihre Freundin nach. "Ich habe ihn nicht danach gefragt, Maya." "Du wolltest lieber gleich zur Sache kommen, meinst du." Izara hielt sich die Hände vor's Gesicht. "Ich fühle mich, als hätte ich mich vor ihm ausgezogen. Maya, ich will dass das endlich aufhört!" "Wir haben es ja bald geschafft", strich ihr Mayabe übers Haar, "noch zwei Wochen und deine Hormone sind wieder völlig normal." "Ich weiß nicht, ob ich wirklich noch solange durchhalte." "Meinst du, weil du zum ersten Mal abgeblitzt wurdest?", Mayabe grinste und gab Izara einen leichten Stups. Ihre Freundin meinte es nur gut, aber Izara hatte nicht die Nerven, auf ihren Humor einzugehen. "Maya, ich", sie nahm die Hände aus dem Gesicht, sie atmete schwer, "ich weiß nicht, ob mein Körper die Kraft hat, das durchzustehen." "Sag' sowas nicht", Mayabe sah sie erschrocken an. Wie jedes Mal, wenn sie über das Thema zu sprechen kam. Ihre beste Freundin war die einzige, die wirklich wusste, wie es ihr ging, und obwohl Mayabe von Grund auf positiv war, wusste auch sie nicht mehr weiter. Mayabe war ein Blitzdrache - wie ihre Mutter und ihr älterer Bruder -, in ihr floss kaum ein Tropfen Menschenblut (und auch nur das, was ihre Vorfahren vor Jahrhunderten hinterlassen hatten). Ihre Erweckung verlief anders, ihr war nicht so häufig übel und auch Fieber hatte sie keines. Sie war etwas übellauniger, vor allem, wenn keine Schokocreme im Haus war. Sonst fehlte ihr nichts. "Vielleicht", sagte Mayabe leise, "solltest du dir das noch einmal mit der Erweckung überlegen und dir doch jemanden suchen, der-" "Der was?", fiel ihr Izara ins Wort. Sie klang harscher als sie wollte. "Du meinst, ich soll mir irgendein Drachenmännchen suchen, der mit mir Händchen hält, während ich mir die Seele aus dem Leib schreie?!" "Naja, schreien jetzt nicht gerade." "Oh doch, Maya. Wenn es stimmt, dass die Erweckung die Symptome verschlimmert, wird das kein fröhlicher Morgenspaziergang." Izara blies die Luft aus. "Entschuldige, Maya, ich wollte nicht…ich weiß, du meinst es nur gut, aber ich will mir keinen Begleiter suchen, der während der Verwandlung an meiner Seite ist." Noch mehr als vor der Erweckung hatte sie Angst, dass ihre Verwandlung etwas hervorbrachte, dass sie und ihren Begleiter verschrecken könnte. Keiner ihrer Bekannten wusste, wie Drachenmenschen sich verwandelten. Was, wenn sie zu grässlichen Gestalten mutierten, mit verkrüppelten Gliedmaßen, verstümmelten Flügeln und stumpfen Krallen - so, wie es ihr damals einige Schüler eingeredet hatten? Nein, Izara wollte da alleine durch. Zumal sie sich zu keinem der männlichen Drachen hingezogen fühlte. Zwei Angebote hatte sie abgeschlagen, beides eher unerfahrene Kerle, die Izara wegen ihrer optischen Reize angesprochen hatten. Beide hatten ihr deutliche Signale gegeben und beide Male hatte sie dankend abgelehnt. Gerade hatte sie Mitleid mit den beiden Kerlen, wenn sie gewusst hätte, dass eine Abfuhr derart schmerzhaft sein konnte, wäre sie etwas freundlicher gewesen. Wie auf Abruf kam ihr das Gesicht des fremden Drachen in den Sinn. Die eisblauen Augen, das Lächeln. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, war es ein trauriges, sehnsüchtiges Lächeln gewesen. Vielleicht hatte sie ihn an jemanden erinnert und hatte sie deshalb abblitzen lassen. "Ich denke, ich sollte nach Hause gehen", Izara setzte sich auf. "Willst du nicht doch lieber bei mir übernachten?" Das Mitleid in Mayabe Augen konnte Izara kaum ertragen. "Mama hat bestimmt nichts dagegen und Solar könnte bei dir Zuhause Bescheid sagen." Sie nahm Izaras Hand. "Ich habe Angst, dass du etwas Dummes machen könntest." "Ich dachte, von uns beiden seist du diejenige, die nur Dummheiten im Kopf hat?" Izara wollte Lächeln, aber das Stechen in ihrem Kopf ließ es nicht zu. "Ich mein's ernst, Izara. Tu nichts, was dich in Gefahr bringen könnte." Das kann ich nicht, dachte Izara und drückte die Hand ihrer besten Freundin. Izara verabschiedete sich von Mayabe, die beiden umarmten sich fest und Izara spürte die Sorge ihrer Freundin. Sie ließ sich von Mayabes Mutter etwas getrockneten Lavendel geben und Mayabe Bruder bestand darauf, sie nach Hause zu bringen. Mayabes Familie war immer herzlich zu ihr gewesen, sie hatte sich dort stets willkommen gefühlt, dass sie nicht verstehen konnte, wieso Mayabes Vater sie einfach alle im Stich gelassen hatte. "Ein Gewitter zieht auf", sagte Solar und blickte in den verschleierten Himmel. Auf Solars Gefühl war Verlass, ein Blitzdrache spürte, wenn die Naturgewalten nach einem riefen. Die Sonne war untergegangen, ein paar Gaslaternen beleuchteten die Hauptstraßen und schienen auf die einzigen beiden Lebewesen. "Ja", murmelte Izara, die sich kaum noch konzentrieren konnte, "danke übrigens, dass du mich nach Hause bringst. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen." "Ich tue meine Pflicht, das weißt du", er verschränkte die Arme vor der Brust. Solar war nach den alten Drachengesetzen erzogen worden und die besagten nun einmal, dass nach Sonnenuntergang kein Weibchen das Haus verlassen durfte - außer ein männliches Familienmitglied begleitete sie. Der Gedanke ließ Izara kurz den Schmerz vergessen. Solar würde nie seine brüderlichen Gefühle zugeben, dafür war er viel zu verschlossen und unnahbar. "Außerdem", fügte er trocken hinzu und packte ihre Schulter, "glaube ich nicht, dass du ohne mich weit kommen würdest." "Sehe ich schon so bemitleidenswert aus?" "Du siehst vor allem krank aus." "Seit wann ist die Erweckung eine Krankheit?" "In manchen Fällen kann sie eine hervorrufen." "Aha", Izara verdrehte die Augen, "kümmern sich die Drachenmännchen deshalb so rührend um einen?" "Ich weiß nicht, wie die anderen dazu stehen", sagte er und drückte sie an sich. Tatsächlich tat es gut, von seinen starken Armen gehalten zu werden, dass Izara nicht dagegen protestierte. "Ich glaube ja, dass die meisten sich nicht die Chance entgehen lassen wollen, eine nackte Frau zu sehen." "Bist du mit allen so streng?" "Nur wenn es um das andere Geschlecht geht", meinte Izara und versuchte, das Gespräch etwas aufzulockern. Dabei vergaß sie, dass Solar nicht der Typ war, der auf solche Scherze einging. "Bei einer Erweckung", sagte er, "geht es vor allem darum, sich um das Weibchen zu kümmern." Weibchen. Bei dem Begriff kam sie sich selbst wie eine läufige Hündin vor, die jedem ans Bein springen wollte. "Die Verwandlung ist Kräfte zehrend, du wirst vielleicht ein paar Tage ohnmächtig sein, bevor du wieder in deinen menschlichen Körper zurückkehren kannst." Er wollte auf etwas hinaus, Izara konnte sich nur nicht vorstellen, dass er darauf hinaus wollte. "Mayabe habe ich geraten, das Angebot dieses Burschen anzunehmen." "Ich weiß", grummelte Izara, die sich eine bessere Partie für ihre Freundin gewünscht hätte als diesen pickeligen Neunmalklug. "Sie braucht jemanden", sagte er, "genauso wie du." Dann wusste er von ihrem Plan? Na toll! "Wenn du also noch niemanden haben solltest-" Er blieb stehen, seine dunkelgrünen Augen sahen zu ihr herab. "Wenn du meine Unterstützung brauchst-" "Was?! Nein", Izara schüttelte den Kopf, "Solar, du bist wie ein Bruder für mich und ich weiß, dass auch du nichts anderes für mich empfindest." Sie ließ den Kopf hängen. "Ich möchte nicht, dass du dich wegen deines Pflichtbewusstseins dazu genötigt fühlst." "Wenn du dich bei jemandem wohler fühlen solltest, den du kennst-" Aha, daher wehte also der Wind. Solar wusste nichts von Izaras Entscheidung, er befürchtete nur, dass sie niemanden finden könnte, der sie begleitete. "Du sollst wissen, dass ich dir zur Seite stehe, wenn es sein muss." "Du Charmeur", entgegnete Izara und verzog das Gesicht. "Du weißt, wie ich's meine." "Natürlich, Solar", sie sah ihn wieder an, "und ich danke dir. Aber das ist nicht nötig." "Mein Angebot steht." Damit war alles gesagt. Den Rest des Weges liefen sie schweigend nebeneinander her. Zwei Häuserblocks vor ihrem Elternhaus trennten sich ihre Wege, Izara versicherte, dass sie die letzten Meter alleine ginge und schaffte es sogar, ein halbwegs glaubwürdiges Lächeln hinzubekommen. "Bis morgen", sagte er und hob die Hand zum Gruß. "Ja, bis morgen." Sie wartete, bis er um die Ecke verschwunden war. Dann lief sie weiter. Nicht auf die andere Straßenseite, dort wo in der Küche Licht brannte und Kaias Silhouette hinter der Gardine zu sehen war. Izara lief immer weiter. Sie wusste, dass es Zeit war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)