Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 14: Izara ----------------- "Guten Morgen, Prinzessin." Pünktlich betrat Linnora das Zimmer. Die Bedienstete balancierte eine frische Ladung an Betttüchern und Bezügen, während Handtücher und kleine Seifenstückchen oben drauf drapiert worden waren. Sie lächelte und packte alles auf das bereits gemachte Bett. Die Routine hatte etwas Aufmunterndes, Linnoras Lächeln, dazu ihr Tatendrang munterten Izara jeden Morgen auf. "Also wirklich, Prinzessin", schnaubte sie, "ich hab Euch doch schon hundertmal gesagt, dass Ihr nichts aufräumen müsst. Die Laken müssen eh jeden Morgen neu bezogen werden." "Und ich habe schon hundertmal gesagt, dass du das nicht tun musst", Izara tauchte hinter den Vorhängen auf. Sie hatte gerade die Fenster aufgerissen, kühle Luft wehte die Stoffe zur Seite und Izaras Haare in alle Richtungen. "Ihr seid unverbesserlich, Prinzessin", schmunzelnd schüttelte Linnora den Kopf und machte sich an die Arbeit. Izara gesellte sich dazu. Zwischen den Laken lugte etwas Goldenes hervor, das Izaras Aufmerksamkeit erweckte. "Neue Kleider?" "Ja, Prinzessin", entgegnete die Dienerin und faltete die viel zu großen Laken auseinander. Ihre Decke reichte bis zum Boden, Izara könnte sich mehrere Male darin einwickeln und immer noch ein Stück Decke übrig haben. Sie fragte sich, ob alle Adligen so schliefen, oder ob bei Drachen einfach alles eine Nummer größer sein musste. "Die Alten schienen etwas knapp", sagte Linnora, "da habe ich Neue herbringen lassen." Izara zog die Stoffe hervor. Die Gewänder waren genauso wie die Alten - bunte Kleider, die bis zu den Knöcheln reichten, mit weiten Flügelärmeln und hoch geschlossenem Kragen. Einer Schärpe um die Hüften und manchmal ein paar Ketten - die Drachen hatten definitiv einen Hang zum Nostalgischen. Die Trachten waren anders als sie es von Zuhause gewohnt war. In Kandio waren die Menschen zwar eher einfach gestrickt, doch selbst in einer Kleinstadt, wie dieser, hatte die Mode des Jahrhunderts Einzug gehalten. Sogar Mayabes Mutter hatte ihre Tochter mit Röcken herumlaufen lassen, die ein ganzes Stück ihrer Waden präsentierten. Für Izara etwas zu freizügig, aber bei Mayabe hatte es gut ausgesehen. Schnell hatte sie begriffen, dass alle weiblichen Palastbewohner dieselbe Kluft trugen. Izaras unterschied sich allein darin, dass sie von einem goldenen Saum umrahmt wurde. Scheinbar eine Art Erkennungsmerkmal, damit sie sich von den anderen abhob. Als ob sie sich nicht schon genug abhob! Izara nahm das Gewand auseinander, die Letzten waren, wie Linnora festgestellt hatte, etwas zu knapp geworden. In den vergangenen Wochen war sie um fünf Zentimeter gewachsen, dabei hatte Izara immer geglaubt, den letzten Wachstumsschub mit Vierzehn hinter sich gehabt zu haben. Die Erweckung belehrte sie eines Besseren. "Wenn sie Euch nicht gefallen", warf die Dienerin schüchtern ein, nachdem Izara eine Zeit lang stumm darauf gestarrt hatte, "ich kann Euch jederzeit neue Kleider bringen lassen." "Nein", winkte Izara sofort ab, "sie sind wunderschön. Ich danke dir, Linnora." Das blau-weiße Kleid, das mit der Morgensonne um die Wette funkelte, hatte es ihr besonders angetan, aber es machte nun einmal nicht wett, welchem Zweck die vielen Annehmlichkeiten dienten. Izara hatte schon zu viel Zeit damit verbracht, über den Grund ihres Hierseins zu grübeln und immer wieder drückten sich die Worte, die sie von Kyia am ersten Tag gehörte hatte, an die Oberfläche ihres Bewusstseins. "Kann ich sonst noch etwas für Euch tun, Prinzessin?" Linnora war wirklich fürsorglich und Izara spürte Wehmut, dass ihre Beziehung nie über das Formale hinausgehen würde. Sie bliebe nun Mal eine Prinzessin und Linnora eine Dienerin. Die Palastbewohner nahmen ihre Rollen sehr ernst, manchmal zu ernst, wie Izara fand. Eine Freundin zwischen all denen, die sie mit Argwohn betrachteten, hätte Izara gebrauchen können, doch sie wollte nicht undankbar sein. Linnora war mehr Freundin als sie es von einer Fremden erwarten durfte. "Nein, alles gut", Izara lächelte schwach und legte das Kleid auf das frisch bezogene Bett. Dass Linnora ihr nicht glaubte, sah selbst ein Blinder, die Dienerin presste die Lippen zusammen und beeilte sich, fertig zu werden. Mit einem Knicks verabschiedete sich Linnora, um der nächsten Dienerin Platz zu machen. Izara kannte die Prozedur mittlerweile in- und auswendig. Zuerst wurden die Betten neu bezogen, dann folgte die Zofe, die sie zu ihrem Bad begleitete. Von allen Abläufen war ihr der Gang zu den Bädern des Palastes der liebste. Auf Izaras Bitte führte sie die Zofe nur noch bis zu den Räumlichkeiten. Eine lange Diskussion war es, als Izara erklären musste, warum sie denn keine Dienerin wünschte. Sie brauchte niemanden, der ihr den Rücken schrubbte oder die Haare wusch, das verstand nur niemand. Es wurde hingenommen; sicher weil Izara die Prinzessin war und nicht, weil man es ihr zutraute. Dabei erinnerte sich Izara noch sehr gut daran, wie es ging, und wenigstens ein wenig Selbstständigkeit wollte sie sich beibehalten. Wenn sie schon keinen Schritt alleine gehen konnte, wollte sie wenigstens die Zeit im Bad dazu nutzen, ihrer Seele ein wenig Abstand von all den neuen Eindrücken zu gönnen. Sobald sie die Baderäume betrat, atmete Izara erleichtert aus. Der Raum war mit dezenten Duftnoten versehen, Blumen hangelten sich an den Steinwänden. Sie schlüpfte aus ihren Kleidern und lief über den dampfenden Marmorboden. Anfangs hatte sie sich über die Waschrituale der Drachen gewundert. Dass sie zuerst in eiskaltes Wasser tauchen sollte, bevor sie die heiße Quelle aufsuchte, kam ihr etwas zu extrem vor. Den Zeh in das kalte Becken getaucht, lief ein eisiger Schauer über ihren gesamten Körper. Das Gefühl dauerte nur kurz, die Haut gewöhnte sich schnell an die Temperaturen und mit zaghaften Schritten stieg sie die Stufen hinab. Aus dem Schauer wurde ein wohliges Kribbeln. Ihr heißer Atem hinterließ Wölkchen, direkt über dem Wasser und schwebten vergnügt an der Oberfläche. Sie war bis zum Kinn in kaltem Wasser, ein paar Grad weniger und es hätte den Gefrierpunkt erreicht. Izara gab sich einen Ruck und tauchte unter. Ihr Kopf war es, der sich gegen die Logik dahinter sträubte, ihr Körper hatte bereits erkannt, dass die Extremen gut taten, ihn geradezu regenerierten. Nach dem ersten Schock, öffnete sie die Augen. Unnötige Gedanken wurden weggespült, übrig blieben Klarheit und ein durch gerüttelter Verstand. Seit drei Wochen war sie im Palast. Ständig hatten ihre Gefühle von traurig, wütend, enttäuscht zu vollkommener Verzweiflung gewechselt. Eine Eigenschaft mehr, die sich seit der Erweckung verändert hatte. Izara wusste nicht, ob ihr diese launische Seite an sich wirklich gefiel. Es machte sie unbeherrschter. Manchmal fluchte sie einen halben Tag in ihrem Zimmer, um am Abend in die Kissen zu weinen oder mit den Zähnen so lange in die Bezüge zu beißen, bis es Daunen regnete. Dass der König bisher nicht zurückgekehrt war, machte es nicht besser. Sie wollte Antworten, wollte von ihm hören, dass sie nicht benutzt worden war. Sie war mehr als eine Brutmaschine, mehr als die Prinzessin eines Harems - nicht wahr? Ihre Augen begannen zu leuchten. An einem Tag wollte sie ihm an die Gurgel springen, den anderen aus dem Schloss fliehen und dann wiederum hoffte sie, das Ganze stellte sich als dummer Irrtum heraus. So wütend und verletzt sie auch war, sie konnte nicht leugnen, dass sie ihn vermisste. Dass eine Leere in ihr herrschte, die sie einfach nicht begriff und weder mit Vernunft noch mit Logik zu tun hatte. Wann sie ihn wiedersähe, war ungewiss und die Ungewissheit war schlimmer als die Enttäuschungen, die sich Tag für Tag im Geiste wiederholten. Niemand war in der Lage, ihr zu sagen, wann König Devon von seinem Geschäftstermin zurückkehren würde. Außeneinsätze und längere Reisen gehörten zum König der Drachen genau wie Krone und Zepter. Der König schien nur selten im Schloss zu verweilen, vielleicht hatte sich Linnora deshalb angewöhnt, die Betten jeden Tag aufs Neue zu beziehen. Traurig blickte Izara auf die Edelsteine, die zwischen den Gemäuern hervorlugten. Allmählich hatte ihr Körper die Temperaturen angenommen, die Haut straffte sich und Izara wusste, dass es Zeit war, aus dem Becken zu steigen. Sie sog noch einmal den kalten Dampf in sich auf. Ihre Haut begann zu glühen, das Drachenblut regte sich, ließ nach und nach warme Schauer über ihren Körper gleiten. Schnell tippelte sie durch den Gang, der die beiden Räume miteinander verband. Sie war die einzige in diesem gewaltigen Waschraum, der Sonderstatus ließ sie nicht mit den anderen baden und zur Abwechslung genoss sie die Privatsphäre, die damit einherging. Das Wasser waberte und schmatzte, die schwüle Luft war ungewohnt und so brauchte ihr Körper einen Moment, um sich an den Klimawechsel zu gewöhnen. Izara war jedes Mal erstaunt, wie viele Klimazonen hier zu existieren schienen. Sie wusste, es hatte mit den Drachen zu tun, die Gattungen, die den Palast bewohnten, beeinflussten auch dessen Klima. Wie viele Arten tatsächlich im Schloss lebten, konnte sie nicht sagen. Aber es waren mehr als Izara zählen konnte. Neben den klassischen Elementardrachen, gab es noch eine Reihe von Untergruppen - Lindwürmer, Wyrme und Seeschlangen - und sie alle hatten irgendwo ihren Platz im Schloss gefunden. Sobald sie sich bereit fühlte, stieg sie in die heiße Quelle. Das Badewasser von Zuhause war ein Witz dagegen. Das erste Mal hatte sie geglaubt, gekocht zu werden. Ihre Wangen glühten sofort auf, die Stirn pulsierte, doch ihr Innerstes machte Purzelbäume. Komischerweise erinnerte es sie an den ersten Flug und die Andeutung eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. Hoffentlich bliebe es nicht ihr Letzter. Sie würde gerne noch einmal der Sonne entgegentreten, vielleicht als Himmelsdrache, hoch über den Wolken. Sie stand bis zu den Lippen im Wasser, mit dem Mund machte sie Bläschen und versuchte, ihre Emotionen in die richtigen Bahnen zu lenken. Sie vermisste den unkomplizierten Morgen mit Levis. Seine gute Laune und die halbherzigen Moralpredigten hatte sie früher nie zu würdigen gewusst. Sie vermisste es, mit Kaia die Zutatenliste durchzugehen und bei den Einkäufen mitzuhelfen. Die Späße zur Mittagspause, wenn Kaia über Herrn Wegner schimpfte oder sie beide über das frisch verliebte Pärchen schwärmten, das seit Neujahr regelmäßig ihren Laden besuchte. In Kandio hatte sie wenigstens eine Aufgabe gehabt, man hatte sie gebraucht und ihren Fleiß zu schätzen gewusst. Hier durfte sie nicht einmal das Essen selber zubereiten, oder einen Spaziergang durch die Gärten machen, ohne von Wachen und Soldaten beäugt zu werden. Sicher, in Kandio hatten die Stadtwachen auch immer ein Auge auf die Drachen geworfen, aber es hatte sich anders angefühlt. An die unmissverständlichen Blicke war sie gewohnt, das Halsband hatte ihr immer ihren Platz zugewiesen. Im Palast redete man kaum mit ihr, und davon, einen Platz zu finden, war sie noch weit entfernt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)