Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 15: Izara ----------------- Mit einem Seufzer beendete sie ihr Bad. Sie nahm die Handtücher, rubbelte erst die Haare trocken und wickelte sich dann das Zweite um ihren Oberkörper. Izara wäre gerne noch ein wenig länger hier geblieben, aber auch die Badezeiten waren streng getaktet. Die Zofe wartete bereits auf sie. Im Umkleideraum half sie Izara bei den Kleidern und flechtete ihr das Haar. Sie hatten sich darauf geeinigt, diese Aufgabe der Zofe zu überlassen, das Gefühl, unnütz zu sein, wollte sie der Dienerin nicht auch noch geben. Es reichte schon, dass Izara sich so fühlte, sie musste nicht noch mehr Leute in ihre Missstimmungen hineinziehen. Nachdem die Kleider saßen, wurde Izara zurück in ihr Zimmer geführt. "Ich habe Kyia heute noch gar nicht gesehen." Eigentlich war der Bergdrache bereits vor Sonnenaufgang auf ihrem Posten. Izara hatte sich bereits daran gewöhnt, ihre persönliche Leibwächterin vor ihrer Tür stehen zu sehen. "Die Ablöse erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt", meinte die Zofe, "wie ich hörte, müssen ein paar Vorbereitungen getroffen werden, bei denen Kyias Anwesenheit gefragt ist." "Achso, verstehe." "Für Eure Sicherheit ist dennoch gesorgt, Prinzessin", die Dienerin tat einen Knicks. Sie standen nun wieder vor der großen Zimmertür. Einer der Palastwachen hatte sich kerzengerade am Türrahmen postiert. Sie bezweifelte nicht, dass der Drache seiner Aufgabe gerecht würde. Die Hellebarde trug er nicht nur zur Zierde und sein kalter Blick ließ erahnen, wie schnell seine Reflexe im Ernstfall reagieren konnten. Trotzdem wäre ihr Kyias Anwesenheit lieber gewesen. Mittlerweile wusste Izara, dass Kyia gegenüber jeden kalt und unnahbar war, das machte den Umgang mit ihr einfacher. Zudem bewunderte sie den Bergdrachen, wie sie sich vor den Männchen behauptete und mit ihnen gleichzog, ungeachtet der weiblichen Schwächen, denen sich keine Frau - oder besser gesagt Weibchen - entziehen konnte. Kyia war überhaupt nicht zimperlich, die Soldaten behandelte sie wie ihre Untergebenen und zu den Weibchen war sie herrisch, wenn es sein musste. Unter dem weiblichen Geschlecht strahlte Kyia so viel Dominanz aus, dass sie von allen respektiert und teils gefürchtet wurde. Kaum einer würde es zugeben, doch Izara war sich sicher, dass die männlichen Drachen ein wenig Angst vor ihr hatten. Die Wache öffnete die Tür und Izara schlüpfte hindurch. Sie war wieder allein, Frühstück hatte man ihr auf die Kommode gestellt. Es gab Früchte und süßes Gebäck, dazu viel Butter und allerhand Aufstriche. Izara war sich nicht sicher, ob man versuchte sie zu mästen oder unterschwellig zu sagen versuchte, dass sie nicht  kräftig genug war. Zum Kinderkriegen vielleicht nicht, dachte Izara und verzog das Gesicht. Ihr war der Appetit vergangen - wie seit Wochen. Früher hatte sie immer mit ihrer Familie gefrühstückt. Im Palast durfte sie nicht mit dem Personal zusammen an einem Tisch sitzen. Der einzige, mit dem sie essen durfte, war der König, aber der ließ sich einfach nicht blicken und Izara hatte genug, deswegen Trübsal zu blasen. Sie knabberte an ein paar Weintrauben und sah aus dem Fenster. Die Alternative wäre gewesen, im Vorgarten oder im Speisesaal zu essen. Sie konnte sich nur nicht durchringen, allein in einem fremden großen Zimmer zu essen oder einsam unter einem Pavillon ihren Kaffee zu trinken. Das kam ihr einfach zu traurig vor - und es war schon traurig genug, dass sie sich den halben Tag in ihrem Zimmer verschanzte. Izara musste dringend etwas gegen das aufkommende Gefühl von Selbstmitleid unternehmen. Sie war kein Mensch, der um sich selbst trauerte, und als Drache wollte sie es schon mal gar nicht sein. Also beschloss sie, den ausstehenden Rundgang durch das Schloss nachzuholen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, diesen mit Kyia zu machen, aber wenn der Bergdrache beschäftigt war, musste Izara eben alleine losziehen. Keine schlechte Idee, wie sie fand und so stellte sie die Speisen zurück auf die Platte, zupfte sich den Mund mit einer Serviette ab (einfach, weil sie der Meinung war, Prinzessinnen machten das so) und verließ das Zimmer. Flüchtig sah die Wache zu Izara hinunter, als diese an ihr vorbei huschte und die Flure inspizierte. Im Erdgeschoss mündete jeder Flur in die Vorhalle. Ein Kuppeldach zeigte den unendlichen Himmel und ließen Fernweh in ihr erwachen. Viele der Räumlichkeiten waren private Gemächer oder Kammern der Bediensteten. An der jeweiligen Aura ließ sich vage erkennen, wer wo sein Zuhause gefunden hatte, doch Izaras Kräfte waren nicht sensibel genug, um sie genau zu bestimmen. Speise- und Festsaal befanden sich im Obergeschoss. Dann gab es noch ein Arbeitszimmer, eine Bibliothek, die sich Izara etwas näher anschaute und einen Raum für königliche Dekrete, den sie - wie das Arbeitszimmer - nicht betreten durfte. Obwohl niemand Izara aufhielt, spürte sie an der Haltung der Soldaten, dass sie hier nichts verloren hatte. Schneller als erwartet, war Izara mit sämtlichen Zimmern fertig. Es gab noch ein paar Gästezimmer, die sie aber nicht sonderlich interessierten. Die Räume waren alle gleich möbliert. Es gab viel Freifläche, helle Möbel und ein Bett neben dem Fenster. Izara stieg die Wendeltreppe hinunter. Im Untergeschoss waren neben der Küche- und Speisekammer, ein Trainingsraum der Soldaten, eine Waffenkammer, sowie ein großer Waschraum, in dem die überdimensionalen Laken und Bezüge Platz gefunden hatten. Etwas enttäuscht stieg Izara wieder hinauf. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Vielleicht einen Ort, mit dem sie sich identifizieren könnte. Eine Zufluchtsstätte an Tagen, an denen sie glaubte, die Decke stürzte über sie ein. Auf dem Weg in ihr Zimmer kam sie an den Gärten vorbei, in diesem Teil war sie bisher noch nicht gewesen. In den Vorgärten, ja, und das eine Mal im großen Schlossgarten, um dem Gärtner zu zeigen, welche Blumen sie bevorzugte, aber dieser Garten schien anders. Das sanfte Wiegen der Grashalme zog sie magisch an, Izara lief durch den Rundbogen, der mit Efeuranken geschmückt war und ließ sich nach draußen leiten. "Oh", stieß sie aus und blickte sich um. Sie war in einer Schlucht gelandet. Ein kleiner Bach schlängelte sich zu ihren Füßen, Berghänge und Felswände formierten sich zu einem Oval. Überall schienen Höhleneingänge angedeutet worden zu sein. Izara machte einen Schritt nach vorne. Die Sonne schien auf einzelne Felsen hinab, doch etwas anderes erweckte ihre Aufmerksamkeit. Die Höhleneingänge - sie schienen ein Leuchten auszusenden - ganz sachte, als wenn jemand mit einer Kerze die Finsternis erleuchten wollte. Izara fühlte eine starke Anziehungskraft. Das Leuchten schien nach ihr zu rufen. Ein leises Flüstern, mehr war es nicht, aber Izara lief weiter, immer weiter. Die fremde Kraft leitete sie, bis sie vor einer der Eingänge stand und feststellen musste, dass sie nicht breiter als ein Kleiderschrank waren. Izara musste sich bücken, um hinein zu sehen. Die Hand an dem Felsen beugte sie den Kopf nach unten und steckte ihn in die Öffnung. Ihre Augen gewöhnten sich kaum an die vielen Lichtveränderungen. Es glänzte und funkelte in den grellsten Farbtönen. Sie blinzelte gerade, als eine Hand sie an der Schulter packte. Izara wurde herumgewirbelt, ihr Rücken knallte an die Wand, dass sie einen Stöhnen gerade so unterdrücken konnte. Erschrocken sah sie ihren Gegenüber an. "Was hast du hier zu suchen?", zischte sie die Anführerin der Weibchen an. Die Augen glühten auf, ihre Nüstern bebten, während Izara kein Wort herausbrachte. Ihre Hand lag gefährlich um Izaras Hals, eine falsche Bewegung und sie würde Izara spüren lassen, zu was sie fähig wäre. "Was fällt dir ein, meine Babys anzurühren!?" "B-Babys?", krächzte Izara. "Spiel nicht die Unschuldige!", blaffte sie der Drache weiter an, "meinst du, ich merke nicht, was du versucht? Aber glaube mir", sie drückte zu, Izara spürte, wie sie nach Luft schnappen wollte, doch sie konnte es einfach nicht. "Wenn du ihnen auch nur ein Haar krümmst-" "Das reicht!" Der Druck ließ nach und Izara sank keuchend zu Boden. "Bist du verrückt geworden, Sila?!", fauchte Kyia. Sie hatte die Schwarzhaarige am Kragen gepackt, ihr Blick war noch eisiger als sonst. "Dieser Mensch", spie Sila aus, "wollte sich an den Eiern zu schaffen machen!" "Ich wusste nicht", erwiderte Izara und wurde gleich wieder unterbrochen. "Lüg' mich nicht an! Du kannst deine Spielchen mit anderen spielen, aber nicht mit mir. Dir wäre es doch lieber, wir würden verschwinden, aber du vergisst eines: wir waren vor dir hier." "Sila!", knurrte Kyia und stellte sich zwischen Izara und ihre Freundin, "und duvergisst, mit wem du hier sprichst." "Pah", Sila warf ihr Haar nach hinten, "was interessiert es mich, wessen Tochter sie sein soll. Sie bleibt ein Mensch. Der Gestank verpestet unser Schloss, die Weibchen können kaum noch ruhig schlafen, während sie versucht, uns zu vertreiben." "Ich will niemanden vertreiben", verteidigte sich Izara. Sie hatte schweigen wollen, aber die Anschuldigungen waren einfach nur unverschämt. "Du tust so, als wäre ich eine Gefahr für euch. Ich bin ganz sicher nicht hergekommen, um Ärger zu machen." "Hör zu, Menschenfrau", Silas Augen begannen in einem hellen türkis zu leuchten, "wenn ich dich noch einmal hier sehe, wirst du dir wünschen, das Halsband niemals abgelegt zu haben…und wenn ich dabei die Befehle des Königs missachte, ich werde dich niemals anerkennen. Niemals!" Damit stapfte Sila davon, Eiszapfen landeten auf dem Boden, die sie mit den Füßen zerstampfte. Izara sah ihr noch lange nach, selbst als der Drache längst verschwunden war. "Geht es?" Erst jetzt merkte Izara, dass die Leibwächterin ihr die Hand gereicht hatte. Izara war etwas neben sich, nickend nahm sie Kyias Hand und ließ sich hinaufziehen. "Es ist nichts", Izara zubbelte an ihrem Kleid, bis auf ein paar Knitterfalten war es unversehrt, aber sie hatte trotzdem das Gefühl, schmutzig geworden zu sein. "Gehen wir", Kyia geleitete sie aus dem Garten, Izara folgte mit etwas Abstand. "Es tut mir leid", hauchte sie, kaum dass sie beide den Flur erreicht hatten. "Prinzessin", der Bergdrache runzelte die Stirn, "Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Ich bin es, die Euch um Vergebung bitten muss. Silas Verhalten war…unangemessen. Es wird sich nicht wiederholen - das versichere ich Euch." Wie Izara die Anführerin einschätzte, waren ihre Worte mehr als nur leere Drohungen. Sie hatte es in ihren Augen gesehen. "Ihr müsst ihr Verhalten entschuldigen", Kyia unterdrückte ein Seufzen, "die Weibchen in diesem Stadium sind schnell reizbar. Die Sicherheit ihrer Eier hat oberste Priorität." "Das habe ich gespürt", entgegnete Izara finster. Ihr anfänglicher Schock war verflogen. Was sie jetzt spürte, war eine Mischung aus Mitgefühl und Frust. "Ich wusste wirklich nicht, dass in dem Garten die Eier aufbewahrt werden." Wenn sie ehrlich war, hatte sie nicht einmal eines davon gesehen. "Natürlich nicht", bestätigte Kyia mit einem Nicken, "Euch hat niemand darüber unterrichtet und sehen kann man sie nur, wenn der Schutzkreis durchbrochen wird." "Dann war dieses…Leuchten nur der Schutzschild?" "Ihr habt ihn gesehen?" Zum ersten Mal klang Kyia wirklich überrascht. "Ja, das waren die Schutzkreise. Jedes Weibchen hat sein Nest mit seinem ganz persönlich Schutzkreis versehen, um Fressfeinde und Konkurrentinnen abzuwehren." "Konkurrentinnen wie mich?" Izara ballte die Hände zur Faust. Sie ließ das Ganze viel zu nahe an sich heran, dabei kannte sie Sila überhaupt nicht. "Die Weibchen sind sich nicht immer so einig wie sie scheinen", antwortete Kyia, ohne auf Izaras Frage einzugehen. "Sila hat es geschafft, die Weibchen zusammenzuführen, sich nicht mehr zu bekriegen. Seitdem die Königin tot ist, gibt es niemanden, der sie leitet. Sila hat die Aufgabe übernommen, um das Chaos in Schach zu halten und das Blut zu schützen. Doch das Vertrauen ist noch frisch, die Weibchen gehen lieber auf Nummer sicher. Das hat nichts mit Euch zu tun, Hoheit." "Schon gut, Kyia. Du brauchst es nicht schön zu reden. Ich weiß, dass sie mich nicht akzeptieren." Noch deutlicher hätte Sila nicht werden können. "Das ist nichts Neues für mich." Starr blickte sie auf den Boden. "Prinzessin", Kyia bemühte sich, nicht so hart zu klingen, aber ein Bergdrache, der sanft war, hatte etwas Befremdliches. Das sah auch Kyia, sie sprach nicht weiter davon. Es war wohl das beste, sich damit abzufinden, dass sich manche Dinge wohl nicht änderten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)