Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 20: Izara ----------------- Pausenlos ritt das Pferd durch die Landen Medaniens. Zwei Tage dauerte die Reise in das Nachbarland, zwei Tage, in denen Izara praktisch von den Annehmlichkeiten eines Reiterwagens leben musste. Die Leibwächter stießen hinter der Drachenmetropole hinzu. Es wurde eng. Drei große Drachen in einem einfachen Wagen, und dazwischen Izara - sie hätte sich etwas Schöneres vorstellen können und offen gestanden, vermisste sie die Zweisamkeit mit dem König, egal, wie nervös seine Gegenwart sie machte. Zwar brachten die beiden Leibwächter deutlich mehr Leben in die vier Wände, aber die giftigen Blicke und ständigen Provokationen machten die Luft im Raum sehr, sehr dünn. Den König schienen die Sticheleien keineswegs zu stören, vermutlich war es nicht das erste Mal, dass die beiden Streithähne aneinandergerieten. Wenigstens sprach niemand über den Zwischenstopp in Dragor. Izara war froh, dass die Drachen anderweitig beschäftigt waren, sie musste das, was in der Drachenmetropole geschehen war, selbst erst einmal sacken lassen. Wenigstens hatten die Kopfschmerzen aufgehört. Das Innere eines Pferdewagens war nicht gerade der beste Ort, um seinen Gedanken Luft zu machen, doch für den Augenblick musste es genügen. Es war gerade Morgengrauen, als die Grenze Whallas inmitten des Silberwaldes auftauchte. Ein Soldat ließ sie über die Schranke passieren, Izara hatte mit deutlich schärferen Kontrollen gerechnet. In Medanien lauerten überall Paladine, das Land wurde von allen Seiten strengstens bewacht; das hatte man zumindest den Einwohnern Kandios wie das tägliche Morgengebet immer wieder einbläuen wollen. Die Realität sah ander aus - oder zumindest die Grenze nach Whalla. So entspannt wie ihre Insassen aussahen, konnte Izara nicht anders, als sich ganz auf ihre Intuition zu verlassen. Sie fuhren eine Weile durch die Wälder, Izara nutzte die Zeit, sich zu erholen, obwohl der Platz beengt war und Schlaf nur ein Mittel zum Zweck. Auf einige Quadratmeter Baumfläche kamen mehrere Dörfer, Trias kannte sie, doch Izara hatte kaum die Nerven, sich all die exotischen Namen zu merken. Bald darauf folgte wieder Wald. Whalla schien ein einziges großes Fleckchen Wald zu sein, dazwischen einige Dörfer und kleinere Städte - sonst nichts. Ihr Ziel befand sich nur unweit hinter den letzten Nadelbäumen. In Wirklichkeit war die Sommerresidenz des Fürsten ein Jagdschloss. Das Gebäude schien alt, die Mauern waren aus dunklem Gestein, ebenso der Rest des Schlosses. Hohe Turmspitzen, viel Freifläche und ein angrenzender Park, der direkt in den Wald führte, verwandelten Izaras Augen in zwei große leuchtende Kugeln. Sie sah Falken, Raben krähten und Zuchttauben wurden in ihre Käfige zurückgeschickt. Um das Jagdschloss herrschte ein reges Treiben, Bedienstete liefen umher, es wurde frisches Wild nach drinnen getragen und die Küchenmagd diskutierte mit einem der Hausdiener.   Der Wagen hielt nur unweit des Eingangstores, zwei Bedienstete in schwarzer Kluft empfingen die Neuankömmlinge. Einer kümmerte sich um den Wagen, der andere führte sie ins Schloss. Seine Worte gingen an Izara vorbei, sie war nervös, wusste nicht, was sie tun sollte und wie sie sich zu verhalten hatte. Hilfesuchend drehte sie sich zu ihrer Leibgarde. Kyia und Trias waren keine Hilfe. Die beiden Leibwächter hatten sich stumm hinter Izara und dem König postiert als ginge sie das Ganze nichts an. Der König selbst wandte sein Gesicht Izara zu, er lächelte aufmunternd. Hoffentlich würde es nur halb so schlimm, wie Izara befürchtete. Die Tore gingen auf und aus der Eingangshalle schritt ein großer, schlanker Mann in den Fünfzigern auf sie zu. Sein Schnurrbart schmeichelte seinem Lächeln, er breitete die Arme aus, als er vor König Devon stehen blieb. "Drachenkönig", sagte er, "endlich habt Ihr es geschafft." "Fürst Hallswejf", König Devon schüttelte die Hand des Fürsten. Das war also der Fürst von Whalla. Linnora hatte nicht übertrieben, als sie von seinem »außerordentlichen« Kleidungsstil gesprochen hatte. "Ihr sagtet, Ihr kämt in Begleitung", der Fürst drehte sich erstmals zu Izara. Seine Augen leuchteten, die kleinen Falten darunter gaben seinem sonst eher durchschnittlichen Gesicht Charakter und Tiefe. "Aber…ist es das, was ich vermute?" Seine Aufmerksamkeit lag nun ganz auf Izara. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte - durfte sie überhaupt sprechen? Also tat sie das, was ihr als erstes einfiel; sie machte einen Knicks und - zu Izaras Überraschung - verbeugte sich der Fürst ebenfalls vor ihr. Bis heute konnte sie sich nicht an diese Art des Respekts gewöhnen. "Wenn ich vorstellen darf: Prinzessin Izara - Tochter des siebten Drachenkönig Juras", sagte König Devon. "Es ist ein Wunder", sprach der Fürst wie in Trance. Izaras Augen schienen es ihm besonders angetan zu haben, er konnte sich gar nicht von ihnen abwenden "Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehe würde…aber es besteht kein Zweifel. Selbst ich erkenne den König in Euch... Prinzessin Izara. Wie ist das überhaupt möglich? Wo habt Ihr sie so lange versteckt?" "Das habe ich nicht", antwortete König Devon, "es war…Zufall. Ihre Erweckung ist noch keine acht Wochen her, die Umstände waren besonders. Zu gegebener Zeit werdet Ihr alles erfahren, das verspreche ich Euch, nur konnte ich Euch nicht früher einweihen, Fürst." "Schon gut", Fürst Hallswejf lächelte, "jetzt seid Ihr ja hier. Es wird einiges zu besprechen geben. Aber vorher", er winkte zwei Diener zu sich heran, "solltet Ihr Euch ein wenig Ruhe gönnen. Meine Frau ist schon ganz aufgeregt, sie hat eine Menge geplant, müsst Ihr wissen. Frauen eben", er lächelte verschmitzt, "ich sehe Euch dann zum Abendessen. Danach besprechen wir die Einzelheiten. Und Ihr, Prinzessin", er nahm ihre Hand, küsste die Handfläche, dass Izara zu Stein erstarrte, "willkommen auf meinem Sommerschloss. Fühlt Euch ganz wie Zuhause." * Erschöpft ließ sich Izara aufs Bett fallen. Das Schloss war größer als es den Anschein machte. Bis sie in ihre Gästezimmer gekommen waren, hatte es einen halben Nachmittag gedauert. Fürst Hallswejfs Töchter hatten die kleine Gruppe kurzzeitig aufgehalten. Die vielen Komplimente, die neugierigen Fragen - Izara war ganz erschöpft von der Reise, dass sie nur knapp geantwortet hatte. Die Tür fiel ins Schloss und Kyia trat ins Zimmer. "Wenn Ihr dann soweit wärd, Prinzessin", sie hatte ein frisches Kleid in den Händen, etwas Modernes, mit langer Schleppe und kurzen Ärmeln aus durchsichtigem Tüll. Nichts, das Izara freiwillig getragen hätte. "Das Abendessen wird in Kürze serviert." "Jetzt schon?!", nuschelte Izara in ihr Kissen. Sie hatte es sich gerade erst gemütlich gemacht. "Die Menschen in Whalla schätzen Pünktlichkeit. Fürstin Maygrit hat Euren Aufenthalt bis ins kleinste Detail geplant." Davon hatte sie bereits gehört. Ausritte, Nachmittagstee, Blumenstickereien… "Und es gibt keine Möglichkeit, sich davor zu drücken?", Izaras Frage war rhetorisch, aber Kyia antwortete wie immer: "Nein, Prinzessin. Ein Zuspätkommen oder gar ein Nichterscheinen würde die Fürstin beleidigen. Ich rate Euch, ihren Unmut nicht auf Euch zu ziehen. Die Fürstin ist nur schwer zu besänftigen." "Schon verstanden", seufzte Izara. Sie warf das Kissen auf den Boden, rollte sich ab und sprang aus dem Bett. Die Daunen waren so schön weich gewesen! Zu schön um wahr zu sein. Izara stellte sich vor den Bergdrachen, der ihr ganz offensichtlich bei den Kleidern helfen wollte. Bei ihrer Zofe ging sie ja noch mit, aber ihre eigene Leibwächterin…? "Wirklich, Kyia, das musst du nicht tun. Ich ziehe mich selbst an", Izara nahm ihr das Kleid ab, bevor diese noch auf dumme Ideen kam. "Du bist eine Soldatin, wenn du jetzt auch noch anfängst, meine Zofe zu spielen, falle ich noch ganz vom Glauben ab." Izara warf das Kleid auf ihr Bett. "Und schau nicht so", sie lächelte den Bergdrachen an, "ich schaff' das schon." "Ich mache mir keine Sorgen", entgegnete Kyia ernst. Sie hatte sich direkt neben Izara postiert, die linke Hand an der Hüfte umfasste die andere den Knauf ihrer Waffe. Das tat ihre Leibwächterin, seit sie Dragor hinter sich gelassen hatten und irgendwie machte es Izara nervös. Was genau verstand Kyia unter »sich keine Sorgen machen?« "Aber du denkst, ich vermassel es", meinte Izara und zog den Reif von ihrem Kopf. Sie fühlte sich deutlich freier, die Haare lösten sich von der Frisur und hingen wallend über ihren Schultern. "Ihr werdet es nicht vermasseln", sagte Kyia. Sie klang nicht gerade überzeugend. "Und warum habe ich das Gefühl, dass - egal, was ich tue - ich es nur schlimmer machen kann?" "Wie meint Ihr das?" "Ich meine", jetzt waren die Kleider an der Reihe, nach und nach fielen die Stoffe zu Boden, "ich weiß gar nichts über diese Welt." "Welche Welt?" "Na, die hier." Sie stand in ihren Unterkleidern vor dem Bergdrachen und wedelte mit den Armen. Früher hätte sie sich scheu zur Seite gedreht, das hatten man den Mädchen so beigebracht. Aber Kyia war ständig in ihrer Nähe, dass ihre Anwesenheit ganz selbstverständlich geworden war. "Ich soll eine Prinzessin sein, aber ich habe keine Ahnung, was ich hier überhaupt mache. Soll ich mit dem Fürsten reden, seiner Frau gefallen? Mich mit den Töchtern anfreunden? Was erwartet man von mir?" "Gar nichts, Prinzessin", antwortete Kyia. Das war hart. Aus Kyias Mund besonders. "Du triffst es auf den Punk." Izara ließ die Schultern hängen. Sie stieg in die frischen Kleider, aber eigentlich wollte sie sich nur in die nächste Ecke verkriechen. "Versteht mich nicht falsch, Prinzessin", Kyia spielte mit dem Knauf an ihrer Waffe, ihr Blick war auf Izara gerichtet. "Der König möchte Euch nicht unter Druck setzen. Deshalb hat Euch niemand eingeweiht. Ihr sollt nicht denken, dass Ihr irgendwelche Verpflichtungen gegenüber dem König oder jemand anderem habt. Er hat Euch nach Whalla mitgenommen, damit Ihr rauskommt und Euren Gedanken Luft machen könnt." "Das hat der König gesagt?", flüsterte Izara. Ihr Blick wanderte in Richtung linker Wand. König Devon hatte das angrenzende Zimmer bekommen. Schon allein der Gedanke ließ ihr Herz wie wild klopfen.   "Er muss nicht viel sagen", entgegnete Kyia, "der König hat mir klare Befehle erteilt und ich führe sie aus." "Gehören Aufmunterungsversuche auch dazu?" Kyia schien zu überlegen. "Schon gut", jetzt musste Izara lachen, das erste Mal nach vielen Wochen, und es tat gut, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. "Es ist dir definitiv gelungen. Ich danke dir, Kyia. Aber zurück zu meiner eigentlichen Frage: könntest du mir ein wenig über Fürst Hallswejf erzählen? Ich möchte mich nicht völlig vor dem Fürsten blamieren, sollte er mir widererwartend eine Frage stellen. Der König und er scheinen nämlich eine gute Beziehung zueinander zu haben." "Das ist richtig", bestätigte Kyia. Jetzt half sie Izara doch bei dem Kleid. Die Schnürungen waren aber auch kompliziert. "Whalla ist seit fast zwanzig Jahren unser Verbündeter. Der Fürst beliefert uns mit Waffen, während wir im Gegenzug unsere Drachenressourcen mit ihm teilen. Es ist ein Gewinn für alle." "Was sind das für Ressourcen?" "Später", Kyia zog einmal kräftig an den Bändern. Izara schnappte nach Luft. "Das Essen wartet." "Wenn ich mit diesem Kleid überhaupt noch essen kann", erwiderte Izara und fasste sich an die schmale Taille. "Dem Fürsten wird es gefallen." "Weil ich ihm nicht die Haare vom Kopf fressen werde?" "Was den modischen Geschmack angeht, halte ich mich raus. Aber Ihr werdet nicht verhungern, Prinzessin." Kyia lief voran und hielt Izara die Tür auf. Mit einem schwachen Seufzer - zu mehr war sie in diesem Kleid nicht fähig - ging sie in den Speisesaal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)