Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 24: Izara ----------------- Mit Spannung sehnte Izara den ersten Tanz herbei. Im Geiste wiederholte sie die Schritte und warf Kyia stumme Blicke zu. Der Bergdrache verstand und nickte streng. Nachdem die letzen Gäste eingetroffen waren, folgte eine kurze Rede, bevor der König zum Eröffnungstanz bat. Die Fürstin und er schwebten durch die Halle, gefolgt von Lotta, die den ersten Tanz einem mittelständischen Kaufmann versprochen hatte. Izara sah all diese Menschen nach und nach auf die Tanzfläche zugehen. Das Tanzen schien jeder zu beherrschen und Izara zweifelte, ob ihr spontaner Kurs mit Kyia wirklich ausgereicht hatte. "Wenn ich bitten darf, Prinzessin", König Devon hatte eine Hand ausgestreckt. Sie wusste nicht wieso gerade jetzt, doch genau in diesem Moment fühlte sie sich wie eine echte Prinzessin, und als Prinzessin musste sie da durch. Sie nahm die Hand, der König zog sie zu sich heran, die andere lag oberhalb ihrer Hüfte. Er hatte warme Hände, wie Izara feststellte. Sein Griff war fest und bestimmend. Ihr rutschte das Herz bis zum Hals, als er den ersten Schritt machte, und Izara sich seinen Bewegungen anpasste. Kurz erhaschte sie einen Blick auf seine Augen, die sie anvisiert hatten, hastig sah sie zu Boden, auf die Füße, die sie doch eigentlich nicht ansehen sollte. Also wieder nach oben schauen, am besten an den König vorbei. "Du kannst tanzen", stellte er nach einigen Minuten fest. Vielleicht waren aber auch erst Sekunden verstrichen, Izara hatte keine Ahnung. "Ein wenig", meinte sie. "Trias sagte mir, dass es dein erster Tanzabend wäre." "Das stimmt. In Kandio gab es selten die Gelegenheit zu tanzen." "Das kann ich mir denken." Seine Miene verhärtete sich. "Dann scheinst du Talent zu haben." Nein, nur die Hilfe eines Bergdrachen. Aber Izara hatte versprochen, nichts zu verraten. "Ich tippe auf Glück", sagte sie stattdessen und zeigte ihr stolzes Prinzessinnenlächeln. "Aber woher könnt Ihr tanzen, Hoheit?" "Die Umstände zwangen mich dazu." "Ihr meint Veranstaltungen wie diese?" "Es war unvermeidlich. Wenn man mit den Menschen verhandeln möchte, muss man ihre Gepflogenheiten lernen." "Und welche Gepflogenheiten zählen noch dazu?", fragte sie neugierig. "Auf einem Pferd zu sitzen und es »zu reiten«. Eindeutig nicht meine Paradedisziplin." Sein Gesicht verzog sich nachdenklich. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es etwas gibt, das Ihr nicht könnt." "Oh, da gäbe es so einiges", er funkelte sie an, "aber ich würde mich lieber auf die Stärken konzentrieren." "Dann kann ich Euch beruhigen", sie drehten sich, Izara merkte gar nicht, wie sie einfach losließ und tanzte, "Tanzen gehört definitiv zu Euren Stärken." "Da bin ich ja erleichtert." Sie stellte sich König Devon vor, wie er vor dem Spiegel geübt hatte. Oder hatte der König ebenfalls Hilfe von einem Begleiter gehabt? Wenn Trias es ihm nicht beigebracht hatte, dann vielleicht Sila…? All die Tage hatte sie nicht an die Lóng denken müssen. Oder an die anderen Weibchen. Wäre Izara nicht hier, hätte die Lóng  an ihrer Stelle mit dem König getanzt und es hätte für ihn womöglich keinen Unterschied gemacht? "Hat es sich gelohnt? Ich meine, die Gepflogenheiten zu lernen?" Izara wollte nicht traurig klingen, aber so ganz konnte sie ihre Gefühle nicht verbergen. Vor dem König erst recht nicht. "Heute, ja", bestätigte er, "der Fürst versprach, neue Waffenlieferungen. Es ist bereits alles besiegelt worden." Er sah zu ihr herunter. "Das haben wir dir zu verdanken." "Meinem Himmelsblut, wolltet Ihr sagen." "Himmelsblut ist nicht alles", sagte König Devon, "du unterschätzt deine Ausstrahlung, Izara." "Ich muss zugeben, meine Ausstrahlung war das Letzte, woran ich gedacht habe." Sie lächelte schwach. "Wenn du nicht gerade schmollst, kannst du sehr einnehmend sein." Jetzt musste sie dem Drachenkönig doch in die Augen sehen. Izara »schmollte?« Moment, er hatte gesagt, dass ihre Ausstrahlung einnehmend wäre?! "Wie kommt Ihr darauf?", murmelte Izara. "Weißt du noch? In Dragor?" Izara hielt den Atem an. "Du weißt noch gar nicht, was alles in dir steckt. Was für eine Wirkung du auf andere haben kannst. Den Fürsten hast du beeindruckt - und nicht, weil du seinen modischen Geschmack getroffen hast. Du hast das Wohlwollen der Fürstin - ein seltenes Privileg. Niemand, den ich bisher auf meine Reisen mitgenommen habe, hat einen so guten Eindruck hinterlassen." Er drückte ihre Hand, den Blick unablässig auf ihrem Gesicht ruhend. Wenn er sie wie jetzt ansah, spürte sie, wie die eiskalten Augen in ihre Seele vordringen wollten. Der Drache in ihr ließ es zu. Izara genoss die Wärme des Königs, seinen eingehenden Blick, die süßen Worte, all die Aufmerksamkeit. Wenn es nach ihr ginge, sie hätten den ganzen Abend tanzen können. Sie wollte den Augenblick festhalten. Noch nie fühlte sie sich dem König so nah. Die verwirrenden Gefühle erschienen ihr richtig, vielleicht steckte hinter ihrer schnell wachsenden Zuneigung doch mehr als sie sich zugestanden hatte. "Hoheit", hauchte Izara. Es war der richtige Zeitpunkt, die Wahrheit zu sprechen, "i-ich…ich", ihre Gefühle handelten schneller als ihr Mund. Ein Hauch ihres eigenen Duftes umwehte das Tanzpaar. Ein flüchtiges Zeugnis ihrer  Paarungsbereitschaft. Der König fixierte Izara und Izara wagte es nicht zu atmen. Die Musik endete. Izara hatte es erst gar nicht bemerkt, doch der König ließ ihre Hand los. Eine Verbeugung vom König, ein Knicks von Izara und die Blase war geplatzt. Ein Dolch in ihrer Brust hätte nicht schmerzhafter sein können. Wie konnte sie nur derartig leichtsinnig sein? "Prinzessin", jemand Neues bat um ihre Hand und ohne nachzudenken, ließ sie sich auf den nächsten Tanz ein. Ihre Bewegungen waren steif, nichts erinnerte an die grazile Haltung zwischen ihr und dem König. Aber Izara tanzte, damit sie nicht an den König denken musste. An ihre Dummheit und darüber, wie leicht sie zu verletzen war. Der Nächste reichte ihr die Hand, sie ließ es einfach geschehen. Ließ die Männer reden, ihr Komplimente machen - Izara war es völlig gleich. "Prinzessin Izara", sagte eine kratzige Stimme, die dem königlichen Bruder gehörte. Er wirbelte Izara über das Parkett, seine Hand drückte sie enger an ihn als ihr lieb war. "Ich hörte, der Fürst sei von Euch beeindruckt." "Das wage ich nicht zu beurteilen", entgegnete Izara. Sie versuchte, sich aus seinem Schraubstockgriff zu befreien, doch Prinz Enhardt ließ nicht locker. "Das kann ich mir kaum vorstellen. Jemand, der den Fürsten dazu ermutigt, seine eigenen Waffenressourcen dem Drachenkönig zu übergeben, weiß genau, was er tut." Er lächelte, ein falsches widerwärtiges Lächeln. "Ich frage mich, ob Ihr auch meinen Bruder überzeugen könnt, jetzt, nachdem der Drachenkönig etwas zu bieten hat, das uns alle interessiert." Alles in Izara verkrampfte sich. Wann war endlich das Lied vorbei? Wo waren Kyia, Trias oder der König? "Verratet mir doch", er beugte sich zu ihr vor, sein Atem streifte ihr Ohr und überall breitete sich Gänsehaut auf ihrem Körper aus, "was bietet mir der Drachenkönig an, damit ich meinen Bruder von einer Zusammenarbeit überzeuge?" "Das solltet Ihr besser den König fragen", knirschte Izara mit den Zähnen. "Aber ich frage Euch, Prinzessin. So ein hübsches, junges Ding wie Ihr entspricht mehr meinen Vorstellungen von einer befriedigenden Zusammenarbeit als der Drachenkönig es jemals könnte. Oder gilt dieses Privileg nur dem Fürsten von Whalla?" "Ich weiß nicht, wovon Ihr da sprecht." Sie tanzten gar nicht mehr, die Bewegungen war so träge, dass sie jeden Augenblick angerempelt werden könnten. Izara wünschte, es würde jemand kommen, aber niemand schien auf sie zu achten. "Spielt nicht die Unschuldige", Prinz Enhardts Lächeln wurde immer schmieriger, "als wüsstet Ihr nicht genau, wo Euer Platz ist." Izara stieß einen tiefen Atemzug aus, weißer Rauch umnebelte ihr Gesicht. Endlich ließ er von ihr. "Wenn Ihr mich entschuldigt", sie presste die Lippen zusammen, machte im Absatz kehrt und lief aus dem Ballsaal. Kaum im Flur angelangt, rannte sie auch schon los. Die Wände begannen sich zu drehen, alles verschwand hinter einem Schleier von Tränen. Izaras Tränen. Sie stürmte in ihr Zimmer, ungeachtet der vielen fragenden Blicke, die ihr die Dienerschaft beim Vorbeilaufen hinterherwarfen. Mit einem lauten Knall ließ sie die Tür ins Schloss fallen, sackte zusammen und ließ die Welt über sich einstürzen. Sie wusste nicht, was sie zuerst fühlen sollte. Trauer? Enttäuschung? Wut? Oder doch lieber Hass? Izara riss die Augen auf, sie stürmte auf den Kleiderschrank zu, riss jedes Kleid heraus, bis sie in einem Meer aus Stoffen stand. Sie stampfte zum Fenster, riss die Klappläden auf und schnappte sich die Kleider. Mit glühenden Augen feuerte sie ein Teil nach dem anderen aus dem offenen Fenster, die Stoffe wirbelten in der Luft, bevor sie von der Dunkelheit verschlungen wurden. "Prinzessin!", Kyia stand im Zimmer. Der Bergdrache schloss die Tür und beobachtete fassungslos, wie Izara die Schmuckschatulle packte und die Perlenketten nach draußen schleuderte. "Ich habe es satt!", schrie Izara. "Wovon sprecht Ihr?" "Sie sollen mich einfach in Ruhe lassen", Izara schloss die Fensterläden. "Alle!" "Was ist denn passiert?", langsam näherte sich Kyia ihr. "Wann hattet ihr vor, es mir zu sagen, hä?!", Izara starrte ihre Leibwächterin an, ihre Augen waren verquollen, das Makeup verwischt. "Dass ich Eure Prinzessin spielen soll - schön! Dass ich nichts weiter als euer Spielball bin - gut! Aber auf meinen Gefühlen zu herumzutreten, mich zu beleidigen-" Sie schnappte sich die restlichen Schminkutensilien und schleuderte sie vom Tisch. Über dem Boden schwebte eine Staubschicht aus Pastell- und verschiedenen Rottönen, die sich auf dem ganzen Teppich ausbreiteten. "Warum bin ich auch so blöd!" "Prinzessin!", Kyia schnappte sich ihre Schultern, "beruhigt Euch!" "Wie kann ich mich beruhigen?!", ihre Lippen zitterten. Sie konnte es nicht länger zurückhalten. "Als Hure sehen sie mich! Ist es das, was dein König wollte? Dass ich mich zum Narren mache? Mich anbiedere? Den anderen Königreiche auf die Knie falle?" "Nein!", Kyia riss die Augen auf, "Wer hat Euch das gesagt?" Der Bergdrache rüttelte Izara, die eine wütende Träne nach der nächsten vergoss. "Ist das so wichtig?", funkelte sie ihre Leibwächterin an. Gerade verabscheute sie alles und jeden. "Es spielt keine Rolle, weil es die Wahrheit ist." "Nein, Prinzessin, so etwas würde der König nie tun! Wir haben Gesetze, die-" "Gebrochen werden, wenn es sein muss!", Izara zeigte auf sich, sie war Beweis genug und das wusste Kyia. "Das ist nicht das, was der König will! Prinzessin, ich schwöre bei meiner Ehre, Ihr werdet nie-" Die Leibwächterin stockte, die Tränen hatten ihre Fingerspitzen erreicht. "Hört mir zu", Kyia tat einen tiefen Atemzug, "niemand darf so mit Euch reden. Egal, was man Euch einzureden versucht, Ihr seid mehr Wert als das", sie zeigte auf das Fenster, die Läden waren aus den Angeln gehoben, ein Stück Stoff klemmte zwischen dem Holz. "Ich werde mit dem König reden-" "Nein", Izara sah sie entsetzt an. König Devon war der Letzte, von dem sie wollte, dass er davon erfuhr. "Kein Wort zum König, bitte." "Aber Prinzessin, es ist wichtig. Wenn unsere Verhandlungspartner denken, sie könnten Euch einfach beleidigen-" "Kein Wort zum König", wiederholte Izara, ihr brannten die Augen. Sie wusste nicht, dass die Iriden zu Glühen anfingen, oder blau-weißes Licht durch ihre Augen direkt zu ihrer Leibwächterin durchdrang. "In Ordnung", schluckte der Bergdrache und verneigte sich. Für Izara begann der Schmerz von vorne. Ihr Innerstes brannte, sie wollte um sich schlagen und sich gleichzeitig wie ein Kleinkind zusammenrollen und weinen. "Es tut mir leid, Kyia. Ich wollte nicht so mit dir reden", sie fasste sich an den Kopf.  "Es ist nicht deine Schuld, normalerweise bin ich nicht so hysterisch." "Ihr müsst nicht um Vergebung bitten, schon vergessen?" "Nein, Kyia, ich…Das soll aufhören", murmelte sie, "warum habe ich meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle?" "Weil ihr die ganze Zeit den Schleier aktiviert habt", antwortete Kyia. Aus Kyias Mund kamen die Worte ganz selbstverständlich, aber Izara hatte nur noch mehr Fragezeichen im Kopf. "Was für ein Schleier?" "Ein Mittel, um unsere magischen Kräfte zu verbergen. Damit können wir verhindern, dass uns die Paladine aufspüren können. Ihr hingegen nutzt den Schleier, um den Drachen in Euch zu unterdrücken - und das schon seit Wochen. So etwas schlaucht - und raubt Euch Kraft und Nerven. Ich dachte, Ihr wüsstet das." "Ich wusste nicht, dass ich so etwas kann." Izara wandte sich ab, trat ans Bett und ließ sich auf der Kante nieder. "Ihr müsst es rauslassen, Prinzessin", beschwor Kyia sie, "all Euren Ärger, Eure Wut - verwandelt es in das, was es tatsächlich ist." "Und was soll das sein?" "Energie." Kyia drehte sich und schritt auf die Wand zu ihrer Rechten zu. Eine Hand presste sie auf die Blümchentapete, Kyia schloss die Augen, konzentrierte sich. Silbernes Licht glitt ihren Oberarm hinab. Die Hand leitete das Licht weiter, dass es sich auf der gesamten Wand ausbreitete. Es knackte und das Licht nahm Strukturen an, eine zweite Wand errichtete sich. "Jetzt könnt Ihr Euren Gefühlen freien Lauf lassen", sagte Kyia und klatschte in die Hände, als wollte sie sich von lästigem Staub befreien. "Diese Wand hat eine Schallisolierung und eine Stahllegierung, die Eure Kräfte eindämmen wird." Fasziniert erhob sich Izara und berührte die glatte Oberfläche. "Das ist unglaublich", flüsterte Izara, aber Kyia zuckte bloß mit den Schultern. "Versucht einfach, keinen allzu großen Schaden anzurichten." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)