Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 50: Devon ----------------- Als der Schrei ertönte, war die Formation der Paladine soeben zerschlagen worden. Männer schlugen auf den Boden ein, nachdem Blitze die Körper gelähmt und die Himmelskäfte des Drachenkönigs ihr Urteil gefällt hatten. Trias wischte sich den Schweiß von der Stirn, Erschöpfung und ein wenig Selbstgefälligkeit lagen in seinem müden Lächeln, das augenblicklich erlöschte. Der Schrei drang durch Mark und Bein. Jeder, der den Lockruf einer Nymphe kannte, wusste, wie er den Körper zum Beben brachte, doch der Schrei einer Himmelsgöttin war kein Beben. Es zerriss die Erde und jeden, der sich ihm näherte. Wenn eine Himmelsgöttin schrie, dann setzte sich der Schrei dort fest, wo niemand hingelangen konnte - und das war nicht gerade angenehm. Vor allen anderen hatte Devon ihn als erster gespürt. Es war schmerzhaft, wie der Laut durch seine Knochen bohrte, seine Kräfte anschubste, als wollten sie ihn daran erinnern, wo sein Platz war. Devon kannte diesen Laut - er hatte schon vor Jahrzehnten einen Untergang prophezeit, von dem das Drachenvolk mehr als nur einen Schrecken davongetragen hatte. Die Einzigartigkeit, die in dem melodiösen, fast sirenenartigen Klang mitschwang, ließ jede Faser seines Körpers in Flammen aufgehen. Himmelsblut rief Himmelsblut - die Worte waren nicht für ihn bestimmt und doch hatte er sie erhalten. Im nächsten Augenblick breitete sich der Schrei wie eine Welle über Dragor aus. Die Drachen reckten die Hälse, zuckten zusammen - die Welle schlug auf den Felsen auf, das Volk fiel auf die Knie. Diejenigen, die noch kämpften, ließen sich von Kummer und Zorn leiten - ein ekstatischer Klingentanz, der das Blut der Feinde auf die Straßen verteilte. Sie alle wussten, wessen Schrei ihre Herzen gebrochen hatte. Dass es nur eine gab, welche die Erde mit ihrem Klagelied zum Zittern bringen konnte. Leiser Donner ertönte auf den Straßen der Drachenmetropole, der Rest war nur für die Drachen bestimmt. Ein verzerrtes Abbild einer verzweifelten Himmelsgöttin. Nur der Tod brachte einen derartigen Klang hervor, und nur die Himmelsgöttin selbst konnte ihr Volk an ihrer Trauer teilhaben lassen. Jemand wie Izara, der kaum etwas von seinen Drachenkräften verstand, war es erschreckend, mit was für einer Energie sie den Laut aus sich herausgeholt hatte. Devon versetzte es in Alarmbereitschaft. Es galt jetzt, keine Zeit zu verlieren. Für den Drachenkönig wirkte es wie eine Ewigkeit, wie er starr in den Himmel blickte. In Wahrheit waren keine Sekunden zwischen Schrei und Übertragung vergangen. Die letzten Paladine im Rücken, welche krampfhaft versuchten, die Mauer aus Blitzdrachen zu durchbrechen, wandte sich Devon einfach ab und stieß seine Flügel aus seinem menschlichen Rücken. Neben ihm stand immer noch Trias. Von den Schallwellen der Himmelsgöttin hypnotisiert, schaute der Volan dabei zu, wie sein König einfach in die Luft abhob und den roten Blitzen am Firmament Konkurrenz machte. Himmelsmagie strahlte über dem smaragdenen Himmel, das Licht war so grell, dass es in den Augen schmerzte. "Wartet, Hoheit", rief Trias. Er schüttelte sich, rannte und sprang im richtigen Moment ab. Als Feuerdrache war er um einiges langsamer als sein König, die Flügel waren schwerer, die Schuppen wuchtiger. Holprig folgte er König Devon, dessen Drachengestalt von überall zu erkennen war. Sein Leuchten war grell, er sammelte die Energie, um schneller zu werden. So schnell, wie es in seiner derzeitigen Verfassung eben möglich war. Wäre der Tag an seiner Seite, wäre er mit Schallgeschwindigkeit an sein Ziel gelangt. Doch ganz gleich wie bleich der Mond auch am Himmel schien, Devon nutzte all seine Reserven, um seine Fähigkeiten auf ein Maximum anzutreiben. "Wir wurden reingelegt", brummte Devon und ließ die Mauern Dragors hinter sich. Die ganze Zeit war er am falschen Ort gewesen, und das bekam er gerade richtig zu spüren. Frustration und Wut beschrieben nicht annähernd, was in dem Drachenkönig vorging. "Das Schloss war von Anfang an das Ziel." Natürlich! Devon hatte schon so ein Gefühl gehabt, als er dem Palast den Rücken gekehrt hatte. Strenge Gerüche hatten in der Luft gehangen. Das Blut der Hyrakonda war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Ein Überdecker des eigentlichen Übels. Devon schnaubte. "Dann kamen die roten Blitze von hier?", Trias traute sich kaum zu fragen. Sein Kopf zeigte auf den Himmel, der dunkelrote Wolken mit sich schob. "Sie kamen von überall", antwortete Devon knapp und schärfte seine Sinne. Die eiskalten Augen durchleuchteten jeden kleinsten Winkel unter ihnen. Izaras Geruch hing in der Luft, der Schrei hatte seinen Ursprung irgendwo hinter den Felsen, er musste einfach nur seinen Instinkten folgen. Dass er so abrupt verklungen war, verhieß nichts Gutes. Devon brauchte seine Gedankengänge nicht weiter fortführen. Eine scharfe Linkskurve und Devon streckte den linken Flügel weit nach oben aus. Er nutzte den Wind und ließ die Kraft durch seine Schuppen fließen. Heiße Luft blies ihm in den Nacken, sein Leibwächter bemühte sich, das Tempo zu halten und nur Trias allein wusste, wie anstrengend es sein konnte, einem Himmelsdrachen zu folgen. "Ich versteh' es nicht[/I", schnaubte Trias, "[style type="italic"]der Angriff auf Dragor war…" Ihm blieb das Wort in der Kehle stecken. "Du wolltest sagen, dumm?", erwiderte Devon und suchte die Umgebung nach möglichen Spuren ab. "Du irrst dich, Trias. Der Großmeister ist vieles, aber kein Narr. Der Angriff auf Dragor war ein gewiefter Schachzug." "Ihr meint, die Paladine wussten, dass ihre Mission zum Scheitern verurteilt war?" "Dragor war nicht die Mission", antwortete Devon, "Dragor war eine falsche Fährte. Wir sollten glauben, dass sie einen Anschlag planen. Die Paladine zu besiegen war Teil des Ablenkungsmanövers, um sich genug Zeit zu verschaffen." Und uns weit genug vom Palast zu haben. Geistig schüttelte er mit dem Kopf. Der Großmeister hatte seinen Charakterzug ausgenutzt - seine Schwäche, wie es der Anführer der Paladine einmal formuliert hatte. Er hatte damit gerechnet, dass Devon einschreiten würde, dass er sein Volk nicht im Stich lassen konnte, selbst wenn die Chancen auf einen Sieg gut standen. Verluste waren für Devon keine Option mehr, das hatte der Großmeister schamlos ausgenutzt und Devon in einen Kampf geschickt, der trotz Sieg nicht gewonnen werden konnte. Fünfzig Paladine hatte der Feind nach Dragor ausgesandt. Fünfzig Männer und Frauen, die für einen größeren Plan geopfert worden waren. Devon hätte es wissen müssen. Der Großmeister war anders als er. Der Verlust seiner Krieger scherte ihn nicht, das hatte er schon oft genug bewiesen. "Ein Selbstmordkommando", der Volan sprach es leise aus, doch in Devon hallte das Wort mehrfach nach. Nicht nur der Großmeister hatte seine Leute in den Tod geschickt. Auch wenn Devon Dragor beschützen konnte, hatte er die Schlossbewohner sich selbst überlassen. Das Ausmaß dessen konnte Devon nur erahnen, doch die Wut steckte tief in ihm. "Trias", sagte Devon, nachdem er endlich eine Spur hatte, "du fliegst weiter zum Schloss. Wenn mich nicht alles täuscht, wurde die Schutzmagie des Schlosses durchbrochen. Kyia wird Hilfe brauchen." "Und was ist mit Euch?" "Trias[]", knurrte Devon, "das Schloss!" Er hatte jetzt keine Zeit, sich mit dem Ehrencodex eines Leibwächters zu befassen. "Wie Ihr wünscht" Der Volan bog ab und Devon sank ein wenig tiefer. Der Hain zeichnete sich ab, die Bäume bewegten sich im Wind und entsandten die letzten Überreste von Izaras feiner Duftnote. Weitere Gerüche breiteten sich aus, doch nur einer fuhr kalt seinen Rücken herunter. Blut. Zu mehreren. Menschen- und Drachenblut. Devon setzte zum Sinkflug an. Die Bäume um ihn herum kümmerten ihn nicht, Zweige brachen, Äste krümmten sich, fielen auf die Knie, sobald der Himmelsdrache den Boden berührte. Eine Kralle auf die Erde gesetzt, verwandelte sich Devon auch schon wieder in seine menschliche Form. Im Hain war es still. Bäume standen so dicht beieinander, dass kaum der Mond zu ihm durchdringen konnte. Die Hand auf einen Stamm gedrückt, versuchte er, Izaras Duftnote etwas einzugrenzen. Die Spur führte eindeutig nach Osten, aber auch im südlichen Teil zog sich ein vager netzartiger Faden durch den Hain. Es war das beste, der ersten Spur zu folgen, dort, wo das Blut seine Sinne benebelte. Mit ausgestreckter rechter Hand entsandte Devon einen Lichtballen, der schwebend vor ihm herflog. Bis auf das Knacksen von Ästen, auf die er von Zeit zu Zeit trat, drang kein Geräusch zu ihm durch. Kein Fiepen der Fledermäuse, kein Rascheln von Wildschweinen. Die Tiere des Hains waren fort. Angst hatten die Hüter der Natur vertrieben. Ob von den Paladinen oder den Drachen, das konnte Devon nicht sagen. Nur die Angst, die war in der Luft spürbar. Er lief weiter, den Instinkten folgend, die eine große Blutlache gesichtet hatten. Devon beschleunigte seinen Schritt. Der Drache lag flach auf dem Boden. Arme und Beine gestreckt wirkte es auf den ersten Blick, als würde er bloß die Sterne bewundern - oder was auch immer man dort oben zu finden hoffte. In Devon reihten sich die Szenarien. Er näherte sich dem Drachen, das Licht flog ihm hinterher. Ein Blitzdrache. Devon erkannte ihn an seinen wilden blonden Haaren - wie hatte ihn Izara doch gleich bezeichnend, als ihren Freund? In die Hocke gegangen, stand er direkt neben dem jungen Drachen, aus dessen Hals eine böse Schnittwunde das Blut in Schüben austreten ließ. Die Hand an die Wunde gepresst, spürte Devon den trägen Puls eines widerspenstigen Drachen. Die meisten hätte es bereits ins dunkle Nebelreich geführt, dort, wo alle Drachen hinkamen, die von den Großen Drachen gerufen worden waren. "Hoheit", die Augen flackerten. Bis eben hatte Devon nicht sagen können, ob der Blitzdrache bei Bewusstsein war oder nicht. "E-es", röchelte er und Devon hätte ihn zum Schweigen verdonnert, wenn er nicht so dringend nach Antworten gesucht hätte. "Es tut mir leid." "Was ist passiert?", fragte Devon. Er hoffte, dass es ihm leichter fiele, in ihrer Sprache zu sprechen. "Sie…sie haben sie mitgenommen." Die Augen des Blitzdrachen bewegten sich flatternd. Leicht neigte er seinen Kopf und zeigte auf eine Stelle, die von weiterer Dunkelheit durchzogen wurde. Also sammelte Devon seine Kräfte, ließ noch einmal die Energie in seine Augen fließen. Ein Kraftakt. Der letzte Kampf war keine halbe Stunde her und die Verletzung an seinem Rücken machte ihm auch noch zu schaffen. Schnaubend ergab er sich seinem Schicksal, gönnte seinem Geist die nötige Ruhe. Hellblaues Licht fegte schwach über ihre Köpfe, als Devon seine Hand bewegte, als werfe er einen Ball. Tänzelnd hielt sie über mehrere aufgeschüttete Gesteinsbrocken inne. Devon kniff die Augen zusammen. Aus dieser Entfernung sah er nicht gut, aber was er sah, hatte nichts mehr mit einem Lebewesen gemein. "Ihr…ihr Stiefvater…Izara, sie…sie war so… unglaublich schnell." Der Blitzdrache stöhnte. Das Sprechen fiel ihm schwer, als Drache in Leibeigenschaft war es schon eine Glanzleistung, überhaupt der Drachensprache mächtig zu sein. Leider nutzte er noch zu viel von seinen Stimmbändern, und das gefiel dem Kehlkopf gar nicht. Devon wusste, er musste sich beeilen. "Wie viele waren es?" "Fünf." "Konntest du ihren Rang ausmachen?" "Es waren alles Drachenreiter, Hoheit. Aber der eine…" "Was ist mit ihm!"[/I Devon beugte sich nach unten, die qualvollen, leisen Laute waren verdächtig ruhig geworden. "Zu…mächtig." "Ich verstehe", entgegnete Devon. Seine Hand drückte sich fester auf den Schnitt. Blut floss langsam, aber stetig seine Finger hinab. "Ich…", mit offenem Mund starrte er zu Devon hinauf, "ich habe…sie nicht…beschützen können. Ich…habe versagt." Die Augenbrauen zusammengezogen blickte Devon hinunter zu dem Sterbenden. Er hatte nicht versagt, er hatte schlichtweg keine Chance gehabt. Nichts, was ein stolzes Männchen hören wollte. Der Geruch von Menschenblut trieb die Wut in Devons Adern. In der Ferne machte er die Umrisse eines toten Paladins aus, und auch in umliegender Umgebung war der Gestank menschlichen Blutes unverkennbar. Der junge Drache hatte gut gekämpft. In Anbetracht der Ausweglosigkeit hatte der Blitzdrache seiner Rasse alle Ehre gemacht. Die Augen geschlossen, stieß Devon einen tiefen Atemzug aus. "Ich werde dich nicht sterben lassen ", seine Stimme war ruhig, wie eine frische Fruhlingsbrise umwehte sie den jungen Drachen. Dann öffnete Devon seine Himmelsmagie. Ein letzter Kraftakt, er spürte, wie seine Kräfte ächzten, sich seinem Willen widersetzen wollten, aber Devon kämpfte dagegen an. Entlang seiner Brust floß sie weiter, direkt durch seine Arme und den Handteller hinaus. Warmes, weißes Licht erstrahlte. Es war ein Tausch von Haut zu Haut. Die Wunde glühte, spürte die Wärme und ließ sie langsam in die Venen des Blitzdrachen fließen. Ein leises Stöhnen drang aus dem Mund des Blitzdrachen, die Regeneration begann zu wirken. Egal wie nahe er dem Tod gekommen war, sobald das Himmelsblut ihm seinen Lebenshauch einatmete, schlug er den Sensenmann nieder. Auch Devon stöhnte leise. Die Himmelsmagie verblasste, ihr letzter Protest hatte Devon nachgeben lassen. Auch wenn er den Burschen noch etwas mehr geheilt hätte, für den Moment musste es genügen. Einen weiteren Zusammenbruch seinerseits konnte sich Devon in dieser Lage nicht leisten. Die Augen zusammengekniffen starrte Devon in den Himmel. Die Lebensjahre, die ihm die Regeneration gekostet hatten, waren kaum von Bedeutung. Zu irgendetwas musste sein Himmelsblut ja gut sein. "Ich werde jemanden schicken lassen ", sagte er - und schon war Devon verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)