Drachenjagd von Lady_of_D (Die Himmelsgöttin) ================================================================================ Kapitel 71: Izara ----------------- "Nein!", schrie sie und strampelte mit den Beinen. Das Gefühl der Leere drohte sie von innen zu zerfressen, die Panik rüttelte an ihrem Verstand, der in den Tiefen ihres Bewusstseins - und darüber hinaus - unterzugehen drohte.   "Izara." Sie wurde von hinten gepackt. Zwei starke Hände und ein Oberkörper, der sie wie eine Mauer eingezäunt hatte. Ihr Herzschlag wummerte gegen ihre Brust. "Es ist alles gut", wisperte Devons Stimme dicht hinter ihr. Wärme hüllte sie ein, die ruhige, feste Stimme des Drachenkönigs gab ihr die nötige Kraft, und langsam kehrte ihr Geist zurück an seinen Platz. Außer Atem starrte sie in die winzig kleinen Kügelchen, die an der Decke schwebten und die Höhle sanft erhellten. Sie fühlte sich an den Traum zurückerinnert, der überhaupt kein Traum war, wie ihr schmerzlich bewusst wurde. Sie schluckte, aber die Erinnerungen waren präsent. So präsent, dass der Blick des Blitzdrachen wie eine Anschuldigung über ihr baumelte. "Hattest du wieder eine Vision?", nuschelte er in ihr Haar. Izara nickte. "Möchtest du darüber reden?" Sie schüttelte den Kopf, sie war eindeutig noch nicht bereit dazu. Izara hatte den Tod gesehen, hatte gespürt, wie seine kahlen, schmalen Finger nach ihr gegriffen hatten. Es war ein Tod, der nicht ihrer war. Die Augen auf die Decke gerichtet, ließ sie sich von Devons Nähe besänftigen. Sie starrte auf die Kügelchen. Scheinbar hatte Devon seine Kräfte zurückerlangt. Das Licht war warm und hell, nicht so grell und flackernd wie das in ihrem Traum. Langsam schloss sie die Lider. Izara begriff es endlich. Aber der Preis der Wahrheit war teuer. * Kaum war die Sonne aufgegangen, brachen die zwei Himmelsdrachen auf. Izara war verblüfft, wie viel eine Nacht bewirken konnte. Devon hatte aufgehört zu humpeln, seine eiskalten Augen hatten jene Tiefe, die Izara in ihren Bann zogen und ein klein wenig blühte ihr Herz auf. Er lächelte sanft, und auch Izara raffte sich zu einem Lächeln auf. Ihre Reise führte sie tiefer in den Westen. Izara musste feststellen, dass die Papiere in Devons Mantel mehr als ein paar Kritzeleien eines hektischen Volans waren. Die Karten waren detailliert und so wusste Devon ganz genau, wohin sie als nächstes zu gehen hatten. Die Orientierung des Königs war bewundernswert. Ein Blick in den Himmel genügte, um nicht nur die Himmelsrichtung zu bestimmen. Anhand der Blätter, des Bodens und der Tiere, die sie im Wald erblickten, konnte er ihren Standpunkt auf einige Meilen einschränken. Und die Reise bewies, dass er sich nicht irrte. Schon bald waren sie in Medaniens Mitte. Weit genug von ihrem alten Zuhause, und doch zu nahe, um sich in Sicherheit zu wiegen. Das Tempo der beiden Himmelsdrachen war ganz dem König angepasst. Wäre dieser nicht so verletzt, wäre Izara wohl kaum hinterhergekommen. "Du bestimmst, wenn wir eine Pause einlegen sollen", sagte er und schaute sie von der Seite aus an. Izara schüttelte den Kopf. Sie wollte möglichst schnell aus dem Wald. Das Rascheln aus den Gebüschen behagte ihr nicht. Ihre Instinkte waren zu scheu, dass jedes Geräusch als gefährlich eingestuft wurde. Noch immer glaubte sie, dass jeden Moment ein Paladin oder vielleicht sogar der Großmeister selbst aus den Büschen herausspringen könnte. "Zwei Tage", versicherte Devon, "wenn wir das Elbsgebirge erreicht haben, sollte es sicher genug sein, nach Dragor zu fliegen." Der Gedanke an einen Flug munterte Izara auf. Sie war lange nicht mehr in der Luft gewesen - und den letzten Flug mit dem Anführer der Paladinschaft zählte sie nicht mit. Sehnsuchtsvoll starrte sie in den Himmel. Ihr Rücken begann zu kribbeln und Izara fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, die eigenen Flügel durch den Wind gleiten zu lassen. "Ich werde fliegen", erriet Devon ihre Gedanken. Schnaubend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Als ob sich der Drachenkönig davon beirren ließe. "Eine Verwandlung-" "Ist zu gefährlich, ich weiß", beendete sie seinen Satz und seufzte. "Wird es jemals anders sein?", fragte sie, obwohl sie keine Antwort hören wollte. "Ich fürchte nicht", entgegnete Devon und beendete das Thema. * Der Wald lichtete sich. Die Spätnachmittagssonne versteckte sich unter einer dicken, grauen Wand. Izaras Füße begangen zu schmerzen, doch sie traute sich nicht, etwas zu sagen. Wenn Devon nicht schlapp machte, würde sie sich nicht beschweren. Der König war ein angenehmer Begleiter. Er war so ganz anders als noch vor einigen Wochen, als sie mit der Kutsche nach Whalla unterwegs gewesen waren. Die Stille zwischen ihnen fühlte sich richtig an, und wenn sie doch ein paar Worte wechselten, war es nicht als spräche eine kleine, naive Drachenprinzessin bei dem großen Drachenkönig vor. * Sie hatten eine kurze Pause eingelegt und Izara nutzte die wenigen Minuten, um ihrem Körper Ruhe zu gönnen. Auf einem abgebrochenen Stamm gesetzt, hatte sie die Beine ausgestreckt. Neugierig beobachtete sie Devon bei der Jagd. Er hatte die Spur eines Hasen aufgenommen. Flink war das lange sehnige Fellknäuel durch das hohe Gras gehoppelt, dass es Izara gar nicht aufgefallen war. Er war schnell, aber die Augen eines Himmelsdrachen konnten jeden seiner Schritte vorhersehen. Devon hatte es schnell beendet und irgendwie glaubte sie, Schuldgefühle in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Nun brutzelte das Tier über einer offenen Feuerstelle, nachdem Izara dem König dabei geholfen hatte, es zu enthäuten und die Gedärme herauszunehmen. Ein paar Mal hatte sie einem Metzger dabei zusehen können. Es selbst in die Hand zu nehmen war eindeutig eine andere Sache. Izara hätte wohl keinen Bissen angerührt, wenn ihr Hunger nicht so übermächtig gewesen wäre. * Wenn sich Tage wie zäher Schleim anfühlen konnten, waren die Abende wie Gummi im Mund. An Schlaf war in dieser Nacht kaum zu denken gewesen. Erholung wurde ein seltenes Gut. Es gab keine Höhle oder Unterschlupf, in dem Izara und Devon hätten unterkommen können. Zu unsicher war die Gegend, um friedlich sein Nest zu bauen oder sonst wo eine Herberge zu finden. Stattdessen hatte sie ihre Kräfte unter dem Schleier verbergen müssen und auch Devon hielt sich äußerst bedeckt. Izara traute sich nicht, ihn anzusprechen. Devon war angespannt. Unter dem Deckmantel eines ruhigen und konzentrierten Geistes überblickte er die gesamte Umgebung und - bei den Großen Drachen - war die Umgebung riesig! Erst als Izaras Schritte langsamer wurden und ihr Kopf immer wieder seinen Oberarm streifte, schlug er eine vorübergehende Rast vor. Izara nutzte die Zeit für einen kurzen, brüchigen Schlaf, während Devon kein Auge zutat. Und auf den Vorschlag, sie könnten sich doch mit der Wache abwechseln, wollte er erst gar nicht eingehen. * "Siehst du die Felsen südlich von hier?", Devon zeigte darauf. Die Felsspitzen waren zwischen den hohen Laubbäumen kaum zu erkennen. Izara kniff die Augen zusammen und erspähte die kantigen Felsen, die wie drei spitze Türme Richtung Himmel hinausragten. "Dahinter befindet sich neutrales Gebiet." Der Gedanke an das Drachenschloss ließ sie leise aufseufzen. "Warum laufen wir nicht direkt darauf zu?", fragte Izara, als Devon einen Schwenker nach rechts machte. "Hinter dem Hain", antwortete Devon nach einer Weile, "befindet sich die ehemalige Stadt Logia." Izara drehte sich zu ihm um. Sein Blick war unergründlich, die Seelenspiegel so tief, dass sie Izara an die Tiefen des Ozeans erinnerten. Auch Izara sah in die Richtung. Ihr Herz wurde schwer. Sie ballte die Hände zur Faust, spürte den Druck ihrer Knochen, bis sie endlich nachgab. "Zeig' sie mir", ihre Worte waren klar und Devon richtete seine Seelenspiegel auf ihre Lippen, die zu einem dünnen geraden Strich geformt waren. Stumm nickte er und führte sie durch den Wald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)