Von erfüllten und unerfüllten Träumen von Aleye85 ================================================================================ Prolog: Die Entstehung eines Traumes ------------------------------------ Armschläge, so kraftvoll wie tosende Wellen. Die Geschmeidigkeit des Körpers, wie er sich elegant und scheinbar mühelos durch das Wasser bewegt, als würde er mit dem glitzernden Blau verschmelzen. Eine Geschwindigkeit, die alle anderen in den Schatten stellt … Noch nie habe ich so etwas Schönes im Leben gesehen. Eine Vereinigung von Kraft, Anmut und das Gefühl der daraus hervorgehenden Freiheit. Der Pfiff ertönt. Lauter Jubel bricht im Publikum aus. Ohrenbetäubend und euphorisierend. Meine Augen bleiben wie gebannt auf dem Siegerteam des Iwatobi Schwimmclubs hängen. Der Größte unter ihnen beugt sich hinunter, reicht dem Schlussschwimmer die Hand und sagt etwas mit einem herzlichen Lächeln auf dem Gesicht. Mit einem Ruck hilft er ihm aus dem Becken und sofort springen seine Kameraden ihn an, umarmen ihn und sie freuen sich gemeinsam. Ihre Freundschaft ist so deutlich zu spüren, dass mir ganz flau im Magen wird und ein kleiner Wunsch erwacht wie ein hungriges Tier. Das Verschmelzen mit dem Wasser. Anmut. Freunde, mit denen man gemeinsam für das gleiche Ziel kämpft. Freude und Vertrauen. Das pure Glück. Freiheit … kann ich das auch erreichen? Ist das auch für mich möglich? Darf ich auch so frei sein? Frei sein wie Haruka? Kapitel 1: Erschreckende Neuigkeiten ------------------------------------ Sein verträumter Blick glitt über die Bilder der Staffel-Siegerteams. Die Mitglieder sahen alle so glücklich aus. Stolz und erleichtert. Seine Augen blieben an dem Bild von Haruka, Makoto, Nagisa und Rin hängen. Er hatte den rothaarigen Jungen seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen und wenn es stimmte, was er gehört hatte, dann war ins Ausland gegangen. Bewundernswert. Randy konnte sich nicht vorstellen, das Land zu wechseln. Eine andere Sprache. Andere Menschen. Verschiedene Kultur. Ganz ohne Familie und Freunde. Unheimlich. Er schüttelte sich kurz und wandte sich wieder den Bildern zu. Seit er damals die Staffel der vier gesehen hatte, konnte er kaum noch an etwas anderes denken. Wie es sich wohl anfühlte, in einer Staffel mitzuschwimmen? Überhaupt: wie fühlte es sich an, sich im Wasser richtig fortzubewegen? Das Einzige, was Randy konnte, war sich über Wasser zu halten. Vom Sportschwimmen war er noch weit entfernt. Wenn es ihm endlich gelingen würde, seine Eltern zu überzeugen, dann … Randy versank in Gedanken, sah sich vor dem geistigen Auge in voller Schwimmermontur mit einem eleganten Sprung ins Wasser eintauchen. Er konnte die Wellen und Blasen, die das kühle Nass schlug, fast spüren, als ihn eine Stimme aus seinen schönen Traum riss. „He du, was machst du da?“ Erschrocken wirbelte Randy herum und starrte entsetzt in Nagisas neugierig dreinblickendes Gesicht. Hinter ihm standen Makoto und Haruka, die ihn überrascht beäugten. „Bist du neu? Magst du auch schwimmen? Aber dann bist du zu spät. Unser Training ist vorbei“, versuchte es Nagisa erneut, verschränkte die Finger hinter dem Rücken und beugte sich musternd zu Randy nach vorne. Der machte verlegen einen Schritt rückwärts. Was sollte er nur antworten? „Wenn du kein Mitglied bist, darfst du nicht hier rein“, schlussfolgerte Haruka und fixierte ihn kühl, sodass Randy zusammenzuckte. Schweißperlen traten auf seine Stirn und seine Hände begannen zu zittern. „Haruka“, folgte es ermahnend von Makoto, der sich lächelnd zu dem fremden Jungen umwandte. „Du hast dich bestimmt verlaufen, stimmt’s?“ In dem Moment ertönte ein weiteres Stimmengewirr von sich nähernden Schwimmern. Randy bekam Panik. Er wusste, dass er nicht hier sein durfte, dennoch konnte er nicht anders. Seine Sehnsucht zog ihn immer wieder zu den Bildern, wenn er schon nicht beim Training zuschauen konnte, und diese hingen nun mal in den Umkleidekabinen … Sein Gehirn setzte einen Moment lang aus und er handelte instinktiv. Mit einem gemurmelten „Entschuldigung“ stieß er Nagisa leicht auf die Seite und rannte zwischen Makoto und Haruka hindurch. Fast prallte er mit den Gruppen der Jungs auf dem Flur zusammen, doch er presste sich an der Wand durch die Meute hindurch. Schnell floh er aus der Halle und hörte nicht eher auf zu laufen, bis der Schwimmclub außer Sichtweite war. Seine Seiten stachen und er musste unwillkürlich an Bienen denken, die ihn unaufhörlich piekten. Keuchend stützte er sich auf seinen Oberschenkeln ab und schnappte schwer nach Luft. Wie peinlich … wie hatte ihm das nur passieren können? Normalerweise achtete er auf die Zeit und er wusste haargenau, wann er sich am Empfang vorbeischleichen und wann er die Kabinen wieder zu verlassen hatte, um sich wieder heimlich hinauszustehlen, doch dieses Mal … Was dachten jetzt die anderen von ihm? Konnte er sich überhaupt nochmal hin trauen? Randy schluckte. Hatte er falsch reagiert? Vermutlich. Hätte er versuchen sollen, mit ihnen ein Gespräch anzufangen? Nagisa und Makoto hatten ganz nett gewirkt, doch Haruka? Die dunklen, unergründlichen Augen. Der kühle Tonfall. Noch jetzt überkam ihn eine Gänsehaut bei der Erinnerung. Nein, er hätte sich nicht getraut, mit ihnen zu sprechen und dennoch wusste er, dass er seine Chance vermasselt hatte, mit ihnen in Kontakt zu treten. Mit schweren Herzen und hängendem Kopf trat er den Weg nach Hause an. Als er daheim ankam, begann es bereits zu dämmern. Vorsichtig schloss er die Tür auf und betrat den hell erleuchteten Flur. Er hatte kaum die Schuhe ausgezogen, als seine Mutter aus der Küche gehetzt kam. Ein Ausdruck der Erleichterung legte sich auf ihr besorgtes Gesicht, doch nur für einen kurzen Moment. Tadelnd stemmte sie die Hände in die Hüften. „Wo bist du schon wieder so lange gewesen?!“ Randy zuckte beim polternden Klang ihrer Stimme zusammen. Die berüchtigte Zornesfalte bildete sich auf der Stirn seiner Mutter und er wurde noch kleiner. „Ich warte auf deine Antwort, junger Mann.“ „Tut mir leid, Mama, ich war noch etwas spazieren und habe die Zeit vergessen.“ Seine Mutter seufzte und der wütende Ausdruck auf ihrem Gesicht begann zu schwinden. „So geht das nicht, Randy. Ich möchte nicht, dass du nach der Schule noch so viel in der Gegend herumstreunst. Was ist mit deinen Hausaufgaben?“ „Die habe ich bereits erledigt“, antwortete Randy pflichtbewusst und seine Mutter nickte. „Okay, dann wasch dir die Hände und auf ins Esszimmer. Es gibt gleich Abendessen.“ Er nickte und tat wie ihm geheißen. Als er sich an den Tisch setzte, stellte ihm seine Mutter einen Teller Curry an den Platz und ihm kam eine Idee. Wenn es ihm gelingen sollte, sie zu überzeugen, dass er richtig schwimmen lernen durfte, dann konnte er Haruka und den anderen seinen Auftritt in der Umkleidekabine des Schwimmclubs erklären – zumindest halbwegs. Er fasste Mut und blickte dann zu seiner Mutter auf, die sich ihm gerade gegenübersetzte. „Du, Mama …?“ „Ja?“ „Ich, also ich …“, begann er zu stottern und holte noch einmal tief Luft, bevor es aus ihm herausschoss, „ich möchte gerne in den Schwimmclub eintreten.“ Überrascht und erschrocken zugleich blickte sie auf und schüttelte den Kopf. „Randy, das haben wir schon einmal besprochen und meine Antwort war deutlich genug gewesen, oder etwa nicht? Du kannst dich doch über Wasser halten. Das reicht völlig aus.“ Er schluckte und ballte seine Hände auf dem Schoß zu Fäusten. Sie hatte Recht damit, dass sie ein Gespräch darüber gehabt hatten, und sie hatte es ihm damals klar verboten, doch er verstand noch immer nicht, warum. „Doch, schon, aber ich würde so gerne …“ „Das Leben ist kein Wunschkonzert. Ich würde auch gerne so manch eins mehr, doch das ist leider nicht drin. Konzentriere dich lieber auf die Schule, damit etwas Anständiges aus dir wird. Abgesehen davon, wäre dies sinnlos, denn dein Vater wurde versetzt. Wir werden schon nächste Woche umziehen. Damit ist das Thema erledigt. Ich will nichts mehr davon hören. Hast du mich verstanden?“ Fassungslos starrte er sie an, während sie sich unbeirrt ihrem Essen widmete. Umziehen? Unmöglich. Das wollte er nicht. Das durften sie nicht. Wie sollte er dann Haruka und den anderen beim Schwimmen zusehen? Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals, den er mühevoll herunterschluckte. „Müssen wir wirklich umziehen?“ Seine Mutter nickte und antwortete, ohne aufzusehen. Ihre Miene war mit einem Mal kühl und ausdruckslos geworden. Wie immer, wenn die Sprache auf Schwimmen kam und alles, was damit zu tun hatte. Randy schauderte. „Wenn dein Vater weiterhin etwas verdienen soll, ja. Wir ziehen nächste Woche nach Kandala um. Und erspare mir jetzt jeglichen Protest oder Drama, es wird nichts ändern.“ Randy war der Appetit mit einem Schlag vergangen. Apathisch saß er vor seinem Teller. Kandala war verdammt weit weg. Er würde Haruka, Nagisa und Makoto nicht mehr schwimmen sehen können. Tränen sammelten sich in seinen Augen. In diesem Moment verdunkelte sich die Welt für ihn und er fiel in ein tiefes Loch. Kapitel 2: Der Neuanfang ------------------------ Randy blickte sich gedankenschwer um. Eine Woche war es nun her, dass sie ihr neues Heim in Kandala bezogen hatten. In der Wohnung standen noch vereinzelt ein paar nicht ausgepackte Umzugskartons herum, doch im Großen und Ganzen konnte sich die Wohnung sehen lassen. Er konnte nichts finden, das gegen das neue Heim gesprochen hätte, außer dass es nicht Iwatobi war. Haruka und die anderen fehlten. Würde er seine Vorbilder jemals wieder schwimmen sehen? Seufzend zog sich Randy die Schuhe an, rief ein „Tschüss“ in Richtung Küche zu seiner Mutter und verließ das Haus. Der Weg zur Schule war nicht sonderlich lang und er konnte gemütlich zu Fuß gehen. Allerdings fehlte ihm das glitzernde Meer. Der Anblick von grauem Asphalt stimmte ihn traurig. In der Schule selbst erging es ihm nicht besser. Nicht, dass er gemobbt werden würde, doch er fühlte sich wie ein Fremdkörper: zur falschen Zeit, am falschen Ort. Völlig allein. Eigentlich war das nichts Neues für ihn. Er war schon immer sehr schüchtern und introvertiert gewesen – kam einfach nicht aus seiner eigenen Haut heraus. Es war Randy ein Rätsel, wie alle um ihn herum so fröhlich und aufgeschlossen sein konnten. Als wäre es das Normalste der Welt. Wie erlernte man das? Mutlos legte er die Tasche auf den Tisch und packte seine Bücher und Hefte aus. „Freidingens? Was ist das?“ „Freistil … bei der Disziplin darf man schwimmen, was man möchte.“ Randy spitzte die Ohren und schielte nach vorne, wo sich zwei seiner Mitschüler unterhielten. „Und was schwimmt man dann?“, hackte der Kleinere von beiden nach und blinzelte sein Gegenüber unsicher an. „Die meisten bevorzugen Kraulen, manche schwimmen aber auch Schmetterling“, erklärte ihm sein Klassenkamerad und strich sich durch sein blondes Haar. „Warum? Macht das mehr Spaß als Brust?“ „Das ist individuell, aber die zwei Stile sind einfach am schnellsten. Komm doch mal nach der Schule mit ins Training.“ „Ich verstehe …“, sein Klassenkamerad rieb sich das Kinn. „Ich glaube, das ist nichts für mich. Eine Sportart an Land ist für mich besser geeignet.“ „Schade, wir hätten dich gerne in unserem SC aufgenommen.“ Das Erscheinen des Lehrers unterbrach die Unterhaltung der beiden. In weniger als einer Minute kehrte Ruhe in den Saal ein. Randy grübelte, doch er konnte sich nicht an die Namen der beiden erinnern. Deshalb spitzte er die Ohren, als der Lehrer die Anwesenheit der Schüler überprüfte. Ungeduldig wartete er darauf, dass der Blonde seine Hand hob. „Hotohori Kobayashi?“ „Ja, hier.“ Der Ansatz eines Lächelns legte sich auf Randys Mundwinkel. Hotohori also. Den Namen würde er sich merken. Wie er wohl schwamm? Er hatte fest vor, es herauszufinden. Die Stunden zogen sich dahin wie Kaugummi. Als die Glocke endlich zum Schulschluss läutete, machte Randys Herz einen erleichterten Sprung. Er hatte sich nicht auf den Unterricht konzentrieren können. Seine Gedanken waren ständig darum gekreist, wie er es am besten anstellen könnte, den Schwimmclub von Hotohori ausfindig zu machen. Er entschied sich letztendlich für die einfachste Lösung: er würde ihm folgen. Sein Herz pochte wie wild, als er sich von Baum zu Baum schlich, seinen Klassenkameraden nicht aus den Augen lassend. Der andere durfte ihn nicht entdecken. Was würde er sonst von ihm denken? Vielleicht, dass er ein Rad abhatte oder ihm etwas antun wollte … Auf jeden Fall nichts Gutes. Randy wusste selbst, dass sein Verhalten gerade seltsam war, aber einfach auf den Gleichaltrigen zugehen und ihn anzusprechen, traute er sich nicht. Vielleicht ein andermal, aber jetzt noch nicht. Tatsächlich sollte er es schaffen, denn Hotohori hatte seinen MP3-Player ganz aufgedreht und hing den gesamten Weg zum Schwimmclub seinen Gedanken nach. Auch war es sein Glück, dass er zu Fuß und nicht mit dem Fahrrad unterwegs war. Da hätte er unmöglich mithalten können. Randys Augen begannen zu leuchten, als sein Klassenkamerad nach fast zwanzig Minuten vor einer offensichtlichen Schwimmhalle zum Stehen kam, seinen MP3-Player ausschaltete und das Gebäude betrat. „Kandala SC“ stand in großen Lettern über dem Eingang und ließ sein Herz höherschlagen. Vorsichtig schaute er sich um, doch außer ihm war gerade niemand auf der Straße zu sehen. Entschlossen wanderte Randy um das Gebäude herum. Zu seiner Freude besaß der Schwimmclub ein Freiluftbecken auf das er einen guten Blick erhaschen konnte. Sein Herz begann vor Vorfreude schneller zu schlagen. Wäre hier jemand dabei, der Haruka und seinen Freunden das Wasser reichen konnte? Befanden sich in Kandala überhaupt annähernd so gute Schwimmer? Er würde es gleich herausfinden. Auf der einen Seite hoffte er es, auf der anderen Seite glaubte er nicht daran, dass irgendjemand besser schwimmen konnte als Haruka. Sein Schwimmstil war einfach einmalig. Die Einigkeit mit dem Wasser einzigartig. Die Stimme eines rothaarigen Mannes, vermutlich der Trainer, ließ ihn zusammenzucken. „Ich hoffe, ihr habt euch alle aufgewärmt? Hundert Meter Einschwimmen. Danach Lagenschwimmen pro Bahn, Dreihundert Meter. Los geht’s! Ins Wasser mit euch!“ Die umstehenden Schüler kamen der Aufforderung gerne nach. Randy entdeckte Hotohori und beobachtete neugierig, wie er zu schwimmen begann. Allerdings konnte er sich nicht lange darauf konzentrieren, denn die Stimme des Trainers erklang abermals. Dieses Mal jedoch ermahnend und genervt. „Nael, Cosmo – was wird das schon wieder?! Hört auf vor dem Schwimmen zu naschen! Wie oft soll ich euch noch sagen, dass nichts gegessen wird, bevor ihr ins Wasser steigt?! Weg mit dem Süßkram und ab ins Becken!“ Randy schielte zu den angesprochenen Jungen. Er schätzte sie ebenfalls auf sein Alter. Der Schwarzhaarige mit den blonden Strähnchen verdrehte genervt die Augen, während der andere noch einmal schnell in die Tüte griff und sich eine handvoll Süßigkeiten in den Mund stopfte. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“, empörte sich der Trainer und stapfte zu ihnen hinüber, um den Rest der Süßspeisen einzuziehen. „Nichts als Flausen im Kopf. Immer dasselbe mit euch beiden. Was soll ich nur mit euch machen? So geht das nicht.“ Verärgert schob sich der Trainer die Brille auf der Nase zurecht. Auf dem Gesicht des einen breitete sich ein freches Grinsen aus. Er verschränkte die Arme vor der Brust und setzte zur Antwort an, doch der Schwimmcoach ließ es wissentlich nicht dazu kommen. „Nael, kein Ton jetzt! Ab ins Wasser und hundert Meter zusätzlich einschwimmen!“ Zu Randys Überraschung folgte der Junge der Aufforderung, ohne weiter aufzumucken. Mit einem eleganten Startsprung tauchte er in das Becken ein und begann kraftvoll zu schwimmen. „Wow …“, kam es flüsternd über Randys Lippen. Der Sprung war einfach perfekt gewesen. Diese Körperhaltung, der Eintauchwinkel – alles schien mehr als nur richtig. Zugetraut hätte er es ihm nicht, nachdem der Junge anscheinend auf Krawall aus gewesen war. Überhaupt fragte er sich, wo dieser Nael herkam. Ein reiner Japaner schien er nicht zu sein, wie bereits sein Name verriet. Er hatte einen schönen braunen Teint und wirkte irgendwie südländisch. „Nun zu dir“, der Trainer wandte sich an den anderen Jungen, der den letzten Rest Süßigkeiten in seinem Mund runterschluckte. „Cosmo, hör auf so viel ungesundes Zeug in dich hineinzustopfen. Du bist doch ein Sportler! Also verhalte dich auch so und pass etwas besser auf deinen Körper auf!“ Schuldbewusst senkte Cosmo den Kopf, nicht aber ohne dabei auf die Süßigkeitstüte in den Händen des Trainers zu schielen. Der seufzte. „Auf ins Wasser mit dir. Ebenso wie Nael einhundert Meter zusätzlich. Beeilung.“ Der Junge nickte und glitt ebenfalls ins Wasser. Randy staunte. Im Wasser wirkte Cosmo wie ein ganz anderer Mensch. Entspannt und völlig ausgeglichen, als wäre das Becken genau der Ort, an dem er hingehörte. Er konnte den Blick nicht abwenden. Das kühle Nass funkelte verheißungsvoll in der Sonne und schien ihn zu rufen. Er verspürte den Drang, sich zu zeigen und ebenfalls in das Becken zu springen, aber er wusste, dass dies Unsinn war. Wie seine Mutter bereits gesagt hatte: er konnte sich über Wasser halten. Das musste genügen. Doch reichte dies wirklich aus? Randy schüttelte traurig und entschlossen zugleich den Kopf. Das Zuschauen und Träumen konnte sie ihm nicht verweigern. Kapitel 3: Erwischt ------------------- Kapitel 03 Beschwingt lief Randy auf den Schwimmclub zu. Seit fast 10 Wochen beobachtete er die Mitglieder beim Training und jedes Mal aufs Neue freute er sich darauf. Es war zu einem liebgewonnenen Ritual geworden. Zwar fehlten ihm Haruka, Nagisa, Makoto und Rin, doch auch hier gab es gute Schwimmer, denen er gerne zusah. Immer wieder meldete sich sein Wunsch, selber in das glitzernde Nass mit einem eleganten Sprung eintauchen zu können und von dem Wasser umarmt zu werden. Sich darin mit kraftvollen, effizienten Schlägen fortzubewegen. Anmutig wie ein Meerestier. Eins zu werden mit dem Wasser. Bei dem Gedanken nahmen seine Gesichtszüge einen verträumten Ausdruck an und seine Augen leuchteten sehnsüchtig auf, während er wie gebannt auf das in der Sonne funkelnde Wasser schaute. „He du, Spanner. Was glaubst du eigentlich, was das hier werden soll?!“ Erschrocken zuckte Randy zusammen und wirbelte herum. Vor ihm stand Nael mit sauertöpfischer Miene. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und nagelte ihn mit seinem Blick regelrecht fest. Verunsichert trat Randy einen Schritt zurück. Gleichzeitig spürte er einen riesigen Kloß, der sich in seinem Hals bildete und ihn am Sprechen hinderte. „Mir ist schon länger aufgefallen, dass du hier herumlungerst! Kannst du mir mal sagen, was das soll?“ Nael setzte provokativ einen Schritt auf ihn zu und Randy schluckte. Er wollte etwas sagen – er musste sogar, doch er konnte nicht. Es war, als würde ihn eine unsichtbare Macht davon abhalten. In dem Moment hörte er zwei weitere Schuhpaare sich nähern. Aus seinen Augenwinkeln sah er Cosmo und Hotohori auf sich zukommen. „Was ist hier los? Gibt es Stress?“ Der Blonde blickte zwischen Nael und Randy hin und her. „Nanu, dich kenn ich doch? Gehst du nicht in dieselbe Klasse wie ich?“ Randy nickte und traute sich nicht, den anderen in die Augen zu schauen. Er suchte nach einem Fluchtweg, doch Nael schien seine Absicht zu erraten, packte ihn am T-Shirt und drückte ihn hart gegen die Mauer, sodass er nicht entkommen konnte. „Hey, was machst du da? Lass ihn los“, versuchte ihn Hotohori zu beschwichtigen, doch der andere dachte gar nicht daran. „Das ist der Typ, den ich gesehen habe! Der Spanner hinter dem Gebüsch!“ Cosmos und Hotohoris Augen wurden groß. Überrascht und irritiert zugleich schauten sie Randy an. Der versuchte, sich verzweifelt aus dem Griff des anderen zu befreien. „Ich bin kein Spanner!“ „Was denn sonst, hä?“ „Ich … ich … möchte doch nur …“, Randy stockte. Was wollte er eigentlich? Zuschauen? Dann wäre Naels Annahme in dessen Augen bestimmt berechtigt. Träumen? Auch das hörte sich seltsam an und würde den Jungen wohl kaum zufrieden stellen. Sein blonder Klassenkamerad kam ihm zu Hilfe. „Sag, kann es sein, dass du gerne bei uns mitschwimmen möchtest?“ Langsam hob Randy den Kopf und Hotohoris hellgrüne Augen blickten ihn verständnisvoll an. Das half, sein aufgebrachtes Herz zu beruhigen und den dicken Kloß in seinem Hals schrumpfen zu lassen. Er nickte zaghaft. „Ja, das würde ich wirklich gerne …“ „Na prima. Dann ist doch alles geklärt“, meinte der Blonde und zwinkerte Nael aufmunternd zu. „Du kannst ihn jetzt loslassen.“ Missmutig kam Nael der Aufforderung nach. Cosmo kam strahlend einen Schritt auf ihn zu und von der Nähe fiel Randy auf, welch faszinierend große und strahlende Augen der kleinere Junge hatte. So funkelnd und klar wie das Wasser selbst. „Was schwimmst du am liebsten? Ich mag Brustschwimmen gern.“ Erwartungsvoll blickten ihn die drei an. Verlegen senkte Randy den Kopf, der in Sekundenschnelle knallrot wurde. Wie sollte er ihnen sagen, dass er eigentlich gar nicht schwimmen konnte? Der Kloß in seinem Hals nahm mit einem Mal wieder an Volumen zu und bevor er es nicht mehr konnte, presste Randy schüchtern hervor: „Ich kann gar nicht schwimmen.“ Stille legte sich über die Kinder und ließ seinen Körper unangenehm Prickeln. Nach wenigen Sekunden hielt er es nicht mehr aus und er fügte schnell hinzu: „Also nicht so richtig. Über Wasser halten kann ich mich schon, aber …“ „Eine Schwimmente!“ rief Nael belustigt und deutete auf Randy. Der hatte das Gefühl, vor Scham zu vergehen, zumal der andere sich fast kugelte vor Lachen. Tränen schossen in seine Augen. Auf gar keinen Fall wollte er ihm den Triumph gönnen, ihn weinen zu sehen. Schnell schob er sich an dem Trio vorbei und rannte fluchtartig nach Hause. Cosmo und Hotohori sahen ihm mitleidig nach, während Nael sich noch immer köstlich amüsierte. „Das war gemein“, meinte Cosmo und fischte in seiner Hosentasche nach einem Bonbon. Nael wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ach was, der kommt schon drüber hinweg. Außerdem konnte ich nichts dazu. Es überkam mich einfach.“ „Ich glaube nicht, dass er es so einfach wegsteckt“, mutmaßte Hotohori und strich sich nachdenklich durch sein Haar. „Er sah sehr verletzt aus.“ „Und wenn schon. Jetzt kriegt euch wieder ein.“ Nael winkte genervt ab, doch seine Kameraden gaben so schnell nicht auf. „Ich denke, da ist eine Wiedergutmachung fällig.“ Cosmo nickte zustimmend und sah seinen Freund aus großen Augen bittend an. Der seufzte ergeben. „Na schön. Nervt mich voll ab, aber wenn ihr meint …“ „Ja!“, erklang es unisono und der Südländer wusste, dass er bereits verloren hatte. Aus der Nummer kam er wohl nicht raus. „Oh Mann… das nervt. Und was schlagt ihr vor?“ Hotohori und Cosmo warfen sich einen einigen Blick zu, bevor sie ihren Kumpel angrinsten. Der stöhnte. „Sagt jetzt bitte nicht, dass es das ist, was ich denke!“ „Doch, genau das“, entgegnete der Blonde und klopfte ihm versöhnlich auf die Schulter. „Jetzt lasst uns besser reingehen. Wir sind viel zu spät dran.“ Kapitel 4: Die Wiedergutmachung ------------------------------- Wie versteinert blieb Randy stehen. Was sollte er tun? Davonlaufen? Aber wohin? Drei Tage waren vergangen, seit Nael ihn erwischt hatte. Seitdem hatte er die anderen nicht mehr gesehen, bzw. war seinem Klassenkameraden aus dem Weg gegangen. Dieser kam nun lächelnd auf ihn zu. Da er keine Feindseligkeit oder böse Absicht in der Miene des anderen erkennen konnte, entschied sich Randy, stehen zu bleiben, auch wenn ihm das schwerer fiel als es sollte. „Hey, na wie geht es dir?“ Hotohori lächelte ihm aufmunternd an und nahm ihm damit ein Stück Unsicherheit. „Gut …?“ „Schön. Wie schaut‘s? Lust, eine Runde zu schwimmen?“ Verdattert blickte Randy seinen Mitschüler an. Er erwartete ein fieses Lachen oder etwas in der Art. Allerdings schien dieser seine Frage vollkommen ernst zu meinen. „Sch… schon aber wie?“ Er fuhr sich verlegen durch sein hellbraunes Haar. Meinte sein Mitschüler das Ernst oder erlaubte er sich doch einen schlechten Scherz mit ihm? „Ich nehme dich mit in den SC. Also eigentlich erst nach der offiziellen Trainingsstunde. So lange müsstest du warten. Dann verschaffen dir meine Freunde und ich Einlass.“ „Aber … ist das denn erlaubt?“ Randys Herz vollführte hoffnungsvolle Sprünge. Er versuchte das Gefühl zu unterdrücken, denn er hatte Angst zu hoffen, nur um am Ende enttäuscht zu werden. „Wen juckts?“ Hotohori zuckte mit den Schultern und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Was niemand weiß, macht auch bekanntlich niemand heiß. Dann lass uns gehen!“ Der Blonde ergriff sein Handgelenk und zog ihn fröhlich entschlossen hinter sich her. Randys Freude wurde mit einem Mal getrübt, als ihm ein weiteres Problem bewusstwurde. „Aber ich habe gar keine Badesachen dabei.“ „Schwimmsachen“, berichtigte ihn Hotohori und lächelte. „Kein Problem, daran haben wir schon gedacht. Wir leihen dir welches.“ „Wer ist eigentlich wir…?“ „Na Nael, Cosmo und ich!“ Bei dem ersten Namen zuckte Randy merklich zusammen und sein Klassenkamerad lachte amüsiert auf. „Mach dir keine Sorgen. Unser Nael ist zwar meistens etwas hitzköpfig und provokativ, aber durch und durch ein lieber Kerl. Man kann sich auf ihn verlassen, du wirst sehen. Es dauert für gewöhnlich nur etwas, bis man mit ihm warm wird.“ Er schluckte und hoffte, dass Hotohori recht hatte. Das Training war hart und anstrengend gewesen. Randy staunte, wie fit und ausdauernd Hotohori und seine Freunde waren. Würden sie wirklich noch fit genug sein, um ihm Schwimmunterricht zu geben? Als sie alle ausgeschwommen hatten und sich auf den Weg zu den Duschen machten, gab ihm sein Klassenkamerad das vereinbarte Zeichen. Der Braunhaarige versteckte sich im Gebüsch und wartete, bis der Trainer verschwunden war und sein Mitschüler zu ihm lief. „Coach Tamahome ist weg. Du kannst jetzt drübersteigen. Schaffst du das?“ Besorgt musterte Hotohori den Zaun, doch Randy winkte lässig ab. „Kein Problem für mich.“ Cosmo und Nael verließen ihren Wachposten an der Ecke und kamen ebenfalls auf sie zu. „Sind alle weg. Wir haben freie Bahn. Auf geht’s.“ Der Schwarzhaarige nickte ihm auffordernd zu und Randy machte sich sofort ans Klettern. Mit ein paar Schwierigkeiten, denn der Zaun war wackeliger als gedacht, kam er unversehrt auf der anderen Seite an. Cosmo hielt ihm lächelnd eine Badehose entgegen. „Die sollte dir passen. Beeil dich. Dann legen wir gleich los.“ Das ließ sich Randy kein zweites Mal sagen. Beschwingt nahm er das Kleidungsstück entgegen und sah sich suchend nach einer Umkleidemöglichkeit um. „Da alle noch unter den Duschen und in den Kabinen sind, müsstet du dich schnell hier draußen umziehen. Hinter der Ecke“, Hotohori deutete schräg nach hinten, „befindet sich der Geräteschuppen. Da geht für gewöhnlich niemand hin.“ Randy nickte und machte sich sogleich auf den Weg. Sein Blick streifte zum gefüllten Becken und sein Herz vollführte aufgeregte Sprünge. Passierte das gerade wirklich? Durfte er tatsächlich schwimmen? Als er fertig war, erwarteten ihn die anderen bereits. Nael schaute genervt auf die Seite und Randys Unsicherheit kehrte zurück. Hotohori unterbrach die angespannte Stille, indem er seinem Kumpel einen spielerischen Kick gegen den Oberschenkel verpasste. „Nun los, mach schon!“ „Ja, ja. Nerv mich nicht!“ Nael wandte sich widerwillig Randy zu und man konnte ihm sein Unwohlsein geradezu ansehen. Aus zusammengepressten Zähnen brachte er hervor: „Tut mir leid wegen neulich.“ Randys Augen weiteten sich vor Überraschung, als er ihm gleich darauf die Hand zur offensichtlichen Versöhnung hin hob. „Schon okay“, murmelte er verlegen und Cosmo klatschte erfreut in die Hände. „Supi, dann können wir ja jetzt loslegen!“ Hotohori lief motiviert zum Becken. Die anderen folgten ihm mit gemischten Gefühlen. Nael hatte noch mit seiner Verlegenheit zu kämpfen, Cosmo war voller Tatendrang, während bei Randy die Aufregung wuchs, je näher sie dem Becken kamen. Cosmo, Hotohori und Nael sprangen hinein und blickten ihn auffordernd an. Das Wasser glitzerte verführerisch in der Sonne wie ein Meer aus Feenstaub. Er nickte, holte tief Luft und sprang kerzengerade ins Wasser, mit den Füßen zuerst. Zwar wusste er, dass dies nicht die eleganteste Lösung war, doch darum sollte es in der ersten Trainingsstunde nicht gehen. „Als erstes wollen wir sehen, ob du treiben kannst. In Ordnung?“, Hotohori lächelte ihm aufmunternd zu. „Hol tief Luft und mach dich ganz Rund wie eine Kugel.“ Verständnislos blickte der Brünette ihn an. Cosmo kam seinem Kumpel zu Hilfe. „Warte, ich zeige es dir.“ Der quirlige Junge zog die Knie an, schlang seine Arme um die Beine und ließ sich mit dem Rücken nach oben treiben. Randy nickte. Das sollte nicht schwer sein. Er tat es Cosmo gleich und genoss das Gefühl, vom Wasser getragen zu werden. Als er wieder auftauchte, hatte Nael bereits die Lust verloren und schwamm ein paar Bahnen, während Hotohori und Cosmo ihn aufmunternd anlächelten. „Super. Das funktioniert schon mal gut. Hast du eine priorisierte Schwimmart, mit der du starten möchtest?“ Randy legte den Kopf schräg und zuckte dann mit den Schultern. „Eigentlich nicht. Ich würde gerne alle erlernen.“ „Cool, das sollte sich einrichten lassen. Mal sehen …“, Hotohori legte sich grübelnd den Zeigefinger auf die Lippen. „Am besten wir starten mit Rückenschwimmen. Das schwimme ich am liebsten und von der Technik her dürfte es am einfachsten sein. Vorausgesetzt du hast eine gute Wasserlage und behältst die Balance auf dem Rücken. Lass uns das gleich mal testen.“ Randy nickte, legte sich flach auf den Rücken und ließ sich treiben. Sein Klassenkamerad war zufrieden. Die Übungsstunden konnten beginnen. Verträumt schlenderte Randy nach Hause. Er hatte sich noch nie so pudelwohl gefühlt wie im Wasser. Und laut den anderen hatte er sich gut angestellt, sodass er bereits den Beinschlag und halbwegs den Armschlag im Rückenschwimmen beherrschte. Es war ihm zwar ein Rätsel, wie Hotohori und all die anderen Schwimmer auf dem Rücken im Becken gerade schwimmen konnten so ganz ohne Anhalts- oder Orientierungspunkt, jedoch hatte sein Mitschüler ihm versichert, dass das mit der Zeit kommen würde. Randy lächelte zufrieden vor sich hin. Ein Traum erfüllte sich für ihn. Er durfte schwimmen, hatte Anschluss gefunden … Nael war zwar ein schwieriger Charakter, doch Hotohori schien Recht zu behalten. In diesem Moment war er überglücklich. Dennoch beschloss er die Übungsstunden lieber vor seinen Eltern geheim zu halten. Wie sein neuer Freund bereits gesagt hatte: Was sie nicht wussten, machte sie nicht heiß. Kapitel 5: Das Ende eines Traumes? ---------------------------------- „Take your marks!“ Die Stimme des Ansagers vibrierte laut durch das Mikrofon. Mit erwartungsvoll klopfendem Herzen erklomm Randy das Podest. Er schielte unauffällig nach rechts. Haruka Nanase schwamm direkt neben ihm. Er konnte sein Glück kaum fassen. Wie lange hatte er darauf gewartet? Der Schuss ertönte und Randy stieß sich mit Schwung ab. Er flog ein paar Meter über das Wasser gleich eines Adlers, sah seinen Schatten über das glitzernde Nass schweben und fühlte sich unglaublich frei, bevor er kopfüber eintauchte und begann, sich mit schwungvollen Bein- und Armschlägen fortzubewegen. Er spürte die kraftvollen Wellen der Konkurrenten und wurde dadurch noch mehr angespornt. Randy verschmolz regelrecht mit dem Wasser, konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Zwar wusste er, dass die Zuschauermenge mit verschiedenen Anfeuerungsrufen die Schwimmer unterstützte, richtig wahrnehmen tat er dies jedoch nicht. Die letzte Wende kam und er beschleunigte sein Tempo. Er konnte Haruka neben sich spüren und gab alles, was er hatte. Die anderen Teilnehmer blendete er aus. Es war ein Wettkampf zwischen ihnen beiden. Nur noch wenige Meter und er hatte es geschafft. Seine Hand berührte den Beckenrand und er tauchte nach Luft schnappend auf. Tosender Beifall empfing ihn. Randy öffnete die Lider, als sein Herz begann, sich zu beruhigen, blickte auf die Anzeigetafel und traute seinen Augen nicht. Er war zeitgleich mit Haruka ins Ziel gekommen. Sie belegten beide den ersten Platz. Als er sich nach rechts umwandte, blickte ihm sein Idol ernst an und hob ihm die Hand entgegen. Haruka öffnete die Lippen … Das nervtötende Piepen ´des Weckers riss ihn aus seinen Schlaf. Müde rieb sich Randy die Augen und tastete nach dem Ausschaltknopf. Was für ein schöner Traum. Er ärgerte sich, dass er ausgerechnet jetzt hatte aufwachen müssen. Was hatte Haruka ihm mitteilen wollen? „Verfluchter Mist“, murmelte er schlaftrunken und hievte sich aus dem Bett. Mit einem Schlag wurde er hellwach. Heute würde er wieder mit Hotohori und den anderen schwimmen! Motiviert machte er sich für die Schule fertig. Die Schulstunden zogen sich quälend in die Länge und Randys Herz vollführte Freudensprünge, als die Glocke endlich das lang ersehnte Ende einläutete. Mit einem Satz war er auf den Beinen, schob seine Hefte und Stifte unachtsam in die Tasche und wartete ungeduldig auf Hotohori. Der lächelte ihn amüsiert an und ließ sich extra etwas mehr Zeit, was seinen Klassenkameraden nervös von einem Bein auf das andere tänzeln ließ. „Manno, jetzt beeil dich doch, bitte“, jammerte der Brünette, worauf der blonde Junge lachte. „Schon gut, schon gut. Ich bin so weit. Lass uns gehen. Wer als letztes beim Bad ist, gibt ein Eis aus!“ „Was? Wa… warte! Das ist unfair!“, rief Randy empört und rannte ihm hinterher. Sie lieferten sich ein spannendes Wettrennen und lagen kurz vor dem Ziel gleich auf. Nael und Cosmo warteten bereits vor der Schwimmhalle auf sie. „Da sind heute aber welche übermotiviert“, meinte Nael und streckte sich gähnend, während die beiden Neuankömmlinge eifrig nach Luft schnappten. Cosmo zerkaute den letzten Rest seines Lollys und wandte sich an Randy. „Wartest du wieder hinter dem Baum bis wir dir das Zeichen geben?“ Der Junge nickte in freudiger Erwartung und verabschiedete sich von den drei Schwimmern, bevor er sein Versteck bezog. Er konnte es kaum erwarten, bis er selbst wieder ins Wasser durfte, auch wenn er den anderen noch so gerne beim Training zusah. Coach Tamahome kannte heute kein Erbarmen und Randy schluckte. Er bewunderte seine Freunde, die trotz des harten Trainings so ausdauernd und mit Freude bei der Sache waren. Selbst Nael machte es Spaß, auch wenn er dies meistens mit Murren und frechen Kommentaren überspielte. Cosmo jammerte zwar gern oder setzte einen mitleidserhaschenden Blick auf, den er wirklich ausgezeichnet beherrschte – Randy selbst fiel jedes Mal aufs Neue darauf herein – doch auch er war mit vollem Eifer dabei. Nur Hotohori zeigte offen seine Freude beim Schwimmen. Der Brünette fragte sich, wie er es wohl handhaben würde. Würde er sein Glück offen zeigen oder würde er es genauso zu überspielen versuchen wie Nael und Cosmo? Er war sich nicht sicher, doch er tendierte zu ersterem. Warum etwas verbergen, was ihn komplett erfüllte? Randy schüttelte leicht den Kopf und beobachtete seine Freunde voll freudiger Erwartung weiterhin beim Training. „Schau, dass du die Hüfte etwas höher hältst und mit den Beinen aus der Hüfte mehr Schwung nimmst“, korrigierte Hotohori seinen Freund, der nachdenklich nickte. Zwar war ihm die Theorie klar, doch die Ausführung war schwerer als gedacht. Wenn er sich auf eine bessere Wasserlage konzentrierte, kam er automatisch mit dem Beinschlag nicht mehr so hoch. „Wir könnten ihm die Schwimmnudel über den Kopf ziehen, jedes Mal, wenn er es falsch macht“, schlug Nael mit einem fiesen Grinsen vor und Randy schaute ihn erschrocken an. Cosmo kam hinzu und schob seinen Kameraden bestimmt zur Seite. „Hör nicht auf den. Rückenschwimmen ist auch nicht so sein Ding. Sollen wir zum Kopf frei bekommen lieber wieder Brustschwimmen machen?“ „Das ist vom Beinschlag noch komplizierter“, antwortete Randy mit einem schiefen Lächeln. „Schwimm erst einmal was du möchtest – eine aktive Pause von zwei Bahnen um den Kopf frei zu bekommen“, meinte Hotohori und zwinkerte ihm zu. Randy nickte und wollte gerade losschwimmen, als eine ermahnende Stimme vom Beckenrand erklang. „Kann mir mal einer erklären, was das hier wird?“ Erschrocken wirbelten die Jungen herum und starrten Coach Tamahome ins Gesicht, der sie streng beäugte. Cosmo quiekte entsetzt auf und sprang einen Satz zurück, während Hotohori sich verlegen am Hinterkopf kratzte und Nael frech grinsend den Blick standhielt. „Extratraining? Da spricht doch nichts dagegen.“ Der rothaarige Mann rückte ärgerlich seine Brille zurecht. „Da spricht sehr wohl was dagegen. Ihr wisst ganz genau, dass ihr nicht unbeaufsichtigt ins Wasser dürft! Was ist, wenn einem von euch etwas zustößt?“ „Aber was soll denn schon passieren? Jeder von uns kann schwimmen.“ „Das mag wohl sein, aber so sind die Regeln. Ohne Aufsichtspersonal wird nicht geschwommen und abgesehen davon“, der Coach ließ seinen Blick zu Randy schweifen, der schockstarr im Wasser stand, mit einem Schlag fast all seine Farbe aus dem Gesicht verlor und immer kleiner wurde. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und er konnte keinen einzigen davon fassen. „Dich kenne ich nicht. Du bist nicht im Schwimmclub, also – wer bist du?“ „Ich … ich …“, begann der Junge zu stottern und merkte, wie sich ein dicker Klos in seinem Hals breit machte. Das Ganze war ein einziger Albtraum. Es musste einfach einer sein. Nael kam ihm zu Hilfe. „Er kann schwimmen. Wir haben es ihm beigebracht.“ „Also genau genommen konnte er sich bereits über Wasser halten. Wir unterrichten ihn nur in Sachen Technik“, fügte Hotohori hinzu, doch Tamahome kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Das habe ich nicht gefragt. Er ist nicht im Schwimmclub. Ich glaube kaum, dass er hier sein darf. Wenn er schwimmen möchte, kann er gerne eintreten, falls er gut genug ist und jetzt raus aus dem Wasser mit euch.“ „Das geht leider nicht“, presste Randy hervor und senkte traurig den Kopf. Das Wasser funkelte tröstend unter ihm, doch dem Jungen wurde eiskalt. Sein Traum, der gerade erst begonnen hatte, wahr zu werden, drohte zu platzen. „Meine Mutter … sie würde das wahrscheinlich nicht erlauben.“ „Das tut mir leid. Rede noch einmal mit ihr, aber es ist wie es ist: ihr dürft hier nicht einfach allein und privat schwimmen. Seid froh, dass ich es war, der euch erwischt hat. Ich drücke noch einmal ein Auge zu und werde eure Eltern nicht kontaktieren. Und jetzt Abmarsch.“ Wie in Trance stieg Randy aus dem Becken, trocknete sich ab und zog sich an. Seine Freunde versuchten ihn zu trösten, doch ihre Worte konnten ihn nicht erreichen. Das Schwimmen konnte er vergessen. Sein Traum war zerplatzt und die grausame Wirklich fraß ihn innerlich auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)