Diagnose: Schreibblockade von Geminy-van-Blubel (Dreimonatige Challenge) ================================================================================ Kapitel 92: 25.3.2024: Nebelwand -------------------------------- Mit langsamen Schritten lief sie über den breiten Strand und grub bei jedem Auftreten die nackten Füße in den Sand. Das Wetter war so diesig, dass sie eine regelrechte Nebelwand vorfand, in die sie Stück für Stück immer weiter eindrang. Es war beklemmend und befreiend zugleich, nur die Geräusche um sich herum wahrnehmen zu können, während die Augen von diesem milchigen Schleier verdeckt waren. Möwen und das Meer waren zu hören, dazu der Wind, aber kein Auto und kein Mensch. Nur manchmal ertönte das Nebelhorn eines Schiffes in der Ferne. Sie bekam eine Gänsehaut, aber trotzdem lief sie weiter, bis sie die Stelle erreicht hatte, an der die Wellen nah genug waren, um leicht an ihren Zehen zu ziehen. Die klare Luft flutete ihre Lunge und ein salziger Geschmack lag auf ihrer Zunge. Für einen Moment schloss sie die Augen und zog dann ihr Smartphone hervor. Sie begann zu tippen und erschrak, als kurz nach dem Absenden ihrer Nachricht das Gerät zu vibrieren anfing und den eingehenden Anruf anzeigte. „Hi, Sven, hab ich dich etwa geweckt?“, fragte sie unsicher und hörte sein Lachen durch den Hörer. „Nein, alles gut, ich war schon wach! Außerdem hab ich nachts das Handy im Flugmodus“. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Sie war erleichtert – das erste Mal in den letzten beiden Tagen, in denen sie vor allem Unruhe und Ungewissheit verspürt hatte. „Ich freu mich, dass du es ausprobieren willst, Jasmin!“, rief er aus und sie dachte daran, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen war. „Ja, ich mich auch“, versuchte sie ihrer Stimme so viel Freude wie möglich zu verleihen und konnte die Unsicherheit doch nicht vollends beiseite schieben. Inzwischen sah sie Sven als eine Art Freund an und befürchtete, dass eine gemeinsame Wohnung sie vielleicht entzweien könnte. Gleichzeitig hoffte sie aber auch, dass sich dadurch erstmals eine richtige und langanhaltende Freundschaft ergeben würde. „Hast du Detlef erreicht?“, fragte sie und wendete sich vom Meer ab, um langsam dem Rückweg anzutreten. „Ja“, meinte Sven und berichtete davon, wie er am vorherigen Abend kurz ein paar Worte mit ihm gewechselt hatte. „Er meinte sofort, dass er definitiv nicht mehr an die Uni zurück will und ich das Zimmer problemlos weitervermieten kann“, erzählte er, während Jasmin eine Muschel aufhob, die vor ihrem Fuß auftauchte. „Und wie geht es ihm?“, versuchte sie möglichst unverfänglich zu klingen. Sven antwortete zunächst mit einem Seufzen. Sie konnte sich schon vorstellen, wie er gerade die Schultern hob. „Wirklich glücklich klang er nicht, wenn ich ehrlich bin, aber er wollte mir auch nichts Näheres erzählen.“ „Du machst dir Sorgen, oder?“ „Ja, schon. Ich werd Saskia noch mal drauf ansprechen. Wir waren zwar gestern im Kino, aber über Detlef haben wir gar nicht richtig geredet“, meinte er und Jasmin zog verwundert die Augenbrauen hoch. „Oh, sie haben noch Kontakt?“, kam es schneller aus ihrem Mund geschossen, als sie darüber nachgedacht hatte. Gut, dass Sven gerade nicht sehen konnte, wie sie ertappt die Augen zusammenkniff. „Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Eigentlich waren die beiden auch immer die besten Freunde, darum könnte ich es mir schon vorstellen, aber ich hätte auch nie mit der Trennung gerechnet. Von daher… wie gesagt, ich werd Saskia noch mal drauf ansprechen. Aber nun lass uns lieber über deinen Umzug reden“, zog er den eigentlichen Grund für ihr Gespräch wieder in den Vordergrund und Jasmin nickte eifrig. „Ja, gern! Soll ich uns einen Kaffee und Brötchen organisieren und zu dir kommen?“, meinte sie, was Sven sogleich dankend annahm. „Super, dann bis gleich“, legte Jasmin auf und schob das Handy zurück in ihre Tasche. Sie schaute noch einmal auf die Nebelwand und betrachtete die kleinen Wassertropfen, die sich an die Härchen ihrer Gänsehaut klammerten. „Nur Mut, Jasmin, das wird schon werden“, sog sie noch einmal die frische, salzige Luft tief in ihre Lungen und schlüpfte dann in ihre Schuhe, um sich auf den Weg zu Sven zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)