Because I'm Stupid ... von Lina_Kudo (»Weil ich ein Idiot bin ...« (Seiya&Usagi)) ================================================================================ Kapitel 1: One-Sided Love ... ----------------------------- Kapitel 1: ONE-SIDED LOVE … »Ich liebe dich mehr, als mein Herz ertragen kann …« Schweigend standen wir uns gegenüber. Wer hätte jemals gedacht, dass wir uns einmal in so einer Situation befinden würden? In so einer … aussichtslosen Situation? Obwohl: Eigentlich war sie doch vorhersehbar gewesen. Wir hätten es kommen sehen müssen. Diese Stille war mir unangenehm. Es fühlte sich so an, als würde sie in Form einer unsichtbaren Pranke mein Hals umschließen und gnadenlos zupacken. Wenn ich mich nicht schleunigst zur Wehr setzte, würde sie mich erwürgen. »Das gestern … das war ehrlich gemeint«, begann ich und schloss meine Augen, um mir die besagten Worte ein weiteres Mal zu verinnerlichen. Es war ja nicht so, als ob sie mir nicht schon den ganzen Tag in meinem Kopf herumgespukt wären. Diese Worte, die aus den tiefsten Kammern meines Herzens völlig eigenständig ihren Weg nach draußen erkämpft hatten. Worte, die meine geheimsten Wünsche und Sehnsüchten offenbarten. Worte, die in der Tat ernst gemeint waren. Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas so ernst gemeint. »Bin ich denn nicht gut genug für dich?« Am liebsten hätte ich süffisant aufgelacht. Und das tat ich auch. Innerlich, von außen nicht sichtbar. Ich wusste nämlich ganz genau, dass ich gut genug für sie war. Dass ich diesem Mamoru das Wasser reichen konnte. Zumindest gab es keinen anderen auf dieser Welt, der sie so sehr vergötterte und begehrte wie ich. Ich wusste es einfach. Doch ihr Herz gehörte ihm. Und ich … gehörte nicht hierher. Ich musste mit den anderen zu unserem Heimatplaneten zurückkehren. Mir blieb gar keine andere Wahl. Usagi öffnete darauf endlich ihre Augen. »Seiya, ich muss dir –«, brach sie mitten im Satz ab. Ich spürte einen leisen, aber resoluten Stich in meinem Herzen. Mir war durchaus im Klaren, worauf sie hinauswollte. Natürlich war es das: Wie oft hatte sie mir zu verstehen gegeben, dass es für sie nur Mamoru gab? Schon immer hatte ich gewusst, dass ich mich in diese Beziehung nicht einmischen durfte. Und ich hatte mir diesen Umstand auch immer wieder unbarmherzig ins Gedächtnis gerufen. Nur mein dummes Kämpferherz konnte und wollte das mal wieder nicht einfach so hinnehmen. Ich hatte mich verliebt. Das erste Mal in meinem Leben. Ich liebte sie wirklich wahrhaftig. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir selbst nicht bewusst, dass ich dazu fähig war, solche starken Gefühle überhaupt zu empfinden. Das wollte ich ihr noch mit auf den Weg geben. Sie hatte das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Die ganze Wahrheit. Die Wahrheit über mich und meine Gefühle. Denn jetzt war es an der Zeit zu kapitulieren. »Bitte fühl dich nicht verunsichert, dass ich dich liebe. Ich weiß genau, dass es eine einseitige Liebe ist.« Ich sagte diese Sätze nicht ohne eine Spur von Verbitterung, doch bemühte mich trotzdem noch, mir keineswegs mehr anmerken zu lassen. Ich wollte ihr nicht auch noch ein schlechtes Gewissen reindrücken. So ein herzloser Mensch war ich nicht. Sie sollte glücklich werden. Egal, mit welchem Mann an ihrer Seite. Und sie hatte sich schon längst für ihren Mann entschieden. Nichtsdestotrotz wollte ich es nicht so stehen lassen. Der Gedanke, auf diese Art und Weise aufzugeben, gefiel mir nicht, verursachte mir Unbehagen. Ich wollte wenigstens einen Eindruck bei ihr hinterlassen. Im idealsten Fall einen bleibenden Eindruck. Mit diesem Entschluss ging ich auf sie zu und näherte mich ihrem Gesicht. Ich spürte, wie mein Herz gleich einige Takte höherschlug. Oh je, hoffentlich hörte sie diesen offenkundigen Verräter nicht. Allerdings hatte ich ihr doch eh schon vor nicht mal einer Minute offenbart, dass ich unglücklich in sie verliebt war. Damit war mein männliches Ego so gut wie im Eimer. Jetzt noch zu versuchen, meinen falschen Stolz aufrechtzuerhalten, war nahezu lächerlich und kam einer Selbstverarschung gleich. Derjenige, der liebte, war nun einmal der Schwächere. Daran gab es nichts zu rütteln. Also drauf geschissen. »Nach dem Konzert entführe ich dich in ein wunderschönes Traumland«, hauchte ich leise. Ich konnte nicht abstreiten, dass ich eine gewisse … Genugtuung verspürte, dass sie diese Aussage leicht zusammenzucken ließ. Also bedeutete ich ihr vielleicht doch etwas? So ungerecht wollte ich jedoch auch nicht sein und gab gleich Entwarnung: »Inzwischen liebe ich dich so sehr, dass ich mir wünschte, ich könnte das tun, was ich gerade gesagt habe.« Es hatte einfach keinen Sinn. So sehr ich sie auch liebte: Wir lebten in völlig verschiedenen Welten. Während ich früher oder später mit der Prinzessin, Taiki und Yaten zu unserem Planeten zurückkehren und ihn wieder neu aufbauen musste, würde Usagi hier mit ihrem ach so tollen Mamoru dieses Sonnensystem beherrschen und ihr Schicksal erfüllen. Es war einfach aussichtslos. Trotzdem änderte es nichts an der Tatsache, dass mir dieser Gedanke unsägliche Schmerzen bereitete. »Es war mir sehr wichtig, dir zu sagen, was ich für dich empfinde.« Gelassen schloss ich dabei meine Augen. »Meine Zeit als ›Seiya‹ auf dieser Erde geht langsam dem Ende entgegen«, sprach ich und versuchte abermals, betont locker rüberzukommen. Sie durfte meinen inneren Schrei nach ihr nicht hören. Sie durfte mich nicht schwach und zerbrechlich sehen. Sie durfte einfach nicht. Doch nicht wegen meines unbedeutenden Stolzes, den ich zum größten Teile eh schon hinter mir gelassen hatte, sondern vor allem ihretwegen. Ich kannte schließlich ihr großes Herz und ihr Mitgefühl. »Seiya!«, rief Usagi verzweifelt. Doch sie war viel zu aufgewühlt, um die richtigen Worte zu finden. Ich sah es ihr nur zu deutlich an. Alarmiert nahm ich zur Kenntnis, dass unser Gespräch dabei war, eine nicht ungefährliche Wendung zu nehmen. Wenn das noch länger so weitergehen würde, würde ich früher oder später wirklich schwach werden. Ich würde alles hinschmeißen, selbst meine strengen Verpflichtungen der Prinzessin gegenüber. Und dann würde ich hierbleiben und um Usagi kämpfen. Bis zum bitteren Ende. Aber meine Vernunft riet mir dringend, es gar nicht so weit kommen zu lassen, denn auf diesem Wege würde ich mir nur mein eigenes Grab schaufeln. Die Aussicht, dass ich Usagi irgendwann erobern könnte, war praktisch nicht vorhanden und existierte nur in meinen realitätsfernen Träumen. Bevor ich mich noch weiter hoffnungslos in diese Sache verstricken konnte, wollte ich die Unterhaltung mit ihr so schnell wie möglich beenden, mich nun von ihr verabschieden und dann mit dieser ganzen Angelegenheit endgültig abschließen. Irgendwie würde ich es schon schaffen, das einigermaßen ordentlich hinter die Bühne zu bringen. Schließlich war ich doch auch sonst nie auf den Mund gefallen und mir war es dank meiner Schlagfertigkeit schon immer gelungen, mich aus jeder noch so prekären Lage zu befreien. Auch wenn diese Situation mit nichts Bisherigem vergleichbar war. Trotzdem versetzte es mich selbst ins Staunen, als ich ihr wie die Ruhe selbst das Wort abschnitt und verkündete: »Bitte entschuldige, aber es ist wichtig, dass ich mich jetzt auf unser Abschiedskonzert vorbereite.« Ich hätte irgendwie nur zu gerne gehört, was sie mir darauf zu sagen gehabt hätte. Doch auf der anderen Seite fürchtete ich mich davor, denn mal ehrlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mir irgendetwas Vernichtendes an den Kopf schmiss, war schmerzhaft hoch, auch wenn sie mich natürlich niemals mit Absicht verletzen würde. Aber um das nicht zu tun, müsste sie mir das Höchste an Gefühlen bescheren. Und ein »Ich liebe dich« aus ihren Lippen war nun einmal nicht drin. Es war unmöglich. Nicht einmal denkbar. Etwas, was nur in meinen kranken Wunschvorstellungen existierte. »Ich wünsche dir, dass du deinen Freund bald wiedersiehst.« Alles sträubte sich in mir. Trotz des untrüglichen Fakts, dass mich dieser Satz wahnsinnige Überwindung kostete, so wünschte ich es ihr natürlich ehrlich. Schließlich wollte ich nur das Beste für sie, egal was für unangenehme Folgen das auch mit sich brachte. Auch wenn das hieß, dass nicht ich an ihrer Seite sein durfte. Wäre da nicht immer mein arroganter Sturkopf, der stets der festen Überzeugung war, dass eben ich das Beste für sie war. Die penetrante Stimme, die immer wieder in meinen Kopf einhämmerte und sagte, dass keiner sie besser beschützen konnte als ich. Dass keiner sie mehr lieben konnte als ich. Auch nicht ihr über alles geliebter Mamoru. Denn ich … hätte sie niemals alleine gelassen. Ich … wäre nie von ihrer Seite gewichen. Usagi riss ihre Augen auf. Ich sah ehrliches Mitgefühl in ihnen schimmern. Und noch ein anderes, viel intensiveres Gefühl … Nein, das bildete ich mir bestimmt nur ein. Ihre wunderschönen, kristallklaren Augen füllten sich allmählich mit Tränen. Es zerbrach mir das Herz, sie so zu sehen. Sie brachte nichts Anderes heraus als ein leises »Tut mir leid«. Was sollte sie denn auch großartig dazu sagen? Was erwartete ich denn? Was wollte ich denn überhaupt hören? Ich wusste nur, was ich nicht hören wollte: ihre Entschuldigung. Ich war selbst den Tränen nahe, aber ich konnte mich gerade noch rechtzeitig am Riemen reißen. Stets bemüht, wie immer zu sein, lächelte ich sie strahlend an. Sie durfte nicht weinen, warum denn auch? Mir tat es ebenfalls furchtbar weh, dass ich sie überhaupt zum Weinen gebracht hatte, aber ich wollte ihr das nicht mitteilen. Sonst hätte ich womöglich auch noch mit der Flennerei angefangen und begonnen, sie richtig zu trösten. Genau das musste ich um jeden Preis verhindern. Ich musste diese Distanz zwischen uns bewahren, sonst gäbe es kein Zurück mehr. Geschehenes konnte man bekanntlich nicht rückgängig machen. »Nein, es braucht dir nicht leidzutun, wirklich! Ich …« Allmählich konnte ich mich aber doch nicht mehr zurückhalten. Einmal musste ich es wenigstens noch wagen. Wenn nicht jetzt, dann nie. Wenigstens ein einziges Mal wollte ich ihre zarte Haut berühren. Und gleichzeitig würde es auch das letzte Mal sein. Langsam näherte ich mich ihrer Wange, und obwohl sie zurückwich, ließ ich mich davon nicht beirren und traf letztendlich doch noch die weiche Haut unter ihrem Auge. Völlig berauscht nahm ich ihren unvergleichlich süßen Rosenduft wahr. Obwohl es nur eine kleine Berührung war, fühlte sie sich für mich wie die allerhöchste Ekstase an. Wie ein spektakuläres Feuerwerk der Emotionen. »Wie schade, dass wir uns nicht schon früher begegnet sind … mein Schätzchen.« Ich lächelte dabei, doch sagte es mit unendlicher Wehmut. Ja, vielleicht wäre dann alles anders verlaufen. Und wir hätten vielleicht doch … gemeinsam glücklich werden können. Vielleicht. Nun konnte sie erst recht nicht aufhören, zu weinen. Schien sie nun auch zu begreifen, dass ich ihr jetzt »Leb wohl« sagen wollte? Bei einem »Lebe wohl« starb jegliche Hoffnung auf ein Wiedersehen. Es war ein Abschied für die Ewigkeit. Und das traf auf uns zu. So würde es kommen. Da führte kein Weg daran vorbei. »Seiya …« Mehr brachte sie nicht heraus. Und ihre Tränen begannen unaufhaltsam zu fließen … Es fiel mir schwer, nicht meine Arme zu heben und ihre Tränen wegzuwischen oder ihre Tränen wegzuküssen. Doch bevor ich das überhaupt tun konnte, ging sie einen Schritt auf mich zu und warf sich ohne Vorwarnung weinend in meine Arme. Überrascht, doch gleichzeitig bereitwillig fing ich sie auf und legte behutsam meine Arme um ihren schmalen Körper. Ein unglaubliches Gefühl durchströmte meinen gesamten Körper, während ich sie in meinen Armen halten durfte. Endlich. Wie lange hatte ich davon geträumt? Meine Sinne waren völlig benebelt. Gierig versuchte ich, alle Hochgefühle dieses Moments in mich aufzunehmen. Als wäre ich ein Ertrinkender im weiten Meer, der so viel Sauerstoff wie möglich in sich aufsaugen wollte, als er es für kurze Zeit geschafft hatte, an die Oberfläche zu gelangen. Schließlich würde ich nie wieder die Möglichkeit dazu haben. Ein nächstes Mal würde es nicht geben. In dieser innigen Umarmung verharrten wir für einige Sekunden. Vielleicht auch länger. Ich konnte es nicht genau sagen, hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ich wusste nur über eine einzige Sache sicher Bescheid. Nämlich über meinen Wunsch, dass diese Umarmung gar nicht lange genug dauern konnte. Meine innere Stimme, die diesen Wunsch immer wieder herausplärrte, war auch schwer zu ignorieren. Es war, als würde ich mich in ihre Arme flüchten vor der grausamen Realität. Sie schenkte mir das Gefühl, dass die Welt in Ordnung war, wenn auch nur für einen klitzekleinen Moment. In diesen Sekunden war mir wirklich alles gleichgültig. Euphe, Galaxia, das Schicksal – alles vollkommen egal. Meinetwegen hätte die Welt untergehen oder ich auf der Stelle tot umfallen können. Es hätte mich nicht gekümmert, denn ich wäre unendlich glücklich gewesen. Am Ende meines Weges wäre Licht gewesen. In ihren Armen hatte ich mein persönliches Paradies gefunden. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als in ihren Armen zu sterben. Wer würde nicht gerne in den Armen eines Engels abtreten? Es war schön. Ich genoss diesen Moment. Das war die letzte Gelegenheit, ihr so nahe zu sein. Ihr so nahe sein zu dürfen. Bis hier hin und keinen einzigen Schritt weiter. Konnte es sein, dass sie mich gar nicht gehen lassen wollte? Schnell schob ich diesen Gedanken beiseite. Und selbst wenn, dann war es doch nur auf freundschaftlicher Basis – ich durfte mir nichts darauf einbilden. Denn mehr als das würde sie niemals für mich empfinden. Sie war ein Mensch, die sich nur einmal in ihrem Leben unsterblich verlieben konnte. Sie konnte nur einem einzigen Mann ihr Herz schenken. Und dieses Herz hatte seinen Besitzer schon lang vor unserer Zeit gefunden und sich dazu entschlossen, bei ihm zu bleiben. Ich war einfach zu spät gekommen. Was pflegte Taiki stets zu sagen? »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.« Volltreffer. Als Usagi doch ihre Worte wiederfand, horchte ich, von der Neugier gepackt, was sie mir jetzt wohl noch zu sagen hatte, erstaunt auf. »Haruka hat mir gesagt, dass ich dir sagen soll, dass wir uns nie wiedersehen dürfen. Und ich … ich habe wirklich mit dem Gedanken gespielt, es zu tun. Um es … dir einfacher zu machen. Um es uns einfacher zu machen. Doch ich … ich kann das einfach nicht. Dafür bedeutest du mir schon zu viel. Viel zu viel.« Ihre tiefsten Gefühle offenbarte sie mir unter Tränen, war sich wohl selbst gar nicht darüber im Klaren, was sie gerade von sich gab. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus wie ein unbändiger Wasserfall. Und stürzten mich ganz nebenbei bemerkt in ein endloses Chaos der verwirrenden Gefühle. Ich blinzelte verdattert. Was hatten ihre Worte zu bedeuten? Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast meinen, dass sie auch etwas für mich empfand. Doch leider war das jenseits jeder Vorstellungskraft. So sehr ich auch vehement dagegen anzukämpfen versuchte … gegen diesen leisen, aufkeimenden Hoffnungsschimmer in meinem Herzen, ausgelöst durch ihre Aussage … Es gelang mir nicht. Ich erlag dieser unscheinbaren Hoffnung. Eine gewisse Frage brannte mir just in diesem Moment wie heiße, brodelnde Lava auf der Zunge. Eine Frage, die mich schon länger beschäftigte, ich mich jedoch nie getraut hatte, sie zu stellen. Und nun war sie erstmals dabei, auszubrechen wie ein zornentbrannter Vulkan. Ich musste es einfach wissen. Jetzt oder nie! Sanft löste ich mich aus der Umarmung, um ihr tief in die Augen schauen zu können. »Sag mir … Wer bin ich für dich?« Sprachlos starrte Usagi mich an. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Mit dieser Frage schien sie wohl nicht gerechnet zu haben. Das konnte man ihr aber auch gar nicht verübeln. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich den Mut aufbringen würde, ihr diese Frage aller Fragen zu stellen. Na ja. Im Grunde genommen hätte ich auch nie gedacht, dass mir jemals ein »Bin ich denn nicht gut genug?« über die Lippen wandern würde. Und doch war es ja dazu gekommen. Hätte ich einfach meine vorlaute Klappe gehalten, wäre nie die Situation entstanden, in der wir uns gerade befanden. Damit hätte ich uns sehr viel ersparen können. Ich schien ja in letzter Zeit ein Faible für bittere Fragestellungen entwickelt zu haben und hatte nichts Besseres zu tun, als es nun ohne Hemmungen auszuleben. Okay, das war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für Selbstsarkasmus. Und auch für Reue war es schon viel zu spät. Jetzt mal im Ernst: Seit geraumer Zeit lernte ich völlig neue Seiten an mir kennen, von deren Existenz ich bis dato noch nicht einmal etwas geahnt hatte. War womöglich doch etwas Wahres dran an der Theorie, dass man sich selbst erst in einer Beziehung kennenlernte und neue Facetten an sich entdeckte? Gut, das traf bei mir nicht ganz zu, aber dafür ein nicht unerheblicher Aspekt: Ich war zweifelsohne in einem Zustand des Verliebtseins. Vielleicht bot ich sogar noch mehr Angriffsfläche, weil meine Liebe echt war. Dies war in der heutigen Zeit ja nicht mehr unbedingt ein elementarer Bestandteil einer Beziehung. Vielen reichte es schon, wenn man sich einfach nur mochte. Aber um auf meine These zurückzukommen: War das wirklich so? Dass man sich erst kennenlernte, wenn man jemanden liebte? Oder war es schlicht und ergreifend darauf zurückzuführen, dass die Liebe einen mit ihrer Macht veränderte? Ach du liebe Zeit – ich klang ja schon wie Taiki, so, wie ich gerade alles zu Tode analysierte. War da vielleicht eine Art Selbstschutzmechanismus? Um Abstand von der Sache zu gewinnen, indem ich krampfhaft versuchte, meine beschissene Lage aus einem nüchternen Blickwinkel zu betrachten? Ich tat es ja schon wieder! Ganz unabhängig davon, was die Ursache dafür auch sein mochte: Es fühlte sich falsch an, ausgerechnet jetzt so darüber nachzugrübeln. Nicht nur das: Es war falsch. Es sah nicht so aus, als würde ich in diesem Leben noch eine Antwort auf diese überaus dämliche Frage erhalten. Wieso sollte ich auch? Ich hätte mir selbst eine schallende Ohrfeige verpassen können für diese unmögliche Handlung. Wie hatte ich sie ihr und mir überhaupt zumuten können? Vor allem: Was hatte ich mir davon versprochen? Egal wie ihre Antwort auch ausfallen mochte: Sie würde nichts ändern. Gar nichts. Verbittert blickte ich zur Seite, als ich wieder den Tatsachen ins Auge sah. »Egal, was du auch für mich empfinden magst … Ich werde nie mit deinem geliebten Mamoru mithalten können. Das ist mir durchaus bewusst.« Usagi senkte ihren leeren Blick. Das war‘s. Mehr würde nicht mehr kommen. Mit dieser Frage hatte ich alles zerstört, ich Vollpfosten. Gerade wollte ich ansetzen, das Gespräch schweren Herzens nun wirklich zu einem Ende zu bringen und meine Hoffnung endgültig im Keim zu ersticken, doch sie kam mir zuvor. Mit einem Satz, der mir den Boden unter den Füßen mit einem Mal wegzog. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was du für mich bist. Ich habe immer gedacht, du wärst eine meiner engsten Freunde, doch … das stimmt nicht. Da ist … mehr.« Das letzte Wörtchen war nur noch ein Flüstern, doch ich verstand es nur allzu deutlich. Als hätte sie es mir durch ein Megafon ins Ohr geschrien. Denn dieses eine Wort bedeutete mir alles. In dieser Sekunde brachen alle meine Dämme. Das letzte Stück Selbstbeherrschung war nun wie ein Geist von mir gewichen. Ich packte sie sanft und zugleich bestimmend an den Schultern und sah sie energisch an. In die unschuldigen großen blauen Augen, die ich so sehr begehrte. »Wie kannst du so etwas Wichtiges nicht genau wissen, Usagi? Schau mir in die Augen und sag mir gefälligst, dass du mich nicht liebst! Dann schwöre ich dir bei Gott, werde ich dich damit für immer in Ruhe lassen!« Völlig überrumpelt über meinen plötzlichen Gefühlsausbruch sah sie mich mit geweiteten Augen an. Wie ein geblendetes Rehkitz, welches sich nicht mehr rühren konnte. Nicht einmal einen einzigen Millimeter. Erschöpft lehnte ich meine Stirn an ihre Schulter. »Ich bitte dich …« Als längere Zeit nichts von ihr zu hören war, kam ich allmählich wieder zur Besinnung. Was hatte ich sie da diesmal gefragt? Was hatte ich mir mal wieder bloß dabei gedacht? Wenn ich so weitermachte, übertraf ich mich tatsächlich noch selbst, was die bitteren Fragestellungen anging. Egal wie schlimm es war: Ich konnte immer wieder noch eins draufsetzen. Stolz war ich darauf allerdings nicht. Im Gegenteil. War ich eigentlich überhaupt noch zu irgendetwas Sinnvollerem fähig? Ich war so ein Nichtsnutz. Ein hoffnungsloser Versager, der rein gar nichts mehr richtig auf die Reihe brachte. Bei mir war doch echt schon Hopfen und Malz verloren. Auf eine seltsame Weise spendete mir dieser Gedanke sogar Trost. Ich hatte sie nämlich gar nicht verdient. Ich war es nicht einmal wert, überhaupt von ihr angesehen zu werden. Ich sollte schon dankbar sein, dass sie mich überhaupt wahrnahm. Was sollte sie denn bitteschön mit einem Taugenichts wie mir anfangen? Selbst ein nasses Handtuch wäre brauchbarer. Mit diesem Gedanken würde mir mein Weggang sicher leichter fallen. Irgendetwas Positives musste ja dabei herausspringen. Wenigstens etwas. Sofort versuchte ich abermals, diese Situation zu entschärfen. Sie runterzuspielen. Zu retten, was noch zu retten war. Es sollte sich nichts zwischen uns ändern. Es durfte sich nichts ändern. Wir konnten nicht in ein- und derselben Galaxie leben. Das war uns nicht gestattet. Das Schicksal ließ es nicht zu. Wir waren nicht füreinander bestimmt. So einfach war das. »E– Es tut mir leid, Schätzchen. Meine Gefühle sind mit mir durchgegangen. Ich habe Schwachsinn gelabert. Es ist alles in bester Ordnung. Tut mir leid, wenn ich dir gerade Angst eingejagt habe. Das wollte ich auf gar keinen Fall. Du brauchst dir wirklich um mich keine Gedanken zu machen. Mir geht es gut.« Hoppla, das war ja ein echter Redeschwall. Ich sah direkt in ihr fassungsloses Gesicht. Ich las Mitgefühl in ihren Augen. Doch das schenkte mir keinen Trost. Ich wollte nach wie vor kein Mitleid von ihr. Sie hatte das größte Herz, das ich kannte. Es war so groß, dass jeder im ganzen Universum darin Platz fand. Sie war fähig, jedem Menschen Zuneigung, Mitgefühl und Freundschaft zu schenken. Doch ich war eine der wenigen Menschen, der sich damit nicht zufriedengeben konnte. Ihre reine Freundschaft reichte mir nicht. Ich verlangte nach mehr. Nach ihrer wahrhaftigen Liebe. Doch diese Liebe war für mich ein absolutes Tabu. Meine Gier grenzte beinahe schon an einer Straftat. Und genau deshalb … durfte ich mich nicht mehr in ihrer Nähe aufhalten. Dazu hatte ich nicht einmal mehr das Recht. Langsam ließ ich sie schweren Herzens los, wandte mich von ihr ab und bewegte mich auf die Tür zu. Meine Bewegungen sahen leicht aus, doch das war mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie sehr der äußere Schein doch trügen konnte. In Wahrheit fühlten sich meine Beine wie tonnenschwerer Beton an. Genau wie mein Herz, das von diesem Gewicht fast zerquetscht wurde. Ich musste standhaft bleiben. Ich durfte mich nicht zu ihr umdrehen. Dafür hatte ich keine Erlaubnis. »Ich muss jetzt gehen. Wenn wir es nicht schaffen sollten, das ›Licht der Hoffnung‹ mit diesem Konzert zu finden, dann …« Ich drehte den Türknauf auf und verließ das Zimmer. Ließ alles hinter mir. Auch … sie. »… dann werden wir in dieser letzten großen Schlacht unser Leben einsetzen. Taiki, Yaten? Lasst uns unser Bestes geben!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)