Destinatum von Daedun (oder wie es weitergeht) ================================================================================ Kapitel 33: Fremdes Gebiet -------------------------- „So das war es,“ Jasper ließ den Kreidestift sinken, blickte noch mal prüfend zwischen mir und der Leinwand hin und her und nickte dann zufrieden. „du kannst aufstehen“ Ich stieß dankend ein Stoßgebet zum Himmel und löste mich langsam aus meiner unbequemen Starre, in der ich meinem Gefühl nach zu urteilen schon seit mindestens Hundert Stunden verharrte. Alice, die uns die ganze Zeit über stumm vom Bett aus zu geschaut hatte, schwebte wieder zu uns herüber. Mit kritischem Blick schielte sie unter Jaspers langen Armen hindurch auf das Bild, dem er noch ein paar Striche hinzu fügte. „Und“ fragte ich stöhnend, als ich mich mühsam aus dem Sessel gekämpft hatte „seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden?“ Streckend und reckend versuchte ich meine verspannten Muskeln zu lockern. Sie kamen mir steinhart vor, aber wenigstens taten sie nicht weh, wenn ich dagegen an die vielen vergangenen Sporteinlagen dachte. „Es wird großartig aussehen“ hauchte Alice leise. Ich hatte keine Ahnung was Jasper in den vergangenen Stunden auf den Stoff gemalt hatte, aber es beeindruckte sie zu tiefst, ihr Blick war regelrecht verklärt. „Dann zeig mal her“ Ich machte schon einen Schritt auf sie zu, als Jasper sich mit seiner großen Gestalt abwehrend vor mich stellte. Erschrocken sah ich zu ihm hoch, doch er lächelte entschuldigend „Tut mir leid Bella, aber es ist noch lang nicht fertig.“ Mein verdutztes Gesicht brachte Alice hinter ihm zum kichern „Künstlerehre, du darfst es erst sehen, wenn Jasper es für vollendet erklärt hat.“ Empört stemmte ich die Arme in die Seiten. Das war nicht fair, schließlich hatte ich hier stundenlang gesessen. „Aber du darfst es doch auch sehen?“ protestierte ich. Sie schenkte mir nur einen koketten Augenaufschlag „ Das ist was anderes, ich bin schließlich die Muse hier“ Damit war die Sache für die beiden erledigt und sie warfen mich kurz darauf einfach aus dem Zimmer. „Wir brauchen jede Minute, aber glaub uns. Es wird Edward und dir gefallen.“ Das waren Jaspers letzte Worte, dann stand ich im Nachthemd auf dem Flur. Fluchend stampfte ich zurück in Edwards Zimmer um mich zum dritten mal an diesem Tag umzuziehen. Ich konnte es immer noch nicht fassen, wie dreist die Zwei waren, als ich anschließend die Wedeltreppe nach unten ins Wohnzimmer marschierte. Nur die Gewissheit, dass ich das für Edward gemacht hatte, hielt meinen Ärger im Zaum. Auf der weißen Couch traf ich auf Rosalie und Emmett, die vor einer Schachpartie saßen. Sie sahen kurz auf, als ich durch die Tür kam. „Geht es Jass besser?“ fragte Rosalie. Ihre vollkommenen Züge waren vor Konzentration ungewohnt verzehrt. „Bestens“ knurrte ich mit zusammen gebissenen Zähnen, doch Emmetts verdutztes Gesicht erinnerte mich an das geheime Geschenk und darum fügte noch schnell hinzu „Alice kümmert sich um ihn.“ „Gut“ murmelte er erleichtert, er schien sich ganz auf seine Hellseherische Schwester zu verlassen. „Was hast du denn jetzt vor?“ Das war eine gute Frage. Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit schon verstrichen war, seit ich mich für Jasper in den Sessel geworfen hatte. “Wie spät haben wir es denn?“ Emmett sah auf seine wuchtige Armbanduhr. „Kurz vor vier“ teilte er mir mit. Ich überlegte kurz. Wenn Edward und Esme eh nicht vor dem Abend zurück waren, konnte ich eigentlich noch einmal bei Charly vorbeischauen und ein paar Sachen holen. Draußen hatten sich dicke graue Wolkenmassen breit gemacht und erste Regentropfen sprenkelten die Festerfront. „Ich denke, ich fahre kurz zu Charly rüber. Ein Bisschen nach dem Rechten sehen und ein paar Schulbücher für Morgen mitnehmen.“ „Kannst meinen Wagen nehmen, wenn du willst“ bot Emmett an, doch ich hielt das für keine gute Idee. „Sehr lieb von dir, aber ich denke dein Truck ist mir einfach zu wuchtig.“ Gab ich kleinlaut zu. Wahrscheinlich würde ich mit den riesigen Reifen die gesamte Einfahrt platt walzen und dann noch ungebremst die Garage niedermähen. Der breitschultrige Vampir konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. „Ich kann dich vollkommen verstehen“ kam mir Rosalie zur Hilfe „Mich bringen auch keine zehn Pferde hinter das Steuer dieses Monstrums, der BMW dagegen ist ein Traum, du wirst ihn lieben. Der Schlüssel hängt am Bord in der Garage.“ Ob man mir meine Ungläubigkeit wohl ansehen konnte? Denn ich zweifelte wirklich kurz an meinen Verstand. Sie hatte mir doch wirklich gerade ihr Capriole angeboten oder? „Äh, danke“ stotterte ich unsicher „Ich verspreche dir, ich fahre auch ganz langsam und vorsichtig“ Beide prusten los „Dann wärst du die erste in dieser Familie“ Rosalie hatte Recht, dieser Wagen war ein Traum. Er war leise und glitt dabei so flott über die Straße, dass ich ständig auf den Tacho schielen musste um meine Geschwindigkeit zu kontrollieren. Schmunzelnd strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Gut das Edward jetzt nicht hier war, ansonsten hätte er mich bestimmt mit meiner neuen Vorliebe fürs schnelle Fahren aufgezogen. Es war aber auch wirklich komisch, zu mal mir die Schnelligkeit einfach nicht bewusst war, erst wenn mir ein anderes Fahrzeug entgegen kam und ich einen direkten Vergleich hatte. In der Stadt war es einfacher, obwohl mich das Schneckentempo da sogar ein bisschen kribbelig machte. Es schien ewig zu dauern, bis ich die Straße zu Charlys Haus erreicht hatte. Es stand, wie nicht anders zu erwarten noch genauso da, wie wir es gestern verlassen hatten. Mit schlenderndem Gang ging ich zur Haustür, denn hinter mir hörte ich ein Auto die Straße hinunter fahren. Langsam, bloß keine Aufmerksamkeit erregen befahl ich mir selbst. Plötzlich kam ich mir vor wie ein Soldat, der ein feindliches Gebiet betrat. Was für ein merkwürdiger Gedanke, ich versuchte ihn abzuschütteln, in dem ich mich auf das öffnen der Tür konzentrierte. Aber als ich den dunklen, engen Flur betrat, wurde das Gefühl noch stärker. Der Gegensatz zum hellen, freundlichen großen Wohnraum der Villa war einfach zu offensichtlich um ihn zu ignorieren. In meinem Herzen machte sich daraufhin eine beklemmende Stimmung breit und es dauerte noch ein paar Minuten, bis ich endlich erkannte was ich wirklich empfand. Ich war die Treppe hinauf in mein Zimmer gegangen. Das kleine schmale Bett mit dem verblichenen Bettlacken, der alte Schreibtisch, die Gardinen vor dem Fenster, alles war wie immer an seinem Platz. Nichts hatte sich augenscheinliche verändert, doch dann wurde es mir klar. Etwas hatte sich hier verändert. Meine Ohren wurden mit einemmal taub und ich lehnte mich rasch an den Rahmen der offenen Tür. Die Erkenntnis kam zu plötzlich und viel zu heftig, aber sie war unwiderruflich da. Der Mensch, der einmal in diesem Zimmer, in diesem Haus gelebt hatte, diesen Menschen gab es nicht mehr. Die Taubheit war immer noch da, als ich mich langsam vom Rahmen abstieß und einen wankenden Schritt in den Raum hinein machte. Ich war tatsächlich in einem fremden Gebiet, das ich mal gekannt hatte, doch das schien lange her zu sein, so lange her. Ich strich langsam mit den Fingern über den Rand des Bettes. Es war unheimlich, beängstigend aber eins war es nicht. Es war nicht traurig und das bestürzte mich noch mehr, bis mir wieder etwas einfiel. „Menschliche Erinnerungen verblassen“ hatte Edward einmal gesagt, ich runzelte die Stirn und woran man sich nicht erinnern konnte, darüber konnte man nicht trauern. Danach begann ich hastig meine restlichen Unterlagen die ich morgen für den Unterricht brauchte zusammen zu suchen, auch das alte Laptop nahm ich nach kurzem Zögern mit. Die alte Kiste würde mich zwar bestimmt mit ihrer Langsamkeit jetzt erst recht in den Wahnsinn treiben, aber es war ein Stück Erinnerung. Genauso wie das Fotoalbum das wie von selbst in meine Tasche wanderte. Mit zwei Taschen auf den Schultern wankte ich wieder nach unten. Ich trug sie einzeln zum Wagen, sorgsam darauf bedacht angestrengt dabei auszusehen. Ich wollte gerade einsteigen und zurück fahren, als ich meinen Name hörte. „Bella?“ Mike stand am Anfang der Einfahrt und winkte mir freudestrahlend zu, dann kam er angespurtet. „Hey? Alles klar bei dir?“ fragte er leicht außer Atem, nach dem er mich erreicht hatte. Er spielte auf das Fehlen in der Schule an „Ja, mir war heute Morgen ein wenig schlecht und darum bin ich besser mal liegen geblieben“ log ich und versuchte dabei auch noch ein bisschen krank auszusehen. Die Mühe konnte ich mir allerdings sparen, denn Mike schien nicht eine Sekunde an meinen Worten zu zweifeln „Oh, ja, so was habe ich mir gedacht, du siehst immer noch blass aus“ bestätigte er leise, während er mich mit glasigen Augen anstarrte. Ich begriff was ich gerade unbeabsichtigt mit ihm anstellte. Erst als ich kurz meinen Kopf zur Seite drehte erlöste ich ihn aus meinem Bann und er schnappte hörbar nach Luft, dann griff plötzlich eiligst nach dem Rucksack auf seinem Rücken „Ich wollte euch die Hausaufgaben bringen.“ Verschmitzt holte er einen Stapel Zettel aus ihm hervor und reichte sie mir. Ich bedankte mich artig, auch wenn ich wusste, dass das euch nicht so ganz ehrlich gemeint war. Es war trotzdem nett von ihm. „Und wie sehen eure Pläne für den Sommer aus?“ fragte er mich weiter. Es sollte belanglos klingen, doch die Neugierde, die da hinter steckte, war mehr als offensichtlich. „Das Gleiche wie du nehme ich an“ Ein irritiertes Staunen trat jetzt in seine Augen. Ich lachte, weil der dabei so komisch aussah „Na aufs College gehen natürlich du etwa nicht?“ Er lachte jetzt auch, aber es klang nicht echt.„Klar, aber du und Edward? Ihr werdet doch bestimmt vorher noch irgendwo hin fahren, bevor der riesige Umzug los geht.“ Jetzt war ich erstaunt „Riesig? Port Angeles ist doch keine Stunde von hier?“ Nicht mal, wenn man nicht wie der Teufel fuhr, fügte ich in Gedanken hinzu. Mike sah mich kurz mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht an. Er schien vor seinen nächsten Worten zu zögern. Fragend hob ich eine Augenbraue und intensivierte meinen Blick, dass brachte ihn sofort dazu weiter zu reden. „Ja aber ich dachte, wenn Dr. Cullen und seine Frau jetzt endgültig im Sommer fort gehen, werdet ihr doch bestimmt nicht hier bleiben, oder?“ Fortgehen? Mein Fuß trat wie von selbst das Gaspedal durch, bis der Motor mich ans Schalten erinnerte. Ich war wider auf dem Weg zur Villa, nach dem ich Meike versprochen hatte morgen auf alle Fälle zur Schule zu kommen. Ich hoffte, dass meine Überraschung ihm gegenüber verborgen geblieben war, jedenfalls hatte ich mich bemüht normal zu reagieren und ihm noch weitere Informationen zu entlocken. Das Carlisle vor hatte zu gehen, hatte er natürlich von seiner Mutter aus dem Krankenhaus. Die wusste aber auch nichts genaues, sie hatte es auch nur im Vorbeigehen aufgeschnappt, dass er beabsichtigte seinen Vertrag nach August nicht mehr zu verlängern. Anscheinend hatte sie gehofft über Mike beziehungsweise mich mehr Informationen herauszubekommen. Die Bäume am Straßenrand rauschten blitzartig vorbei, während ich weiter grübelte. Vielleicht hatte Mrs. Newton es auch nur falsch verstanden oder Carlisle wollte nur ganz in Seatelle arbeiten, doch ich merkte selbst, dass das nicht logisch klang, aber warum hatte mir Edward nichts davon erzählt? Fast verpasste ich darüber die Einfahrt. Ich drosselte die Geschwindigkeit und bog ab. Die rote Motorhaube verschwand langsam in der aufkommenden Dunkelheit, der dichten Bäume, als mir eine plausible Erklärung einfiel. Vielleicht, weil er mich langsam darauf vorbereiten wollte Abschied zu nehmen. Der silberne Volvo stand schon in der Garage und ich bemühte mich gerade neben ihm einzuparken. Ich wusste nicht so ganz, ob ich Edward von Mikes Geschichte erzählen sollte oder nicht, doch als ich das Haus betrat vergaß ich bei seiner Begrüßung alles andere. Ich hörte ihn, bevor ich ihn sah. Er spielte auf dem Flügel und die wundervolle Melodie verdrängte alle meine Gedanken, in die hinterste Ecke meines Kopfes. Ehrfürchtig blieb ich stehen um mit geschlossenen Augen zu lauschen. Die Musik war so herrlich, so sinnlich das es fast schon unerträglich war. Dann brach sie plötzlich unerwartet ab und bevor ich die Augen aufmachen konnte, hatte er mich schon mit seinen langen Armen umschlungen. „Wo warst du?“ fragte er vorwurfsvoll in meine Ohr, während er mich unentwegt auf die Haare küsste. „Ich komme endlich nach Hause und du bist fort.“ Es klang, als wenn ich ihm etwas furchtbares angetan hätte. Grinsend drehte ich mich um und drückte meine Nase in sein Hemd, denn sein Griff ließ keine weitere Bewegung zu. „Ich war bei Charly um zu sehen ob das Haus noch steht und bei der Gelegenheit habe ich gleich noch die Schulbücher und ein paar Sachen zum anziehen mitgenommen.“ Seine langen weißen Finger schoben sich unter mein Kinn und zwangen mich ihn anzusehen. Mein Blick verlor sich in seinem dunklen Karamell, als er mich anstrahlte. „Was zum Anziehen? Wie unnötig! Kleidungsstücke verdecken doch nur deine Schönheit“ Langsam kam sein gottgleiches Gesicht zu mir hinunter, doch ich musste mein Kommentar noch los werden, bevor seine unwiderstehlichen Lippen meine berührten. „Aber was werden die anderen sagen, wenn ich nackt in den Unterricht marschiere?“ Die weiche Unterlippe verhaarte kurz über meiner. „Das will ich mir besser nicht ausmalen, sonst kann ich für nichts mehr garantieren.“ Sagte er und trotz der ruhigen Tonlage, war es eine einzige Drohung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)