Destinatum von Daedun (oder wie es weitergeht) ================================================================================ Kapitel 38: Reisezeit --------------------- Am nächsten Morgen überraschte uns Alice mit einem frühen Besuch. Charly und Emily frühstückten gerade, als sie mit Edwards Volvo auf die Auffahrt bog. Ich öffnete ihr mit einem Fragezeichen im Gesicht die Tür, doch sie grinste mich nur augenzwinkernd an um dann bei Emilys Anblick kurz zu stutzen, bevor sie wieder mit ungezwungenem Lächeln Charly begrüßte. „ Ihr habt am Samstag vergessen euren Briefkasten zu leeren.“ Sie reichte mir einen braunen länglichen Umschlag, der meinen Namen trug. „Was ist das?“ wollte Charly neugierig wissen. Meine Augen huschten über die Zeilen des Papierstapels, den ich nach dem öffnen hervorgezogen hatte. „Ein Stipendium“ brachte ich keuchend hervor. Es war nicht zu glauben, doch ich hielt tatsächlich eine Bestätigung für ein Stipendium für die Universität von Cambridge in den Händen zusammen mit einem Katalog der Einrichtung. „Wie bitte?“ Charly hatte bei meinen Worten das Kauen vergessen und stand jetzt auf. „Zeig her!“ Immer noch vollkommen überwältigt reichte ich ihm den Umschlag mit den Unterlagen, die er jetzt selbst eifrig durch las. Als er fertig war, sah er mich verblüfft an „Du hast mir nicht erzählt das du dich dafür beworben hast?“ Es war keine Frage, sondernd ein Vorwurf. Ich fuhr mir verlegen durch die Haare, auf der Suche nach der besten Ausrede. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass ich erst gestern beschlossen hatte überhaupt dort hin zu gehen. „Es war eigentlich auch nur ein Versuch, ich habe eigentlich nicht damit gerechnet das es klappt.“ Diese Antwort entsprach fast der Wahrheit. Charly strenger Blick glitt wieder auf das Schreiben in seinen Händen „Cambridge, liegt das nicht in England?“ Alice und ich nickten gleichzeitig. Gott sei dank übernahm sie jetzt das Ruder „Das ist eine unglaubliche Chance Bella, oh ich freu mich so für dich “ Ihre glühenden Bernsteinaugen erfassten Charly, der skeptisch drein schaute. Er machte keinen sehr glücklichen Eindruck. Die Luft zwischen ihnen füllte sich mit knisternder Energie, die Emily nicht zu fühlen schien. Sie sah mich nur mit unergründlicher Miene an, während Alice meinen Vater in ihren Bann zog, bis sich plötzlich so was wie Stolz in seinem Gesicht ausbreitete. „Mein Mädchen bekommt ein Stipendium“ murmelte er plötzlich und ein lächeln bog seine Mundwinkel nach oben. „Herzlichen Glückwunsch“ er nahm mich umständlich in den Arm, wobei ich merkte wie sich eine Gänsehaut auf seiner Haut ausbreitete. Schnell machten wir uns wieder von einander los. „Das ist wirklich großartig, aber was ist den mit Edward? Ich meine was wird er denn machen?“ „Oh das ist kein Problem,“ lachte Alice wieder „Ich denke das Carlisle seinen guten Einfluss gelten machen kann. Er hat dort nämlich ein paar Semester studiert und verfügt über gute Kontakte. Er kann ihm bestimmt auch einen Platz besorgen.“ Die Aussicht mich nicht alleine in die Fremde zu schicken, schien Charly ein wenig zu beruhigen. Auch Emily wirkte erleichtert, doch aus einem anderen Grund. Wir wechselten rasch einen kurzen Blick, dann legte Charly den Umschlag auf den Küchentisch. „O.k. am besten bringst du das deiner Mutter bei und wir besprechen alles weitere dann nächstes Wochenende.“ Emily gratulierte mir dann auch noch, bevor sich beide verabschiedeten um nach La Push zu fahren. Ich und Alice sahen den beiden vom Küchenfenster aus nach, wie sie in den Polizeiwagen stiegen und kurz darauf aus unserem Blickfeld davon fuhren. „Das Wolfsmädchen richtig?“ Ich nickte und Alice verzog ihre Porzellanstirn „Wieso ist sie bei euch? Ich meine warum hat Charly sie,“ Keine Ahnung“ unterbrach ich sie seufzend. „Die Frage habe ich mir auch schon gestellt. Ich denke er hat so was wie ein schlechtes Gewissen, dabei sollte ich das haben.“ Sie sah mich ungläubig an und ich erzählte ihr von dem gestrigen Abend, auch von unserem Gespräch über Jacob und meine Sicht der Dinge. Ihre dünnen Arme schlangen sich um meine Taille um mich zu drücken. „Alles ist gut so wie es ist und ich verspreche dir dein neues Leben bei uns wird wundervoll.“ Es tat unglaublich gut zu wissen das sie mich und meinen Kummer verstand. „Danke“ hauchte ich und sie küsste mich auf die Wange „Jeder Zeit“ So standen wir noch eine Weile in Charlys Küche bis mir wieder der Umschlag einfiel. „Wie habt ihr das mit dem Brief gemacht? Das ist doch eine Fälschung oder?“ Ihr trällerndes Lachen erfüllte den kleinen Raum „Super nicht war? Esme ist einfach unschlagbar in solchen Dingen.“ Fasziniert betrachtete ich noch mal den perfekten Briefkopf mit dem vermeintlichen Siegel der altehrwürdigen Uni. Ich hatte zwar noch nicht das Original gesehen, aber ich war mir sicher sie waren nicht von einander zu unterscheiden. Alice Kopf schob sich neben meinen „ Du wirst begeistert sein. Es ist unbeschreiblich schön dort und wirklich beeindruckend. Die kleine Stadt, die geschichtlichen Gebäude, die riesigen Parkanlagen“ „Du warst schon mal da?“ Sie nickte „Aber nur um mit Edward Carlisle auf einen Kongress zu begleiten. Carlisle hat wirklich dort Medizin studiert und er hängt sehr an diesen Erinnerungen. Du wirst es verstehen, wenn du es erst mal selbst erlebst.“ Ich grinste „Wie lange ist es her, dass er dort studiert hat?“ Sie grinste zurück „Noch vor Edwards Zeit“ Das hatte ich mir gedacht „Wo steckt der eigentlich?“ Ihre Miene wurde ein bisschen trüb „Er ist mit Jasper und Emmett in die Berge gefahren. Jasper braucht ein wenig Auslauf, damit wir gefahrlos in drei Wochen zum Ball können. Wir waren in letzter Zeit einfach zu wenig unter Menschen.“ Sie kicherte „Du fällst als Übungsobjekt einfach weg.“ Sie kicherte wieder, ich guckte grimmig. Mehr über die Tatsache Edward heute nicht mehr zu sehen, als über ihren letzten Satz, aber mir war klar, dass Jaspers Interessen in diesem Fall Priorität hatte, nur eine Sache machte mir dabei ein wenig nervös. „Was ist mit den Werwölfen? Besteht nicht die Gefahr eines Überraschungsangriffs?“ „Nein, die Feiern heute Abend alle Emilys Heimkehr und außerdem sind unsere Jungs zu dritt plus den Vorteil das Edward sie rechtzeitig hören kann.“ In ihren Augen blitzte es. „Emmett hätte allerdings nichts gegen ein erneutes Zusammentreffen. Er mag Herausforderungen.“ Ich musste ziemlich entsetzt drein schauen, als ich sie fast schon anflehte „Oh bitte nicht, keine weiteren Opfer mehr in diesem sinnlosen Krieg.“ Vor mir tauchte Emilys tränenüberströmtes Gesicht auf. Ich hatte ihr doch Frieden versprochen. Alice machte ein zweifelndes Gesicht „Es hängt ganz von ihnen ab. Carlisle betont zwar immer wieder, dass es noch Kinder sind, aber wenn es nicht zu vermeiden ist?“ Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. „In einem Kampf denkst du nur an dich selbst, das ist ein Überlebensinstinkt.“ Es klang, wie eine unumstößliche Lebensregel, die mich schaudern ließ. Was würde eigentlich passieren, wenn ich durch Zufall auf einen von ihnen stoßen würde? „Wir müssen uns übrig langsam Sputen, Esme braucht von dir noch ein paar Angaben und Unterlagen für die Unterkunft auf dem Campus. Deine Geburtsurkunde zum Beispiel.“ „Wozu?“ Ihre langen schwarzen Wimpern klimperten wie die Flügel von aufgeregten Schmetterlingen „Für verheiratete Studenten gelten besondere Privilegien mein Schatz oder willst du lieber alleine wohnen?“ Ich flog fast in Charly Schlafzimmer um in den untersten Schubladen seiner Wäschekommode nach unseren Familien Dokumenten zu wühlen, die er seit je her unter den Socken aufzubewahren pflegte. Mein Magen machte einen krampfhaften Hüpfer, aber dieses mal nicht vor Hunger, sondern vor Aufregung, denn ich sah mich bereits mit Edward auf einer grünen Wiese liegen im Schatten eines mächtigen Gebäudes aus alten Steinen über deren verzierte Rundbögen beeindruckende Wappen prangten, um geben von Studenten, die wie wir das Leben genossen, während wir auf die nächste Vorlesung warteten, um danach in unsere gemeinsamen Zimmer zu wohnen. Am liebsten wäre ich gleich los gezogen, aber vorerst musste ich mich mit der Fahrt zur Villa begnügen. Dort wartete schon Esme auf uns, um mit ihrem gütigen Lächeln mein Lob über ihre Talente in Sachen Urkundenfälschung entgegen zu nehmen. „Man tut was man kann. Diese Fähigkeiten ergeben sich einfach aus der Not heraus.“ Sie war wie immer viel zu bescheiden. Wir saßen, mit Rosalie zusammen, an dem großen Esszimmertisch, auf dem sich schon etliche Papierstapel aufgetürmt hatten. Mir war schon klar, dass sie alle so was wie Experten sein mussten, aber ich stellte es mir dennoch schwierig vor, so mir nichts dir nichts eine neue Identität aufzubauen. Esme zeigte mir wie geschickt sie darin war, Siegel herzustellen oder Unterschriften zu kopieren, die es jedem Beamten unmöglich machten sie als Fälschung zu entlarven. Dazu kam die Überzeugungskraft und das Verstellen der Stimme am Telefon. Ich hatte ja schon mal erlebt, wie Alice Edwards Stimme perfekt nach machte, doch Esme mit Carlisle Stimme reden zu hören war fast schon gruselig. Auf diese Art und Weise waren Edward und ich zu unseren Studienplätzen gekommen, die jetzt nur noch auf uns warten. Das Semester begann am ersten September, doch wir würden schon im August dort sein um an den Einführungsveranstaltungen teilzunehmen. „Außerdem müsst ihr euch noch nach einer Jagdmöglichkeit umsehen.“ Gab Rosalie zu bedenken, doch laut Carlisle, der nach einer Stunde zu uns stieß, gab es dafür Möglichkeiten im Norden in der Höhe von Yorkshire. „Da wird sich unser Sohn zwar wieder an langweiliges Wild gewöhnen müssen, aber was tut man nicht alles für die Liebe“ scherzte er und ich grinste in mich hinein. Stimmt nach einem Puma konnte er in Groß Britannien lange suchen. Plötzlich fiel mir trotz meiner Freude und Begeisterung etwas Erschreckendes ein und ich wandte mich Alice zu, die neben mir eifrig Formulare ausfüllte „Was ist eigentlich mit euch? Ihr kommt doch mit oder?“ Trotz der Aussicht Edward an meiner Seite zu haben, schmerzte mich die Vorstellung lange von ihnen allen getrennt zu sein. Sie lies kurz den Stift sinken. „Ich komme auf jeden Fall mit, einer muss ja auf euch aufpassen, aber Jasper will allerdings noch eine Weile hier bleiben.“ Ihr Kirschmund wurde kurz spitz. Dieser Umstand gefiel ihr wohl überhaupt nicht, da sie aber nicht weiter auf seine Beweggründe einging, wollte ich nicht weiter nach bohren. Bestimmt hatte es wieder mit seiner Gewöhnung zu tun. Lieber freute ich mich auf unsere gemeinsame Zeit. Rosalie und Emmett gingen erst einmal nach Südamerika, Rosalie hatte dort die Möglichkeit bei einer Modefirma als Designerin zu arbeiten, während Carlisle ein Angebot in New York annehmen wollte bei dem Esme ihn begleiten wollte. „Ich werde euch aber im August mit euch reisen, schließlich muss ich wissen wohin meine Kinder verschwinden.“ Sie lachte, doch es war ihr deutlich anzusehen wie sehr ihr die Versprengung ihrer Familie das Herz zeriss. Rosalie streichelte versöhnlich ihren Arm, während Carlisle ihr einen liebevollen Kuss auf die Schläfe gab. „Ich weiß, ich bin eine alte Glucke“ schniefte sie verlegen, „aber ich kann nicht anders“ Den Rest des Tages verbrachte ich damit Carlisle über England auszuquetschen. Wir saßen in seinem Büro, wo er mir im Internet und auf seiner Bildersammlung England und London aus seiner Sicht schilderte. Natürlich hatte ich das Britische Empire und seine Historie schon öfter im Schulunterricht durch genommen, aber im Vergleich zu Carlisle selbst erlebten Erzählungen und seinem Wissen waren diese Stunden nichts als langweilige öde Fakten gewesen. Er fesselte mich von der ersten Minute an, vor allem als er über sich selbst zu erzählen begann. Von Edward hatte ich ja schon einiges erfahren, aber Carlisle schilderte mir die Geschehnisse noch einmal eindringlicher und vor allem tiefgründiger. Die Beziehung zu seinem tief religiösen Vater war die einer verzweifelten Hassliebe, die ihn zu seinen Lebzeiten oft an den Rand der Verzweiflung getrieben hatte. Seine hellen Augen betrachteten wie damals Edwards das Bild mit der schattigen Wiese, als seine Stimme beim reden immer leiser wurde „Einerseits verabscheute ich meinen Vater für seine in meinen Augen schon damals falsche fanatische Einstellung gegenüber Gott und seinen Geboten. Für ihn galt allein die Durchsetzung seines Glaubens ohne Berücksichtigung des einzelnen Menschen.“ Er sah so verbittert aus, als seine Gedanken zurück in die Vergangenheit glitten. „Eine Einstellung die selbst nach Jahrtausenden alle Weltreligionen durchzieht, ohne das sich bis heute daran etwas geändert hat.“ Wir diskutierten noch eine Weile über das Für und Wieder von Glaube an sich, bis wir schließlich bei seinen Studien in Europa ankamen, deren Ausmaße mich schier umhauten. „Ich muss gestehen, dass ich mir in deiner Gegenwart wie ein dummer Tropf vorkomme.“ Seufzte ich, was ihn zum lachen brachte. „So darfst du nicht denken Bella. Sieh es mit meinen Augen. Vor dir liegen noch alle Geheimnisse der Weisheit dieser Welt und die Freude sie zu entdecken.“ Wenn er es so formulierte klang es wirklich besser. In diesem Moment klopfte Esme an die Tür um uns Gesellschaft zu leisten. Als sie uns zwei einträchtig am Schreibtisch zusammen sitzen sah, strahlte ihr rundes Gesicht wie ein heller Stern. Ich war mir in dem Augenblick, wo sich unsere Blicke trafen sicher, niemals so eine tiefe selbstlose Liebe erhalten zu haben und was mich noch mehr beeindruckte, ich empfand genauso. Für sie genauso wie für Carlisle, Alice, Jasper, Rosalie und Emmett. Sie alle gehörten zu mir, waren ein Teil von mir, wie auch ich ein Teil von ihnen war. Jetzt und für alle Zeit. Benommen von dieser Offenbarung betrachtete ich die vorbei ziehenden Wolken, die mich wieder an unsere bevorstehende Reise erinnerte, dann schob sich ein neuer Gedanke in mein Bewusstsein. Ich schlug mir klatschend an die Stirn. Es gab ein Geräusch, als ob ich auf einen Marmortisch gehauen hätte. „Ich muss meine Mutter noch anrufen!“ Ich erschrak, als ich merkte, wie weit weg sie schon für mich war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)