Destinatum von Daedun (oder wie es weitergeht) ================================================================================ Kapitel 39: Zauber ------------------ Im Gegensatz zu Charly war Renée von der Aussicht das ihre Tochter bald ins Ausland verschwand begeistert. Für sie klang es nach Abenteuer und Spaß und damit eigentlich nicht nach mir, aber da mein „Mann“ mich begleiten würde blieb mein altes Ego für sie bewahrt. „Das ist ja fantastisch Liebling!“ schrie sie ins Telefon, bis ich den Hörer ein Stück von meinem Ohr weg hielt. Esme und Carlisle grinsten hinter vorgehaltener Hand, während ich meiner Mutter alles haarklein über Cambridge erzählen musste, wobei sie mein Wissen darüber bald ausgeschöpft hatte. „Keine Ahnung wie die Zimmer aussehen Mum.“ Stöhnte ich „Ich war doch selber noch gar nicht da!“ Kopfschüttelnd legte ich nach einer weiteren Stunde Geplauder auf. Während des Gesprächs war ich von Carlisle Büro aus, zu erst in den Flur und dann die Wendeltreppe hinunter ins Erdgeschoss gewandert. Wenn ich mich bewegte fiel es mir eindeutig leichter mich zu verstellen, denn das musste ich mich langsam. Renée hatte wie immer gelungen und doch kam sie mir ein Stück weit fremd vor. Die Vertrautheit zwischen uns ging wirklich allmählich verloren. Sie verblasste wie die Erinnerung an einen Traum, kurz nach dem Aufwachen. Das Telefon wanderte zwischen meinen Händen in und her. Es vollzog sich nicht so deutlich wie bei Charly, was aber wohl an der fehlenden Präsens lag, aber wenn wir uns erst mal wieder gegenüberstanden würde es schnell gehen, da war ich mir sicher. Sie würde mich genauso unheimlich und fremd finden wie alle anderen. Ein kühler Stich durchfuhr meine Brust, als ich mich betrübt auf Edwards Klavierhocker niederließ und die weißen unversehrten Tasten betrachtete. Ihr Anblick hatte etwas beruhigendes, vielleicht, weil sie egal wie verwirrend meine Gedanken und Gefühle auch waren, immer starr und unbeweglich blieben. Außer er brachte sie zum klingen. Esme nahm mir plötzlich das tragbare Telefon aus der Hand. In meiner Grübelei hatte ich ihr Erscheinen gar nicht bemerkt „Sie ist bestimmt sehr aufgeregt, was?“ Ihre weiche Stimme passte zu ihren weißen kleinen Fingern, die meine Haut streichelten. Ich blies die Backen auf „sehr ist noch eine Untertreibung!“ Das helle Lachen aus ihrem Mund linderte den Stich ein wenig, dessen Echo immer noch in mir nachhalte. „Und jedem Abschied wohnt ein Zauber inne,“ leise glitt sie an meine Seite. Mein Lächeln wollte nicht so recht gelingen „Ich weiß, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“ Sie warf mir einen anerkennenden Blick zu. Verlegen über den Stolz in ihren Augen wandte ich mich wieder den Tasten zu. „Darf ich dich mal was persönliches fragen?“ „Nur zu“ Ich atmete tief ein „Musstest du keinen Abschied nehmen?“ Der sanfte Ausdruck, der die ganze Zeit über ihr Gesicht beherrscht hatte verschwand für einen Augenblick und machte einem Kummer Platz, der mich zusammen fahren ließ. „Tut mir leid Esme ich wollte nicht,“ flüsterte ich erschrocken, doch sie lächelte schon wieder „Schon gut Liebes, es ist zwar schon so lange her, aber manchmal, wenn ich unerwartet daran erinnert werde,“ Jetzt war sie es die sich entschuldigte. Mit rätselhaften Augen sah sie aus dem Fenster, als wenn sie dort das erblickte, was sie mir nun erzählte. „Du weißt ja schon das ich meinem Leben vor Kummer über den Verlust meines Kindes ein Ende setzten wollte.“ Ich nickte, obwohl ich wusste das sie es nicht sah „ Mein Leben war bis dahin ein Alptraum gewesen.“ Ihr Körper verwandelte sich in eine harte Statue, bei der sich nur noch die Lippen bewegten schnell und trotzdem deutlich. In einem für sie fremden kalten Ton sprach sie weiter „ Ich lebte zusammen mit meinen Eltern in Columbus Ohio, wo ich in der Strenge des Zwanzigsten Jahrhunderts erzogen wurde. Als ich so jung war wie du, steckte in mir noch die Freude und Unbekümmertheit die einen in das Leben hinaustreiben das man für sich als Erfüllung erdacht hat, doch ich musste bald einsehen, dass es nicht darauf ankam was ich wollte.“ Sie lachte plötzlich bitter auf „Ich wollte Lehrerin werden weißt du? Raus aus dem behüteten Haus, dessen Enge mich fast erdrückte, doch mein Vater verbot es mir und sorgte statt dessen dafür, dass ich einem Mann heiratete der mit seinem Geld und seinem Einfluss zu uns passte. Sein Name war Charly, ein großer kräftiger Mann mit starken Händen, die mit freundlichem Lächeln die von anderen Menschen schüttelte, von denen er sich einen Vorteil erhoffte und die wiederum bei schlechter Laune schmerzhaft zu mir sein konnten.“ Meine Augen weiten sich bei ihren Worten vor Schreck „Er hat dich geschlagen?“ rief ich entsetzt. Sie nickte „das auch!“ Ich verweigerte meiner Phantasie sich noch mehr auszumalen, als einen furcheregenden Kerl, der sich auf die zarte, liebevolle Esme stürzte um ihr weh zu tun. Das allein war schon eine grauenhafte Vorstellung. Esme jedoch fuhr mit ihrer Geschichte fort, auch wenn die Erinnerung sie so sehr quälte „ Es mag vielleicht schrecklich klingen, aber ich war froh als Charly nach Europa in den Krieg musste und um so enttäuschter, als er unversehrt zurück kam. Bald drauf wurde ich schwanger und dieser Umstand gab mir endlich die Kraft mich aus dieser Hölle zu befreien.“ Ihre Augen begannen wieder zu leuchten. „ Die Liebe zu diesem ungeborenen Kind war größer als die Angst vor einem Leben als gefallene Frau und ich beschloss vor meinem Ehemann nach der Geburt zu fliehen, damit er mir nie wieder weh tun konnte. Es sollte ein neuer Anfang sein für mich und Alan“ Das Leuchten erstarb als hätte man es grob aus ihren Augen gewischt. „Doch Gott schien mich für meinen Ehebruch bestrafen zu wollen, denn warum sonst nahm er mir das einzigste auf der Welt was ich liebte und besaß? Wie konnte man so viel Traurigkeit ertragen?“ Meine Kehle schnürte sich zu, als ihre Stimme brach. „Ich dachte, wenn Gott mich so sehr hasst, dann brauche ich seinen Himmel nicht. Das einzigste was ich wollte war mein Kind.“ „Und dann bist du gesprungen“ sagte ich schnell, weil ich sah, dass es ihr schwer fiel sich wieder zu sammeln und ich wollte es ihr so leicht wie möglich machen. Sie nickte nur. In meinem Kopf huschten indessen die Bilder von Esme hin und her. Wie sie sich jung und strahlend auf das Leben freute und wie ihr im nächsten Moment ein brutaler Gorilla ins Gesicht schlug um sie anschließend... „Was hast du gedacht, als du gemerkt hast, dass du nicht gestorben bist, sondern das du, na ja als du Carlisle und Edward dich gerettet haben?“ Ich wusste nicht ob man von Rettung sprechen konnte, sie wollte zu ihrem Kind statt dessen war sie am Leben und das für immer. Sie lächelte langsam wieder „Zu erst dachte ich, dass meine Seele tatsächlich im ewigen Fegefeuer der Hölle verbrannte,“ Sie sah bei der Erwähnung der Schmerzen genauso verhärmt aus wie Edward, als er mir zum ersten mal von der Art der Verwandlung erzählt hatte. „Doch dann erschienen die Engel. Ihre reinen, schönen Gesichter, aus denen sie mich so gütig ansahen, durchschnitten die grauenhaften Schmerzen und ihre hellen wundervollen Stimmen halfen mir durch die Qualen bis sie entgültig versiegten. Danach begriff ich lange nicht was mir wiederfahren war und Carlisle und Edward zweifelten lange, ob es richtig war, was sie getan hatten, aber auch wenn ich heute noch den Verlust von Alan bedaure, so bin ich dankbar und glücklich über den Zauber, der mir eine Familie geschenkt hat, die ich lieben darf.“ Zwei Wochen später saß ich mit tiefen Falten auf der Stirn über den Aufgaben meiner letzten High School Prüfung. Mr. Foster hatte gerade angefangen die Zeit unseres Starts zu notieren und die Klasse versank in der üblichen Denkstille. Neben mir schrieb Edward zügig, aber so weit ich das aus den Augenwinkeln beobachten konnte vollkommen entspannt seine Antworten aufs Papier. Egal wie seine Aufgaben lauteten, sie waren bestimmt keine allzu große Herausforderungen für ihn. Ich unterdrückte ein breites Grinsen, weil ich an die Diskussionen denken musste, die wir in den letzten Tagen und Nächten beim Lernen geführt hatten. Sein Wissensvorsprung mir gegenüber war nicht zu leugnen, aber in meinem Liebelinsfach konnte ich durch aus mit ihm mithalten. Literatur war einfach mein Spezialgebiet und heute war zu dem auch noch das Glück auf meiner Seite. Ich las noch mal die Überschrift auf dem Zettel: „Romeo und Julia“. Mit dem Klang der Schulglocke ließ ich den Stift sinken und streckte seufzend meine verkrampften Finger. Unter Anspannung musste ich mich noch sehr anstrengen meine Motorik unter Kontrolle zu halten. Doch ich fand mich schon sehr gut darin. In den vorherigen Prüfungen gab es nur einen winzigen Zwischenfall in Biologie, bei dem ich ein wenig zu schnell und zu heftig das Mikroskop einstellen wollte. Mr. Banner nuschelte beim einsammeln der Einzelteile, die sich explosionsartig über den Fußboden verteilt hatten irgendwas von maroden Lehrmitteln, die schon lange mal dringend ersetzt werden sollten. Jess neben mir schob stöhnend ihren Stuhl zurück. Ihr Gesicht glühte regelrecht vor Anstrengung. Fasziniert beobachtete ich einen Moment lang die Zirkulation des Blutes unter ihrer Haut, dann riss ich mich zusammen. „Ich schwöre hiermit feierlich, dass ich nie wieder ein Buch aufschlagen werde.“ Gelobte sie feierlich und wir lachten uns an, um dann zusammen zu packen. Während meine Stifte in meine Tasche verschwanden wurde mir zum ersten mal richtig Bewusst das es jetzt wirklich vorbei war. Meine High School Zeit war um. Ich schmunzelte, als ich an meinen aller ersten Schultag dachte, bei dem Renée verschlafen hatte und wir beide keuchend durch die langen Flure zu meiner Klasse gerannt waren. Danach stellte ich jedem Abend heimlich ihren Wecker, damit mir nie mehr so eine Peinlichkeit passierte. Edward umfasste meine Taille um mit mir in Richtung Cafeteria zu schlendern. „Dein Thema war ja ganz nach deinem Geschmack was?“ liebevoll küsste er mich auf den Kopf. Zur Antwort boxte ich ihm neckend den Ellenbogen in die Betonrippen. „Bei den beiden bin ich Experte, wobei ich dazu noch viel mehr hätte schreiben können.“ Als wir den lärmenden Saal betraten und auf Alice zusteuerten, die bereits an unserem üblich Tisch auf uns wartete, sprang uns auf einmal Tyler vor die Füße. Vollkommen überrascht über seine ungewohnte Beherztheit wich ich ein Stück vor ihm zurück. Eigentlich verhielt es sich bei ihm wie bei den anderen. Sie hatten sich nach und nach von mir entfernt, was bedeutete das mich nichts mehr von Edward und Alice unterschied. Wir waren geduldet aber gleichzeitig ausgegrenzt, doch es störte mich nicht sonderlich, schon gar nicht bei Tyler. Der Druck von Edwards Arm nahm für eine Sekunde zu, dann entspannte er sich wieder. Tyler machte ebenfalls einen Schritt nach hinten, scheinbar überwog sein Instinkt doch über seinen rätselhaften Enthusiasmus. Mit einem vorsichtigen Blick auf Edward, der mit versteinerter Miene zu Alice hinüber sah fing er aber dennoch an zu reden. „Hallo ihr Zwei, ich wollte euch nicht stören, aber wir,“ er deutete mit dem Kopf zu Mike und Lauren hinüber, die an der Theke mit dem Nachtisch Eisschalen auf ihr Tablett luden, „hatten heute Abend vor bei mir ein bisschen zu feiern,“ er fing fast an zu stottern, „Jess und Angela kommen auch“ Ich erlöste ihn aus seiner Qual. Sie hatten ihn vorgeschickt um die Einladung auszusprechen, die im Grunde keine war. „Das ist sehr lieb von dir, aber ich befürchte, wir müssen da passen. Wir haben Charly versprochen mit ihm zu feiern.“ Sagte ich mit einem entschuldigenden Lächeln, das ihn verklärt drein schauen ließ. Neben mir erwachte Edward auf einmal wieder zum Leben „Entschuldige bitte Tyler, aber ich habe einen wahnsinnigen Hunger, du verstehst?“ Er zog seine Mundwinkel nach oben, doch es war das bedrohlichste Grinsen das ich je an ihm gesehen hatte. Tylers Augen weiteten sich wie die eines Rehs im Scheinwerferlicht, kurz bevor es mit einem Auto kohlediert und für einen Moment sah es so aus, als wenn er plötzlich erkannte, was er vor sich hatte, aber dann fing er sich wieder. „Äh oh klar, na dann sehen wir uns beim Abschlussball am Samstag.“ So schnell er konnte setzte er sich auf den ersten freien Stuhl den er finden konnte und tat so als, wenn das Mittagessen vor ihm auf dem Tablett seine gesamte Aufmerksamkeit erforderte. Alice amüsierte sich derweil köstlich, auch wenn ich Edwards Verhalten gar nicht witzig fand. Tylers Hände zitterten, als hätte er Schüttelfrost, bei dem vergeblichen Versuch, ein paar Erbsen auf seine Gabel zu laden „Was sollte das denn?“ zischte ich ihn an, doch er machte eine Unschuldsmiene, die es mir schwer machte noch weiter böse zu gucken. Vollkommen reuelos packte er zwei Sandwichtes auf einen Teller. „Ich habe ihm nur die Wahrheit gesagt“ antwortete er sachlich. „Ach tatsächlich, du bist also hungrig?“ mit hochgezogener Braue deutete ich auf die weißen Toastscheiben. In seinen Augen wechselte die Farbe. Aus dem Onyx wurde ein schwarzer Opal, der auf dem nackten Rand meines Halses gerichtet war. Wieder grinste er, doch dieses mal ohne den mörderischen Ausdruck im Gesicht. „Ehrlich gesagt mehr als nur das.“ „Ich glaub der arme Kerl braucht ne neue Hose!“ Alice ersticktes Gekicher klang wie aufgeregtes Bienensummen. Gott sein Dank viel zu hoch für die Ohren um uns herum. „Was hat er denn bloß gedacht, dass du so offensiv geworden bist? Ich hatte wirklich kurz die Befürchtung das du ihm ernsthaft weh tust.“ „Um ehrlich zu sein, es hat auch nicht mehr fiel gefehlt.“ Zu seinem Glück hielt Tyler den Kopf gesenkt, als Edward sich noch mal mit gespitzten Lippen zu ihm umdrehte, ansonsten hätte er wohl panikartig den Raum verlassen. „Jetzt spucks schon aus, was hat er gedacht?“ Langsam ging er mir mit seiner Andeuterei auf die Nerven, doch Edward stützte nur sein feines Kinn in seine hohlen Hand, um mit der freien Fingern der anderen kleine unsichtbare Figuren auf meinen Arm zu malen. „Der Anstand verbietet es mir, dir die Einzelheiten zu erzählen, aber du hattest in seiner Phantasie nicht mehr viel an.“ Mir blieb vor Entrüstung der Mund offen stehen. Von Edwards Augen blieben nur zwei schmale Schlitze übrig, doch sie passten hervorragend zu dem leisen Knurren in seiner Brust. Alice verzog mittlerweile vor unterdrücktem Lachen schon fast schmerzhaft das Gesicht. „Oje, was denkt er erst, wenn er sie ihn ihrem Ballkleid sieht“ brachte sie nach ein paar Sekunden keuchend über die Lippen. Edward fand das genauso wenig witzig wie ich. „Wenn ich noch mal gezwungen bin mir so was anzusehen, sorge ich dafür, dass er nicht auf den Ball gehen kann oder das er überhaupt je wieder gehen kann.“ Mehr Ritterlichkeit konnte man von keinem Märchenprinzen verlangen, auch wenn von vorneherein klar war, das die Kräfte ungerecht verteilt waren. Ich sah Tyler schon in dicken Verbänden in der Notaufnahme liegen. Alice hingegen stachelte Edwards Drohung immer mehr an. Glucksend malte sie sich aus, wie Tyler wie ein Gummiball durch die Luft flog. „Du solltest dringend mal wieder jagen gehen.“ Sagte ich trocken. Ihr aufgekratztes Verhalten und die dunklen Schatten unter ihren Augen gaben mir recht. Wenn sie hungrig war, ähnelte sie einem überdrehten Brummkreisel. 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