Destinatum von Daedun (oder wie es weitergeht) ================================================================================ Kapitel 45: Wahrheit und Versprechen ------------------------------------ Für eine Kleinstadt wie Forks war das Ereignis Schulabschluss einer der wichtigsten Bestandteile ihres kleinbürgerlichen Lebens und so verwunderte es einen nicht wirklicht, dass selbst die schmale Hauptstraße mit Luftballons in den Farben der Schule geschmückt war. Auf dem schon zu normalen Zeiten leicht überfüllten Parkplatz stauten sich die Autos bei unserer Ankunft bis weit hinter den Sportplatz und wir mussten wohl oder übel ein Stück zu Fuß gehen um an die kleine Tribüne neben der Cafeteria zu gelangen, die der Direktor mir einer satten Portion Gottvertrauen an diesem Tag hatte aufbauen lassen. Der Sonnenschein von heute Morgen musste ihn wohl dazu animiert haben, wobei der Himmel jetzt wieder unter einer grauen Wolkenschicht verborgen lag. So manches Elternpaar, dass seinen Platz auf den alten unbequemen Klappstühlen schon eingenommen hatte, warf einen skeptisch Blick nach oben. Unsere Auftauchen lenkte sie allerdings für einen Moment von ihrer Wetterbeschwörung ab. „Ich komme mir vor wie auf dem Präsentierteller“ raunte ich Alice zu die mir nur verschwörerisch zu zwinkerte. „Glaub mir, du gewöhnst dich irgendwann daran.“ Jasper, Emmett und Rosalie bezogen die hintern Sitzreihen, während Edward und Alice mich zur Turnhalle begleiteten. Charly ließ aber noch eine ganze Weile auf sich warten. Erst als die Schulkapelle schon anfing zu spielen kam er über den Rasen gehetzt. Die Krawatte wie eine Schlinge um den Hals und völlig außer Puste kam er bei uns an. Da hatte mit Edward schon erzählt, was ihn aufgehalten hatte. „Entschuldige Schatz,“ keuchte Charly wie eine alte Dampflok, „aber ich war noch bei Billy im Krankenhaus. Er macht sich immer noch große Sorgen um Jacob, hat er sich noch mal bei mir gemeldet?“ Ich schüttelte mit einem Seitenblick zu Edward den Kopf. „Leider nicht, aber ich bin sicher, dass er sofort was von sich hören lässt, wenn er zu Hause ist. Emily ist bestimmt die ganze Zeit bei Billy richtig?“ Charlys rasselnder Atmen hatte sich mittlerweile wieder beruhigt, doch die Falten auf seiner Stirn mit denen er schon gekommen war, blieben. Er nickte, dann sah er mich plötzlich scharf an „Was hat er den überhaupt zu dir gesagt? Warum ist er einfach so weg gelaufen?“ Überrumpelt von der unerwarteten Frage, konnte ich nur hilflos mit den Schultern zucken, doch bevor ich gezwungen war ihn anzulügen, fing die Kapelle an zu spielen und wir mussten unsere Plätze einnehmen. Vor mir saßen Mike und Jessica, die uns einen raschen Blick über die Schulter zu warfen, bevor sie wieder die Köpfe in Richtung Podium drehten, an dem Mr. Fishman schon seine Zettel ordnete. Ich sah an Alice, die mir noch rasch meinen Hut reichte, vorbei in die Menge, die uns alle mit den gleichen Mienen beobachten. Eine Mischung aus Stolz und Wehmut spiegelte sich in den Gesichtern und so manche Mutter verdrückte bereits jetzt eine Träne. Charly hatte sich neben Emmett gesetzt, den er allerdings mit einigem Unbehagen musterte, obwohl der braunhaarige Vampir ihn freundlich anlächelte. Erst musste ich mir ein Grinsen verkneifen, aber dann wurde mir nur allzu klar, was ich da gerade sah. Zwei Welten. Auf der einen Seite die neue, in der ich nun existierte und auf der andern die, in die nicht mehr gehörte. Nie mehr. In meinem Hals bildete sich ein riesiger Kloß, den ich einfach nicht runter schlucken konnte. Plötzlich spürte ich Edwards Finger, die sich in meine schoben und dann behutsam zu drückten, als ich mich zu ihm wandte. Er sagte nichts, aber was ich in seinen goldenen Augen lesen konnte reichte mir um den Kloß erträglich werden zu lassen. Dann knisterte das Mikrophon und Mr. Fishman begann seinen Text vorzulesen. Obwohl es dabei bei allgemein um unsere Zukunft ging, hörte ich so gut wie gar nicht zu. Für mich hatten diese Worte eh keine Bedeutung, die Zukunft von der dort gesprochen wurde gab es in dieser Form für mich einfach nicht. Obwohl Edward, Alice und ich nach England gehen würden um zu Studieren, waren wir doch weit von den Zielen der übrigen Schüler um uns herum entfernt. Ihre Zeit war begrenzt, ihr Weg mehr oder weniger fest vorherbestimmt, wenn sie alles in ihrem Leben erreichen wollten, was ihnen in ihren Köpfen vorschwebte. Mike zum Beispiel, dessen Schultern nervös vor meinen Augen zuckten. Er würde wie Angela nach Port Angeles gehen und dann mit ziemlicher Sicherheit den Laden seiner Eltern übernehmen und Jess spielte mit dem Gedanken ihr Glück auf einer Schauspielschule in Hollywood zu versuchen. Wo von ihre Mutter allerdings noch nichts ahnte. Unterschiedliche Wege, doch beide waren nur ein Menschenleben lang. Meiner dagegen währte ewig. Ich versuchte mir vorzustellen wie es sein musste sie nach zwanzig Jahren wieder zu sehen. Verheiratet, Geschieden, mit und ohne Kinder und ich immer noch achtzehn, jedenfalls im Spiegel. Für immer achtzehn. Mein Blick glitt zu meiner schneeweißen Hand hinunter, die immer noch Edwards festhielten. Sie lagen ineinander geschoben da, wie zwei perfekt zu einander passende Puzzleteile, die zusammen gehörten um ein ganzes zu ergeben. Meine Mundwinkel schoben sich ein Stück weit nach oben. So war es und so sollte es sein. Vom ersten Augenblick unserer Begegnung an sollte es so sein. Edward Stimme drang aus der Erinnerung zu mir „Seit fast neunzig Jahren lebe ich unter meinesgleichen und unter euch und nie hatte ich das Gefühl, nicht komplett zu sein. Ich hatte keine Ahnung, dass ich etwas suchte- geschweige denn was und natürlich fand ich auch nichts, denn du warst noch nicht geboren.“ Jetzt waren hatten wir uns gefunden, waren komplett für immer und nichts und niemand konnte das mehr ändern. Der donnernde Applaus der von Seiten der Zuschauer ausbrach, holte mich zurück in die Gegenwart und damit zurück zu meinem feierlichen Gang zum Podium um mir nach dem Aufruf meines Namens mein Abschlusszeugnis abzuholen. Dabei wurde mir erneut vor Augen geführt, das ich recht hatte. „Isabella Marie Cullen“ dröhnte es blechernd aus den kleinen Lautsprechern. Als Mensch wäre mir vermutlich der Saum meines Umhangs oder die Kante des roten Läufers auf den Holzdielen zum Verhängnis geworden, aber dank meines neu entwickelten Gleichgewichtssinns blieb mir zum ersten mal ein peinlicher öffentlicher Auftritt erspart, so dass ich einigermaßen würdevoll mit dem viereckigen Hut auf meinem Kopf die Gratulation entgegen nehmen konnte. Charly, der bei meinem Aufruf selbst von seinem Stuhl aufgestanden war, kramt in seiner Hose, um schließlich meinen Fotoapparat zu Tage zu fördern. Mit verschmitzten Grinsen knipste er, gleich eine ganze Reihe von Momentaufnahmen und ich war mir sicher nachher die Abzüge nahtlos zu einem Daumenkino aneinander fügen zu können. Ich beende sein Treiben in dem ich mich beeilte zu ihm zu kommen. „Eins langt Dad, oder willst du daraus eine Fototapete basteln?“ lachend wollte ich ihm die Kamera aus der Hand nehmen, doch Emmett war schneller. „Ein Vater Tochter Bild muss aber noch drin sein, dass gehört schließlich dazu.“ Bevor wir uns überhaupt wehren konnte wurden wir schon von seinen dicken Armen zusammen geschoben, dann hielt er sich die Kamera vor das grinsende Gesicht „Lächeln“ Ich tat es, was Charly genau machte weiß ich nicht, aber wenn er den gleichen Gedanken dabei im Kopf hatte wie ich, musste auch er sich dabei sehr anstrengen. Es würde wohl eins der letzten Bilder von uns beiden sein. „Hey ich willen auch ein Foto!“ quietschte Alice hinter uns und schon schob sich ihre schwarzen Stachelhaare samt strahlender Miene zwischen mich und Charly, der ihr augenzwinkernd gratulierte. Nachdem wir dann die gesamten Fotoshootings mit Jess und den Übrigen samt offiziellem Jahrbuchknipsen hinter uns gebracht hatten, schlug Edward unerwartet vor mit Charly essen zu gehen. „Die Newtons gehen auch mit.“ Setzte er seiner Überraschung noch einen oben drauf. Misstrauisch sah ich ihn an „Was soll das?“ formte ich mit stummen Lippen, doch er zog es vor mir nur ein unschuldiges Lächeln zu schenken. „So läuft ein Abschlusstag in der Regel ab und wir wollen doch das deiner so wird wie alle anderen auch.“ Erklärte mir Alice und schob mich dann in Richtung Parkplatz. Mir ging ein Licht auf. Endlich verstand ich ihre fast schon krankhaft penetrante Haltung gegenüber dem Abschlussball. Es ging gar nicht alleine um ihn, hier ging es um den gesamten Tag, um das gesamte Ereignis, von dem Alice und Edward an nahmen, es für mich nach allen Regeln der Kunst zelebrieren zu müssen. Vermutlich ein letzter Gruß an mein vergangenes menschliches Leben. Zu erst war ich sauer, doch dann sah ich Charly mit Mikes Vater ausgelassen herum albern, was mich beschämt auf meine Schuhe starren ließ. Ich sollte vielleicht noch eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen. Vielleicht wollten sie damit aber auch Charly ein Geschenk machen, ein Abschiedsgeschenk. Wir waren nicht die einzigsten die auf diese Idee gekommen waren und so platzte der kleine Italiener über den Forks verfügte fast schon aus allen nähten. Für uns und vor allem für mich ein willkommener Umstand, der es mir ersparte erstens viel Erde zu essen und zweitens viel Konversation zu treiben. Emmett und Rosalie waren nicht mitgekommen, sondern wollten Carlisle und Esme ablösen und ehrlich gesagt wollte ich auch nur noch nach Hause. Mit Unbehagen dachte ich an Jake, der wahrscheinlich schon so gut wie gesund in der Garage saß und mit seinen Trieben kämpfte. Wie sollte das nur weiter gehen? Edward der neben mir saß, warf mir einen fragenden Blick zu. Anscheinend konnte man mir meine trüben Gedanken vom Gesicht ablesen. Lächeln versuchte ich darauf hin die Probleme wieder zu verdrängen, was mir bis zu einem gewissen Punkt auch gelang, dann dachte ich an das verbliebene Rudel und meine Stirn verzog sich erneut. Charly ließ es sich am Schluss natürlich nicht nehmen die Rechnung zu übernehmen, die zu seinem Glück nicht sehr hoch ausfiel. Ich täuschte einen Gang zur Toilette vor, als er zum Tresen ging um zu bezahlen, als ich zurück kam, schien er auf mich gewartet zu haben, denn er zog mich kurz zur Seite. Neugierig musterte ich sein angespannten Unterkiefer, er wusste wohl nicht so recht ob er sagen sollte, was ihm anscheinend auf den Nägeln brannte. „Alles o.k. Dad?“ Er lachte nervös „Ja Schatz, nur also,“ dann rückte er mit der Sprache raus „ Billy würde sehr gern persönlich zu deinem Abschluss gratulieren und auch gerne von dir hören was mit Jacob los ist.“ Mein Magen verkrampfte sich „Oh, sicher, soll ich ihn anrufen?“ „Nein, wenn es dir nicht allzu viel aus macht, könnten wir gleich noch mal bei ihm im Krankenhaus vorbei fahren.“ Sowohl Edwards wie auch Alice Kopf schnellten zu uns herum, als wenn sie jemand gerufen hätte, der weil versuchte ich meine gelassene Fassade aufrecht zu erhalten. „Sicher, wenn sein Gesundheitszustand das zu lässt.“ Stotterte ich dennoch unbeholfen. Charly lächelte wieder, er wirkte über meine Zustimmung mehr als erleichtert und hatte es jetzt richtig eilig aus dem Laden zu kommen. Wie auf Kommando erhoben sich auch die anderen zwei und bald schon standen wir zu viert vor den geparkten Autos. Charly hatte heute Gott sein dank meinen Truck, anstatt seines Streifenwagens genommen. Ich wiederholte noch mal auch für Charly hörbar unser Vorhaben „Was willst du Billy denn sagen?“ flüsterte Alice mir mit ihrer hohen Stimme zu, während Charly schon in den Truck einstieg. Ihr schien das Vorhaben gar nicht zu gefallen, Edward hingegen sah nur stumm und mit unergründlichen Ausdruck im Gesicht die Straße hinunter. Ich biss mir unschlüssig auf die Unterlippe. Wenn ich ehrlich sein sollte, ich hatte genauso viel Ahnung darüber wie vor der Zeremonie, aber irgendwie empfand ich es jetzt auf einmal richtig und vor allem wichtig mit Billy zu reden. Es ging hier schließlich um sein und Jakes Zukunft. Es musste so schnell wie möglich etwas passieren, dass war ich ihnen trotz allem schuldig. „Du fährst nach Hause Alice und ich folge euch in einigem Abstand.“ Fuhr auf einmal Edwards Samtstimme zwischen meine Überlegungen. Die kleine Vampirin und ich öffnete gleichzeitig unseren Mund, doch ein Blick in seine Augen reichten um uns davon zu überzeugen, dass es keinen Sinn machte dagegen zu protestieren. Er öffnete die Tür des Volvos und gab Alice unmissverständlich zu verstehen das sie Platz nehmen sollte, dann schlug er die Tür hinter ihr zu und kam noch mal auf dem Weg zur anderen Seite bei mir vorbei. Der merkwürdige Ausdruck lag immer noch auf seinem Gesicht, als sich sein Arm ungewöhnlich fest meine Taille wickelte. Er verschwand erst, als er sich nach vorne beugte um meine Stirn zu küssen. Ich dagegen war immer noch eingeschnappt, weil ich mir sicher war dass er mir misstraute, „Wieso glaubst du ist es nötig dass du mit kommst? Befürchtest du, ich zu viel oder das Falsche sage?“ fragte ich bissig, doch er gab nur einen heiserern Seufzer von sich, und drückte mich noch ein wenig mehr an sich. „Blödsinn Bella, ich will dich heute nur nicht eine Sekunde aus den Augen lassen, dass nimmst du mir doch hoffentlich nicht übel oder?“ Mein Atem geriet kurz ins Stocken, als mir dämmerte, wo von er sprach beziehungsweise wem seine Vorsicht gegenüber galt. Charly schaute bereits leicht ungeduldig zu uns herüber, als Edward mich mit hoch gezogenen Augenbrauen wieder frei gab. „Bis später“ hauchte er noch, dann stieg er in ein und fuhr davon. Seine Worte allerdings blieben die ganze Zeit über in meinem Kopf, während Charly das Krankenhaus ansteuerte, dessen klobige Mauern schon bald vor uns auftauchten. Als wir die wenigen Stufen zum Eingang hoch liefen, wiederstand ich nur wiederwillige dem Drang mich umzuschauen, doch so sehr ich auch die Luft einzog. Ich konnte keinen beißenden Wolfgeruch wahrnehmen, was mich ein wenig ruhiger machte. Erst im Aufzug überkam mich wieder Nervosität, aber die bezog sich allein auf die Begegnung, die mir gleich unweigerlich bevorstand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)