NCIS One-Shots von BouhGorgonzola (... für Zwischendurch zum Lesen.) ================================================================================ Kapitel 10: Thinkful moments ---------------------------- Ein Großraumbüro. Keine Menschenseele, alles dunkel. Na ja, fast alles. Eine Schreibtischlampe brannte noch und das war meine, obwohl sie schon längst hätte ausgeschaltet sein sollen – direkter Befehl von Gibbs, meinem „Boss”. Im Grunde auch noch ein direkter Befehl von der Direktorin des NCIS, Naval Criminal Investigative Service für diejenigen, die den meisten der Leute, mit denen ich es zu tun bekam, ähnlich waren und es nicht wussten, Jenny Shepard, die ebenfalls noch am Arbeiten war. Doch im Gegensatz zu mir saß sie in ihrem eigenen Büro ein Stockwerk über mir – und gesehen hatte ich sie nur einmal kurz, als sie sich einen neuen Kaffee holte und sie mit mitteilte, dass es an der Zeit wäre für mich, endlich nach Hause zu gehen, immerhin würde ich auch noch ein Privatleben haben. Und was war mit ihr? Sie etwa nicht? Dass ich diese beiden Befehle, deren Inhalt ein und der selbe war, missachtete, hatte nur einen Grund: Ich wollte nicht nach hause in meine leere Wohnung, zurück an den Ort, an dem ich nur noch mehr nachdenken würde. Hier an meinem Schreibtisch, und mochte das Büro noch so leer sein, konnte ich wenigstens etwas tun: Arbeiten. Und das war das einzig Sinnvollste, wenn man Nachdenken verhindern wollte. Zumindest das Nachdenken über gewisse Dinge. „Das vorhin war ein Rat von Freundin zu Freundin, Ziva.” Die Stimme der Direktorin zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, lenkte sie von meinen Überlegungen und der Akte vor mir und sorgte dafür, dass ich Director Shepard einen Blick zuwarf, die oben vor mir auf dem Treppenabsatz stand, sich über das Treppengeländer beugte und mich ansah. „Aber wenn du in fünf Minuten immer noch hier sitzt und arbeitest, werde ich es noch einmal wiederholen, aber dann als direkten Befehl von Vorgesetzter zur Mitarbeiterin.” Ich nickte ein wenig. Mochte sie mich doch vertreiben wollen, sie würde es im Grunde niemals wirklich wahr machen, was sie dort gerade prophezeit hatte. Sie war eine sehr gute Freundin von mir und das war der Fehler an dem ganzen. Ich akzeptierte die Autorität, die ihr zufiel, aber ich sah auch oft genug über sie hinweg. Zwar befolgte ich ihren Anweisungen und führte ich ihre Befehle präzise aus, aber in solchen Dingen galt für mich, dass sie nur eine Freundin von mir war. Mein Vater war schließlich im Grunde auch noch mein Vorgesetzter – der vom Mossad, für den ich ja noch immer arbeitete. Als ich mich wieder aus meinen Gedanken riss und zu dem Treppenabsatz sah, war Jenny verschwunden. Wahrscheinlich war sie wieder in ihr eigenes Büro gegangen, um irgendwelche Akten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und andere Dinge zu beglaubigen. Kein Job für mich normalerweise, aber das, was ich dort tat, war auch nicht viel besser. Ich hasse Schreibtischarbeit eigentlich! Warum also tat ich das Ganze hier?! Es hatte einen ganz banalen Grund: Meine Gefühlslage. Es war mir immer klar gewesen, dass ich irgendwann einen Mann treffen würde, der mich in seinen Bann zog, doch dass ausgerechnet ein gewisser Senior Special Agent aus meinem näheren Umfeld dafür verantwortlich war ... unglaublich. Wahrscheinlich wusste er noch nicht einmal etwas davon, immerhin versuchte ich mich wie immer zu verhalten, wenn er in meiner Nähe war – und das war er so gut wie immer bei der Arbeit. Ich musste also versuchen, unsere Freundschaft, die wie bei Geschwistern und zu dem Liebhabern war, aufrecht zu erhalten und gleichzeitig dafür sorgen, dass ich heraus fand, was genau ich eigentlich wollte. Mein Blick glitt von der Stelle, an der die Direktorin zuvor noch gestanden und mit mir geredet hatte, zu dem Schreibtisch, der genau darunter lag. Die Lampe war ausgeschaltet, ebenso der Monitor des Computers und auch der Computer selbst. Der Rucksack und die Jacke des Agenten, der dort saß, fehlten. Er war ohnehin schon nach hause gefahren, also war es kein Wunder. Schon lustig. Anthony DiNozzo kam als letztes und ging fast immer als erstes ... oder als einer der ersten. Ich hatte ihn oft mit beidem aufgezogen und auch McGee hatte mittlerweile daran Gefallen gefunden. Einzig und alleine Gibbs fand daran keinen Gefallen und rief seinen Senior Special Agent immer wieder zur Pünktlichkeit auf und gab ihm seine berühmten Kopfnüsse. Ja, Tony war der Mann, der mich so zum Nachdenken anregte. Ich war mir schon seit einiger Zeit im Klaren, dass ich mehr für ihn empfand, doch ich hatte es gekonnt, dank meiner Ausbildung, verdrängen können, doch auch die Besten knicken irgendwann einmal ein ... und bei so etwas hielt niemand durch, denn die seelische Belastung war einfach zu groß, um sie einfach ignorieren zu können. „Du sitzt immer noch hier.” Die Direktorin stand nun direkt vor mir an meinem Schreibtisch. Ich schenkte ihr einen kurzen Blick, wollte zu einer Antwort ansetzen, bemerkte dann aber, dass sie keinen ernsten oder tadelnden Blick aufgesetzt hatte, so dass ich meinen Mund, den ich schon geöffnet hatte, wieder schloss und schwieg. „Weißt du, ich beobachte dich schon eine ganze Weile, Ziva. Mir ist aufgefallen, dass du immer länger hier bleibst, immer früher kommst, zudem plötzlich Gefallen an Schreibtischarbeit gefunden zu haben scheinst. Nun, daran ist ja auch eigentlich nichts auszusetzen, aber letzteres hat mich dann doch stutzig gemacht. Also, was ist los?” Ich seufzte. Ein Fehler, wie ich zu spät bemerkte, denn ein Seufzer gab oft Preis, dass einen etwas beschäftigte, dass etwas auf jemandes Seele lastete und das wusste auch Jenny Shepard – leider. „Also?” Sie wiederholte sich. Na ja, sie hatte ja auch Recht, wenn es um das Wohlergehen ihrer Agents – oder in meinem Falle Offiziere – ging, immerhin setzte man hier jeden Tag sein Leben aufs Spiel und wenn einer nicht ganz bei der Sache war, konnte das schnell schief gehen. ... wieder eine Redewendung, deren Bedeutung ich zwar kannte, aber von der ich nicht verstand, warum es so hieß. „Ziva, durch Schweigen wird es auch nicht besser. Egal was dich beschäftigt, ich bin immer für dich da.” Ja, immer für mich da. Wie wirkliche Freunde. Das waren wir ja auch, aber ich konnte doch nicht einfach so alles von mir erzählen! Das war gegen meine Ausbildung beim Mossad, gegen meinen Charakter ... und gegen einen Kodex beim Mossad, den sich einige „lustige” Offiziere mal ausgedacht hatten, um den Anfängern das Leben vermiesen zu können. „Ich weiß, Jenny, ich weiß.” Meine Stimme zitterte. Warum? Ich wollte das nicht! Warum konnte sie nicht ruhig und normal klingen, vielleicht ein wenig leiser, aber nicht so zittrig?! „Möchtest du reden?” Sie zog den Drehstuhl von Tony heran, setzte sich mir gegenüber an meinen Schreibtisch und obwohl Tony schon seit mehreren Stunden weg war, konnte ich einen leichten „Tony-Duft” wahrnehmen, umso näher mir der Drehstuhl kam. Und ich genoss es. Sehr sogar. „Ich weiß nicht, ob ich reden will.” „Es kann nur besser werden.” „Mag sein, aber es ist gegen meine Natur, über gewisse Dinge zu reden ... egal wie gut ich mit jemandem befreundet bin.” „Ziva, du bist nicht mehr nur beim Mossad. Du bist nicht mehr nur im Undercovereinsatz, du arbeitest in einem Team, du bist in Amerika und nicht mehr in Israel. Du kannst zwar tun und lassen was du willst, aber dennoch solltest du manche Eigenschaften deines Charakters ablegen ... ändern.” „Jenny, ich kann aber nicht!” „Hast du es denn versucht?” Sie hat den Ball. Sie wirft den Ball. Treffer und versenkt. Jetzt wusste ich, was Tony mit seiner Redewendung „Treffer und versenkt” meinte. War ich wirklich schon über drei Jahre in der USA und beim NCIS? „Nun ja ... ” „Also, was ist?” „Würdest du mir denn zuhören?” „Aber sicher doch. Wann immer du möchtest und wenn du bereit dazu bist.” „Ich ... ich weiß es ehrlich gesagt nicht.” „Das ist nicht schlimm, Ziva. Die Hauptsache ist, du versuchst zu reden. Reden hilft oftmals in vielen Dingen, der Rest geschieht dann von selbst.” „Meinst du wirklich, Jenny?” „Natürlich.” Diese Bestätigung gab mir Mut über meine Gefühle zu Tony und das Chaos, dass diese anrichteten, zu reden. Sie mochte durchaus meine Vorgesetzte sein, aber dennoch war sie auch meine Freundin und als diese konnte sie mir vielleicht helfen. Als Direktorin würde sie mit Sicherheit abblocken und erklären, dass es nur Probleme geben würde, doch sie hörte mir als Freundin zu. „Erinnerst du dich an Gibbs' Regel Nummer zwölf?” „Fange nie eine Romanze mit einem Teamkollegen an.” Ihr Erinnerungsvermögen war wirklich gut! Aber immerhin hatte sie ja auch jahrelang mit Gibbs zusammengearbeitet und sogar eine Affäre mit ihm gehabt. Also war das wohl eine der Regeln, die sie sich wohl sehr eingeprägt hatte, da sie diese gemeinsam mit ihm gebrochen hatte. Die Konsequenzen daraus trugen beide und das konnte ich ihnen auch ansehen. Mein Schweigen schien ihr mehr gesagt zu haben, als wenn ich etwas gesagt hätte. „Du meinst Anthony, oder? Ich kann doch förmlich den Blick von dir zu ihm sehen, wenn du denkst, niemand sieht hin.” Ich nickte. „Und du weißt nicht, wie Gibbs zu dem Bruch der Regel stehen würde? Auch Gibbs bricht seine Regeln.” „Das ist es nicht.” Ich seufzte wieder, denn wie sollte ich das erklären? „Wir sind Partner, verstehen uns ohne viele Worte. Wir haben Spaß zusammen, sind gute Freunde. Ich kann förmlich spüren, wenn ihn etwas bedrückt, wenn ihm etwas passiert ist. Irgendetwas in meinem Kopf ist darauf gepolt. Und jetzt musste ich erkennen, dass ich mehr für ihn empfinde, egal ob ich will oder nicht ... ” Meine Stimmt, die zunächst noch immer zitterte, wurde immer ruhiger und fester. Ich sprach leise, aber sehr deutlich das aus, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging und Jenny hörte mir aufmerksam zu. Sie nickte und schien meine Worte zu überdenken, ihre eigene Meinung zu bilden. „Ich will nicht, dass all das, was jetzt ist, zerstört wird, wenn ich mich ihm so öffne, ihm meine Gefühle gestehe. Und wenn das dann ... doch auseinanderbrechen sollte ... was ... wie sollte es weitergehen? Wir würden in einem Team arbeiten, aber einander nicht mehr so ... na ja ... wie jetzt eben.” Nun war es an Jenny zu seufzen, was sie auch tat. Sie sah mich ruhig an und überlegte lange, bevor sie ihre Worte weise wählte und aussprach. Und dieses Schweigen zwischen den meinen und den ihrigen Worten war Nerven zerreißend. „Ich weiß, was du fühlst. Wirklich, Ziva. Ich verstehe deinen Standpunkt und ich weiß, wie schwer es ist.” Ich brauchte nicht einmal nachfragen, woher sie das wusste. Ich hatte so eine Ahnung, doch aussprechen wollte ich diese noch weniger, als ich vorher hatte all das berichten wollen. „Aber man sagt hier in diesem Land „wer nicht wagt, der nicht gewinnt”. Tue dir selbst einen Gefallen und gib nach. Öffne dich ihm. Was Gibbs betrifft, so werde ich mich darum kümmern, falls etwas geschehen sollte.” „Soll ich wirklich?” „Versuch es. Wenn du es wenigstens ausgesprochen hast ... und vielleicht ändert sich ja gar nichts, egal was kommt? Ein peinliches Schweigen wirst du bei Anthony DiNozzo niemals finden.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)