Sengoku-Jidai Chronicles von Jenny-san ================================================================================ Kapitel 27: Leben und Tod ------------------------- Der nur sehr begrenzte Platz, der Ashitaka wegen seines Bannkreises zur Verfügung stand, machte es ihm schwerer, den Angriffen von Rokou auszuweichen oder sie abzuwehren. Zu einem wirklichen Gegenschlag hatte er zudem noch gar nicht ausholen können, denn Rokou schien mit allen nur erdenklichen Mitteln dafür sorgen zu wollen, dass Ashitaka hier nicht mehr lebend herauskam, so verbissen konzentrierte er sich darauf, ihn zu töten. "Du kannst nicht ewig davonlaufen! Früher oder später bist du erschöpft und dann werde ich es wahrlich genießen, dich langsam und qualvoll verrecken zu lassen!" Ashitaka ließ es sich zwar nicht anmerken, aber er wusste nur zu gut, dass Rokou damit Recht gehabt hatte. Ewig konnte er so nicht weitermachen. Entweder, ihm fiel rasch etwas ein oder es wäre wirklich bald vorbei gewesen. "Genug mit diesen Spielereien. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, mich mit dir abzugeben, Köter!" In einem für ihn günstigen Moment schnellte Rokou direkt auf Ashitaka zu und stieß ihn mit dem Stab seines Naginatas gegen einen nahe stehenden Baum. Anschließend schleuderte er ihm mit seiner freien linken Hand fünf kleine, aus Feuer bestehende Geschosse entgegen. Ashitaka wurde an verschiedenen Stellen seines Körpers getroffen. Drei bohrten sich im Bereich seines Oberkörpers in seine linke Schulter und in seine Brust, die beiden anderen trafen ihn jeweils einmal im Baum und ins rechten Bein. Zischend lösten sich die feurigen Geschosse auf und Ashitaka sank in die Knie. Er hustete und spuckte etwas Blut. Um nicht gänzlich in sich zusammenzusinken, musste er sich mit den Händen auf den Boden abstützen. Wieder hörte er Rokou sprechen: "Idiot! Du hättest dich nicht einmischen dürfen, dann wäre dir dieses erbärmliche Ende erspart geblieben." Ashitaka hob etwas seinen Blick. Trotz seines schweren Atems rang er sich zu einer Gegenantwort durch: "Mag sein, aber es ist nicht meine Art, tatenlos dabei zuzusehen, wenn ein Mann versucht, einem Mädchen etwas anzutun." Dieser freche Ausdruck in seinen Augen... Rokou ließ ein warnendes Knurren verlauten, während er so auf Ashitaka herabsah. Dieser Kerl hatte offenbar noch immer genug Kraft, um sich über ihn lustig zu machen. Aber das würde nicht mehr lange der Fall sein. "Hm! Im Grunde kann es mir auch egal sein", meinte Rokou kaltschnäuzig. "Ob ich nun einen oder zwei von deiner Rasse zur Strecke bringe, ist unwichtig, denn dein Clan ist ohnehin dem Untergang geweiht! Und so gesehen, mache ich halt bei dir den Anfang!" Er erhob sein Naginata, um dessen Klinge sich ein feuriger Ring bildete, ehe er die Waffe kraftvoll auf den Boden niedersausen ließ. "Shakunetsu!!" (Die Attacke von Kyoura aus dem 4. Movie heißt übrigens "Shakunetsuchou" (Vogelsglut). Man beachte den kleinen, aber feinen Unterschied. XD) Miyukis Kopf schmerzte ein wenig, als sie langsam wieder zu Bewusstsein kam und ihre Augen etwas öffnete. Was war passiert? Hatte sie geträumt? Nein, das war kein Traum gewesen! Dieser Rokou hatte sie vorhin angegriffen, aber wo war er jetzt? Als Miyuki kurz zur Seite blickte, entdeckte sie diesen Bannkreis. Zuerst war sie sehr erschrocken, doch konnte sie sich denken, was das bedeutete. Ashitaka kämpfte da drinnen gegen Rokou! Miyuki zwang sich wieder auf die Beine. Hilflos stand sie vor dem Bannkreis. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Sollte sie loslaufen und Hilfe holen? Aber was, wenn Ashitaka in der Zwischenzeit etwas zustieße? Beeinflussen können hätte sie das zwar eh nicht, aber trotzdem war Miyuki vollkommen hin- und hergerissen. "Was soll ich nur tun? Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll..." Wieder spürte sie diese Ängste in sich hochkommen. Tôya hatte bereits im Kampf gegen Rokous Bruder sein Leben verloren. Sollte Ashitaka das Gleiche bei Rokou widerfahren? Das durfte nicht passieren! Verzweifelt schaute sich Miyuki um. War denn niemand in der Nähe gewesen, der Ashitaka hätte helfen können? "Hilfe! Hört mich jemand?! Bitte, wir brauchen Hilfe! Jemand muss uns helfen! Bitte!!" Rokous Angriff hatte Ashitaka gerade noch so entrinnen können, aber die Einschränkung durch seine Wunden machte es ihm nun noch schwerer, diesen Kampf zu bestreiten. Aber er durfte nicht unterliegen, denn dann würde Rokou genau da weitermachen, wo er zuvor hatte abbrechen müssen, und Miyuki etwas antun. Das wollte Ashitaka unter allen Umständen verhindern. Und wenn er schon nicht vermeiden konnte, dass Rokou ihn tötete, dann würde er diesen zumindest mit sich nehmen und so an seinem Vorhaben hindern. Zwar würde er dann sein Versprechen gegenüber Miyuki brechen, doch wenn er keine andere Wahl hatte... Plötzlich horchte Ashitaka auf und sogar Rokou hielt kurzzeitig in seinen Kampfhandlungen inne. Beide konnten ganz eindeutig von draußen Miyukis Stimme verzweifelt um Hilfe rufen hören. "Hm! Die Kleine scheint ihr Schläfchen schon wieder beendet zu haben", bemerkte Rokou abfällig, ehe er sich wieder seinem Gegner zuwandte. "Aber sie kann rufen, so viel sie will, es wird weder ihr noch dir etwas nützen." Und kaum, dass er den Satz beendet hatte, schnellte er abermals auf Ashitaka zu, doch diesmal griff er ihn nicht von vorne an, sondern platzierte sich hinter ihm und schlug einmal mit seinem Naginata zu. Getroffen ging Ashitaka zu Boden, doch ein kräftiger Ruck an seinem Hinterkopf verhinderte, dass er niederfiel. "Nach deinem heroischen Auftritt vorhin hatte ich eigentlich erwartet, dass du mir etwas mehr Widerstand leisten würdest. Da habe ich dich wohl etwas überschätzt." So weit ihm das möglich gewesen war, drehte Ashitaka seinen Kopf. Rokou hatte ihn grob an den Haaren gepackt und hielt ihn fest. "Was soll das alles...?", fragte Ashitaka nach einem Augenblick mit geschwächter, aber dennoch fester Stimme. "Warum kämpfst du so verbissen? Und warum wolltest du ausgerechnet Miyuki-chan etwas antun?" Mit der Spitze seiner Waffe deutete Rokou auf das Gesicht des Inu-Youkai. "Du weißt es nicht? Hm... Nun, da du ohnehin gleich sterben wirst, bin ich es dir wohl schuldig, dir zumindest das zu erklären, damit du nicht unwissend zur Hölle fährst. Gut, ich sage es dir. Mein Bruder hat gegen ihren Bruder, diesen Tôya gekämpft und wurde von ihm getötet. Deshalb bin ich hier, ich will Rache!" Seine zunächst gefasste Stimme wurde aggressiver. "Die Toten haben keine Chance mehr, sich an denen zu rächen, von denen ihnen ihr Leben genommen wurde. Deshalb erledigen das die Hinterbliebenen für sie und das nennt man Blutrache! Wenn ich dich erst erledigt haben werde, nehme ich mir deine Sippe vor, und anfangen werde ich wie schon anfangs geplant bei deiner kleinen Freundin! Der kleinen Schwester dieses Mistkerls, der meinen Bruder getötet hat! Sie soll leiden und einen qualvollen Tod sterben!" Das war es also gewesen. Rokou wollte Rache. In gewisser Hinsicht konnte Ashitaka seine Gefühle zwar nachempfinden, aber trotzdem... "Du... Halte gefälligst Miyuki-chan da raus, hast du gehört?!" Ashitaka wollte sich von Rokous Griff befreien, doch dieser hatte ihn fest in seiner Gewalt. Da fiel sein Blick auf sein Schwert, welches er noch in seiner rechten Hand hielt. Zeitgleich bekam er mit, wie Rokou seinerseits mit seinem Naginata ausholte. "Reg dich nicht auf. Ich schicke dir die Kleine so rasch wie möglich in die Unterwelt nach. Das wird ja dann fast schon ein Familientreffen." Ashitaka hatte keine andere Wahl, also führte er eiligst sein Schwert hinter seinen Kopf. Ein Schnitt genügte und er war wieder frei. "Was zum...?!" Rokou war anfangs nur völlig perplex, als er noch einen gezielten Schlag von Ashitaka kassierte, der ihn um mehrere Meter zurückweichen ließ. "Mistkerl...!" Mit dem Handrücken wischte sich Rokou etwas Blut vom Mund. Mit einer solchen Aktion hatte er wirklich nicht gerechnet. Dass sich Ashitaka selbst die Haare abschneiden würde, um sich von seinem Griff zu befreien. Ashitaka hatte sich indes auch wieder etwas von seinem Gegner entfernt und war auch wieder auf die Beine gekommen. In seinem Blick sah man die Entschlossenheit. "Auf keinen Fall... Ich werde es auf keinen Fall zulassen, dass du Hand an Miyuki-chan legst!" "Spiel dich nicht so auf, du Köter!", entgegnete Rokou gereizt. "Du bist ja nicht mal mit ihr verwandt, also tu nicht so, als ob du ihr sonderlich nahe stehen würdest!" "Du kapierst es einfach nicht, oder? Es mag stimmen, dass wir nicht miteinander blutsverwandt sind, aber seit ich denken kann war Tôya für mich schon immer so was wie ein großer Bruder. Und Miyuki-chan... Sie bedeutet mir mehr, als du es dir womöglich vorstellen kannst!" "Halt endlich die Klappe! Dein dummes Gequatsche interessiert mich nicht die Bohne! Das Einzige, was ich will ist Blutrache für den Tod meines Bruders, und zwar hier und jetzt!" Diesmal schwieg Ashitaka. Stattdessen erinnerte er sich nun an etwas aus seiner Vergangenheit. An ein Ereignis, dass er wohl niemals vergessen würde. >Ich weiß, wie du dich fühlen musst... Glaub mir, du bist garantiert nicht der Einzige, der in seinem Leben eine solche Erfahrung gemacht hat. Auch ich habe bereits in der Vergangenheit jemanden verloren...< *~Rückblick~* Ashitaka konnte sich sehr gut an seinen Vater erinnern. Als Bruder von Sesshoumarus Mutter, der Herrin der westlichen Länder, genoss Akira ebenfalls ein sehr hohes Ansehen. Zudem war er wohl einer der zuverlässigsten Gefolgsleute von Inu no Taishou. Ashitaka ging es im Bezug auf seinen Vater wohl wie den meisten Söhnen. Stets hatte er mit Bewunderung zu ihm aufgesehen und ihm nachgeeifert, um irgendwann so zu sein wie er. Und nicht nur sein Vater, sondern auch Inu no Taishou und Sesshoumaru gehörten mit zu seinen Vorbildern. Besonders, als er noch klein gewesen war. Akira war besonders im Bezug auf seine Gefährtin und seinem Sohn sehr fürsorglich. Nie hatte Ashitaka es miterlebt, dass er die Beherrschung verloren hätte oder ausfallend geworden wäre. Akira gehörte sogar zu den Youkai, die gegenüber Menschen eher neutral eingestellt waren, als ihnen mit Verachtung und Abfälligkeit zu begegnen. Doch eines Tages, vor gut 200 Jahren, lernte Ashitaka eine andere Seite an seinem Vater kennen... "Eine Menschenfrau?! Das soll doch wohl ein schlechter Scherz sein, Oyakata-sama!?" Fassungslos starrte Akira seinen Herrn an. Was er da eben gehört hatte, konnte doch unmöglich stimmen!? "Nein, es ist die volle Wahrheit, Akira", entgegnete Inu no Taishou jedoch mit erhabener Ruhe. "Ich liebe diese Frau. Ihr Name ist Izayoi." Sein Gegenüber schüttelte ungläubig den Kopf. Noch immer glaubte er scheinbar an einen schlechten Scherz. "Du bist der Bruder der Mutter meines Sohnes, deshalb kann ich von dir nicht verlangen, dass du mich verstehst", fuhr Inu no Taishou nach einer kurzen Pause fort. "Auch erwarte ich nicht, dass du es akzeptierst. Du hast jedes Recht darauf, mich zu verachten. Denn dadurch, dass ich mich in Izayoi verliebt habe, habe ich die Ehre meiner Gefährtin und deiner Schwester verletzt." "Ihr habt Euch von ihr abgewandt und sie in den Dreck gezogen!", schrie Akira schon fast. "Deshalb ist sie auch fort gegangen, nicht wahr? DAS steckte dahinter!" Inu no Taishou antwortete zunächst nicht darauf. "Izayoi erwartet von mir ein Kind. Es dauert nicht mehr lange, dann wird sie es zur Welt bringen." Wie vom Blitz getroffen stand Akira einfach nur da, ehe er nach einem Moment abwertend den Blick von seinem Herrn abwandte. "Oyakata-sama... Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in unserem Clan schon einmal einen derartigen Fall von Entehrung gegeben hat. Ich würde Euch ohne Umschweife zum Kampf herausfordern, um die Ehre meiner Schwester wieder herzustellen!" "Doch du tust es nicht." "Weil ich im Gegensatz zu Euch zu wissen scheine, was 'Verantwortung' bedeutet. Ich will nicht, dass man später mit dem Finger auf meine Gefährtin und meinen Sohn zeigt und sie beide als Familie eines Aufrührers bezichtigt werden!" Und ohne eventuell auf eine Erwiderung zu warten oder selbst noch etwas dazu zu sagen, verließ Akira die Privaträume von Inu no Taishou und schlug nicht gerade zimperlich die Tür hinter sich zu. Auf dem Gang begegnete er vollkommen unerwartet seiner Gefährtin und seinem Sohn. Während Sakura einen recht gefassten Eindruck machte, sah Akira in Ashitakas Gesicht diese Spur von Verwirrung. Sakura schickte ihren Sohn fort, weil sie kurz allein mit ihrem Gefährten sprechen wollte. Nachdem Ashitaka gegangen war, schaute Akira spürbar verunsichert zu Sakura. "Sakura... Habt ihr beide alles mitbekommen?" "Es war unmöglich zu überhören gewesen", antwortete sie ruhig, ehe sie nach einer kurzen Pause fortfuhr: "Bitte mach unserem Herrn keine Vorwürfe, Akira. Deine Schwester hat unseren Clan immerhin schon vor einer ganzen Weile verlassen. Sie wusste schon lange Bescheid." Nach dieser Aussage war Akira sichtlich überrascht. "Woher weißt du davon? Hat sie mit dir gesprochen?" "Ich sollte dir nichts verraten.", gestand Sakura etwas reumütig. "Sie hat gewusst, wie sehr du dich deswegen aufregen würdest. Deshalb ging sie fort, ohne dir die genauen Gründe gesagt zu haben. Verzeih mir bitte, aber ich musste ihr versprechen, dass ich schweige." "Und... was ist mit Sesshoumaru-sama?" "Er stellt sich nicht gegen seinen Vater, aber du weißt ja wie er ist. Einverstanden ist er mit dessen Beziehung zu dieser Menschenfrau natürlich nicht." Akira schwieg. Noch immer wusste er nicht so recht, was er von alldem halten sollte. Bisher war ihm noch nie zu Ohren gekommen, dass jemand aus seinem Clan mal eine Bindung mit einem Menschen eingegangen wäre. Und dann auch noch ausgerechnet Inu no Taishou! "Akira?" "Was? Oh, entschuldige bitte. Ich war in Gedanken." Sakura schüttelte leicht lächelnd den Kopf. "Schon gut. Ich wollte dich auch eigentlich nur bitten, dir diese Sache nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen, ja? Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber trotzdem..." Begeistert war er zwar nach wie vor nicht, aber dennoch nickte Akira nach einem Moment kaum merklich. Vielmehr machte er sich im Nachhinein seine Gedanken um Ashitaka, da er nicht abzuschätzen vermochte, wie sehr ihn dieser Zwischenfall eben geprägt haben könnte. Ashitaka war schließlich noch sehr jung, da konnte es leicht passieren, dass er einiges falsch verstehen würde. Vielleicht vermutete er gar, sein Vater wollte sich gegen Inu no Taishou stellen, doch das hätte Akira nie getan, obwohl er sich eben noch so aufgeregt hatte. "Mach dir wegen Ashitaka keine allzu großen Sorgen", sprach Sakura ihren Gefährten schließlich an, als hätte sie anhand seines besorgten Gesichtsausdrucks seine Gedanken gelesen. "Vielleicht mag er sich ein wenig erschrocken haben, aber so leicht lässt er sich nicht beeinflussen. Du kennst ihn doch." "Ja, aber trotzdem hätte ich es gerne vermieden, dass er etwas mitbekommt. Ich hätte mich besser unter Kontrolle halten sollen." Akira fuhr sich einmal mit der Hand durchs offene Haar. "Kümmerst du dich bitte um ihn, Sakura? Ich würde gerne ein wenig über all das nachdenken." "Natürlich." "Danke." Akira gab Sakura einen sanften Kuss, dann verabschiedete er sich von ihr. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch keiner von beiden, dass dies das letzte Gespräch zwischen ihnen gewesen sein sollte... Akira verließ das Schloss mit unbekanntem Ziel. Ashitaka hatte ihn dabei beobachtet und war ihm heimlich gefolgt. Er hatte spürbare Mühe dabei gehabt, seinem Vater auf den Fersen zu bleiben, aber selbst, wenn er ihn mal kurz aus den Augen verloren hatte, hatte er ihn kurz darauf immer wieder entdeckt. Als er irgendwann eine mit Gras bedeckte Ebene erreichte, blieb Akira stehen. Er hatte sich schon ziemlich weit vom Schloss entfernt, aber das sollte ihm nur recht sein. So war es zumindest relativ unwahrscheinlich gewesen, dass er hier jemandem aus seinem Clan begegnen würde. Zumindest in der Theorie... "Vater?" Akira horchte überrascht auf und drehte sich um. "Ashitaka! Was machst du hier? Bist du mir etwa gefolgt?" Ein wenig unsicher nickte Ashitaka. "Bist du... deswegen jetzt böse auf mich?" Sein Vater war nach dieser Frage doch ein wenig erschrocken gewesen. "Wie kommst du darauf? Ich bin doch nicht böse auf dich." Akira ging auf seinen Sohn zu und kniete sich zu ihm auf den Boden. Dabei musste er allerdings schon etwas hoch schauen, denn so klein war Ashitaka schließlich nicht mehr gewesen. "Es tut mir Leid, mein Sohn. Ich wollte nicht, dass du das mitbekommst. Ich meine das zwischen deinem Onkel und mir." "Was ist denn eigentlich genau passiert?" Akira schüttelte leicht den Kopf. "Es ist ein wenig kompliziert. Aber nichts desto trotz hätte ich mich ihm gegenüber nicht so verhalten dürfen. Ich werde mich später bei ihm entschuldigen." "Ich glaube nicht, dass er wütend auf dich ist", meinte Ashitaka. Auf Akiras Gesicht erschien ein Lächeln. Gerade wollte er etwas erwidern, da hörte er dieses verdächtige Geräusch. Auch Ashitaka hatte es wahrgenommen. Langsam richtete sich Akira wieder auf. "Ashitaka, du solltest jetzt besser gehen", wies er seinen Sohn nun mit ungewohnt ernster Stimme an. Etwas war hier faul gewesen, er konnte es genau spüren. Ashitaka jedoch war sich unsicher darin, was er tun sollte. "Warum? Was ist denn los?" "Stell keine Fragen! Beeil dich lieber und geh!" In diesem Moment hörte man ganz in der Nähe das laute Brüllen eines Dämons. Er war schon ganz nahe. "Ashitaka, geh endlich, bevor er hier auftaucht!" "Und was machst du?" "Ich werde ihn aufhalten." Entschlossen zog Akira sein Schwert. Dabei wandte er sich noch mal an seinen Sohn. "Steh hier nicht so rum! Geh schon! Beeil dich!!" "Aber ich..." "Bitte, Ashitaka..." Akiras Stimme war wieder ruhiger geworden, aber dafür nicht minder eindringlich. "Du bist mein einziger Sohn. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Also geh! Ich komme nach, sobald ich diesen Dämon getötet habe." "Versprichst du es?" Akira schaute seinen Sohn zunächst nur stumm an, doch dann antwortete er mit einem kaum merklichen Lächeln: "Ja." *~Rückblick Ende~* >Vater...< Das war das letzte Mal gewesen, dass Ashitaka seinen Vater lebend gesehen hatte. Er starb kurz darauf im Kampf gegen den feindlichen Dämon, den er zuvor noch hatte töten können. Es hatte sich dabei um einen zweiköpfigen Schlangendämon gehandelt, der sein Territorium verlassen hatte und stattdessen in das westliche Gebiet eingedrungen war. Die Nachricht über Akiras Tod hatte das Schloss schon kurz darauf erreicht, aber trotzdem hatte Ashitaka noch die nächsten Tage darauf gewartet, dass sein Vater wieder zurückkam. Er hatte nicht glauben wollen, was alle anderen erzählten. Aber irgendwann hatte er endgültig begriffen, dass sein Vater nie wieder zurückkommen würde. Ashitaka schloss kurz die Augen, als wollte er damit die Bilder aus der Vergangenheit wieder aus seinem Gedächtnis verbannen. Als er erfuhr, dass Tôya tot war... Das war das zweite Mal, dass er dieses Gefühl verspürt hatte. Es war, als wäre ihm bei lebendigem Leibe das Herz rausgerissen worden. Es war, als wäre auch das eigene Leben auf einen Schlag vorbei gewesen... Ashitaka schaute wieder auf und blickte Rokou ernst ins Gesicht. "Ich verstehe dich und die Gründe für dein Handeln, das kannst du mir gerne glauben. Aber was du vor hast, bringt dir überhaupt nichts. Man kann sich nicht ewig hinter seiner Trauer verstecken und sie gar in Hass umschlagen lassen. Im Gegenteil, man muss versuchen, den Verlust zu überwinden. Nur so kann man damit fertig werden und nicht indem man Blutrache verübt oder dergleichen!" "Halt endlich dein Maul! Ich will diesen Unsinn nicht länger hören!" Rokou hatte genug von alldem. Er wollte sich dieses Geschwätz nicht länger anhören und stattdessen diesen Kampf endlich beenden. Um seinen Gegner endlich in seine Schranken zu weisen, erschuf Rokou eine Feuerwand, die Ashitaka wie in einem Kreis einschloss. Rokou war nun aus seiner Sicht verschwunden und konnte praktisch von überall her angreifen. Ashitaka konnte nur noch auf sein Gespür vertrauen, wollte er lebend aus dieser Flammenhölle herauskommen. "Du entkommst mir nicht! Es ist aus!!" Direkt hinter Ashitaka sprang Rokou aus den Flammen, um ihm den tödlichen Schlag zu versetzen. Rasend schnell ließ er sein Naginata niedersausen, doch im selben Moment drehte sich Ashitaka mit erhobenem Schwert um. Die Waffen prallten kurz aufeinander, dann verharrten beide Kämpfer. "Du..." Rokous Waffe glitt ihm aus der Hand und sackte auf die Knie, als Ashitaka sein Schwert wieder aus dessen Brust herauszog. Ashitaka ließ nun seinerseits sein Schwert fallen, um Rokou aufzufangen und seinen Oberkörper zu stützen. In seinem Blick lag schon fast so was wie Reue. "Ich sollte das eigentlich nicht sagen... aber dennoch tut es mir Leid..." Rokou glaubte zuerst, er habe sich verhört. Warum entschuldigte sich dieser Kerl jetzt auch noch? "Idiot!", entgegnete Rokou mit geschwächter Stimme. "Wir sind schließlich Feinde und das hier war ein Zweikampf... Warum entschuldigst du dich also? Lass den Blödsinn...!" Seltsamerweise verspürte Rokou jedoch nicht mehr diesen starken Drang nach Rache. Etwa, weil er wusste, dass er verloren hatte? Oder gab es einen anderen Grund? Mit einem Mal fühlte er sich so komisch. Er versuchte, sich irgendwie zu bewegen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. "Was du vorhin gesagt hast...", begann er nach einer Weile leise. "...vielleicht war das doch nicht so blöd." Ashitaka wirkte zwar überrascht, sagte aber nichts. "Ich bin des Kampfes müde..." Rokou schloss die Augen. Er wusste es selbst, es war gleich vorbei. Am Schluss war da keinerlei Gefühl mehr von Hass oder Wut. Vielmehr fühlte er sich fast schon befreit. Löste sich sein Geist bereits von seinem Körper? Für Rokou war es so, als würde alles sehr langsam geschehen. Als würde er allmählich einschlafen. Er vermochte nicht zu sagen, ob er es sich nur einbildete, aber ihm war, als hörte er jemanden seinen Namen sagen. Eine wohlbekannte Stimme, die er immer wieder erkennen würde. Dann wurde es wieder still... Ashitaka spürte, wie das Leben aus Rokous Körper wich und letztendlich verschwand. Es war vorbei. Vorsichtig legte er ihn auf den Boden ab, ehe er selbst versuchte, wieder aufzustehen. Das Atmen fiel ihm schwer und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Auch die Energie seines Bannkreises hatte stark abgenommen. Ashitaka zwang sich zu einigen wenigen Schritten, doch dann versagten auch seine letzten Kräfte und er fiel zu Boden. Bevor er das Bewusstsein verlor, bemerkte er noch, wie sein Bannkreis sich allmählich aufzulösen begann. Miyuki trat einige Schritte zurück, als der Bannkreis zu verschwinden begann. Der Kampf schien vorbei gewesen zu sein, aber wie war er ausgegangen? Ihr fiel gleich auf, dass es unheimlich still war und als sich der Bannkreis schließlich gänzlich aufgelöst hatte, entdeckte sie Rokou und Ashitaka regungslos auf dem Boden liegen. "Ashitaka!" Sofort war Miyuki zu ihm geeilt. Vorsichtig richtete sie Ashitakas Oberkörper etwas auf. Ein erleichtertes Seufzen entwich ihr, als sie seine Atmung wahrnahm, auch wenn diese eher schwach war. Aber er lebte und das war für sie erst mal die Hauptsache gewesen. Und was war mit Rokou? Sie schaute in seine Richtung und erkannte rasch, dass er tot war. Ihre Erleichterung hielt sich jedoch spürbar in Grenzen, als sie zwischen den Bäumen plötzlich die Silhouette einer weiteren Person erkannte. Und der Geruch verriet ihr, dass es keiner aus ihrer Sippe war. Kurz darauf war der Unbekannte am Ort des Geschehens angelangt. Miyuki musste schlucken. "Renhou..." >Zu spät... Ich bin zu spät gekommen.< Bis zuletzt hatte Renhou noch gehofft, er würde noch rechtzeitig kommen und Rokou von seinem Vorhaben abbringen können. Doch sowohl er als auch die anderen hatten zu spät bemerkt, dass ihr Kamerad das Schloss verlassen hatte. Und was er vorgehabt hatte, war auch klar gewesen. Renhou ließ kurz seinen Blick schweifen. Miyukis Augenmerk war die ganze Zeit über genauestens auf ihn gerichtet. Es war ganz klar, dass sie befürchtete, er würde sie und Ashitaka jeden Moment angreifen, doch er hatte anderes vor. Wortlos ging er rüber zu Rokous leblosen Körper und hob diesen vom Boden auf. Anschließend machte er ohne weiteres wieder kehrt und verschwand. Miyuki war darüber zwar einerseits ziemlich irritiert, aber mehr noch war sie einfach nur froh und erleichtert darüber gewesen, dass nichts weiter passiert war. Allerdings musste sie sich jetzt irgendwie darum kümmern, dass für Ashitaka gesorgt werden würde. Aber wie? Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, ihn allein hier liegen zu lassen und selbst zum Schloss zu gehen, um Hilfe zu holen. Doch musste sie sich zu ihrem Glück schon bald keine Gedanken mehr darum machen, denn auf einmal hörte sie sich jemand dem Ort des Geschehens näherte. Es waren einige der Inu-Youkai aus dem Schloss. Offenbar waren sie doch auf das aufmerksam geworden, was passiert war. Endlich kam die erhoffte Hilfe... An einem kleinen Fluss, in ausreichender Entfernung zum Schloss der Inu-Youkai blieb Renhou irgendwann stehen. Anscheinend wurde er nicht verfolgt. Das konnte ihm nur recht sein, denn auf einen Kampf legte er im Moment nun wirklich überhaupt keinen Wert. Schweigend schaute er auf Rokou herab. Seine Gesichtszüge waren entspannt, als würde er lediglich schlafen, sah man von der tödlichen Wunde in seiner Brust ab. Der helle Stoff seiner Kleidung war an dieser Stelle mit Blut durchtränkt gewesen. In gewisser Hinsicht schlief er in der Tat, nur würde er nie wieder aus diesem Schlaf erwachen. "Du hättest das nicht tun dürfen, Rokou. Damit hast du keinem einen Gefallen getan und am wenigsten dir selbst. Trotzdem..." Renhou wandte den Blick leicht von ihm ab. "...vergib mir bitte, dass ich rechtzeitig da war. Vielleicht hätte ich dich von deinem Vorhaben abbringen können." Und nicht nur bei Rokou hatte Renhou das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, sondern auch bei Toba. Er fragte sich, warum und wie es überhaupt so weit kommen konnte. Nicht, dass er schon so manchen seiner Kameraden im Kampf hatte sterben sehen, aber diese Opfer erschienen ihm so überflüssig und sinnlos, wie er es sonst nur bei wenigen empfunden hatte. Alles erschien ihm im Moment so falsch. Dieser ganze Kampf an sich und überhaupt. Plötzlich spürte Renhou etwas auf seinem Gesicht und als er seinen Blick hob, erkannte er, dass sich am Himmel einige dunkle Wolken zusammengezogen hatten und es leicht zu regnen anfing. In diesem Moment begann sich Rokous Körper wie in einem hellen Licht aufzulösen. Es war also so weit. Nach und nach verschwand die Gestalt seines gefallenen Kameraden in Renhous Armen und viele kleine Lichter stiegen langsam nach oben. Letztendlich war Rokous Körper gänzlich verschwunden. Nur einige der kleinen Lichtquellen waren noch eine Zeit lang zu sehen gewesen, ehe auch diese allmählich am dunklen Himmel verblassten. Noch lange war Renhous Blick dem Regen zugewandt. Seine Gedanken kreisten wie in einem Dämmerzustand um Toba und Rokou. In gewisser Hinsicht waren sie beide Opfer ihrer selbst geworden. Sie hatten sich unter anderem von Selbstüberschätzung und Rachedurst heraus zu diesen Kämpfen verleiten lassen, die sie schlussendlich das Leben gekostet hatten. Aber vielleicht würden sie beide dennoch irgendwann mal eine zweite Chance erhalten. In einem nächsten Leben... * ~ * ~ * ~ * ~ * "Hätte Ashitaka keinen Bannkreis errichtet, hätten wir viel früher mitbekommen, was los war!", meinte Inu Yasha schon beinahe tadelnd, bekam von Kagome aber sogleich ein Zeichen, dass er etwas leiser sprechen sollte. Zusammen mit den anderen, sowie im Beisein von Sakura und auch Sesshoumaru befanden sie sich momentan in Ashitakas Zimmer. Ashitaka lag noch bewusstlos auf seinem Schlaflager. Seine Wunden waren notdürftig versorgt worden, aber die Schwere seiner Verletzungen vermochte im Moment keiner so wirklich einzuschätzen. "Können wir noch irgendetwas für ihn tun?", fragte Sango irgendwann vorsichtig an Sakura gewandt. Diese ließ ein leises Seufzen verlauten. "Wir können jetzt eigentlich nur noch abwarten. Es wäre gut, wenn Kakeru hier wäre, aber..." Denn Kakeru war innerhalb des Clans derjenige gewesen, der am meisten von Heilkunst verstand. Aber noch immer gab es nichts, was auf seinen momentanen Aufenthaltsort hingedeutet hätte. Miyuki, die neben Ashitaka auf dem Boden saß, hielt den Blick die ganze Zeit über gesenkt und schwieg. Was die anderen gerade besprachen, bekam sie nur teilweise mit. Sie wollte nichts von solchen Dingen hören, dass Ashitaka es vielleicht nicht schaffen würde oder so etwas. Stattdessen klammerte sie sich an die Hoffnung, dass es ihm bald wieder besser gehen würde. "Ich frage mich, warum Renhou einfach so wieder verschwunden ist...", murmelte Kimie nach einer Weile in sich hinein. Von Miyuki hatten sie und die anderen zuvor erfahren, was nach dem Kampf geschehen war. Ihre Worte stimmten auch so manch anderen nachdenklich. "Theoretisch hätte er kämpfen können", gab Kagome zu. "Aber vielleicht hatte er damit gerechnet, dass sich diesmal jemand einmischen würde und wollte kein Risiko eingehen." "Oder er wollte nicht kämpfen", meinte Miroku. "Aber egal, was ihn letztendlich zum Rückzug bewegt hat, dieser Zwischenfall dürfte mit dafür sorgen, dass es sehr bald zum entscheidenden Kampf kommen wird." "Glaubst du, Akuma will sich für das rächen, was passiert ist?", fragte Sango. Bevor Miroku ihr darauf aber antworten konnte, was es Kimie, die erneut das Wort ergriff: "Ach! Akuma dürfte das alles so ziemlich egal sein! Sogar sein eigener Bruder ist ihm dem Anschein nach vollkommen gleichgültig. Als ob er sich dann seine Gedanken darum machen würde, was mit seinen anderen Leuten geschieht..." Da sie doch recht aufgebracht gesprochen hatte, obwohl sie sich Mühe gegeben hatte, sich zu zügeln, war nun so mancher überraschter Blick auf sie gerichtet. "Warum regst du dich darüber so auf?", fragte Inu Yasha verständnislos. "Es kann dir doch eigentlich egal sein, warum Akuma wie handelt." "Eh?" Abrupt wurde Kimie wieder still. Da hatte sie sich mal wieder von ihren Gefühlen leiten lassen. Wie hätte sie den anderen ihren Ausbruch auch erklären sollen? Sie wollte nicht schon wieder mit dieser Geschichte von Takeshis Liebesgeständnis ankommen, zumal bis auf Sesshoumaru ja keiner sonst davon wusste. Sie erklärte ihre Reaktion damit, dass sie Akuma ohnehin nicht ausstehen konnte und beließ es dann dabei. Bei einem flüchtigen Blick zu Sesshoumaru konnte Kimie nicht Ungewöhnliches an seinem Gesichtsausdruck feststellen. Es hätte ja sein können, dass er vermutete, sie wollte Takeshi mal wieder in Schutz nehmen, als sie sich so über dessen Bruder aufgeregt hatte. Aber selbst, wenn dem so gewesen wäre, Sesshoumaru schien sich nicht daran zu stören, zumindest zeigte er nichts dergleichen. Darüber war Kimie zugegebenermaßen schon recht erleichtert gewesen. Ansonsten hätte sie den Eindruck bekommen, er würde ihr bei jeder Kleinigkeit misstrauen. Oder verhielt er sich nur deshalb so ruhig, weil die anderen dabei waren? Doch im Grunde gab es im Moment Wichtigeres, als sich über so etwas Gedanken zu machen. "Was mag nur mit Kakeru-sama passiert sein...?", fragte sich Kagome irgendwann mit besorgter Stimme. Nicht nur, weil er vermutlich der Einzige war, der Ashitaka womöglich hatte helfen können, auch in Anbetracht der ganzen jüngsten Ereignisse stiegen ihre Sorgen noch weiter. Bevor jemand dazu eventuell etwas hätte erwidern können, klopfte es unvermittelt an der Tür. Sesshoumaru gestattete dem Besucher den Eintritt und einer seiner Leute schob daraufhin die Tür auf. Er verneigte sich leicht. "Verzeiht die Störung, Sesshoumaru-sama, aber es gibt Neuigkeiten. Kakeru-sama ist zurück." Sofort waren alle wieder hellwach gewesen und schauten abwartend zu dem Youkai, der anscheinend noch etwas sagen wollte, aber irgendwie verunsichert wirkte. "Was ist los? Sprich weiter!", forderte Sesshoumaru ihn auf. "Ich denke, Ihr schaut es Euch am besten selbst an", entgegnete sein Gefolgsmann jedoch nur. Dann wandte er sich an Miyuki: "Miyuki, du solltest besser auch mitkommen." "Was?" Jedem war irgendwie merkwürdig zumute gewesen, während sie alle gemeinsam durch die Gänge schritten. War etwas mit Kakeru passiert? War er vielleicht verletzt? Diese und andere Fragen spukten den einzelnen im Augenblick durch den Kopf, bis sie endlich die Haupteingangstüren des Schlosses erreichten. Sesshoumaru öffnete ohne Umschweife beide Türen, die nach außen aufschwenkten und den Blick freigaben auf den großen Hof. Dort stand tatsächlich Kakeru, aber es schien ihm gut zu gehen. Vielmehr sorgte die Person, die in seiner Begleitung war sofort für fassungsloses Schweigen. "Aber das... das kann doch nicht...!?", flüsterte Miyuki ungläubig. Wie versteinert stand sie auf der Stelle, als traute sie sich nicht, auch noch einen Schritt zu tun. Das konnte nicht sein! Das musste sie sich bloß einbilden! Aber dann ginge es ihr genau so wie allen anderen und das konnte wiederum auch nicht der Wirklichkeit entsprechen. Also musste es wahr sein. "Nii-sama...?" Tôya, der bis eben schweigend neben Kakeru gestanden hatte, lächelte seiner Schwester sanft zu. "Ja. Du kannst es ruhig glauben, Miyuki." Seine ruhige Stimme hallte wie in einem Traum in ihrem Kopf wieder. Miyuki war so, als wäre die Zeit zum Stehen gekommen. Noch einen Moment stand sie wie gebannt auf der selben Stelle, doch dann lief sie auf ihren Bruder zu und fiel ihm überglücklich in die Arme. "Nii-sama, du lebst! Ich bin so froh! Und ich dachte die ganze Zeit, du wärst..." Ihre Stimme ging in einem nachfolgenden Schluchzen unter, doch weinte sie dieses Mal aus Freude. Noch immer konnte sie es nicht so wirklich fassen, aber es war wirklich wahr. Tôya lebte. Ihr Bruder war am Leben! "Tut mir Leid, wenn du wegen mir Kummer gehabt hast", entschuldigte sich Tôya, während er Miyuki behutsam über das Haar strich. Sie hätte ihn wohl am liebsten gar nicht mehr losgelassen, so sehr, wie sie im Moment an ihm festhielt, als befürchtete sie immer noch, er würde verschwinden, sobald sie sich wieder von ihm lösen würde. Aber wer konnte Miyuki das schon verdenken? Viel größer war die allgemeine Überraschung und die Freude über dieses unerwartete Ereignis. Zwar sah man Tôya die Folgen des überstandenen Kampfes gegen Toba noch an, denn die Beschädigungen an seiner Rüstung und die Risse in seinem Kimono waren nach wie vor vorhanden gewesen. Auch machte er einen noch leicht geschwächten Eindruck, aber nichts desto trotz schien es ihm dennoch gut zu gehen. "Tse! Und wegen dir haben wir uns eine Woche lang den Kopf zerbrochen, obwohl es dazu keinen Grund gab?", fragte Inu Yasha ruppig an den Youkai gewandt, wobei dies jedoch lediglich seine Art gewesen war, um zu sagen: "Schön, dass es dir gut geht." Tôya hatte die Anspielung des Hanyou verstanden, weshalb er entsprechend ruhig reagierte. "Ich hätte euch allen gerne Bescheid gegeben, aber ich konnte nicht. Es tut mir Leid." "Ach, nein! Entschuldigt Euch doch nicht, Tôya-san!", meinte Kagome erleichtert. "Die Hauptsache ist doch, es geht Euch gut. Das ist wirklich schön." Und da sprach sie wohl so ziemlich jedem aus der Seele. Was die Anwesenden auf dem Hof im Moment nicht mitbekamen, war die Tatsache, dass sie alle beobachtet wurden. "Hey, Leute! Schaut euch das mal an! Nee-san, du solltest auch mal kurz herkommen", rief Karan ihren Geschwistern zu, während sie selbst auf der Veranda vor ihrem Zimmer stand. Touran und ihre beiden anderen Geschwister gesellten sich zu ihr und waren nicht minder überrascht gewesen, als sie Tôya entdeckten. "Verblüffend!", fand Shunran. "Wie hat er das geschafft? Wir dachten doch alle, er wäre tot." "Tja, das war wohl ein Irrtum." Karan stützte sich mit den Ellenbogen auf das Geländer und schielte leicht in Tourans Richtung. Ein schelmisches Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. "Hey, Nee-san! Hast du dich nicht erst letztens noch darüber beklagt, dass du dich nicht bei ihm dafür bedanken konntest, dass er dich gerettet hat? Das kannst du jetzt ja nachholen." Touran zog leicht eine Augenbraue hoch. "Worauf spielst du an, Karan? Und was soll überhaupt dieser Blick von dir?" Karans Grinsen wurde noch etwas breiter. "Nichts, ich dachte ja nur... Da du Sesshoumaru ja inzwischen wieder aufgegeben zu haben scheinst, könntest du dir doch einen anderen Hund an Land ziehen, oder?" Touran fiel fast aus allen Wolken, als sie das hörte, ebenso wie Shunran und Shuuran. "Karan, hast du etwa Fieber?", fragte Shunran irritiert. "Du hast dich doch zuerst wahnsinnig darüber aufgeregt, dass Touran etwas von Sesshoumaru wollte, eben weil er ein Inu-Youkai ist, und jetzt kommst du mit so etwas an?" Karan ließ ein müdes Gähnen verlauten. "Meine Güte, jetzt kommt mal wieder klar! Das war doch nur ein Scherz. Nehmt nicht gleich alles so ernst." Und mit diesen Worten verschwand sie wieder im Zimmer. Zurück blieben ihre drei Geschwister, die noch immer etwas dumm aus der Wäsche schauten. "Immer, wenn ich glaube, ich würde sie kennen, überrascht sie mich aufs Neue...", murmelte Shuuran in sich hinein. Seine beiden Schwestern hüllten sich hingegen in ratloses Schweigen. Indes hatte schon fast jeder seine Erleichterung darüber ausgedrückt, dass Tôya noch lebte. Nur Sesshoumaru hatte bis jetzt geschwiegen, schritt nun jedoch die Treppen vor dem Eingang hinunter und kam auf ihn und Miyuki zu. Als er direkt vor ihnen stand, ließ Miyuki zwar wieder etwas von ihrem Bruder ab, blieb aber dennoch dicht bei ihm. Tôya verneigte sich leicht vor seinem Herrn. "Ich bedaure diese ganzen Umstände wirklich sehr, Sesshoumaru-sama. Es lag nicht in meiner Absicht, dass..." "Du brauchst nichts zu erklären, Tôya", unterbrach Sesshoumaru ihn. Obwohl es aus seinem Mund wie üblich wie eine Anweisung klang, bemerkte man bei genauerem Hinhören dennoch einen gewissen Unterton von Erleichterung. Ohnehin hatte keiner erwartet, er würde Tôya vor lauter Freude um den Hals fallen, denn dann hätten sie alle wohl ernsthaft an der Gesundheit von Sesshoumarus Geisteszustand gezweifelt. "Aber was ist eigentlich passiert, Kakeru?", fragte Kimie schließlich. "Wo seid Ihr die ganze Zeit über gewesen? Wir haben uns große Sorgen gemacht." "Das tut mir wirklich sehr Leid", entschuldigte sich Kakeru sogleich. "Ich bin jedoch gerne bereit, euch zu erzählen, was vorgefallen ist." Darum baten alle. Immerhin war Kakeru eine ganze Woche fort gewesen. Doch da fiel es Miyuki abrupt wieder ein und sie sprach ihn an: "Uhm, Kakeru-sama? Es gibt da noch etwas. Könntet Ihr bitte mal nach Ashitaka schauen?" "Warum? Was ist geschehen?" "Er... ist verletzt worden, als er gegen Rokou kämpfte." Der anfängliche Schock über diese Neuigkeit war besonders bei Tôya schnell einem Gefühl der Besorgnis gewichen, als sie sich alle wieder in Ashitakas Zimmer versammelt hatten. Kakeru besah sich die Verletzungen von Ashitaka genauestens und kümmerte sich sogleich darum, diese entsprechend zu versorgen. "Wie ist das passiert?", fragte Tôya nach einer Weile. "Wie kam es, dass er gegen Rokou gekämpft hat?" Miyuki senkte leicht den Blick. "Rokou ist plötzlich hier aufgetaucht und hat mich angegriffen. Bei dem großen Baum, zu dem ich immer gerne gehe, du weißt schon... Er wollte mich töten, weil er so Rache für Tobas Tod nehmen wollte. Und weil er auch wie wir alle glaubten, du wärst tot, Nii-sama, wollte er sich an denen rächen, die dir nahe stehen. Aber dann ist Ashitaka gekommen und hat sich ihm entgegengestellt. Von dem Kampf habe ich nichts mitbekommen, weil Ashitaka einen Bannkreis errichtet hatte. Und als alles wieder vorbei war, war er schwer verletzt und ohne Bewusstsein. Rokou hingegen ist tot. Renhou kam hinzu und hat ihn mitgenommen. Mehr weiß ich nicht..." Tôya hatte seiner Schwester die ganze Zeit über aufmerksam zugehört. Es war schon irgendwie verrückt gewesen, wie sich alles so entwickelt hatte und was passiert war. Aber wer konnte in Zeiten des Kämpfens und des Krieges schon von Logik sprechen? Es war in solchen Zeiten schon immer stets reiner Zufall gewesen, wer überlebte und wer starb. Und Tôya selbst hatte wahnsinnig viel Glück gehabt, ansonsten wäre auch er jetzt nicht mehr am Leben. "In Ordnung, das müsste erst mal genügen", lenkte die ruhige Stimme von Kakeru die Aufmerksamkeit der Anwesenden wieder auf Ashitaka zurück. "Ich habe getan, was ich konnte. Gönnen wir Ashitaka-dono ausreichend Ruhe, dann müsste es ihm bald wieder besser gehen." "Danke, Kakeru", bedankte sich Sakura bei ihm für seine Mühen. Ashitaka machte nach wie vor nicht unbedingt den Eindruck, als würde er so schnell wieder aufwachen, aber zumindest atmete er ruhig und gleichmäßig. Die anderen waren guter Hoffnung gewesen, dass er wirklich bald wieder gesund sein würde. "Aber jetzt sag schon, Nii-sama, was ist mit dir passiert?", fragte Miyuki ihren Bruder. "Wie kann es sein, dass du lebst? Wir dachten, du wärst tot. Wie hast du überlebt?" Die abwartenden Blicke der anderen genau auf sich spürend, antwortete Tôya: "Ich hatte großes Glück. Viel hat nicht mehr gefehlt und ich wäre wirklich gestorben." "Aber warum bist du erst jetzt zurückgekommen? Was ist denn passiert?" "Eine merkwürdige Frau", antwortete Kakeru nun an Tôyas Stelle. "Auf den ersten Blick schien sie ein Mensch zu sein, aber das Seltsame war, dass kein Leben in ihr steckte. Ich meine, sie hat sich bewegt und gesprochen, als wäre sie am Leben, doch sie war es nicht wirklich. Offenbar handelte es sich bei ihr um eine Miko." "Was?! Eine Miko?", kam es sogleich wie aus der Pistole geschossen von Inu Yasha, da er schon so einen Verdacht gehabt hatte. Kakeru nickte. "Ja, aber sie roch nicht nach einem Menschen, sondern nach Knochen und Graberde." >Kikyou!?<, sah sich Inu Yasha sofort in einer anfänglichen Vermutung bestätigt und auch seine Freunde dachten im Moment genau das selbe. Mit Spannung lauschten alle nun dem, was Kakeru zu berichten gehabt hatte... *~Rückblick~* Der Morgen war schon längst angebrochen, als Kakerus Weg ihn schlussendlich direkt an einen Fluss geführt hatte. Auf das Rauschen der Strömung lauschend, war er dem Wasser eine ganze Weile in die entsprechende Richtung gefolgt. Irgendwann hatte er dabei eine Stelle erreicht, über der noch der Geruch von Blut in der Luft hing. Es war das Blut von zwei verschiedenen Youkai gewesen. Einmal das von Toba und das andere... Kakeru hatte es sofort als das von Tôya wieder erkannt. Aber bis auf den Geruch gab es hier nichts mehr, also hatte er seinen Weg fortgesetzt. Das anfangs noch sehr starke Rauschen war jedoch nach und nach immer schwächer geworden. Der Fluss verjüngte sich zusehends. Eine unmittelbare Bedrohung existierte für Kakeru nicht. Zumindest konnte er keine feindliche Aura oder eine Witterung aufnehmen. Aber einen bekannten Geruch vernahm er bald von neuem. Dieser kam von der anderen Seite des Flusses. Kakeru überquerte mühelos den Fluss und legte seine dämonische Form wieder ab. Anschließend schritt er in den nahe gelegenen Wald hinein. Sich in dieser Gegend allzu lange aufzuhalten, war eigentlich recht riskant gewesen. Denn streng genommen befand sich Kakeru im Augenblick im feindlichen Gebiet, obwohl er weit von den Bergen entfernt gewesen war. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen, sondern folgte stattdessen weiter diesem Geruch. Es lag Blut darin, das war unverkennbar gewesen. Je näher er kam, umso greifbarer schien auch diese schwache Aura zu werden, die er spürte. Noch eine Weile schritt Kakeru durch den Wald, bis er an einer Art Höhle ankam. Aus einem Reflex heraus öffnete er die Augen, schloss sie aber sogleich wieder mit einem leichten Kopfschütteln. >Ich Narr... Dabei ist es doch schon lang genug her<, schalt er sich selbst. Er tastete sich etwas an der Wand der Höhle entlang, bis er den Eingang fand. Kein Zweifel, die Aura kam direkt aus ihrem Inneren. Vorsichtig betrat er die Höhle. Hier und da hörte er von der Decke vereinzelte Wassertropfen hinabfallen, ansonsten war da nur ein leichtes Echo, welches von seinen eigenen Schritten ausging, gewesen. Plötzlich blieb Kakeru stehen und lauschte. Ganz schwach konnte er erschöpft klingende Atemlaute wahrnehmen. Er ging weiter, bis er endlich an seine Ziel ankam. Seine Vermutung hatte sich bestätigt. "Tôya..." Obwohl er ihn nicht sehen konnte, so konnte Kakeru ganz genau spüren, dass dort tatsächlich Tôya auf dem Boden der Höhle lag. Allerdings schien er nicht bei Bewusstsein gewesen zu sein. Noch immer roch Kakeru Blut, aber die Wunden schienen in der Zwischenzeit von irgendjemanden behandelt worden zu sein. Vorsichtig kniete er sich zu Tôya nieder und berührte leicht dessen Gesicht. Tôya gab einen leisen Laut von sich und drehte den Kopf in Kakerus Richtung, ohne dabei aber aufzuwachen. Seine Kraft war fast vollständig aufgebraucht gewesen. Er konnte sich im Augenblick nicht mal mehr richtig bewegen. >Unglaublich... Wie hat er überlebt?< Zwar hatte Kakeru es insgeheim gehofft, dass Tôya doch noch mit dem Leben davongekommen war, das war schließlich auch der Grund gewesen, weshalb er ohne genauere Angaben gemacht zu haben das Schloss verlassen hatte, aber dass er seinen Kameraden tatsächlich lebend vorfinden würde, damit hatte er nicht gerechnet. Die Erleichterung war allerdings sehr groß gewesen, trotz Tôyas bedenklichen Zustands. Plötzlich nahm Kakeru diesen anderen fremdartigen Geruch war und konnte kurz darauf auch Schritte hören, die sich langsam aber sicher näherten. Er drehte sich nicht um, aber er spürte die Anwesenheit einer unbekannten Person. "Ihr seid auch ein Inu-Youkai", hörte er schließlich die ruhig sprechende Stimme einer jungen Frau sagen. "Seid ihr Kameraden?" Kakeru ließ wieder von Tôya ab und richtete sich auf. Dabei wandte er sich zu der jungen Frau um. "Mein Clan glaubt, Tôya wäre tot. Habt Ihr ihm geholfen?" Er konnte es nicht wissen, aber diese junge Frau war eine Miko gewesen. Genauer gesagt, es war Kikyou. Sie erkannte sofort, dass der Youkai vor ihr seine Fähigkeit zu sehen verloren hatte, aber trotzdem war er nicht zu unterschätzen gewesen, denn sie nahm deutlich diese starke, dämonische Aura wahr, die von ihm ausging. Auf die vorangegangene Frage antwortete Kikyou schließlich mit einem Blick auf Tôya: "Als ich ihn nicht weit von hier am Flussufer fand, war er dem Tod näher als dem Leben. Obwohl er ein Youkai ist, hat es mich selbst gewundert, dass er noch am Leben war. Doch noch hat er es nicht geschafft." Kikyou ging an Kakeru vorbei und ging einmal um Tôya herum, um sich anschließend neben ihm auf den Boden zu knien. "Aber auch eine andere Sache überrascht mich", sprach sie weiter. "Eigentlich hatte ich den Eingang dieser Höhle mit einem schützenden Bann belegt, um feindliche Dämonen fernzuhalten. Doch Ihr konntet die Barriere anscheinend problemlos überwinden, was mich darauf schließen lässt, dass von Euch wohl in der Tat keine Gefahr ausgeht." "Eine Barriere?", wiederholte Kakeru. In der Tat hatte er nichts dergleichen wahrgenommen, aber dafür wurde ihm nun etwas anderes klar. "Sagt mir, seid ihr eine Miko?" "Ja, das ist richtig", bestätigte Kikyou ihn mit nach wie vor ruhiger Stimme. "Wie kommt eine Miko dazu, einen Youkai zu pflegen?", wagte Kakeru nach einem Augenblick der Stille zu fragen. Zuerst antwortete Kikyou nicht. Das lag aber nicht etwa an Unsicherheit oder dergleichen. "Ich gebe zu, ich war anfangs unschlüssig. Doch dann hörte ich ihn im Fiebertraum den Namen 'Miyuki' sagen. Wer auch immer sie ist, sie muss ihm sehr wichtig sein." Sie strich Tôya eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht und befühlte seine Stirn. Das Fieber war noch immer bedenklich. Direkt neben ihr tropfte aus einer Stelle der Gesteinswand der Höhle etwas Wasser in eine kleine Mulde am Boden. Kikyou tränkte ein Tuch in dem klaren Wasser und legte das gekühlte Stück Stoff auf Tôyas Stirn. Kakeru verfolgte mit seinen Ohren ihr Handeln. Sogar an der Schwelle zum Tod hatte Tôya nicht an sich selbst gedacht. "Miyuki ist seine jüngere Schwester", erklärte er Kikyou nach einem Moment. "Verstehe", entgegnete diese. "Auch ich habe eine jüngere Schwester. Allerdings..." "Hm?" Kikyou schüttelte leicht den Kopf. "Unwichtig. Vergesst es." Kakeru konnte hören, wie sie wieder aufstand. "Er hat einen starken Willen. Mit etwas Glück wird er es vielleicht schaffen. Nehmt Ihr Euch ab jetzt seiner an?" "Und was habt Ihr nun vor?" "Es gibt noch eine Sache, die ich zu erledigen habe. Ein Ziel, das ich schon seit längerer Zeit verfolge... Bitte haltet mich nicht auf. Ich habe Euch genügend an Heilkräutern zurückgelassen, die Eurem Kameraden helfen werden. Und nun... lebt wohl." Kikyou nahm noch ihren Bogen und ihren Köcher mit den darin enthaltenen Pfeilen an sich, welche sie an der Höhlenwand abgelegt hatte, dann ging sie mit ruhigen Schritten an Kakeru vorbei. Als sie die Höhle verließ, versammelten sich sofort ihre Seelenfänger um sie herum und lautlos und geheimnisvoll verschwand sie letztendlich wieder. Kakeru ließ sie ziehen. Warum hätte er sie auch aufhalten sollen? Immerhin konnte er sich ebenso um Tôya kümmern. Aber eines hatte er bezüglich Kikyou gleich bemerkt: den Geruch von Knochen und Graberde. Diese Miko... sie war bereits tot gewesen. *~Rückblick Ende~* "Kein Zweifel, das muss Kikyou-sama gewesen sein!", sagte Miroku, kaum, dass Kakeru mit seiner Erzählung am Ende angelangt war. Kagome warf einen flüchtigen Blick auf Inu Yasha. An seinem Gesicht konnte sie regelrecht ablesen, wie sehr er gerade an Kikyou dachte. Bestimmt machte er sich Sorgen um sie, dass sie sich vielleicht in diesen Kampf einmischen könnte, sofern sie ebenfalls davon wissen sollte, dass Naraku bei alldem keine unwesentliche Rolle spielte. "Entschuldigt bitte, dass ich euch allen keine Nachricht habe zukommen lassen, aber ich hatte nicht die Möglichkeit, euch zu benachrichtigen", entschuldigte sich Kakeru nach einem Moment der Stille. "Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel, aber Tôya ging es bis gestern noch nicht so gut, dass wir wieder hierher hätten zurückkommen können. Und ich wollte ihn nicht allein zurücklassen, weil wir immer damit rechnen mussten, dass wir von den Ryû-Youkai hätten entdeckt werden können." "Es ist in Ordnung, Kakeru", entgegnete Sesshoumaru mit einem Nicken. Die Gespräche kamen prompt zum Erliegen, als von Ashitaka ein kaum wahrnehmbares Seufzen zu hören war. Wachte er bereits wieder auf? Gespannt beobachteten ihn alle, als er nach einigen Sekunden langsam seine Augen öffnete. Zuerst schaute er nur aus halb geöffneten Augen stumm an die Decke, als wusste er nicht, wo er sich gerade befand, als er als erstes Sakura und Kakeru bemerkte, die bei ihm saßen. "Mutter... Kakeru? Du bist zurück? Was...?" Bevor Ashitaka aber irgendeine Frage stellen konnte, hatte sich Tôya von der anderen Seite leicht zu ihm vorgebeugt. "Ashitaka?" "Hm?" Ashitaka drehte den Kopf ein wenig zur anderen Seite. An seinem Gesicht konnte man deutlich die Irritation und die Verwirrung ablesen, als er seinen Freund entdeckte. "Tô... Tôya...? Aber das kann doch nicht... Ich meine, wie hast du...?" "Überrascht?", fragte Tôya mit einem nunmehr überlegenen Lächeln auf den Lippen. "Ich sagte dir doch bereits vor einiger Zeit, dass du mich so schnell nicht loswerden würdest." Und als wollte er die Situation ein wenig auflockern, fügte er noch neckisch hinzu: "Wie siehst du überhaupt aus? Kaum bin ich mal eine Woche weg, schon finde ich dich in einem solchen Zustand vor." "Na, du musst gerade reden, so abgerissen wie du im Moment aussiehst...", entgegnete Ashitaka nicht minder aufziehend, ehe sich ein erleichtertes Lächeln auf seine Lippen stahl. "Aber ich bin froh, dass du lebst. Vergib mir, dass ich dir nicht vor Freude um den Hals falle, aber du siehst ja selbst…" Tôya nickte einmal. Eigentlich hätten sich die beiden noch viel sagen können, aber jeder wusste bereits vom jeweils anderen, was er sagen wollte. "Tôya, ich würde vorschlagen, dass du dich noch ausruhst", meinte Kakeru letztendlich. "Gut. Dann zieh ich mich erst mal um und mach mich wieder etwas hübsch", scherzte Tôya und stand auf. Miyuki machte schon Anstalten, ihn begleiten zu wollen, doch er selbst legte ihr nahe, dass sie ruhig bei Ashitaka bleiben konnte. Nachdem Tôya das Zimmer verlassen hatte, zogen sich auch Inu Yasha, Kagome und die anderen zunächst wieder zurück. Ashitaka sollte sich in Ruhe erholen können. Lediglich Sakura und Miyuki blieben bei ihm. In seinem Zimmer angekommen, schaute Tôya sich zunächst nur etwas um. Im Grunde war er nur eine Woche fort gewesen, trotzdem kam es ihm irgendwie merkwürdig vor, jetzt wieder hier zu stehen. Um ein Haar hätte er nicht mehr hierher zurückkommen können. Nachdem er sich so weit wieder mit seiner Umgebung vertraut gemacht hatte, wusch er sich zunächst das Gesicht und entledigte sich seiner Rüstung und seiner alten Kleidung, um sich einen neuen Kimono anzulegen. Obwohl seine Wunden schon zu einem großen Teil verheilt waren, spürte er bei manchen Bewegungen noch diesen leichten Schmerz. Auch die Verletzung, die er sich selbst zugefügt hatte, um Toba auszuschalten, machte ihm noch zu schaffen. Obwohl er sich dabei sein Schwert selbst durch die Brust gestoßen hatte, hatte er dabei dennoch sein Herz verfehlt. Eine Tatsache, die zweifellos mit dafür verantwortlich gewesen war, dass er nicht gestorben war. Ein paar Tage würde er sich aber wohl noch Ruhe gönnen müssen. Ein überraschendes Klopfen an der Tür ließ Tôya aufhorchen. "Ja, bitte?" Als die Tür daraufhin langsam aufgeschoben wurde, staunte er nicht schlecht, als er Touran entdeckte. "Du? Was machst du denn hier?" "Wonach sieht es denn aus? Ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht", entgegnete Touran wie selbstverständlich. Tôya hob skeptisch eine Augenbraue. "Eine Panther-Dämonin sorgt sich um mein Befinden... Und ich dachte, ich hätte schon so einiges erlebt." "Bilde dir bloß nichts ein! Ich wollte die Gelegenheit lediglich nutzen, um mich noch persönlich bei dir dafür bedanken, dass du mich gerettet hast." Da war sie wieder gewesen, diese leicht angespannte Atmosphäre zwischen den beiden, aber eine Feindseligkeit direkt gab es diesmal nicht. Und nach einem Moment fragte Touran mit deutlich ruhigerer Stimme weiter: "Geht es dir denn so weit gut?" Tôya nickte nur. Er erwartete, dass sie jetzt eigentlich wieder gehen würde, aber das tat sie nicht. "Hm... Aber warum hast du das überhaupt gemacht?", fragte sie stattdessen weiter. "Du hättest mir nicht helfen müssen. Du hattest keinen Grund dazu." "Und hast du sonst nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen könntest?" Tôya verschränkte gelassen die Arme vor der Brust. "Hör mal, ich kann zwar nicht unbedingt behaupten, dass ich viel für deinen Stamm übrig hätte, aber momentan sind wir Verbündete. Und was wäre ich außerdem für ein Mann, wenn ich selbst feige die Flucht ergreifen und währenddessen eine Frau allein dem Kampfgetümmel überlassen würde?" Auf Tourans Gesicht erschien ein etwas amüsiert wirkendes Lächeln. "Hm! Ihr Männer müsst euch wohl immer wieder beweisen, selbst, wenn es euch Kopf und Kragen kostet, was?" "Und so was muss ich mir von einer Katze anhören, die selbst gerne mal auf gut Glück ins offene Messer zu rennen scheint?", konterte Tôya unbeeindruckt. Touran behielt ihr Lächeln bei, während sie sich wieder umwandte. "Wie auch immer. Was ich sagen wollte, habe ich gesagt. Ich lasse dich nun wieder in Ruhe. Bis dann!" Damit verließ sie das Zimmer wieder und schloss die Tür hinter sich. Tôya kam nicht drum herum, im Nachhinein doch ein wenig verwirrt dreinzuschauen. "Aus der soll mal einer schlau werden..." Unterdessen machte sich Touran wieder auf den Weg zu ihrem Zimmer. Doch sie war am Ende des Ganges kaum um die Ecke gebogen, da traf sie auf bereits Karan, die ihre Schwester offenbar schon erwartet hatte. Ein freches Grinsen erschien dem Gesicht der rothaarigen Panther-Dämonin. "Ui! Touran, du lässt wohl wirklich nichts anbrennen, oder?" Touran blieb mehr als perplex stehen. "Was soll das, Karan? Spionierst du mir etwa hinterher?" "Ich muss doch wissen, was meine große Schwester so treibt." In Erinnerung an Karans Bemerkung von vorhin, war Touran sofort klar gewesen, worauf ihre Schwester wohl hinaus wollte. Doch ließ sich die Ältere nicht beirren. "Denk doch, was du willst. Aber eines kannst du dir merken: Es ist nicht so, wie du denkst!" Karan hob prüfend eine Augenbraue. "So? Was denke ich denn?" Anstatt jedoch darauf zu antworten, ging Touran nur mit einem etwas genervten Aufseufzen an ihr vorbei und setzte ihren Weg fort. Es konnte ihr ja auch eigentlich egal sein, was in den Köpfen der anderen vorging. Was sie hatte tun wollen, hatte sie getan und damit war das Thema für sie so weit erst mal abgehakt. Gegen Abend hatte Kimie sich dazu entschieden, noch einmal bei Takeshi vorbeizuschauen, auch, um ihn von den neuesten Ereignissen zu berichten. Ihm jedoch sagen zu müssen, dass zwei Krieger aus seinem Clan tot waren, fiel ihr trotz allem nicht wirklich leicht. "Toba ist also wirklich tot? Und Rokou auch?" Takeshi wirkte in gewisser Weise wie vor den Kopf gestoßen. Damit hatte er nicht unbedingt gerechnet. "Ja, tut mir Leid. Hast du dich denn gut mit den beiden verstanden?", fragte Kimie vorsichtig. Takeshi wandte sich ein wenig ab. "Nicht besser oder schlechter, als mit den meisten anderen. Aber trotzdem klingt es für mich irgendwie nicht so recht vorstellbar... Hat Renhou denn noch etwas gesagt, bevor er wieder fort ging?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Miyuki sagte, er habe lediglich Rokous Körper mitgenommen und sei ohne ein Wort gesagt zu haben wieder verschwunden." Takeshi seufzte einmal leise, während er mit einer Hand einen der Gitterstäbe umfasste. "So weit ist es also schon gekommen. Und trotzdem scheint Akuma nicht aufgeben zu wollen... Warum? Es kann doch nicht sein, dass Naraku ihn wirklich schon so sehr für sich eingenommen hat!?" "Nun... Kagome und die anderen haben mir erzählt, dass Naraku es fast wie kein Zweiter versteht, andere zu manipulieren und für seine Zwecke auszunutzen. Und am Ende profitiert meistens er allein von allem." Und wie heimtückisch Naraku sein konnte, hatte Kimie selbst schließlich auch schon mitbekommen dürfen. Takeshi hatte den Blick zu Boden gerichtet. Es schien, als dachte er im Moment sehr intensiv über etwas nach, ehe er schließlich wieder aufschaute. "Kimie, ich hätte da eine Bitte an dich." Als er unbewusst mit seiner Hand durch die Gitter langte und ihre Hand ergriff, spürten sowohl er als auch sie gleich diese prüfenden Blicke der beiden Wächter auf sich ruhen. Normalerweise hätte sie sich wohl etwas zurückgehalten, aber diesmal hielt Kimie nicht den Mund. "Ist was? Was gibt's denn da zu gucken?" Mit einer knappen Entschuldigung wandten sich die Wächter wieder ab und schwiegen. >Wow, das war ja leicht<, dachte Kimie mit einem kleinen Gefühl des Triumphs, ehe sie wieder auf Takeshis ursprünglich gestellte Frage zurückkam: "Entschuldige. Worum geht es denn? Um was möchtest du mich bitten?" Takeshi hielt nach wie vor ihre Hand. Es schien ihm etwas schwer zu fallen, seine Bitte zu äußern. "Vielleicht verlange ich auch zu viel, aber... könntest du bitte mit Sesshoumaru sprechen und ihm nahe legen, mich hier endlich raus zu lassen? Ich schwöre, ich habe nichts Unrechtes vor!" Wirklich überrascht war Kimie im Nachhinein nicht gewesen. Sie hatte sogar selbst schon mal mit dem Gedanken gespielt, Sesshoumaru zu bitten, Takeshi aus der Zelle zu lassen, sich bisher aber nicht so recht dazu durchringen können. Vielleicht hätte er es falsch verstanden oder so, doch jetzt war sie von Takeshi selbst gebeten worden. Und sie konnte ihn schlecht im Stich lassen. "Nun, ich glaube dir, aber ich weiß nicht, wie es bei ihm aussieht. Aber ich kann ihn ja mal darauf ansprechen", entgegnete Kimie nach einem Moment mit einem leichten Lächeln. Takeshi erwiderte dieses dankbar. "Ich danke dir." "Schon gut. Eigentlich ist das ja wohl auch das mindeste, was ich für dich tun kann." Als sie ihn so ansah, hätte er sie trotz der Trennung durch die Gitterstäbe am liebsten an sich gezogen. Im Moment wünschte er sich nichts mehr, als sie zu umarmen und zu küssen. Aber das durfte er nicht. Sesshoumaru hätte ihn dafür sofort getötet, sobald er davon erfahren hätte. "Hm... Wie wäre es wohl gewesen, hätten wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt?", fragte Takeshi nach einem Moment und mit diesem etwas bedauerlichen Unterton in der Stimme. Kimie wusste gleich, worauf er ansprach und senkte etwas den Blick. "Tut mir Leid. Ich..." "Nein, du musst dich nicht entschuldigen. Ich weiß ja, woran ich bei dir bin." Er lächelte wieder ein wenig. "Es mag dumm von mir sein, dass sich sogar jetzt noch davon spreche, aber dennoch werde ich dich nicht so einfach aufgeben." "Bitte sag das nicht, Takeshi", entgegnete Kimie etwas unsicher. "Deine Gefühle... sie schmeicheln mir wirklich, aber ich kann das nicht. Ich liebe Sesshoumaru und daran wird sich nichts ändern. Das soll nicht heißen, dass du mir völlig egal bist. Im Gegenteil, ich schätze dich sehr, aber auch nur als einen guten Freund. Vielleicht klingt es merkwürdig, aber ich sehe dich inzwischen wirklich nicht mehr als Feind, sondern eben als einen Freund, aber leider ist da auch nicht mehr. Und bestimmt wirst du ein Mädchen finden, das besser zu dir passt als ich." "Ich würde nur ungern jemand anders kennen lernen", erwiderte Takeshi. "Und das wäre immerhin auch nur dann möglich, sofern ich überlebe. Denn es ist nicht sicher, dass ich nach diesem Kampf noch am Leben sein werde. Besonders dann nicht, wenn ich wirklich gezwungen sein werde, gegen Akuma zu kämpfen..." "Sprich nicht so, Takeshi", bat Kimie. "Entschuldige..." Langsam ließ er ihre Hand wieder los. "Es ist schon spät. Du solltest jetzt wohl besser wieder gehen." Kaum merklich nickte sie einmal, ehe sie sich noch von ihm verabschiedete und die Kerker anschließend wieder verließ. Auf ihrem Weg durch das Schloss dachte Kimie noch lange über ihr Gespräch mit Takeshi nach. Eigentlich konnte sie ja nichts dafür und obwohl er ihr ja deshalb auch keinen Vorwurf machte, tat es ihr noch immer irgendwie Leid, dass sie ihm nicht das geben konnte, was er sich insgeheim wünschte; ihre Liebe. Kimie war so sehr in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie beinahe Rin, Jaken und Inuki übersehen hätte, die ihr auf ihrem Weg entgegenkamen. Erst Rins freudige Begrüßung holte sie wieder zurück in die Realität: "Hallo, Kimie-san!" "Rin! Wo kommt ihr drei denn gerade her?" "Wir waren bei Sesshoumaru-sama. Er hat sich schon gefragt, wo du bleibst." "Was auch immer das heißen mag...", murmelte Jaken finster in sich hinein. Es war unverkennbar gewesen, dass ihm diese ganze Situation immer noch mehr als gegen den Strich ging. Dass sein Herr sich wirklich auf ein gewöhnliches Menschenmädchen eingelassen hatte. Als ob es nicht schon gereicht hätte, dass Rin da war und jetzt gab es da noch einen Menschen. Jakens etwas miese Stimmung verleitete Kimie hingegen zu einer kleinen Idee. Nachdem sie sich noch verabschiedet und allen eine gute Nacht gewünscht hatte, verschränkte sie die Arme hinter dem Kopf und ging weiter. "Na, dann werde ich mich lieber mal beeilen und zu ihm gehen. Wer weiß? Vielleicht spielen wir beide dann wieder ein kleines, unanständiges Spiel." Während Rin diese Anspielung nicht verstanden hatte, war dies bei Jaken ein ganz anderer Fall gewesen, wie es sich auch anhand seiner Reaktion verdeutlichte. "Ah! Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen?! Du sündige Verführerin!", meckerte er aufgebracht. Ihr breites Grinsen konnte Jaken zwar nicht mehr sehen, aber innerlich hätte Kimie am liebsten laut losgelacht. Zu gerne hätte sie sich noch einmal umgedreht und sich Jakens Gesicht angesehen. Mit solchen Anspielungen konnte man ihn immer so herrlich aufziehen. Bestimmt würde sie das in Zukunft noch öfters machen. Nachdem Kimie hinter der nächsten Ecke verschwunden war, schaute Rin fragend zu Jaken. "Du, Jaken-sama? Was hat Kimie-san denn eben gemeint?" "Als ob mich das interessieren würde!", wetterte der Krötendämon sofort los. "Und jetzt hör auf, mich danach zu fragen!" Damit marschierte er wieder weiter und ließ das Mädchen und Inuki einfach so stehen. Rin legte den Kopf etwas schief. "Was hat Jaken-sama denn auf einmal?" Indes hatte Kimie Sesshoumarus Privaträume erreicht. Bevor sie jedoch eintrat, ging sie gedanklich noch mal das durch, worum Takeshi sie gebeten hatte und wie sie es am besten anfangen sollte. Dann öffnete sie dir Tür. "Da bin ich wieder", kündigte sie sich an, als sie das Zimmer betrat. "Wo bist du gewesen?", kam es sogleich von Sesshoumaru. "Bei Takeshi", antwortete Kimie bereitwillig. "Ich habe ihm erzählt, was passiert ist. Schließlich hatte er ein Recht darauf, es zu erfahren." Zwar schien er nicht wirklich begeistert gewesen zu sein, er sagte aber nichts dazu. Kimie ahnte zu diesem Zeitpunkt schon, dass es vielleicht nicht ganz einfach werden würde, aber sie würde es trotzdem versuchen. "Sesshoumaru? Ich hätte da eine kleine Bitte an dich." "Hm?" "Nun... Es geht um Takeshi. Wäre es möglich, dass du ihn aus seiner Zelle lässt? Bitte! Er hat mir geschworen, dass er nichts anstellen wird, was uns in irgendeiner Form schaden würde. Und ich finde auch, dass wir ihm nicht länger misstrauen sollten, nachdem, was er getan hat." Kimie bemühte sich um ein nettes Lächeln, doch angesichts von Sesshoumarus skeptischer Miene konnte sie dieses auf die Dauer nicht aufrecht erhalten. "Eh... Ist was?" "Warum?" "Hä? Warum was?" "Gibt es einen besonderen Grund, weshalb du dich so sehr um Akumas Bruder sorgst?", fragte Sesshoumaru nunmehr mit recht ernster Stimme. "Wie soll ich die Frage verstehen?", fragte Kimie zuerst nur zurück, ehe sich dieses freche Grinsen auf ihre Lippen stahl. "Aber hallo! Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, oder? Gerade du?" "Das ist keine Antwort auf meine Frage." Kimie seufzte auf. "Meine Güte, krieg dich wieder ein, ja? Und etwas mehr Vertrauen, wenn ich bitten darf. Oder bin ich deiner Ansicht nach wirklich so wenig vertrauensselig?" Bei dieser Frage geizte sie keinesfalls mit einem beleidigten Unterton herum, wurde kurz darauf aber wieder ruhiger in ihrer Stimmlage. "Hör mal, er hat mich darum gebeten, dass ich mit dir darüber spreche. Ich kann verstehen, wenn du nicht wirklich begeistert bist, aber immerhin hast du es doch auch schon in Erwägung gezogen, ihn an diesem Kampf mitwirken zu lassen. Also könntest du ihn doch bis dahin auch aus dieser Zelle raus lassen, oder? Was ist nun? Lässt du ihn frei?" Sesshoumaru antwortete nicht sofort, sondern schritt stattdessen zunächst nur zum Fenster. Schließlich sagte er: "Ich werde ihn nicht direkt frei lassen. Von mir aus kann er ab morgen aus der Zelle, aber er darf das Schloss nicht eigenmächtig verlassen. Und sollte er es dennoch wagen, seine Spielchen mit uns zu spielen, werde ich keine Gnade mehr zeigen." Innerlich atmete Kimie erleichtert auf. Auch, wenn Sesshoumarus letzte Äußerung einen etwas bitteren Beigeschmack hatte, zumindest hatte sie erreicht, was sie wollte. Ab morgen würde Takeshi nicht länger in seiner Zelle hocken müssen. Doch sie hoffte, dass er wirklich nichts Dummes tun würde, womit er Sesshoumarus Missgunst auf sich ziehen könnte. Nach anfänglichem Zögern näherte sich Kimie ihm und ergriff seinen Arm. "Danke." Sesshoumaru schaute sie an, ehe er nach einem Moment behutsam seine Arme um sie legte. Nur, weil sie ihn darum gebeten hatte, hatte er sich dazu entschieden, Takeshi aus seiner Zelle zu lassen. Andernfalls hätte er ihn wohl noch länger da drin ausharren lassen. Störend war nach wie vor der Gedanke, dass Takeshi Kimie liebte. Und wenn er ab morgen sozusagen frei wäre, könnte er sich ihr ohne Probleme nähern. Es war nicht Kimie gewesen, der Sesshoumaru misstraute, es war Takeshi. Dieser war zwar kein Idiot und wusste durchaus, wo seine Grenzen waren, aber das musste nicht wirklich was heißen. Sesshoumaru würde ihn auf jeden Fall im Auge behalten. Als Ashitaka erwachte, war es in seinem Zimmer fast völlig dunkel. Nur eine einzelne kleine Öllampe spendete ein wenig Licht. Doch er war nicht allein, wie er rasch erkannte, als er seinen Kopf kurz zur Seite drehte. Neben seinem Schlaflager lag Miyuki schlafend auf dem Boden. Eine Decke hielt sie warm. Ashitaka vermutete, dass seine Mutter ihr diese umgelegt haben musste, bevor sie sich selbst für die Nacht zurückgezogen hatte. Noch spürte Ashitaka zwar die Folgen des Kampfes gegen Rokou, doch fühlte er sich trotzdem wieder etwas besser. Als er wieder zu Miyuki schaute, musste er leicht lächeln. Sie sah schon sehr süß aus, wie sie so da lag. Eine Weile beobachtete er sie einfach nur, bis sie sich irgendwann regte und verschlafen ihre Augen öffnete. Kaum, dass sie Ashitaka direkt ins Gesicht geblickt hatte, setzte sie sich auf. "Oh! Ich muss eingeschlafen sein." Es klang schon beinahe wie eine Entschuldigung. "Du solltest besser auf dein Zimmer gehen, Miyuki-chan", schlug Ashitaka ihr vor. "Hier ist es doch zu ungemütlich für dich. Ich meine, so auf dem blanken Boden." Doch Miyuki winkte ab. "Nein, schon gut. Ich hätte sonst eh nicht schlafen können. Aber sag mal, wie geht es dir denn inzwischen?" "Besser." Er wollte sich vorsichtig aufsetzen, da war sie schon dabei gewesen, ihn daran zu hindern. "Ashitaka, beweg dich besser nicht! Bleib lieber liegen!" "Schon gut. Mach dir keinen Kopf." Zwar spürte er noch hier und da ein leichtes Ziehen, welches von seine Verletzungen ausging, aber es war erträglich gewesen. Dennoch bedurfte es noch eines kleinen Augenblickes, bis dieses unangenehme Gefühl wieder nachließ, nachdem er sich aufgesetzt hatte. "Komisch..." "Was ist?" Ashitaka war etwas verwirrt. Miyukis Äußerung wusste er zunächst überhaupt nicht einzuordnen. "Nichts, aber es ist nur etwas ungewohnt. Ich meine deine Haare", erklärte sie ein wenig verschüchtert. Ashitaka fuhr sich kurz mit einer Hand über den Nacken, der nach wie vor von seinen Haaren bedeckt war. Es fehlte eben lediglich der lange Zopf. Ein wenig merkwürdig war es zwar auch für ihn gewesen, aber lieber ein paar Haare geopfert, als etwas anderes. "Eigentlich hat es auch etwas Gutes." "Hm?" "Na, du kannst mich nicht mehr an meinen Haaren ziehen." Dieses freche Grinsen... Anscheinend hatte Ashitaka zumindest seinen Humor nicht verloren. Und noch amüsierter wirkte er, als er diesen leicht beleidigten Gesichtsausdruck von Miyuki wahrnahm. Aber eigentlich wollte er sie diesmal nicht aufziehen. Vielmehr gab es etwas anderes, was er mit ihr hatte bereden wollen. Und dieser Augenblick erschien im als der richtige. "Das mag sich jetzt zwar etwas komisch anhören, aber erinnerst du dich noch, Miyuki-chan? Ich hatte dir noch etwas versprochen. Ich schulde dir noch eine Antwort." Miyuki war nun doch etwas überrascht, obwohl sie wusste, worauf Ashitaka anspielte. "Aber... der Kampf ist doch noch gar nicht vorbei. Du meintest doch, du wolltest warten, bis alles vorbei wäre." Er zuckte wie beiläufig mit den Schultern. "Okay, wenn du das so siehst, kann ich auch gerne noch warten. Kein Problem!" "Ey, du bist fies!", beschwerte sie sich sofort. "Du weißt doch ganz genau, dass du mich jetzt neugierig gemacht hast. Das ist Folter, wenn du jetzt einen Rückzieher machst!" Wieder musste Ashitaka leicht lächeln. Er hatte sie mal wieder erwischt. Nichts desto trotz wollte er sie natürlich nicht länger auf die Folter spannen und sie hörte ihm auch sehr aufmerksam zu, als er zu sprechen begann: "Hör mal, für mich ist das Ganze ein wenig schwierig und ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel. Du bist immerhin die kleine Schwester meines besten Freundes, und genau das ist ein Grund, weshalb ich persönlich es vorgezogen hätte, wäre auch unsere Beziehung eine rein platonische Freundschaft geblieben. Ansonsten hätte ich immer ein etwas merkwürdiges Gefühl bei alldem. Denn Tôya ist für mich wie ein Bruder, verstehst du?" Diese Aussage traf Miyuki schon sehr hart. Das hieß wohl, Ashitaka fühlte anders als sie. Sie liebte ihn zwar, aber er sie nicht. Dennoch bemühte sie sich um Fassung. "Ich... verstehe. Es ist schon okay, ich verstehe schon. Schließlich kann ich dich unter diesen Umständen wohl kaum dazu zwingen, dass du dich ebenfalls in mich verliebst... Dann bleiben wir eben einfach nur Freunde. Damit bin ich auch zufrieden..." Doch nicht nur sie, sondern auch Ashitaka wusste, dass das so im Grunde nicht stimmte. "Das war aber nicht alles. Es gibt da noch etwas", fuhr er nach einer kurzen Pause fort. Miyuki, die inzwischen nur noch zu Boden blickte, wagte kaum nachzufragen: "Und... was soll das sein?" "Ich habe mich eben wohl etwas ungeschickt ausgedrückt. Dann spreche ich jetzt Klartext: Auch, wenn Tôya für mich fast so was wie ein Bruder ist, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass ich dich als eine Art kleine Schwester betrachte. Das habe ich nie, und für mich bist du inzwischen auch weitaus mehr, als bloß eine Freundin. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass ich mir doch ein wenig Sorgen mache." Miyuki war verwirrt. So sehr, dass sie zunächst nur im Bezug auf Ashitakas letzte Äußerung fragte: "Aber... aber warum? Warum machst du dir Sorgen?" "Hey! Wenn du unter solchen Umständen wegen mir mal schlechte Laune haben solltest, kriege ich von Tôya garantiert 'nen Mordsärger. Du bist doch schließlich so was wie sein Augapfel. Ich wäre also ziemlich schlecht bedient, sollte ich mal etwas anstellen, was dir missfällt. Denn so gesehen wird er mich in Zukunft wohl sehr genau im Auge behalten", antwortete er, obwohl er Tôya nie einen Anlass dafür geben würde, ihn ins Gebet nehmen zu müssen. Nichts desto trotz war Miyuki noch immer leicht verunsichert. "Und... was heißt das jetzt genau?" Ashitaka lächelte. Anscheinend wollte sie es ganz genau wissen. Den Gefallen konnte er ihr gerne tun. Behutsam nahm er ihre Hand. "Ich hätte es dir schon eher sagen sollen, denn fast wäre ich nicht mehr dazu gekommen. Aber versprochen ist versprochen und ich bin froh, dass ich noch leben darf, um dir antworten zu können." Und dann sagte er endlich das, worauf sie so sehnsüchtig gewartet hatte: "Daisuki... Miyuki-chan." Miyukis Augen weiteten sich leicht, als wäre das für sie eben völlig überraschend gekommen. Und in gewisser Weise hatte sie befürchtet, sie hätte Ashitaka falsch verstanden, aber dem war nicht so. Er hatte es wirklich gesagt! Ashitaka wartete noch einen Augenblick, dann beugte er sich ein wenig zu ihr vor, so dass er ihre Lippen sanft mit seinen berühren konnte. Erstaunt riss Miyuki zunächst nur völlig perplex die Augen auf, entspannte sich aber sogleich wieder und ließ es einfach geschehen. Sie schloss ihre Augen, während sie noch immer Ashitakas Lippen auf ihren spürte. Sie waren so angenehm weich und warm. Zu gerne hätte sie jetzt die Zeit angehalten, um diesen Augenblick noch möglichst lange genießen zu können... Was die beiden zu diesem Zeitpunkt nicht wussten war, dass Tôya direkt vor dem Zimmer stand. Eigentlich hatte er noch mal nach Ashitaka und auch nach Miyuki schauen wollen, doch was er von deren Gespräch mitbekommen hatte und die darauf folgende Stille waren für ihn Hinweise genug gewesen. Im Moment würde er wohl eher stören, also kehrte Tôya mit einem leichten Lächeln auf den Lippen wieder in sein Zimmer zurück und ohne auf sich aufmerksam gemacht zu haben. * ~ * ~ * ~ * ~ * Nachdem Renhou allein in Akumas Schloss zurückgekehrt war, war allen sofort klar gewesen, was passiert war. Zudem hatte Yu das Erlöschen von Rokous Chi bereits im Vorfeld gespürt. Akuma hatte sich diesbezüglich jedoch genau so unbeeindruckt gezeigt, wie schon bei Tobas Tod, und hatte sich in seine Privaträume zurückgezogen. Renhou, Yu und Jin hingegen beschäftigte diese Sache auch im Nachhinein noch. "Nun sind also bereits zwei der fünf Hüter besiegt worden..." Yu richtete nachdenklich den Blick in Richtung Boden. "Tse! Als ob ich es geahnt hätte." Jin verschränkte die Arme vor der Brust. "Das musste irgendwann ja mal so kommen! Tja, stellt sich wohl die Frage, wen von uns es als nächstes erwischen wird, was?" Diese eher beiläufig gemachte Äußerung schürte in Renhou unbeabsichtigt das Gefühl von Wut und ebenso aggressiv war auch der Ton gewesen, mit welchem er Jin nun ansprach: "Jin! Weißt du was? Du... Ach, vergiss es!" Renhou rauschte an ihm vorbei, ohne darauf zu achten, dass er ihn beinahe umgerannt hätte. Neben einem verächtlichen Schnaufen hatte Jin mal wieder einen abfälligen Kommentar parat gehabt: "Wie ist der denn drauf? Seid wann ist Renhou denn zu so einem Sensibelchen mutiert? Oder sollte ich besser Weichei sagen?" Yu schwieg dazu. Stattdessen machte er sich sogleich daran, Renhou zu folgen, sodass Jin letztendlich als Einziger zurückblieb. "Tse! Was habt ihr denn auf einmal alle für ein Problem?" Jin konnte dieses ganze Theater nicht so wirklich nachvollziehen. Was brachte es denn schon, sich über Rokous Tod groß aufzuregen? Die Situation würde sich dadurch schließlich auch nicht ändern, obwohl Jin für sich selbst zugeben musste, dass auch ihn die ganze Sache inzwischen nachdenklich stimmte. Wer konnte schon voraussehen, was als nächstes geschehen würde? Yu fand Renhou in dessen Zimmer vor. Die Schiebetür war halb offen gewesen, weshalb er ohne großes Zögern eintrat, nachdem er sich bemerkbar gemacht hatte. Renhou stand mit dem Rücken zu ihm an der Wand und hatte sich mit einer Hand leicht an dieser abgestützt. "Renhou?" "Es war meine Schuld. Ich hab's verbockt", sagte Renhou sogleich. Yu wagte nun, sich ihm weiter zu nähern. "Mach dich nicht für das verantwortlich, was mit Toba und Rokou passiert ist. Dich trifft keine Schuld." "Ich bin zu spät gekommen und nur deshalb ist Rokou jetzt auch tot." "Es ist nicht klar, ob du was hättest tun können." "Vielleicht nicht, aber ich hätte es zumindest versuchen können. Aber nicht mal dazu kam ich..." Mit einem leichten Aufseufzen drehte er sich zu Yu um. "Als Anführer der Hüter trage ich die Verantwortung. Aber anscheinend bin ich nicht dazu in der Lage, meine Leute zu schützen..." "Jeder von uns ist selbst für das verantwortlich, was er tut", entgegnete Yu. "Toba und Rokou haben ihre eigenen Entscheidungen getroffen und haben die Konsequenzen für ihr Handeln zu spüren gekriegt. Es wäre falsch, wenn du dir weiter Vorwürfe machen würdest." Renhou entgegnete nicht sofort etwas darauf, als brauchte er erst einen Augenblick, um sich zu sammeln. "Vielleicht hast du ja Recht, Yu, aber trotzdem... Ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass es nicht so weit hätte kommen müssen." Wieder seufzte er leise. "Takeshi-sama hatte vermutlich Recht. Wir begehen womöglich einen großen Fehler, wenn wir diesen Kampf weiterführen..." "Was willst du dagegen tun?", fragte Yu. "Ich werde mit Akuma-sama sprechen", antwortete Renhou, nun wieder mit diesem Ton von Entschlossenheit in der Stimme. Und ohne eventuell noch groß zu zögern schritt er an seinem Kameraden vorbei und verließ den Raum. "Was? Renhou! Aber was willst du ihm denn sagen?" Doch darauf erhielt Yu keine Antwort mehr, denn Renhou war bereits fort gewesen. Zielstrebig durchquerte er die Gänge des Schlosses bis er letztendlich an Akumas Privaträumen angelangt war. Nachdem er angeklopft hatte und von seine Herrn hinein gebeten worden war, betrat Renhou das Zimmer. "Verzeiht, aber ich muss dringend mit Euch sprechen, Akuma-sama." "Um was geht es?", fragte Akuma kühl. "Es geht um diesen Krieg gegen Sesshoumarus Clan", stellte Renhou ohne Scheu von vornherein klar. "Akuma-sama, haltet Ihr es wirklich für eine gute Idee, wenn wir so weitermachen? Bedenkt doch bitte die weiteren möglichen Folgen." Ein wenig überrascht schien Akuma nun doch gewesen zu sein. "Seit wann machst du dir so viele Gedanken um die Folgen eines Kampfes, Renhou? Das hier ist doch schließlich nicht der erste Krieg, an dem du teilnimmst." "Das ist wahr, aber das ist erste Mal, dass ich diese Zweifel in mir spüre." Sein Blick senkte sich leicht. "Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber ich habe ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Toba und Rokou hätten nicht sterben müssen. Es wäre vermeidbar gewesen." "Das hier ist ein Krieg, Renhou. Da kann man es sich nicht aussuchen, wer stirbt und wer nicht." Akuma verspürte keine große Lust, diese Unterhaltung noch allzu sehr ausschweifen zu lassen. Überhaupt kam ihm Renhous Verhalten mehr als merkwürdig vor. Das war eigentlich nicht seine Art gewesen oder er hatte sie bisher schlichtweg gut verborgen. "Es ist ja nicht nur wegen Toba und Rokou", ergriff Renhou wieder das Wort. "Bei allem Respekt, ich werde inzwischen einfach den Eindruck nicht los, dass Ihr diesen Krieg gegen die Inu-Youkai nur deshalb wieder aufgenommen habt, weil dieser Naraku Euch beeinflusst hat. Erst, als er hier aufgetaucht ist, habt Ihr doch wirklich wieder damit begonnen, Euch wegen der Inu-Youkai Eure Gedanken zu machen. Sonst hättet Ihr den Kampf doch schon wesentlich früher wieder aufnehmen können!" Renhou wusste es selbst, er forderte Akuma mit seinen direkten Aussagen wenn nicht sogar indirekt heraus, aber was sollte er tun? Er hatte seine Meinung über Naraku lange genug für sich behalten. "Willst du damit etwa andeuten, ich ließe mich von einem dahergelaufenen Hanyou allzu leicht kontrollieren?", fragte Akuma seinen Gefolgsmann prüfend. "Ich will lediglich sagen, dass ich Naraku nicht traue", erwiderte Renhou entschieden. "Dieser Kerl treibt ein falsches Spiel mit uns! Man kann ihm nicht vertrauen! Auch Euer Bruder war schon lange dieser Ansicht." Soeben schien Akuma etwas auf diese Aussage erwidern zu wollen, da bemerkten sowohl er als auch Renhou an der noch offenen Tür eben jenen Hanyou, um den es gerade ging. Aufmerksam schaute Naraku einmal von einer Person zur anderen. "Komme ich gerade ungelegen?" Von Renhous Seite hörte man sofort dieses mahnende Knurren. "Was willst du hier?" "Renhou, ich denke, das reicht erst mal", mischte sich Akuma plötzlich ein. "Ich bin durchaus dazu in der Lage, selbst darüber zu bestimmen, was ich tue. Wenn du willst, können wir unsere Unterhaltung später noch fortsetzen, doch jetzt würde ich es vorziehen, wenn du gehst." Zuerst wollte Renhou dem energisch widersprechen, doch er wusste, dass dies nichts bringen würde. Also verneigte er sich nur vor seinem Herrn, ehe er spürbar widerwillig das Zimmer verließ. Als er dabei an Naraku vorbeikam, warf er diesem diesen überaus finsteren Blick zu, doch Naraku konterte nur mit seinem üblich hinterhältigen Lächeln. Nachdem Renhou gegangen war, betrat Naraku den Raum. "Renhou scheint ein wenig schlecht gelaunt zu sein. Hängt das mit dem zusammen, was jüngst geschah? Mir ist da nämlich zu Ohren gekommen, dass ein weiterer deiner Krieger gefallen ist." "Stimmt, aber ich glaube kaum, dass du hier bist, um mir dein Beileid auszusprechen, Naraku", entgegnete Akuma schon beinahe zynisch. Naraku jedoch behielt seine ruhige Ausdrucksweise. "Zugegeben, das ist wahrlich nicht der Grund, weshalb ich hier bin. Aber es gibt da etwas anderes. Wenn du es gestattest, Akuma, würde ich gerne eine kleine Bemerkung verlauten lassen." "Um was geht es denn?" "Dein Bruder Takeshi... Mir scheint, er hat deinen Clan und dich verraten." Sofort hatte Akuma aufgehorcht. "Das ist eine schwere Anschuldigung, die du da erhebst, Naraku. Ich hoffe für dich, dass du sie beweisen kannst, ansonsten garantiere ich dir nicht, dass du diese Räumlichkeiten wieder lebend verlassen wirst. Warum sollte Takeshi mich verraten?", entgegnete er mit bedrohlicher Ruhe. Es grenzte schon an eine bodenlose Unverschämtheit, dass dieser Hanyou es wagte, eine derartige Behauptung aufzustellen. "Der Grund dafür ist ganz einfach", antwortete Naraku, ohne sich in irgendeiner Form beunruhigt zu zeigen oder dergleichen. "Dein Bruder hat sich offensichtlich in das Mädchen namens Kimie verliebt. Er war es auch, der Sesshoumaru davon berichtet hat, wo genau sich dein Schloss befindet. Nur deshalb kam er her, um sie zurück zu holen. Und Takeshi hat das Mädchen auch besucht, als sie hier war. Hat er dir davon berichtet?" In der Tat, das hatte Takeshi nicht getan. Akuma wirkte nun doch in gewisser Weise verunsichert. Sein Bruder sollte sich allen Ernstes in dieses Menschenmädchen verliebt haben? In Sesshoumarus Gefährtin? Das war doch absurd! Doch da fiel ihm wieder ein, dass sich Takeshi merkwürdig besorgt gezeigt hatte, während Kimie hier im Schloss gewesen war. War an Narakus Anschuldigungen also doch etwas dran gewesen? >Takeshi... Hast du deinen Clan wirklich für ein normalsterbliches Mädchen hintergangen?< * ~ * ~ * ~ * ~ * Kimie erwachte im Laufe der Nacht. Sie bemerkte gleich, dass Sesshoumaru nicht mehr neben ihr lag. Als sie sich aufsetzte, entdeckte sie ihn auf der Veranda stehen. Sein Blick war nachdenklich zum Sternenhimmel hinaufgerichtet. Nachdem sie aufgestanden war und ihren Yukata etwas gerichtet hatte, stellte sich Kimie an die Tür. "Sesshoumaru? Es ist mitten in der Nacht. Was ist los?" "Ich habe eine Entscheidung getroffen", antwortete er und wandte sich zu ihr um. "Noch weiß ich zwar nicht, ob es mir in irgendeiner Form nützen wird, aber dennoch werde ich es versuchen." "Was denn?" Kimie war neugierig geworden. Was mochte sich Sesshoumaru überlegt haben? Nach einem kurzen Moment der Stille sprach er weiter: "Ich werde versuchen, mehr über das zu erfahren, was damals beim Kampf meines Clans gegen die Ryû-Youkai passiert ist. Zu diesem Zweck werde ich zum Grab meines Vaters gehen." "Zum Grab deines Vaters?!" Kimie fiel aus allen Wolken. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet... Hosted by Animexx e.V. 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