Sengoku-Jidai Chronicles von Jenny-san ================================================================================ Kapitel 29: Requiem ------------------- Dass sich Sesshoumaru und Renhou gegenseitig etwas schenkten, konnte man wirklich nicht behaupten. Beide gingen immer wieder mit einer derartig gewaltigen Kraft aufeinander los, dass die anderen jedes Mal in sich zusammenzuckten. Staub wirbelte auf, Splitter von Felsen und Knochenreste flogen wild durch die Gegend. Als Inu Yasha schlussendlich von einem vorbei fliegenden Totenschädel am Kopf getroffen wurde und sich dann auf seinen vier Buchstaben wieder fand, ließ er ein wütendes Knurren verlauten und zog er abermals Tessaiga. "Jetzt reicht's! Die kommen heute zu keinem Ergebnis mehr! Ich hau sie alle beide mit der Windwunde weg und mach uns so den Weg frei!" "Osuwari!", mischte sich Kagome sofort ein und wies den Hanyou damit gleich von vornherein in seine Schranken. "Das ist kein Spiel, Inu Yasha! Also rede nicht so ein dummes Zeug daher!" "Kein Spiel?", fragte Inu Yasha grimmig. "Hältst mich für etwa so blöd, dass ich das nicht schon längst selbst geschnallt hätte, Kagome?! Aber Tatsache ist nun mal, dass wir fast keine Zeit mehr haben!" In der Tat, da hatte er Recht. Die Stunde war fast um, und wenn dieser Kampf zwischen Sesshoumaru und Renhou noch lange so weitergehen würde, wären sie alle verloren und säßen hier für immer fest. Doch was sollten sie tun? Außer abwarten blieb Inu Yasha und den anderen ansonsten nichts, was sie tun könnten. Und sich heimlich davonstehlen, während Sesshoumaru und Renhou kämpften, konnten sie auch nicht. Aber was war das überhaupt für ein Kampf? Renhou kämpfte nicht von sich heraus, er handelte nur auf Akumas Befehl, wohl in dem Wissen, dass es falsch war. Doch er konnte sich nicht dagegen wehren, denn damit hätte er sein eigenes Leben verwirkt. Ob er nun wollte oder nicht, Renhou musste gegen Sesshoumaru kämpfen. Und Sesshoumaru musste ihn besiegen, um der Gruppe den Weg zurück in die diesseitige Welt frei zu machen. "Das ist nicht richtig...", sprach Kimie leise und wie zu sich selbst. Und nicht nur Kimie plagten allerlei Gedanken, auch Sesshoumaru war in seinem Inneren nicht so ruhig und ausgeglichen, wie es nach außen hin den Anschein machte. Seit dem ersten Kampf gegen Renhou war nicht allzu viel Zeit vergangen. Sesshoumaru zeigte es zwar nicht, aber er war sich nicht sicher, ob er gegen ihn bestehen konnte. Doch wenn er schon nicht gegen Renhou ankam, wie sollte er dann erst gegen Akuma kämpfen? Sesshoumaru hatte aber bereits keine Zeit mehr, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn Renhou ging mit emporgehobener Lanze zum direkten Angriff über. Sofort riss Sesshoumaru sein Schwert hoch, um zu kontern. Die Lanze glitt zwar an Toukijins Klinge ab, doch bekam Renhou Sesshoumaru mit der linken Hand am Hals zu fassen und drückte ihn mit dem Rücken gegen einen stalagmitförmigen Felsen. Sesshoumaru packte Renhous Handgelenk und wollte sich mit seiner Giftklaue von dem Griff befreien. Renhou bemerkte jedoch vorher schon, was Sesshoumaru vor hatte und ließ von sich heraus wieder von ihm ab, aber nur, um erneut zu einem Angriff mit seiner Lanze auszuholen. Diesmal riss Sesshoumaru Toukijin so nach oben, dass die Lanze an der Klinge abprallte. Da schaute Renhou ihm mit ungerührter Miene direkt ins Gesicht. "Keine Chance..." "Wie bitte?", fragte Sesshoumaru kalt. "Wenn du gedenkst, so gegen Akuma-sama zu kämpfen, wirst du gegen ihn verlieren." Die Tatsache, dass Renhou ihm das so klar und deutlich von Angesicht zu Angesicht gesagt hatte, irritierte Sesshoumaru im ersten Moment doch ein wenig. Als ob es nicht schon genug war, dass er selbst mit sich haderte, jetzt rieb ihm auch noch Renhou unter die Nase, dass seine Fähigkeiten vermutlich nicht ausreichten. Dennoch sah man in Sesshoumarus Augen nach wie vor nur diese abweisende Kälte. "Maße dir lieber nicht an, über mein Können urteilen zu wollen!" Und mit einem kräftigen Stoß mit seinem Schwert, schlug er Renhou zurück. Der Ryû-Youkai entfaltete seine Schwingen und kam in einigen Metern Entfernung sicher und leichtfüßig wieder auf dem Boden auf. "Du hast Recht. Ich sollte mir kein Urteil über dich erlauben. Jedenfalls nicht so." Mit diesen Worten ließ Renhou seine Lanze wie auch schon beim letzten Mal verschwinden und zog stattdessen sein Schwert. "Sehen wir mal, ob sich seit unserem letzten Treffen dennoch etwas verändert hat." "Hm! Du willst es wohl unbedingt wissen, wie?", fragte Sesshoumaru herablassend. In diesem Moment hörte man Inu Yasha aufgebracht aus dem Hintergrund brüllen: "Verdammt noch mal! Kommt mal in die Gänge, ihr zwei Vollidioten! Mittlerweile ist es mir fast schon egal, wer von euch gewinnt! Nur macht endlich mal, dass ihr fertig werdet!" "Wenn Renhou Sesshoumaru besiegt, sitzen wir hier erst recht fest, Inu Yasha...", gab Kagome zu Bedenken, woraufhin der Hanyou abrupt wieder ganz ruhig wurde. Aber ohne etwa was auf die Bemerkung seines Halbbruders zu erwidern oder gar der Unterhaltung weitere Beachtung zu schenken, widmete sich Sesshoumaru wieder Renhou zu. Dieser ging nun in Kampfposition und erhob sein Schwert so, dass die Klinge zusammen mit seinem Arm eine gerade Linie bildete. Einige Sekunden lang verblieb er in dieser Position, dann schnellte er ein weiteres Mal auf Sesshoumaru zu. Laut klirrend prallten die Schwertklingen aufeinander. Dabei ging Renhou so dermaßen in die Offensive, dass Sesshoumaru fast nur parieren konnte, aber selbst einen günstigen Moment, um anzugreifen, fand er nicht. "Was ist denn mit ihm los? Seit wann kämpft Sesshoumaru so lasch?", fragte sich Inu Yasha. Da er bei Sesshoumarus erstem Kampf gegen Renhou nicht mit dabei gewesen war, war es für den Hanyou schon recht verwunderlich gewesen, dass sich sein Halbbruder scheinbar so mühelos von seinem Gegner in Schach halten ließ. Kagome und Kimie hingegen stand die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. "Können wir sie denn nicht aufhalten?", fragte Kimie. "Ich meine... Dieser Kampf ist doch so was von sinnlos! Was soll denn dabei rauskommen? Im schlimmsten Fall hat am Ende keiner von uns etwas erreicht!" Ein Knall lenkte die Aufmerksamkeit aller wieder abrupt auf das Kampfgeschehen. Sesshoumaru hatte versucht, Renhou mit dem Souryuuha entgegenzuwirken, doch hatte dieser die Attacke einfach mit einem Gegenangriff gekontert und so unschädlich gemacht. Renhou ließ sein Schwert einmal in seiner Hand kreisen und ließ es dann mit einer fließenden Bewegung in die linke Hand überwechseln. Zuerst schien es so, als wollte er etwas sagen, doch stattdessen griff er nach einem Moment wieder unvermittelt an. Den ersten Schlag konnte Sesshoumaru noch abwehren, aber beim zweiten Mal gelang ihm das nicht. Die Spitze von Renhous Schwert bohrte sich in Sesshoumaru Fell hindurch bis zu seiner Schulter. Sesshoumaru wurde mit dem Rücken gegen eine Steinwand gedrückt. Kimie hielt vor Schreck die Luft an. "Hört doch bitte auf! Hört auf zu kämpfen!!", schrie sie verzweifelt, obwohl sie selbst das Gefühl gehabt hatte, ihre Stimme würde jeden Augenblick versagen. Mit der freien linken Hand umfasste Sesshoumaru die Schwertklinge, um sie wieder herauszuziehen. Dabei schnitt die scharfe Schneide in seine Hand. Trotzdem schaffte er es und zog die Waffe mit einem Ruck wieder aus seiner Schulter. Direkt danach brachte er sich mit einem Sprung nach hinten erst mal etwas außerhalb von Renhous Reichweite. Sesshoumarus Fell war an der Stelle, wo Renhou das Schwert hindurch gestoßen hatte, mit Blut durchtränkt. Dennoch verzog Sesshoumaru keine Miene, sondern behielt seinen gewohnt kühlen Blick. "Es scheint sich nicht viel verändert zu haben, seit wir uns zuletzt gegenüberstanden", sagte Renhou. "Zieh lieber keine voreiligen Schlüsse. Das könnte dir am Ende sonst sehr schnell Leid tun", entgegnete Sesshoumaru hingegen ohne eine sichtbare Spur von Unruhe. Allerdings machte er sich nach wie vor seine Gedanken. Auch, wenn er es nicht gerne zugab, aber im Moment hatte er keine wirkliche Idee, wie er gegen Renhou kämpfen sollte. Erschwerend kam der Zeitdruck hinzu, der auf ihnen allen lastete. Ein Blick zum Himmel genügte, um sich dessen noch einmal bewusste zu werden. Das Dimensionsportal, durch welches Renhou in die Welt zwischen Dies- und Jenseits gelangt war, schrumpfte stetig und der Spiegel, der Sesshoumaru und den anderen den Zugang gewährt hatte, würde sich vermutlich ebenfalls bald schließen. "Wenn ich mir das noch mal so durch den Kopf gehen lasse, scheint Akuma ja ein ziemlicher Feigling zu sein", meinte Sesshoumaru plötzlich. "Anstatt, dass er sich selbst dem offenen Zweikampf gegen mich stellt, schickt er dich hierher, um mich an diesem Ort festzuhalten. Eine wirklich erbärmliche Art und Weise, sich einer drohenden Niederlage zu entziehen." "Versuchst du, mich zu provozieren?", fragte Renhou unbeeindruckt. Auf Sesshoumarus Gesicht erschien ein kaltes Lächeln. "Das habe ich nicht nötig. Es überrascht mich nur, dass jemand wie du, der angeblich so stark sein und fast auf einer Stufe mit Akuma stehen soll, ohne wenn und aber bei so einer Sache mitmacht. Bezüglich Stolz und Ehrgefühl scheint ihr Ryû-Youkai ja nicht gerade großzügig beschenkt worden zu sein. Ein Haufen hinterhältiger Feiglinge, das seid ihr und nichts weiter!" Die anderen wohnten dem Gespräch mit wachsender Verunsicherung bei. Besonders Inu Yasha war irritiert. "Was soll das werden? Bezweckt Sesshoumaru damit irgendwas Bestimmtes? Wenn ja, dann sollte er sich besser beeilen!" Hingegen schien Renhou sich von Sesshoumarus Worten nicht sonderlich beeindrucken zu lassen. "Bist du jetzt fertig? War das alles, was du mir noch sagen wolltest? Dann könnten wir vielleicht endlich mal zum Schluss kommen." Aber insgeheim machte er sich doch so seine Gedanken. Was machte er hier überhaupt? Anstatt hier an diesem friedhofsgleichen Ort einen Kampf zu bestreiten, sollte er sich besser diesen elenden Naraku vorknöpfen. Diesen verfluchten Hanyou, der mit seinen fadenscheinigen Versprechungen drauf und dran war, den Clan der Ryû-Youkai zum stupiden Werkzeug seiner eigenen Interessen zu machen. ER war der wahre Feind! Aber anstatt ihn aufzuhalten, kämpfte Renhou hier im Auftrag seines Herrn gegen den Anführer der Inu-Youkai, um diesen auch auf eigenes Risiko an diesem Ort gefangen zu halten. Doch was würde dann geschehen? Dann stünden Naraku praktisch alle Türen offen. Und wenn Akuma es nicht endlich erkennen würde, gäbe es ansonsten keinen, der Naraku noch aufhalten könnte. Es stimmte, die Inu-Youkai und die Ryû-Youkai waren Feinde, doch hatten sie im Grunde nicht einen gemeinsamen Widersacher, den man eigentlich bekämpfen sollte? Dass Renhou zwar vorher noch diese Ansage gemacht, aber danach nichts weiter getan hatte, außer einfach nur so dazustehen, machte Sesshoumaru seinerseits etwas nachdenklich. Er hatte schon immer den Eindruck gehabt, dass Renhou anders war als die meisten seiner Kampfgefährten. Und dieses Mal schien dem Ryû-Youkai etwas ganz anderes durch den Kopf zu gehen, nur eben nicht der noch andauernde Kampf. "Akuma-sama... Er wird euch schon sehr bald angreifen. Womöglich schon morgen." Sichtlich überrascht schaute Sesshoumaru Renhou an, und auch die anderen tauschten im Hintergrund untereinander irritierte Blicke aus. "Was soll das?", fragte Sesshoumaru nun äußerst prüfend. "Warum erzählst du uns das auf einmal? Soll das eine Finte sein, um mich zu einer unüberlegten Handlung zu verleiten?" "Keine Finte. Nur eine Warnung", entgegnete Renhou ruhig und hob seinen Blick. "Im Grunde kann ich ohnehin nicht mehr viel tun und habe auch nichts mehr zu verlieren. Und zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es mir als besser, euch zu sagen, was Akuma-sama vor hat. Das tue ich auch für Takeshi-sama... Denn Akuma-sama wird keinen von euch verschonen wollen. Auch nicht seinen eigenen Bruder..." "Und warum sollte Akuma seinen eigenen Bruder töten wollen?" "Wegen Naraku. Er redete ihm ein, Takeshi-sama wäre ein Verräter, der zu deinem Clan übergelaufen ist. Weil er..." "Weil er sich in Kimie verliebt hat." Nun sah man in Renhous Augen eine Spur von Überraschung, aber dann lächelte er kaum merklich. "So... Du weißt es also bereits." "Takeshi hat es mir gegenüber selbst gestanden", erklärte Sesshoumaru ungerührt. "Und du hast ihn am Leben gelassen?" "Ich wurde darum gebeten." Für einen kurzen Augenblick schaute er zu Kimie rüber, in deren Augen er im Moment nicht abzulesen vermochte, was gerade in ihr vorging. Es hatte etwas von Betroffenheit, aber auch Unsicherheit an sich gehabt. "Das alles soll jedoch nicht bedeuten, dass ich dich und deine Kameraden nun doch so einfach ziehen lasse!", stellte Renhou sofort wieder klar. "Wie schon gesagt, wenn du nicht mal in der Lage bist, mich zu töten, dann wirst du gegen Akuma-sama erst recht nicht bestehen können." Ungerührt musterte Sesshoumaru den Ryû-Youkai. "Dann betrachte ich all das eben als eine Art Test. Obwohl es mir im Grunde egal sein kann. Denn ich habe in keinster Weise vor, vor dir meine Waffe niederzustrecken!" Renhou nickte einmal. "Gut, dann bringen wir es hier und jetzt zu Ende." Indes waren sich die anderen mittlerweile überhaupt nicht mehr sicher darin gewesen, was sie von der ganzen Sache halten sollten. "Ich blick gar nicht mehr durch... Auf wessen Seite steht dieser Renhou jetzt eigentlich?", fragte sich Inu Yasha irritiert. "Ich denke, er steht nach wie vor zu seinem Clan...", vermutete Kagome vorsichtig. "Aber es scheint auch irgendwie so zu sein, dass er nicht will, dass wir hier alle gefangen bleiben." "Dann soll er uns doch einfach gehen lassen!" "Aber dann würde er seinen Clan verraten, und das würde ihn töten! Das hat er doch vorhin selbst gesagt." "Aber hat er ihn denn nicht schon verraten, indem er Sesshoumaru erzählt hat, was Akuma plant? Oder zählt das etwa nicht, wenn man dem Feind solche Informationen mitteilt?" Diese Frage hatte fast schon was Sarkastisches an sich gehabt. Darauf wusste Kagome nichts zu erwidern. Diese ganze Situation erschien so festgefahren. Keiner konnte im Moment wirklich sagen, was richtig war und was nicht. Nur in einer Sache war sich zumindest Kimie sicher gewesen: Dieser ganze Kampf, wie er gerade stattfand, war falsch! Dem musste Einhalt geboten werden. Aber wie? Die Auseinandersetzung zwischen Sesshoumaru und Renhou ging in der Zwischenzeit unbarmherzig weiter. Immer wieder prallten die Klingen ihrer beiden Schwerter aufeinander, und es machte den Eindruck, als ginge insbesondere Renhou nun noch unerbittlicher vor als noch vorhin. Und das hatte seinen Grund: Seine besonderen Fähigkeiten, die er als einer der fünf Hüter inne hatte, hatten nachgelassen. Ganz deutlich konnte Renhou spüren, wie ihn seine Kräfte nach und nach verließen. Schon als er sich auf den Weg in diese unwirkliche Welt gemacht hatte, hatte er es bemerkt. Von daher konnte er es sich nicht leisten, weitere Zeit zu verlieren. Als Renhou Sesshoumaru schließlich weit genug in die Enge getrieben hatte, holte er zum Schlag aus, doch hielt er noch im selben Moment abrupt inne. Sein Arm... Sein linker Arm war plötzlich taub! Nur einen Sekundenbruchteil später schoss dieses Brennen vom Handgelenk bis hinauf zur Schulter. Renhous Konzentration ließ für diesen Augenblick nach. Sesshoumaru bemerkte dies und nutzte sofort die Gunst, die sich ihm bot und schlug mit Toukijin zu. Mit einem gezielten Hieb erwischte er Renhou auf der Höhe der Brust und zerschnitt den Stoff seines Hemdes. Eine blutige Schnittwunde blieb zurück. Nur, weil Renhou doch noch hatte ausweichen können, war ihm Schlimmeres erspart geblieben. Doch dieser kleine Triumph über seinen Gegner verleitete Sesshoumaru nicht etwa dazu, gleich ein weiteres Mal anzugreifen. Vielmehr richtete er nun eine skeptische Frage an den Ryû-Youkai: "Was sollte das eben? Du hättest mich mit Leichtigkeit angreifen können. Außerdem hast du bei deinem Ausweichmanöver wieder unnötig Zeit vertan. Bildest du dir etwa ein, du müsstest mir dabei helfen, mein Gesicht zu wahren?" Aber da fiel ihm etwas auf. Renhou war nach wie vor unkonzentriert, außerdem hatte sich seine Aura verändert. Wenn Sesshoumaru es nicht besser gewusst hätte, hätte er glatt vermutet, sie würde ohne jeglichen äußeren Einfluss nach und nach schwächer werden. Und natürlich hatte auch Renhou selbst es bemerkt. Obwohl er gehofft hatte, dass er es noch etwas länger hätte herauszögern können... "Es liegt nicht in meiner Absicht, dir in irgendeiner Form einen Gefallen zu tun", entgegnete er nun auf Sesshoumarus Frage. "Ich habe mich lediglich verkalkuliert. Das ist alles..." "Hm! Dein Schwur fordert also bereits sein Opfer", erkannte Sesshoumaru mit üblich kühler Stimme. Es musste daran gelegen haben, dass Renhou Akumas Absichten preisgegeben hatte und außerdem ohnehin nicht mit dem einzigen und festen Willen darum kämpfte, die Gruppe um jeden Preis hier festzuhalten. "Bilde dir aber trotzdem nicht ein, ich würde mich jetzt deshalb zurückhalten. Ich habe nach wie vor die Absicht, dich zu töten!" "Ich erwarte keine Zurückhaltung von dir", erwiderte Renhou noch ruhig, ehe dieses Mal Sesshoumaru seinerseits zum Angriff überging und sich abermals die Klingen kreuzten. Plötzlich überkam Kimie so ein komisches Gefühl. Bei Sesshoumarus letzter Aussage war ihr auf einmal dieser eiskalte und unheimliche Schauer über den Rücken gelaufen, obwohl er schon von Anfang an deutlich gemacht hatte, dass er Renhou töten wollte. Irgendetwas war da in seinen Worten gewesen, was sie ängstigte. Es war dieser Unterton gewesen... Voller Ungnade und... Kälte. In diesem Moment hallte ein heller Klang in der Luft wider. Wieder waren die beiden Schwerter aufeinander geprallt. Doch sowohl im Austeilen als auch im Parieren hatte sich das Gleichgewicht der Kräfte nun auf beide Kontrahenten etwa gleichmäßig verteilt. Als Renhou irgendwann einen Satz nach hinten sprang und dann zu einem kinetischen Angriff mit seinem Schwert ausholte, machte sich Sesshoumaru schon dafür bereit, dem zu kontern. Kaum, dass Renhou seinen Angriff gestartet hatte, schwang Sesshoumaru Toukijin genau in dessen Richtung. "Souryuuha!" Ein blauer Lichtblitz, der Ähnlichkeit hatte mit der Form eines Drachen, löste sich aus der Klinge und steuerte genau auf direktem Konfrontationskurs mit Renhous Angriff zu. Sesshoumarus Souryuuha neutralisierte diesen und hatte selbst danach noch genug Kraft, um auch Renhou selbst noch schwer zu treffen. Durch das grelle Licht des Blitzes war dieser kurzzeitig geblendet worden und bemerkte zu spät, dass die Attacke genau auf ihn zusteuerte. Mehrere Meter wurde Renhou zurückgeworfen und schrammte nach einem harten Aufprall über den mit Knochen übersäten Boden. Danach blieb er ohne jegliche Regung liegen. "Der Kampf ist entschieden. Es ist vorbei", hörte Kimie Inu no Taishou, der während des ganzen Kampfes über geschwiegen hatte, nun sagen. Die anderen wirkten irritiert. War es wirklich schon vorbei? Stille breitete sich aus, als sich Renhou wieder rührte. Es bereitete ihm sichtlich Mühe, sich wieder aufzurichten, obwohl er es schließlich trotzdem schaffte. Allerdings blieb er dennoch auf dem Boden sitzen, als wüsste er auch selbst, dass es vorbei war. Sesshoumarus Angriff hatte ihn heftig erwischt. Sein Körper war mit Wunden übersäht und es schien sogar so, als wäre einer seiner Flügel gebrochen, ebenso wie sein Kampfgeist. Tatsächlich, es schien vorbei gewesen zu sein. Aber angesichts dieses Bildes, wie Sesshoumaru jetzt auf Renhou zuging und dann vor ihm stehen blieb, verspürte Kimie abermals dieses beklemmende Gefühl in sich. "Bitte nicht...!", flüsterte sie mit zitternder Stimme, während Sesshoumaru seinen Gegner nur mit diesem kühlen Blick beäugte. "Deine Zeit ist gekommen! Stirb!" Zugegeben, einen ohnehin schon geschwächten Feind zu töten, wäre zwar keine ausreichende Genugtuung für ihn gewesen, aber um derartige Dinge konnte sich Sesshoumaru zum jetzigen Zeitpunkt keine Gedanken machen. Immerhin wartete in der Gestalt von Akuma der wahre Gegner, den er zu töten gedachte, auf ihn. Mit Renhou würde er sich so gesehen nur ein lästiges Hindernis, das ihm den Weg versperrte, vom Hals schaffen. Sesshoumaru erhob erneut sein Schwert, um Renhou den Todesstoß zu versetzen. Doch plötzlich warf sich ihm jemand entgegen, hielt sich an ihm fest und verhinderte somit sein Vorhaben. "Nein! Sofort aufhören!!" Von einem Moment auf den anderen war es still geworden. Sichtlich irritiert starrte Sesshoumaru nun auf Kimie herab. "Was willst du? Lass mich los!", befahl er ihr, doch sie hörte nicht auf ihn. "Es reicht! Hör endlich auf damit! Das bringt doch alles nichts!" Bittend schaute Kimie zu ihm hoch. "Der Kampf ist entschieden! Was willst du denn noch?! Renhou kann doch gar nicht mehr kämpfen!" "Den Feind zu töten ist ein natürlicher Bestandteil einer solchen Auseinandersetzung. Er hätte das Gleiche auch mit mir gemacht. Also misch dich da nicht ein!" Da war er wieder; dieser eiskalte Ton seiner Stimme und dieser unbarmherzige Blick. Für einen kurzen Augenblick bekam Kimie Angst, trotzdem ließ sie nicht von Sesshoumaru ab. "Ich bitte dich...", flüsterte sie schon beinahe flehend. "Bitte töte ihn nicht! Werde nicht wieder... so grausam und erbarmungslos wie früher..." Nun war es Sesshoumaru gewesen, der sie mit diesem merkwürdigen Gesichtsausdruck ansah. Hatte sie Angst? Etwa vor ihm? Noch einmal unschlüssig in Renhous Richtung blickend, ließ er Toukijin letztendlich sinken. Als sie erkannte, dass er nichts weiter zu tun gedachte stieß Kimie erleichtert den Atem aus. "Danke..." Wortlos steckte Sesshoumaru indes sein Schwert wieder ein. Renhou hatte all das mehr oder minder bewusst mitbekommen. Er war zuvor schon an einem Punkt angekommen, an dem er nicht in der Lage gewesen war zu sagen, ob er richtig gehandelt hatte oder nicht. Was hätte er vielleicht anders machen können? Hätte er Sesshoumaru und dessen Begleiter bereits von Anfang ohne jeglichen Kampf ziehen lassen sollen? Was hätte das schließlich für einen Unterschied für ihn selbst gemacht, ob er nun in dieser Welt gefangen geblieben, von Sesshoumaru besiegt worden oder an den Folgen dieses verdammten Fluches gestorben wäre? Ein bitter wirkendes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. "Welcher Teufel... hat mich nur geritten...?" Dann sank Renhou mit seinem Körper zur Seite. Ruckartig hatten sich die anderen sogleich zu ihm umgewandt. "Was ist mit ihm? Ist er... tot?", fragte Kagome sichtlich verunsichert, während Inu Yasha etwas näher an den Ryû-Youkai herantrat. "Sieht nicht so aus. Aber er ist bewusstlos." "Mh... Und jetzt? Sollen wir ihn mitnehmen?" Unschlüssiges Schweigen machte die Runde. Doch Sesshoumaru brauchte nur einmal kurz in Kimies Richtung zu blicken und schon schien die Entscheidung gefällt worden zu sein. Allein ihr bittender Blick sagte ihm mehr als genug. Von daher schritt er nun auf Renhou zu und hob dessen Körper vom Boden auf. "Wir nehmen ihn mit. Inu Yasha, du kümmerst dich währenddessen um Kimie und bringst sie an meiner Stelle zurück in unsere Dimension." Trotzig verschränkte Inu Yasha die Arme vor der Brust. "Wenn ich dir einen Gefallen tun soll, musst du schön 'bitte' sagen." Aber darauf erwiderte Sesshoumaru nicht mal etwas, als wäre ihm seine Stimme dafür zu schade. In unmittelbarer Nähe der Gruppe landete nun wieder eines dieser geflügelten Wesen, welches zuvor schon Inu Yasha und Kagome zum Grab getragen hatte. Bevor sie sich alle jedoch auf den Weg machten, wandte sich noch einmal der Geist von Inu no Taishou an sie. Dessen Gesicht zierte ein warmes Lächeln. "Es ist so weit. Für euch wird es Zeit, nun wieder zu gehen. Und auch ich muss mich nun von euch verabschieden, obwohl ich gerne noch ein wenig länger mit euch gesprochen hätte. Sesshoumaru, Inu Yasha... Passt auf euch auf und auch auf die, die euch wichtig sind." Kaum, dass er das gesagt hatte, begann die geisterhafte Erscheinung in einem hellen Licht zu verschwinden, sodass die anderen ihre Blicke abwenden mussten. "Vater, warte!", rief Inu Yasha noch, aber da war Inu no Taishou schon verschwunden, ebenso wie dieses Licht. Als wollte sie versuchen, ihm zumindest etwas Halt zu geben, legte Kagome eine Hand auf die Schulter des Hanyou. Einen Moment lang sagte niemand etwas, bis sich Sesshoumaru schließlich zum Gehen umwandte. "Kommt! Wir haben keine Zeit mehr, um uns hier noch länger aufzuhalten." "Das dauert zu lange! Wo bleiben sie denn?" Unruhig lief Shippou in dem Zimmer auf und ab und schaute dabei immer wieder auf den Spiegel. Auch bei den anderen machte sich langsam aber sicher Unruhe breit und in der Zwischenzeit war auch Takeshi mit dazugekommen. Die Neugier hatte ihn hergetrieben, jedoch hielt er sich stets etwas abseits von den anderen auf, die ihm ab und an flüchtige Blicke zuwarfen. "Jaken-sama? Sesshoumaru-sama und die anderen kommen doch wieder, oder?", fragte Rin den Krötendämon erwartungsvoll. "Blöde Frage! Natürlich!", antwortete dieser bestimmt. "Sesshoumaru-sama würde es schließlich niemals vermasseln! Es kann sich nur noch um wenige Augenblicke handeln." Allerdings musste Jaken für sich selbst zugeben, dass auch er allmählich unsicher wurde. Warum dauerte das so lange? >Nur noch wenige Minuten<, dachte Kakeru besorgt. Es musste etwas passiert sein, andernfalls konnte er sich nicht erklären, warum Sesshoumaru und die anderen nicht schon längst zurückgekehrt waren. Auch Takeshi wurde unruhig, traute sich aber nicht, eventuell etwas zu sagen. Plötzlich schien sich jedoch etwas zu tun. Der Nebel im Spiegel lichtete sich. Abwartend waren sämtliche Blicke auf ihn gerichtet, als kurz darauf Inu Yasha mit Kagome und Kimie im Schlepptau aus dem Spiegel hervorkam. Der Hanyou atmete erleichtert aus, als er den sicheren Boden unter seinen Füßen verspürte. "Puh! Haben wir es doch noch rechtzeitig geschafft." "Was ist passiert?", fragte Sango sofort. "Ist alles okay? Geht es euch gut?" Kagome nickte. "Ja, Sango-chan. Keine Sorge, es ist alles in Ordnung." "Aber wo ist Sesshoumaru-sama?", fragte Rin sofort sichtlich besorgt, als der Youkai nur einen Augenaufschlag später ebenfalls wieder in dem Zimmer stand. Stille breitete sich unter den Anwesenden aus, als sie Renhou entdeckten. Besonders Takeshi wirkte erschrocken, angesichts des schlechten Zustandes seines Kameraden. "Renhou?! Aber was... was ist passiert?" "Er wurde von Akuma geschickt, um uns daran zu hindern, wieder hierher zurückzukommen", antwortete Sesshoumaru ungerührt und warf einen kurzen Blick auf Renhou. Dieser schien gerade wieder zu Bewusstsein zu kommen. "Renhou!" Takeshi zögerte nicht mehr und ging auf ihn zu, wodurch Sesshoumaru es nun Akumas Bruder überließ, sich um Renhou zu kümmern. Takeshi kniete sich auf den Boden, während er Renhous geschwächten Körper festhielt. "Renhou, kannst du mich hören? Sag etwas!" Langsam öffnete Renhou seine Augen etwas. Er hatte seinen jungen Herrn gleich wieder erkannt. "Takeshi-sama... Es... es tut mir Leid..." Takeshi stutzte. "Was? Was tut dir Leid?" "Es ist alles außer Kontrolle geraten...", antwortete Renhou ungenau. "Von Anfang an... sollte es wohl so kommen." Noch immer verstand Takeshi nicht, was genau sein Kamerad eigentlich meinte. Aber darum machte er sich rasch keine Gedanken mehr, als er sich dessen Verletzungen ansah. "Darüber können wir auch später noch reden, Renhou. Zuerst müssen wir deine Wunden..." Doch da schüttelte Renhou bereits leicht den Kopf. "Nein. Lasst es... Es ist vorbei..." "Was...?" Takeshi war ratlos. Warum gab Renhou so einfach auf? Man konnte ihm doch noch helfen! Zugegeben, er war zwar schwer verletzt, aber trotzdem hätte man ihm immer noch irgendwie helfen können. Merkwürdig jedoch war, dass Renhous Lebenskraft von Sekunde zu Sekunde zu schwinden schien. Das konnte aber nicht allein durch seine Verletzungen verursacht worden sein. Takeshi konnte es spüren, irgendetwas stimmte hier nicht. Da fiel sein Blick auf Renhous linken Arm. Unter dem Handgelenkschoner waren merkwürdige Male wie von Brandwunden zum Vorschein gekommen. Hastig streifte Takeshi den Schoner ab und erschrak. Die Tätowierung an Renhous Handgelenk... sie war blutrot und die eigenartigen Wundmale schienen ihm allmählich seine Kräfte und seine Lebensenergie zu entziehen. Aber warum trug er überhaupt diese Tätowierung? Takeshi war sie bisher nie aufgefallen. Auch hatte Renhou nie etwas gesagt. "Was passiert hier? Renhou!" Renhou brauchte einen Augenblick, ehe er so weit in der Lage gewesen war, etwas zu sagen. "Ich wollte es eigentlich vermeiden, aber nun habe ich es doch getan... Ich habe Euren Bruder hintergangen... weil ich sein Vorhaben an seine Feinde weitergegeben habe. Ich habe mein Leben verwirkt..." "Sag das nicht!", rief Takeshi aus. "Es gibt bestimmt einen Weg, dir zu helfen! Sag mir doch, was ich tun kann, Renhou!" "Nichts mehr für mich... aber vielleicht für unsere Kameraden." Renhou musste kurz stoppen, weil ihn abermals dieser brennende Schmerz heimsuchte. "Takeshi-sama... Wenn das so weitergeht... ist unser Clan dem Untergang geweiht. Euer Bruder... er sieht es nicht..." Während Takeshi nur hilflos mit ansehen konnte, wie sein Kamerad langsam aber sicher sein Leben aushauchte, standen die anderen stumm daneben. In ihren Gesichtern spiegelte sich Unsicherheit. Da ergriff Kimie Sesshoumaru am Ärmel seines Kimonos. "Sesshoumaru! Kannst du nicht etwas tun? Vielleicht mit Tenseiga...?" Doch Sesshoumaru schüttelte bereits den Kopf. "Nein. Tenseigas Kraft dient nicht dazu, einen solchen Fluch aufzuheben. Ihm kann niemand mehr helfen." Betroffen senkte Kimie den Blick und schaute wiederum zu Takeshi und Renhou. Letzterer griff nun in die Seitentasche seiner Hose und holte etwas Kleines aus dieser zum Vorschein, was er an Takeshi übergab. Dieser stutzte zunächst. "Was ist das?" "Diese Perle... hat die Macht, Tote wieder ins Leben zurückzuholen", erklärte Renhou. "Man kann sie... nur einmal verwenden. Außerdem muss derjenige, der sie gebraucht, es sich selbst auch wirklich von Herzen wünschen, dass der Verstorbene wieder lebt. Ansonsten bringt er sich selbst in tödliche Gefahr. Gebraucht sie bitte klug..." Kaum, dass er das gehört hatte, rief Takeshi aus: "Aber... aber dann verwenden wir sie doch für dich!" "Nein, Takeshi-sama! Bitte... Vertraut mir einfach. Wenn es nötig sein sollte, helft damit einer Person, die Euch nahe steht... aber nicht mir." Takeshi hatte sichtlich Mühe damit, abermals das Wort zu ergreifen: "Renhou... Ich weiß nicht, was ich für unseren Clan tun kann, aber ich schwöre dir, ich werde tun, was in meiner Macht steht, um das Schlimmste zu verhindern!" Nur wusste er zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Aber er musste es wenigstens versuchen. Auf Renhous Gesicht zeichnete sich ein schwaches Lächeln ab. "Ich hätte Euch gerne dabei geholfen. Vergebt mir bitte..." Renhous Augen schlossen sich, und als sein Körper nach seinem letzten Atemzug keinerlei Regung mehr zeigte, war Takeshi klar, dass es vorbei war. Er sagte kein Wort, sondern verharrte nur stumm auf seinem Platz. Auch dann noch, als sich Renhou Gestalt allmählich wie Nebelschleier in einem blassen Licht aufzulösen begann, welches langsam in dem Raum emporstieg. Die geisterhafte Erscheinung nahm kurzzeitig die schemenhafte Kontur eines Drachen an und es schien, als würde dieser noch einmal kurz auf Takeshi herabblicken, ehe er allmählich verblasste. Ein sanfter Hauch wie von einer Brise war noch zu spüren gewesen, dann war das Licht wieder verschwunden und mit ihm Renhou. Das Einzige, was zurückgeblieben war, war sein Schwert gewesen, das er stets bei sich getragen hatte. Takeshi streckte seine Hand nach der Waffe aus. Lange ruhte sein Blick auf ihr, ebenso wie auf der kleinen Perle in seiner anderen Hand. Sie schimmerte in einem rötlichen Schein, wie die untergehende Sonne. "Nein... Ich müsste dich um Vergebung bitten, Renhou. Weil ich nichts tun konnte..." Besonders Kimie wurde bei dem Anblick, wie Takeshi da so auf dem Boden kniete, schwer ums Herz. Gerne hätte sie ihm einige tröstende Worte geschenkt, aber sie wusste nicht, was sie hätte sagen können. Urplötzlich zerriss ein lautes Klirren die Stille. Als die Anwesenden ihr Blicke umwandten, sahen sie den Spiegel in tausende Stücke zersprungen. Er hatte seinen Dienst erfüllt... * ~ * ~ * ~ * ~ * Auch den Ryû-Youkai waren die jüngsten Geschehnisse nicht verborgen geblieben. "Renhous Chi erlosch in dieser Welt. Vermutlich haben Sesshoumaru und seine Begleiter ihn mitgenommen", erklärte Yu gegenüber Akuma und Jin. Während Jin sich dazu in Schweigen hüllte, wirkte Akuma nicht wirklich überrascht. Beinahe schon gelassen ließ er stattdessen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand über den Rand einer etwa hüfthohen Vase kreisen. Diesmal hatte auch er selbst mitbekommen, dass Renhou tot war. Er hatte gespürt, dass sich der Bann, dem sein Gefolgsmann unterlag, freigesetzt worden war. Demnach hatte Renhou seinen Tod selbst herbeigeführt. "So ergeht es Verrätern. Obwohl es in gewisser Hinsicht schon etwas bedauerlich ist." Akuma stieß die Vase mit einem Fingerschnippen um, woraufhin diese klirrend zerbrach. "So schnell kann's gehen. Er ist selbst Schuld an seinem Schicksal." "Und... was habt Ihr nun vor?", wagte Jin nach kurzem Zögern zu fragen. Akuma wandte sich zum geöffneten Fenster um. Die Sonne ging allmählich unter und warf rötliche Schimmer auf die am Himmel stehenden Wolken. "Wir sollten dem Ganzen so langsam ein Ende bereiten. Es bleibt bei dem, was wir bereits beredet haben. Renhous Tod ändert nichts daran." Akuma wandte sich wieder zu seinen Gefolgsleuten um. "Jin! Du kümmerst dich darum, dass sich unsere Krieger vorbereiten und dass die Flugdrachen bereit sein werden. Bei Morgengrauen machen wir uns auf den Weg. Die Zeit für kindische Spielereien ist vorbei! Egal, wer von dieser verfluchten Hunde-Sippe auch unseren Weg kreuzen mag, es wird sich nicht zurückgehalten! Schlachtet alle nieder!" "Und was ist mit Sesshoumaru?", fragte Yu. Akumas Antwort fiel klar und deutlich aus: "Den nehme ich mir persönlich vor, ebenso wie meinen werten Bruder. Und ansonsten gilt das, was ich bereits sagte. Wir werden alle töten, ganz gleich, um wen oder was es sich dabei handelt. Es werden keine Gefangenen mehr gemacht!" Nach dieser Ansage verließen Jin und Yu die Privaträume ihres Herrn wieder. Schweigend schritten sie nebeneinander den Gang entlang. "Was für eine Geschichte...", meinte Yu irgendwann. "Schau uns nur an, wo wir jetzt stehen. Von uns fünf Hütern sind nur noch wir beide übrig geblieben." "Pech. Daran können wir nichts mehr ändern", entgegnete Jin nur kaltschnäuzig und klang dabei auch ein wenig gereizt, was Yu nicht verborgen blieb. Er hatte auch schon so eine ungefähre Ahnung, worin Jins Stimmung begründet war. "Sag mal, Jin, ich dachte eigentlich immer, du würdest Renhou hassen. Warum aber habe ich dann den Eindruck, dass sein Tod dich doch so sehr zu beschäftigen scheint?" Nach dieser allzu direkten Frage war Jin abrupt stehen geblieben. Doch schaute er Yu zu keinem Zeitpunkt ins Gesicht, als dieser weiter sprach: "Im Grunde kannst du dich doch eigentlich glücklich schätzen. Jetzt bist du derjenige, der in Sachen Kampfkraft nach Akuma-sama innerhalb unseres Clans auf Rang Nummer 2 steht. Im Übrigen bin ich gerne bereit, dir die leitende Position unter den Hütern zu überlassen. Für so was interessiere ich mich nämlich nicht. Ob du angesichts der Tatsache, dass nur noch wir beide übrig sind, damit allerdings überhaupt noch etwas anfangen kannst, sei dir überlassen." Wiederum blieb Jin stumm. Yu wartete noch ein wenig, dann machte er Anstalten, seinen Weg fortzusetzen. "Yu!", rief Jin seinem Kameraden plötzlich nach. "Wie denkst du über all das? Tun wir das Richtige?" Ein wenig überrascht schien Yu nun doch gewesen zu sein, als er sich wieder zu Jin umwandte. "Wer bestimmt schon darüber, was richtig ist und was nicht?", fragte er dann mysteriös zurück. "Aus unserer Sicht tun wir das Richtige für uns, doch sehen wir die Lage aus der Sicht unserer Gegner, so tun diese für sich auch nur das Richtige. Wobei, können wir uns wirklich sicher sein, dass wir im Recht sind, und dass wir aus eigenem Antrieb heraus handeln?" Jin wirkte sichtlich irritiert. "Drück dich klarer aus, Yu! Sprich nicht in Rätseln!" "Ich habe dir nur gesagt, was ich denke. Das wolltest du doch schließlich hören, oder?" "Du... du meinst also, was wir tun, ist falsch." "Das habe ich so nicht gesagt. Aber kannst du für dich selbst mit Sicherheit sagen, dass es auf jeden Fall richtig ist, was wir tun?" Aber ohne etwa auf eine Antwort von Jin zu warten, kehrte Yu ihm nun wieder den Rücken zu und ging weiter. Jin machte keine weiteren Versuche, seinen Kameraden aufzuhalten. Stattdessen kam er ziemlich ins Grübeln. Sowohl über den bevorstehenden Kampf, als auch über Renhou. Dessen frühzeitiger Tod hatte Jin jegliche Chance genommen, sich wiederum mit ihm im Kampf zu messen. Nun würde er nie erfahren, ob er es jemals geschafft hätte, aus dem Schatten der Nummer 2 des Clans zu treten. Ein etwas bitter wirkendes Lächeln erschien auf Jins Gesicht. "Tja, Renhou... Die Antwort auf diese Frage wirst du mir also schuldig bleiben..." * ~ * ~ * ~ * ~ * Inzwischen war es dunkel geworden. Takeshi saß auf der Schlossmauer beim Garten und blickte nachdenklich in den Sternenhimmel hinauf. Schon seit einigen Stunden war er hier und hatte dabei kein einziges Mal Renhous Schwert aus der Hand gelegt. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Renhou hatte nie eine andere Wahl, als für die Ryû-Youkai zu kämpfen und zu sterben. Anders als er war Takeshi nicht an einen Fluch gebunden. Er hatte sich frei entscheiden können, seinem Bruder den Rücken zuzukehren, um das zu tun, was er für richtig hielt. Takeshi seufzte leise. "Takeshi..." Als er seinen Namen gehört hatte, drehte sich Takeshi um und entdeckte Kimie unterhalb der Mauer stehen. Er gesellte sich zu ihr nach unten. "Kimie. Was machst du um die Zeit noch hier draußen?" "Ich wollte nur mal nach dir schauen", erklärte sie ihm, ehe ihre Stimme einen etwas bedauernden Unterton annahm, als sie das Schwert in seiner Hand entdeckte. "Das mit Renhou... Es tut mir sehr Leid." Zuerst wirkte Takeshi zwar etwas verblüfft, schüttelte dann aber leicht den Kopf. "Das muss es nicht. Es ist in Ordnung..." Er lehnte sich mit dem Rücken an die steinerne Mauer. "Du und er... Ihr ward gute Freunde, oder?", fragte Kimie nach einem Moment. Takeshi nickte knapp. "Ich konnte mit ihm stets über alles reden. Egal, was mich beschäftigte, er hat mir immer zugehört und mir auch den Rücken gestärkt, wenn es erforderlich war. Im Grunde... war er praktisch der große Bruder für mich. Akuma gegenüber habe ich mich nie so wirklich getraut zu sagen, was ich denke. Renhou hat sich meiner angenommen, als meine Mutter und dann auch mein Vater verstarb. Ich war damals noch klein." Abermals legte sich kurz Stille über den Garten. Schließlich war es Kimie gewesen, die als Erste wieder das Wort ergriff: "Takeshi... Du meintest mal, Akuma wäre eigentlich nicht so, wie er jetzt ist. Was genau hast du damit gemeint?" Er zuckte kurz die Achseln. "Zugegeben, vieles kenne auch ich nur aus Erzählungen. Aber wie es scheint, hat unser Vater die Niederlage gegen Inu no Taishou nie verwunden. Damals fügte ihm dieser nämlich eine Wunde zu, die ihn für den Rest seines Lebens beeinträchtigt hatte. Unser Vater konnte danach nie wieder richtig kämpfen, stattdessen kümmerte er sich von da an besonders um die Ausbildung und das Training von Akuma. Und Akuma entwickelte wohl rasch ungeahnte Kräfte. Sogar unserer Mutter soll er mit der Zeit unheimlich geworden sein. Und je länger Akuma mit unserem Vater zusammen war, umso mehr wurde er wie er. Trotzdem gab es einen Unterschied. Diese eiskalte Ignoranz, die unseren Vater so sehr ausgezeichnet hat, die hat bei ihm wiederum... Ich will nicht sagen 'gefehlt', aber sie war halt nicht so ausgeprägt. Erst seit Naraku aufgetaucht ist, ist Akuma so..." Takeshi hielt inne und atmete einmal tief durch. Als versuchte er, seine Erinnerungen etwas zu ordnen, hatte er die Augen geschlossen. Als er sie wenig später wieder öffnete, war sein Blick entschlossener denn je. "Egal, was ich dafür tun muss, ich werde alles versuchen, damit Akuma wieder zur Vernunft kommt und endlich die Wahrheit erkennt!" Dann schaute er auf und sah Kimie ernst in die Augen. "Und auch, wenn du nicht mitkämpfen wirst, ich werde dennoch versuchen, dich so gut es geht zu beschützen, indem ich dabei helfe zu verhindern, dass Akuma sich die Herrschaft über die westlichen Länder aneignet!" Kimie blieb stumm. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, was sie darauf hätte erwidern können. Nur eines war ganz klar gewesen: Takeshi war in jeder Hinsicht fest entschlossen. Eine Seite, die sie so bisher noch nicht an ihm gesehen hatte. "Kimie?", fragte er nach einem Moment, nun wieder mit etwas weicherer Stimme und kam ein wenig näher. "Kann ich dich etwas Persönliches fragen?" Sie nickte. "Sicher. Worum geht es denn?" "Nun... Es mag sich womöglich etwas dreist anhören, aber... man kann schließlich nie wissen, wie so ein Kampf ausgehen wird." Takeshi stoppte kurz. "Wenn es dazu kommen sollte, dass ich sterbe... wärst du dann traurig?" Kimie war überrascht. Was sollte diese Frage? Trotzdem antwortete sie nach einem Moment ehrlich: "Ich müsste lügen, wenn ich 'Nein' sagen würde. Sicher wäre ich traurig." Takeshi ließ sich das noch mal kurz durch den Kopf gehen. Dann atmete er noch einmal tief aus. "Aber ich möchte nicht, dass du dann eventuell um mich weinst. Versprich mir bitte, dass du nicht weinen wirst." Jetzt schaute Kimie doch sichtlich perplex drein. "Boah! Du hast ja vielleicht Wünsche... Sonst noch was?", fragte sie leicht sarkastisch, war sich aber durchaus der Ernsthaftigkeit seiner Worte bewusst gewesen. Dann seufzte sie leise. "Tut mir Leid, Takeshi, aber das ist ein Versprechen, dass ich dir so nicht geben kann. Ich kann... dir nur so viel versprechen, dass ich es versuchen werde, aber... so gesehen möchte ich, dass du mir ebenfalls etwas versprichst." Sie sah ihm fest in die Augen. "Pass auf dich auf. Und bitte riskier nicht Kopf und Kragen, wenn es nicht unbedingt sein muss, ja?" Takeshi lächelte nun etwas. "Ich versuche es. Aber wenn ich morgen wirklich sterben sollte, dann tue ich das mit bestem Gewissen. Weil ich versuchen werde, das zu beschützen, was ich liebe." Kimie setzte dazu an, etwas zu sagen, ließ es dann aber. Sie war unschlüssig in dem, was sie jetzt tun sollte. Takeshi entging ihre leichte Unsicherheit natürlich nicht. Offenbar hatte er sie in Verlegenheit gebracht. Womöglich würde er sich wieder etwas zu viel erlauben, aber nach kurzem Zögern trat er wiederum etwas näher an sie heran. "Mh... Darf ich?" Takeshi legte behutsam die Arme um Kimie. Als er sie sanft an sich drückte, hielt Kimie kurzzeitig die Luft an, aber nach einigen Sekunden entspannte sie sich langsam wieder und legte dann auch ihre Hände auf seinen Rücken. Aus ihrer Sicht sollte es eine rein freundschaftliche Umarmung sein und vielleicht auch so was wie tröstender Beistand für Takeshi. Denn auch, wenn er an der Seite der Inu-Youkai gegen seinen Clan und seinen Bruder kämpfen würde, er war dennoch ein Fremder im praktisch feindlichen Lager. Und Kimie konnte ihm auch nicht mehr bieten als ihre Freundschaft und nicht etwa die von ihm womöglich erhoffte Liebe. Doch Takeshi spürte es schon anhand ihrer Umarmung, dass sich bei ihr nichts geändert hatte. Sie liebte ihn nicht so, wie er es bei ihr tat und würde es wohl auch nie. Einerseits war ihm das bewusst, andererseits widerstrebte es ihm, sie aufzugeben. Aber was konnte er schon tun? Takeshi konnte Kimie nicht dazu zwingen, ihn zu lieben und er wollte das auch nicht. Nicht so. Dennoch würde er morgen auch für sie kämpfen. Denn egal, was passieren würde, seine Gefühle ihr gegenüber würden sich nicht ändern. Während sie sich so in den Armen lagen, bekamen die beiden zunächst nicht mit, dass sie schon seit einiger Zeit beobachtet wurden, bis Takeshi es als Erster bemerkte und wieder von Kimie abließ als Sesshoumaru nun aus dem Hintergrund auf die beiden zutrat. Kimie wirkte leicht erschrocken und befürchtete, er könnte etwas missverstanden haben. "Sesshoumaru! Es ist alles ganz anders! Das... das war nur..." "Ich weiß", unterbrach er sie ruhig. "Keine Sorge, ich denke nichts Falsches." Sein ungerührter, aber dennoch streng wirkender Blick richtete sich nun auf Takeshi. "Sofern du nach wie vor mit mir und meinen Leuten morgen gegen deinen Clan in den Kampf ziehen willst, solltest du dich jetzt besser zurückziehen. Ich kann keine Kämpfer gebrauchen, die auf dem Schlachtfeld drohen, einzuschlafen." Obwohl er klar und deutlich gesagt hatte, dass er keinen falschen Eindruck bezüglich Kimie und Takeshi bekommen hatte, so schien Sesshoumaru den Ryû-Youkai trotzdem gerne außerhalb von Kimies Reichweite haben zu wollen. Takeshi bekam diese verborgen gehaltene Anweisung durchaus mit. Um Sesshoumaru nicht doch noch zu verärgern, widersetzte er sich dem nicht, sondern wünschte Kimie nur noch eine gute Nacht, ehe er an seinem "Gastgeber" vorbei und zurück ins Schloss ging. "Du hättest ihn auch netter wegschicken können...", meinte Kimie trocken, nachdem Takeshi fort war. "Die Ansage eben war ja nicht gerade freundlich." "Warum soll ich nett zu jemanden sein, den ich nicht mag?", fragte Sesshoumaru ganz direkt zurück. Kimie seufzte auf. "Du magst doch praktisch niemanden so wirklich, außer vielleicht dich selbst..." Kaum merklich zuckte Sesshoumarus rechte Augenbraue, er verkniff sich aber einen Kommentar zu ihrer Bemerkung, da diese ohnehin begleitet gewesen war, von einem leicht sarkastischen Unterton. Allerdings hatte es schon etwas Trotziges an sich Gehabt, als er nach einem Moment die Arme vor der Brust verschränkte. Nachdem er sich nicht mehr dazu geäußert hatte, seufzte Kimie erneut auf. "Sesshoumaru... Takeshi ist einige hundert Jahre jünger als du. Das wäre ja fast schon so, als wäre ich eifersüchtig auf Rin." Okay, der Vergleich hinkte zwar reichlich, aber was Besseres war ihr gerade nicht eingefallen. Auch Sesshoumaru schien nicht ganz überzeugt gewesen zu sein. "Mal abgesehen davon, dass das etwas ganz anderes ist, ist Rin im Gegensatz zu Takeshi noch ein Kind", entgegnete er. "Und überhaupt hätte ich ihn ohnehin schon längst getötet, hättest du dich nicht für ihn eingesetzt, was mir nach wie vor nicht so wirklich in den Kopf will." "An dein Erinnerungsvermögen: Ohne ihn hättest du mich nicht aus Akumas Schloss befreien können. Schließlich hat Takeshi dir gesagt, wie du dort hinkommst, und dass ich überhaupt noch lebe." Diesmal blieb Sesshoumaru stumm. Er wusste ja, dass sie Recht gehabt hatte und dennoch gefiel ihm der Gedanke nicht, in gewisser Hinsicht in Takeshis Schuld zu stehen. Ausgerechnet ihm! Kimie wartete noch einen Augenblick, dann trat sie etwas näher an ihn heran. "Aber sag mal, seit wann hat der große Sesshoumaru-sama es denn eigentlich nötig, auf jemanden eifersüchtig zu sein?", neckte sie ihn. "Ich dachte immer, du würdest über so etwas stehen. Wo du dich doch selbst auch immer für so einen tollen Hecht gehalten hast, hm?" Für den winzigen Bruchteil einer Sekunde sah man eine Spur von Irritation ins Sesshoumarus Gesicht. Ein weiteres Mal gab ihm Kimies Ausdrucksweise Rätsel auf. Was hatte denn ausgerechnet ein Hecht jetzt mit dieser ganzen Sache zu tun? Allerdings konnte sich Sesshoumaru nicht allzu lange seine Gedanken dazu machen, als Kimie ihn nämlich auf einmal umarmte, ohne wirklich abgewartet zu haben, was er vielleicht zu sagen gehabt hätte. "Was ist mit dir?", fragte er sie sogleich, da er schon vermutete, es ginge ihr womöglich nicht so gut. Kimie jedoch schüttelte den Kopf. "Nichts. Halt mich bitte einfach nur etwas fest." Als Sesshoumaru daraufhin seine Arme um sie legte, schmiegte sie sich sogleich näher an ihn. So hätte sie gerne noch länger stehen bleiben können. "Wie... geht es eigentlich deiner Verletzung?" "Es ist alles in Ordnung. Nicht der Rede wert." "Gut..." Für einen kurzen Augenblick wurde es wieder still. "Als du mich davon abgehalten hast, Renhou zu töten...", begann Sesshoumaru mit einem Mal. "...da habe ich mich im ersten Moment gefragt, warum du das getan hast. War es, weil er ein Freund von Takeshi war? Oder weil er uns von Akumas Absichten erzählt hat? Dachtest du, wir wären ihm was schuldig? Immerhin war er so oder so dem Tode geweiht." Zuerst erwiderte Kimie nichts darauf, als müsste sie überlegen, was sie ihm darauf antworten sollte. Nach einer Weile löste sie sich wieder aus der Umarmung. "Ich weiß es nicht genau... Aber ich hatte so ein Gefühl, dass es falsch gewesen wäre, ihn zu töten. Er ist ja im Grunde kein schlechter Kerl gewesen, sonst hätte er schon damals, als wir ihm im Wald gegenübergestanden haben, mit allen Mitteln kämpfen können, um dich zu besiegen. Aber er hat es nicht getan... Außerdem konnte ich ja auch mal mit ihm sprechen, als ich in Akumas Schloss war. Nein, Renhou war nicht einer von diesen grausamen Dämonen, die andere zum eigenen Vergnügen quälten und töteten." "So wie ich, meinst du." Obwohl oder gerade weil er das wie selbstverständlich gesagt hatte, hatte Kimie sofort zu Sesshoumaru aufgeschaut. Leichte Verwirrung spiegelte sich in ihren Augen wieder, ehe ihr klar zu werden schien, worauf er damit vermutlich hatte ansprechen wollen. Sesshoumaru wartete noch kurz, dann hob er ihr Kinn ein wenig an, so dass sie den Blick nicht von ihm abwenden konnte. "Hältst du mich wirklich für so grausam und erbarmungslos?" "Nein, das war doch nur, weil... Ich habe doch nur auf das ansprechen wollen, wie du früher mal drauf warst. Weil ich... weil ich nicht möchte, dass du wieder so wirst. Ich hatte einfach Angst. Als ich deine Augen gesehen habe, habe ich wieder diese Kälte darin gesehen. Davor hatte ich Angst..." Sesshoumaru konnte nicht unbedingt verbergen, dass ihn Kimies Aussage nachdenklich stimmte. Das Letzte, was er schließlich vorgehabt hatte, war, dass sie Angst vor ihm hatte. Anstatt jedoch etwas darauf zu erwidern, strich er ihr nur sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Es ist spät. Gehen wir rein." Kimie nickte nur einverstanden. Seit sie wieder zurück gewesen waren, hatte Inu Yasha kaum ein Wort gesprochen. Kagome machte sich allmählich Sorgen, scheute sich aber auch irgendwie ein wenig davor, ihn von sich heraus anzusprechen. Vielleicht brauchte Inu Yasha auch einfach mal Momente, in denen er für sich allein sein und nachdenken konnte. Deshalb stand das Mädchen schon eine ganze Weile nur unschlüssig vor dem Zimmer des Hanyou, ohne bisher angeklopft zu haben. Sie war schon drauf und dran gewesen, wieder zu gehen, gab sich dann aber doch noch einen Ruck und klopfte zweimal zaghaft an. "Inu Yasha? Darf ich reinkommen?" Keine Antwort. Kagome stutzte und versuchte es noch einmal, das Ergebnis blieb jedoch das selbe. Schließlich schob sie die Tür ohne jegliche Aufforderung auf und entdeckte Inu Yasha an der geöffneten Tür, die auf die Veranda hinausführte, sitzen und nachdenklich zu den Sternen hinaufblicken. Kagome trat ein und schloss hinter sich die Zimmertür wieder. "Inu Yasha..." Endlich wurde der Hanyou auf das Mädchen aufmerksam. "Kagome? Ist etwas passiert?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich wollte nur mal nach dir sehen. Geht's dir gut?" "Hm? Ja, klar. Alles okay." Inu Yasha richtete seinen Blick wieder nach draußen. Kagome wartete noch einen Moment, dann kam sie näher und setzte sich zu ihm auf den Boden. "Mh... Ich störe dich doch nicht, oder?" Inu Yasha verneinte die Frage knapp. Er war noch immer so wortkarg. Unschlüssig zupfte Kagome ein wenig am Zipfel ihres Rocks herum. Einerseits kam sie sich hier ein wenig fehl am Platz vor, andererseits suchte sie in gewisser Hinsicht das Gespräch mit Inu Yasha. Stellte sich nur die Frage, ob er auch eventuell reden wollte... "Du... hättest gerne noch ein wenig länger mit deinem Vater gesprochen, oder?", begann Kagome irgendwann vorsichtig. Die Vermutung lag nahe, dass Inu Yashas Verhalten etwas mit dem Treffen mit seinem Vater zu tun gehabt hatte. "Hmm..." Das war alles, was Inu Yasha als Antwort zu bieten gehabt hatte. Auch drehte er sich erst wieder zu Kagome um, als diese vorsichtig ihre Hand auf die seine legte. "Das war wirklich eine Überraschung", sprach sie mit einem Lächeln weiter. "Ich hätte nicht gedacht, deinen Vater wirklich mal zu sehen. Aber jetzt verstehe ich umso besser, weshalb sein Clan ihn so sehr verehrt hat und es noch immer zu tun scheint. Er war bestimmt ein sehr gütiger und ehrenhafter Herrscher. Hättest du ihn gerne noch einiges gefragt?" Inu Yasha zuckte kaum merklich die Achseln. "Hm... Weiß nicht. Was hätte ich ihn denn fragen sollen?" "Na ja, vielleicht, wie er deine Mutter kennen gelernt hat", meinte Kagome nach kurzer Überlegung. "Zugegeben, ich weiß zwar nichts davon, aber irgendwie stelle ich es mir sehr romantisch vor." Diesmal schwieg Inu Yasha wieder. Auch, wenn er es nicht aussprach, hatte er sich dennoch so seine Gedanken gemacht. Und eben auch darüber, wie sich seine Eltern wohl kennen gelernt haben mochten. Denn seine Mutter hatte ihm nie etwas davon erzählt, wohl auch deshalb nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt noch zu klein gewesen war, um es wirklich zu verstehen. Sicher, es hätte vieles gegeben, was er seinen Vater hätte fragen können... Als Inu Yasha plötzlich ein leichtes Gewicht an seiner Schulter verspürte, schaute er überrascht auf. Kagome hatte sich mit ihrem Kopf leicht an ihn gelehnt. "Was hast du, Kagome?" "Nichts", flüsterte sie und schloss ihre Augen. "Ich bin einfach nur froh, dass ich bei dir sein kann." "Hä? Woher kommt das jetzt auf einmal?" Inu Yasha war zwar leicht irritiert, aber das legte sich rasch wieder und dann stahl sich auch auf seine Lippen ein leichtes Lächeln. In diesem Moment erinnerte er sich wieder an die Worte seines Vaters, als dieser sich zuletzt noch an seine beiden Söhne gewandt und gesagt hatte, sie sollten auf das aufpassen, was ihnen wichtig war. Und genau das wollte Inu Yasha auf jeden Fall tun. So lange es ihm möglich sein sollte, würde er Kagome immer beschützen. Auch mit seinem Leben. Obwohl sie sich schon vor einer ganzen Weile hingelegt hatte, lag Kimie von Anfang an hellwach neben Sesshoumaru und starrte an die Wand. Wie lange sie schon einzuschlafen versuchte, vermochte sie nicht zu erahnen. Ihr kamen selbst wenige Minuten wie eine halbe Ewigkeit vor. Vielleicht war erst eine Stunde vergangen oder auch mehr. Sie wusste es einfach nicht. Unruhig drehte sie sich auf den Rücken und seufzte leise. "Kannst du nicht schlafen?" Sesshoumarus plötzliche Frage ließ Kimie kurz in sich zusammenzucken, aber nachdem er sich zu ihr umgedreht hatte, antwortete sie mit dem Blick zur Decke: "Nein. Ich muss immer an morgen denken..." Nach einem weiteren Moment drehte sich Kimie zu Sesshoumaru um und legte ihren Kopf auf seine Brust. "Ich werde verhindern, dass Akuma und seine Leute bis hierher vordringen können. Wir fangen sie an unseren Grenzen ab, damit der Kampf weit abseits des Schlosses stattfindet. Du musst dir keine Sorgen machen. So lange du hier bleibst, bist du sicher." Aber eben genau diese Tatsache stieß Kimie ein wenig sauer auf. Dass sie im Schloss bleiben und Däumchen drehen sollte, während Sesshoumaru und die anderen sich in den Kampf stürzten. Plötzlich richtete Kimie sich auf. "Lass mich mitkommen! Ich möchte mit dir und den anderen zusammen kämpfen!" Diese fest entschlossene Ansage war sogar für Sesshoumaru recht überraschend gekommen. Auch er setzte sich nun auf. "Auf keinen Fall!", stellte er klar, wobei man trotz der ruhigen Art und Weise wie er sprach die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme vernahm. "Ich erlaube es nicht, dass du dich daran beteiligst! Du hast keine Ahnung davon, was es bedeutet, in einem Krieg von solchen Ausmaßen mitzuwirken. Es ist etwas völlig anderes, als würdest du etwa einem einzelnen Gegner gegenüberstehen. Von allen Seiten droht Gefahr und wenn du nur einen einzigen Moment unaufmerksam bist, könntest du schon tot sein. Es gibt bei so etwas keine Regeln. Du kommst nicht mit und das ist mein letztes Wort!" Wie er das gesagt hatte... Als wäre er ihr Vater gewesen... "Aber Kagome und den anderen verbietest du es doch auch nicht!", versuchte Kimie weiter auf Sesshoumaru einzureden. Dann senkte sie etwas den Blick und sprach mit leiserer Stimme weiter: "Was du eben gesagt hast, mag ja stimmen. Ja, ich habe keine Ahnung vom Krieg und darüber bin ich ja im Grunde auch ganz froh. Aber ich kann und will nicht untätig herumsitzen, während ihr alle euch in Gefahr begebt... Ich verstehe ja deine Beweggründe, aber kannst du meine denn nicht auch verstehen?" Sesshoumaru schwieg. Doch, er verstand Kimies Beweggründe, aber nur deshalb konnte er ihr doch nicht erlauben, dass sie sich ins Kriegsgetümmel stürzte! Und auch, wenn sich in bisherigen Auseinandersetzungen ganz gut gehalten hatte, das, was ihnen allen bevorstand, war nicht mit den vorangegangenen Kämpfen vergleichbar gewesen. "Was würdest du denn an meiner Stelle tun wollen?", fragte Kimie plötzlich, nachdem Sesshoumaru ihr noch immer nicht geantwortet hatte. "Würdest du dich einfach so irgendwo hinsetzen und abwarten können?" "Das ist doch was ganz anderes!", entgegnete er betont. "Finde ich nicht!", widersprach Kimie energisch und sah ihn wieder direkt an. "Und wenn du an meiner Stelle wärst?", konterte Sesshoumaru daraufhin mit gewohnt seriöser Ruhe und diesmal sagte Kimie nichts dazu. Die Situation war festgefahren. "Dann geh ich wieder nach Hause!", meinte sie mit einem Mal trotzig. "Wenn du mich morgen nicht mitnimmst, schnapp ich mir Ah-Un und bin weg!" Doch Sesshoumaru blieb unbeeindruckt. "Dann hol ich dich eben wieder zurück." "Ich komm dann aber nicht wieder mit dir mit! Dann müsstest du schon Gewalt anwenden!" Im Grunde war das eine leere Drohung gewesen. Kimie wollte lediglich abschätzen, wie er reagierte. Und wie sie es sich eigentlich schon hatte denken können, ging Sesshoumaru nicht auf ihren Bluff ein. Enttäuscht wandte sie den Blick von ihm ab. "Bitte...", flüsterte sie. "Ich stehe dir auch bestimmt nicht im Weg rum oder so was. Ich möchte doch einfach nur nicht so untätig bleiben!" "Es geht mir nicht darum, ob du mir im Weg bist. Das müsstest du eigentlich wissen." "Ja, ich weiß!", rief Kimie schon beinahe aus, doch nicht etwa aus Wut, sondern mehr schon fast aus Verzweiflung. "Aber trotzdem! Ich..." Als sie ihn wiederum ansah, bemerkte Sesshoumaru diesen gewissen bittenden Ausdruck in ihren Augen. Wollte sie wirklich so sehr mitkommen? War ihr die Gefahr denn vollkommen egal? Mit einem Mal schlang Kimie ihre Arme um seinen Hals und legte ihre Lippen auf die seinigen. Nun doch reichlich überrumpelt, tat Sesshoumaru in den ersten zwei, drei Sekunden gar nichts, war sich sogar unsicher darin, was er tun sollte. Aber dann legte er seine Arme um sie und erwiderte ihren Kuss. Kimie übte leichten Druck auf Sesshoumarus Lippen aus, sodass dieser sich letztendlich nach hinten auf das Lager niederließ. Als sie sich wieder von ihm löste, blieb sie ihm dabei noch so nahe, dass er ihren Atem wahrnehmen konnte. "Hm... Versuchst du immer noch, mich zu überreden?", fragte Sesshoumaru plötzlich, wobei es eigentlich mehr als Scherz gemeint gewesen war. Kimie nahm ihm diese Frage aber anscheinend trotzdem übel, wie man es an ihrem Gesichtsausdruck erkennen konnte. "So denkst du also über mich? Hm... Gut zu wissen... Auf die Idee, dass dir vielleicht einfach nur nahe sein wollte, kommst du erst gar nicht, was?" Kimie wusste bei alldem selbst nicht so genau, ob sie enttäuscht war, verärgert oder doch ängstlich. Das alles, diese gesamte Situation nagte an ihr. Obwohl Sesshoumaru ihr ansah, dass er sie wohl etwas vor den Kopf gestoßen hatte, blieb er seinerseits gelassen. Immerhin konnte er gewisser Hinsicht nachvollziehen, dass Kimie so dachte wie sie eben dachte. Und er war sich sicher, dass sie im Grunde auch verstand, dass er sie schlichtweg aus Sorge nicht an dem Kampf teilnehmen lassen wollte. "Steht dein Entschluss fest?" Als Kimie diese Frage hörte, wandte sie den Blick wieder zu Sesshoumaru um. Er führte seine Hand an ihre Wange. "Auch, wenn ich dagegen bin... Wenn du es trotzdem so sehr willst, dann erlaube ich es dir, dass du mitkommst." Zuerst machte Kimie einfach nur große Augen. Gerade wollte sie etwas erwidern, aber da drehte Sesshoumaru sie auf einmal auf den Rücken, wobei er sie an den Handgelenken festhielt. Dann legte er seine Lippen auf ihre und küsste sie nun seinerseits erneut. Zuerst vorsichtig, dann leidenschaftlich. Nach anfänglicher Überraschung schloss Kimie wohlwollend ihre Augen und ließ sich voll und ganz auf ihn ein. Es war, als wollte sie diese Nacht insgeheim noch einmal intensiv mit Sesshoumaru erleben. Noch einmal vor diesem letzten schweren Kampf, der ihnen bevorstand... Plötzlich überkam Kimie diese Angst. Sollte das womöglich ihre letzte gemeinsame Nacht sein? Diesen Gedanken wurde sie trotz aller Bemühungen nicht mehr los. Sesshoumaru hielt kurz inne, als er den salzhaltigen Geruch von Tränen wahrnahm. Als er aufblickte, sah er, wie eine einzelne Träne langsam über Kimies Wange lief. Jedoch brauchte er sie nicht nach dem Grund danach zu fragen, denn er wusste ihn bereits. Sie hatte Angst vor dem, was die Zukunft bringen würde. Behutsam wischte er ihr die Träne fort und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, als wollte er auf diese Weise ihre Ängste zerstreuen. Kimie ließ sich nun fallen und gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Vergessen wollte sie ihre Unsicherheit und ihre Angst. Wenigstens für kurze Zeit. "Ich liebe dich...", flüsterte sie, ehe sie beide wiederum in einem leidenschaftlichen Kuss versanken. Kimie erinnerte sich wieder an etwas, was Sesshoumaru mal zu ihr gesagt hatte. Er sagte ihr mal, sie gehöre ihm. Eigentlich klang das ziemlich Besitz ergreifend, aber es mochte etwas Wahres dran gewesen sein. Denn sie wollte ihm gehören; sowohl mit ihrem Körper, als auch mit ihrem Geist. In dieser Nacht... und auch in Zukunft. * ~ * ~ * ~ * ~ * Während bei den Ryû-Youkai die Vorbereitungen auf den entscheidenden Kampf im vollen Gange waren, verblieb Naraku die ganze Zeit über im Beisein seiner beiden Abkömmlinge Kagura und Kanna in einem separaten Raum. Ein hinterhältiges Lächeln zierte sein Gesicht. "Es ist so weit. Die Steine sind ins Rollen gekommen." "Und was nun?", fragte Kagura mit unterkühlter Stimme. "Wir warten ab", antwortete Naraku und ließ das fast komplettierte Shikon no Tama etwas auf seiner Handfläche hin- und herrollen. "Mit etwas Glück vernichten sie sich am Ende alle gegenseitig. Das heißt, Inu Yasha und seine lästigen Freunde, sowie Sesshoumaru werden morgen ihren letzten Tag erleben. Ich bin schon sehr gespannt darauf." Kagura schwieg einen Augenblick, ehe sie weiterfragte: "Und was ist mit deiner Abmachung mit Akuma?" "Kagura..." Naraku lachte leise. "Muss ich dir wirklich darauf antworten? So gut solltest du mich eigentlich kennen." Natürlich kannte sie ihn gut genug. Eigentlich hatte sie diese Frage auch nur beiläufig gestellt. Es war von vornherein klar gewesen, dass Naraku Akuma niemals einige Splitter des Juwels überlassen würde, schließlich brauchte er jedes einzelne noch so kleine Bruchstück selbst. Sobald er sein Ziel erreicht hätte, würde er sich wieder unbemerkt davonmachen. Es war wie immer ein abgekartetes Spiel gewesen. Und der Sonnenaufgang rückte mit jeder weiteren Stunde näher... * ~ * ~ * ~ * ~ * Das ganze Schloss war im Grunde schon vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen. Alle wussten, dass heute der entscheidende Kampf gekämpft werden würde und nur einer der beiden Youkai-Clans würde letztendlich triumphieren. Subaru hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Neben der Ungewissheit darüber, was ihn und seine Kameraden heute alles erwarten würde, hatten ihn auch die Gedanken an Seshiru keine wirkliche Ruhe gelassen. Seit ihrem letzten Treffen hatten die beiden Brüder kein Wort mehr miteinander gewechselt. Subaru trat auf die Veranda hinaus. Vereinzelt standen noch einige wenige Sterne am Himmel, während man in östlicher Richtung am Horizont den schmalen rötlich schimmernden Streifen der aufgehenden Sonne erkennen konnte. Auf dem Hof hatten sich bereist zahlreiche Krieger eingefunden und etwas abseits von ihnen entdeckte Subaru auch seinen älteren Bruder. Er lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen mit dem Rücken an der Mauer und würdigte keinen Anwesenden auch nur eines Blickes. Und noch immer war sich Subaru nicht sicher, was er von Seshiru halten sollte. Spielte er ein doppeltes Spiel? Was waren seine wahren Absichten? Möglicherweise sollte er die Antwort heute erhalten und die Wahrheit erfahren. Noch einen Augenblick verblieb Subaru auf der Veranda, dann kehrte er in sein Zimmer zurück und griff sich seine Waffen, ehe er den Raum schlussendlich verließ. "Bald ist es so weit... Ich bin gespannt, wie das alles ausgehen wird", meinte Ashitaka nachdenklich, und auch Tôya, der sich mit ihm in seinem Zimmer aufhielt, wirkte leicht angespannt, wenngleich nach außen hin einen weitestgehend ruhigen Eindruck machte. "Und du fühlst dich fit genug, um mitzukämpfen?", fragte der Ältere. "Immerhin liegt dein Kampf gegen Rokou gerade mal zwei Tage zurück. Bist du nicht noch erschöpft?" "Mach dir um mich mal keine Gedanken, Tôya. Ich bin wieder voll und ganz einsatzfähig", entgegnete Ashitaka zuversichtlich. Tôya nickte stumm. Er selbst hatte die letzten zwei Tage auch weitestgehend dazu genutzt, um sich auszuruhen und mittlerweile fühlte auch er sich wieder stark genug. "Sag mal, hast du schon mit Miyuki-chan gesprochen?", fragte Ashitaka plötzlich. "Ich meine, sie will doch sicher auch mitkommen, nicht wahr?" "Sicher, aber das habe ich ihr gleich wieder ausgeredet, und letztendlich hat sie auch nachgegeben." "Gut." Zwar konnte sich Ashitaka gut vorstellen, wie trotzig Miyuki auf die Anweisung ihres Bruders reagiert haben dürfte, aber es war doch besser gewesen, wenn sie im Schloss bliebe. Dass ihn Tôya jedoch mit einem Mal so merkwürdig beäugte, irritierte Ashitaka ein wenig. "Ist was? Warum schaust du mich so an?" "Ach, ich warte nur darauf, dass du endlich mit der Sprache rausrückst, mein Freund", entgegnete Tôya mit diesem wissenden Lächeln auf den Lippen. Als Ashitaka jedoch nur ratlos mit den Schultern zuckte, hakte Tôya nach. "Tu nicht so, Ashitaka! Ich habe dich und Miyuki vorgestern Nacht doch gehört." Plötzlich fiel es Ashitaka wie Schuppen von den Augen, aber was meinte Tôya mit "gehört"? Hastig riss Ashitaka abwehrend die Hände nach oben. "Gehört?! Aber was willst du denn gehört haben? Es ist doch gar nichts...!" "DAS habe ich ja auch gar nicht gemeint", entgegnete Tôya gelassen und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. "Ich rede von eurem Gespräch. Ich wollte nämlich nach dir schauen und habe es zufällig mitbekommen." "Ach so. Dann weißt du es bereits..." Ashitaka schaute seinen Freund etwas verunsichert an. Eigentlich hatte er vorgehabt, ihm selbst zu sagen, dass er nun mit Miyuki zusammen war, aber dass Tôya selbst und auf so eine Weise dahinter gekommen war... Angesichts von Ashitakas leicht hilflosen Gesichtsausdruck konnte sich Tôya ein kurzes Lachen nicht verkneifen. "Nun guck nicht so entgeistert! Es ist ja schließlich nicht so, als wollte ich dir jetzt den Kopf abreißen. Im Gegenteil, ich freue mich für euch beide. Ich weiß ja nicht, wie lange du es schon weißt, aber ich habe Miyuki schon eine Weile angesehen, dass sie dich sehr mag." "Wie? Und du hast nichts gesagt?" "Weil das eine Sache ist, die nur euch beide was angeht. Ich wollte mich da raushalten. Und außerdem hätte Miyuki mich wohl in Grund und Boden gestampft, wenn ich es dir gesagt hätte. In der Hinsicht macht sie nicht mal vor ihrem großen Bruder Halt." In diesem Moment fühlte sich Ashitaka wieder daran erinnert, wie Miyuki wohl reagiert haben mochte, als ihr tot geglaubter Bruder plötzlich wieder mit Kakeru zusammen vor der Tür gestanden hatte. Er lächelte leicht. "Ich habe zwar nicht alles mitgekriegt, aber Miyuki-chan war sicherlich sehr froh, als sie dich gesehen hat. Und ich bin es auch." "Hm..." Tôyas Gesicht nahm einen etwas ernsteren Ausdruck an. "Ich wollte euch das nicht antun. Keinem von euch... Ich selbst habe ja auch gedacht, ich hätte keine Chance mehr." Aber dann stahl sich wieder ein leichtes Lächeln auf seine Lippen und er stieß Ashitaka neckisch mit dem Ellenbogen in die Seite. "Und? Stehen schon irgendwelche Zukunftspläne fest?" "Hm?" Ashitaka brauchte zwar einen kurzen Augenblick, aber dann war ihm klar, worauf Tôya angesprochen hatte. "Also, darüber nachzudenken, dazu ist es wohl noch etwas zu früh, besonders für Miyuki-chan. Aber ich könnte mir schon gut vorstellen, mein Leben mit ihr zu verbringen. Und was ist mit dir? Mir fällt jetzt erst ein, dass ich dich noch nie zusammen mit einem Mädchen gesehen habe." "Habe ich etwa die Pflicht, dir jede meiner Affären vorzustellen, oder was?", fragte Tôya scherzend. Ashitaka machte große Augen und tat bestürzt. "Affären? Tôya, so einer bist du also? Du erschreckst mich!" "Ach, halt doch die Klappe!", entgegnete Tôya und gab ihm eine nicht ernst gemeinte und auch mehr angedeutete Kopfnuss. Als es plötzlich an der Tür klopfte und kurz darauf Miyuki das Zimmer betrat, wurden beide wieder etwas ernster. "Miyuki, was ist?", fragte Tôya seine kleine Schwester, die leicht den Kopf schüttelte. "Nichts. Ich wollte euch beide nur noch mal sehen, bevor ihr geht." Sie senkte etwas den Blick. "Wollt ihr... wirklich mitkämpfen? Ihr habt euch doch schon genug in Gefahr begeben..." "Mag ja sein, aber deshalb können wir unsere Kameraden ja nicht hängen lassen", entgegnete Ashitaka mit einem aufmunternden Lächeln, als er auf Miyuki zuging. "Mach dir keinen Kopf. Ich pass schon auf deinen Bruder auf." "Pah! Pass mal lieber auf dich selbst auf!", meinte Tôya scherzend. Ashitaka lachte kurz, dann wandte er sich wieder zu Miyuki um und gab ihr einen zarten Kuss auf die Wange. "Bis später." Und um die ganze Situation etwas aufzulockern, fügte er dem noch grinsend hinzu: "Und wenn ich wieder zurück bin, machen wir es uns heute Nacht etwas gemütlich, okay?" "Hä?!" Miyuki lief sofort knallrot an. Obwohl sie im Grunde wusste, dass Ashitaka nur scherzte, war sie doch sehr peinlich berührt. Besonders, weil zudem noch Tôya mit im Raum stand, doch zeigte dieser bezüglich Ashitakas Bemerkung keinerlei nennenswerte Reaktion, sondern lächelte stattdessen nur etwas verschmitzt. Nachdem Ashitaka das Zimmer verlassen hatte, um sich zu den anderen auf den Hof zu gesellen, spürte Miyuki wieder diese Unruhe in sich aufsteigen. Besonders, als sie wieder zu ihrem Bruder schaute. "Nii-sama... Bitte pass auf dich auf, ja? Ich will... ich will dich nicht noch einmal verlieren..." Ihre Angst war für Tôya sehr gut nachvollziehbar gewesen. Und bestimmt plagte sie das gleiche Gefühl im Bezug auf Ashitaka. Er kam auf sie zu und umarmte sie sanft. "Keine Sorge. Diesmal werde ich dir nicht wieder solche Sorgen bereiten. Versprochen." "Mh... Versprich aber bitte nichts, was du nicht halten kannst..." Tôya löste die Umarmung wieder und bedachte seine kleine Schwester nun mit einem warmen Lächeln. "Hab keine Angst. Vertrau mir, Miyuki, und vertrau auch Ashitaka und den anderen. Es wird alles gut." Zwar konnte er nicht alle ihre Sorgen zerstreuen, aber Miyuki nickte schließlich dennoch. Gerne wäre sie mitgekommen, aber wollte sie insbesondere Tôya und Ashitaka nicht eventuell im Wege stehen, zumal Tôya sie noch am Abend zuvor inständig darum gebeten hatte, im Schloss zu bleiben und zu warten. Also würde sie warten und darauf hoffen, dass alles gut ausgehen würde. Immer wieder gingen Kimie diese Gedanken durch den Kopf, während sie spürbar nervös durch das Zimmer tigerte und Sesshoumaru auf dem Boden saß und sich noch mal seine beiden Schwerter besah. Da er auf Tenseiga als Waffe nicht bauen konnte, nahm er insbesondere Toukijin in Augenschein, doch das Schwert war bestens geschärft und bereit, um zum Einsatz zu kommen. "Und du willst immer noch mitkommen?", fragte Sesshoumaru irgendwann an Kimie gerichtet, die daraufhin stehen blieb. "Sicher! Sonst hätte ich dir schon Bescheid gesagt." "Du wirkst aber sehr nervös." Er wandte sich zu ihr um. "Ach... Das ist nur das Adrenalin", versuchte sie abzuwinken. Sesshoumaru hatte sie zwar nicht so ganz verstanden, unterließ es aber, eventuell noch mal nachzufragen, was genau sie gemeint hatte. Schließlich nahm er seine Schwerter an sich und wollte gerade wieder aufstehen, als er jedoch mitbekam, dass Kimie direkt hinter ihm stand und sich ungefragt an seinem Haar zu schaffen machte. "Du solltest dir die Haare zurück binden, sonst könnten sie im Kampf stören." Obwohl sie sehr ruhig gesprochen hatte, schien sie dennoch keine Widerworte zu dulden. Zwar wusste Sesshoumaru nicht, wozu das gut sein sollte, denn bisher hatten seine Haare ihn schließlich auch nie gestört, aber wenn es Kimie damit besser ging... Als sie fertig war, gab sie ihm zu seiner Verwunderung einen leichten Klaps auf den Kopf. "So! Das wär's. Und so erinnerst du wieder etwas mehr an deinen Vater." Kimies scheinbare Lockerheit verflog allerdings rasch wieder. Abermals dachte sie mit wachsender Nervosität an den bevorstehenden Kampf. Wie würde er wohl enden? Sesshoumaru spürte ihre Hände, die auf seinen Schultern ruhten. Er merkte Kimie nach wie vor an, dass sie sehr intensiv über den Kampf nachdachte. Gerne hätte er sie aus alldem herausgehalten, doch würde er es ihr wiederum verbieten, sich einzumischen, würde sie wohl von sich heraus auf dem Schlachtfeld aufkreuzen, und wenn sie bis dorthin hätte kriechen müssen. "Kimie?" Sofort horchte sie auf. "Ja?" Sesshoumaru stand nun wieder auf, wobei er ihr eines seiner beiden Schwerter entgegenhielt. "Ich möchte, dass du Tenseiga bei dir trägst. Es wird dich beschützen, wenn ich nicht in deiner Nähe sein sollte." Kimies etwas verwunderter Blick wechselte von Sesshoumaru zu Tenseiga und wieder zurück. "Und... was ist mit dir?" "Ich kann wohl guten Gewissens behaupten, dass ich gut auf mich selbst aufpassen kann", entgegnete er gewohnt seriös und legte ihr das Schwert in die Hände. "Bei einem Kampf dieser Größe kann man leicht den Überblick verlieren. Ich werde mich besonders darauf konzentrieren, Akuma auszuschalten. Ohne einen Anführer werden die Ryû-Youkai weitaus verwundbarer sein und vielleicht geben sie dann sogar auf." "Und was hast du dann mit denen vor, die sich ergeben?", fragte Kimie vorsichtig. Sesshoumaru wartete einen Augenblick mit der Antwort. "Ich werde versuchen, sie dazu zu bewegen, dass sie das Land verlassen. Doch wenn sie nicht gewillt sind, werde ich auch sie töten lassen. Alles andere wäre zu riskant." "Und Takeshi?" Kimies Stimme war noch unsicherer geworden. Irgendwie hatte Sesshoumaru geahnt, dass diese Frage kommen würde. Doch wieder dauerte es einen Moment, ehe er antwortete: "Sofern er nach diesem Kampf noch am Leben sein wird, schicke ich ihn mit seinen überlebenden Kameraden nach China zurück. Hier werde ich ihn nicht mehr dulden." "Hm..." Kimie senkte ein wenig den Blick. So was in der Art hatte sie sich schon gedacht. Klar, warum sollte Sesshoumaru auch anders über Takeshi urteilen? Doch was, wenn Takeshi nicht nach China gehen wollte? Würde Sesshoumaru dann auch ihn töten? Oder würde er versuchen, ihn gewaltsam zu vertreiben? "Du magst ihn", bemerkte Sesshoumaru plötzlich, was Kimie etwas erschrocken aufschauen ließ. "Wie?" "Ich müsste schon sehr blind sein, würde ich das nicht bemerken. Du magst Takeshi und in gewisser Hinsicht liebst du ihn auch. Als guten Freund." Kimie war einerseits leicht irritiert, andererseits aber auch überrascht darüber, dass Sesshoumaru so sprach. Obwohl... Es war wohl durchaus etwas Wahres dran gewesen. Ja, sie mochte Takeshi sehr, aber eben wirklich nur als guten Freund. Und das war der Grund, weshalb sie um ihn bangte und darum, was aus ihm werden würde. Sesshoumaru beobachtete Kimie noch ein wenig, dann führte er seine Hand unter ihr Kinn, sodass sie ihm ins Gesicht blickte. Ihre Vertrautheit mit Takeshi sagte ihm zwar nicht zu, aber ebenso wenig konnte und wollte er ihr den Umgang mit ihm verbieten. Denn würde er das tun, würde er Kimie damit zwangsläufig von sich entfremden. Das wollte er jedoch auf jeden Fall vermeiden. Während Sesshoumaru sie so ansah, schaute Kimie aufmerksam zu ihm hoch. "Mh... Hast du was?" Er schüttelte leicht den Kopf. "Nein. Es ist nichts." Doch im Geheimen hatte Sesshoumaru an das gedacht, was er in dieser Vision beim Grab seines Vaters gesehen hatte, und er dachte dabei auch an die Worte von Inu no Taishou. Dass das Eintreten eben dieser Zukunft, wie Sesshoumaru sie gesehen hatte, auch davon abhängt, was er letztendlich selbst für sich entscheiden wird. Zuallererst musste er natürlich den heutigen Kampf überleben und dafür sorgen, dass die Ryû-Youkai endgültig besiegt werden würden. Keine leichte Aufgabe, und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass es ein genau so blutiges Ende nehmen würde, wie schon vor tausend Jahren. Die Tatsache, dass er Kimie allen Ernstes erlaubt hatte, sich doch noch an alldem zu beteiligen, kam Sesshoumaru wiederum mehr als absurd vor. Das war doch kompletter Wahnsinn! "Es wäre mir lieber, du würdest doch besser hier bleiben", sagte er schließlich ruhig, aber bestimmt. So etwas in der Art hatte Kimie schon erwartet. Sie lächelte und umarmte ihn. "Ja, ich weiß. Aber keine Sorge, ich pass schon auf mich auf. Versprochen!" Es hätte wohl keinen Sinn gehabt, weiterhin zu versuchen, es ihr auszureden. Also beließ Sesshoumaru es dabei und legte behutsam seine Arme um Kimie. Hätte er die sichere Gewissheit gehabt, dass diese Vision im Grab seines Vaters eine Zukunftsgarantie gewesen war, hätte ihn das ohne Zweifel beruhigt. Sesshoumaru hatte Kimie bisher nichts von dieser Vision erzählt und hatte das eigentlich auch nicht vor. Irgendwie hatte er das Gefühl, er würde sie dann vielleicht unbewusst beeinflussen, was er allerdings umgehen wollte. Sie sollte sich deshalb nicht etwa dazu genötigt fühlen, etwaige Erwartungen seinerseits erfüllen zu müssen. Wenn irgendwann die Zeit dafür gekommen war, würde er ihr alles erzählen. Ein Klopfen an der Tür ließ Sesshoumaru und Kimie aufhorchen. Sesshoumaru bat den Besucher herein, der sich als Kakeru entpuppte. Er betrat den Raum und verneigte sich leicht. "Es ist Zeit, Sesshoumaru-sama." "Ja." Sesshoumaru schickte Kimie schon mal nach draußen, während er selbst noch kurz mit Kakeru reden wollte. "Sind die Krieger bereit?", fragte Sesshoumaru, nachdem Kimie die Tür hinter sich geschlossen hatte. "Sie haben sich bereits auf dem Hof versammelt", antwortete Kakeru. "Und genau, wie viele von ihnen schon einst Eurem Vater gefolgt waren, so werden sie heute auch Euch folgen. Und sei es in den Tod." Sesshoumaru nahm dies ohne sonderliche Gefühlsregungen zu zeigen zur Kenntnis, obwohl er genau wusste, dass seine Leute im Grunde nur auf ihn blicken würden. Eine erfolgreiche Beendigung dieses Kampfes hing zu einem großen Teil von seinen Führungsqualitäten ab. Er musste das zu Ende bringen, was sein Vater einst begonnen hatte. Sesshoumaru trat auf Kakeru zu. "Kakeru. Ich übergebe Rin in deine Obhut. Achte gut auf sie." Kakeru nickte. "Das werde ich." Dann sprach Sesshoumaru das aus, was so noch nie gesagt hat und wohl nie wieder sagen würde: "Und nur für den Fall, dass wir unterliegen... In diesem Fall verlässt du mit denjenigen, die hier zurückbleiben das Schloss und diese Ländereien. Ich vertraue dir das Wohlergehen der Überlebenden an." "Gut. Wie Ihr wünscht." Und auch, wenn Sesshoumaru den schlimmsten Fall mit einberechnet hatte, er hatte in keinster Weise vor, ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Es gab ihm einfach nur ein besseres Gefühl, für jeden Fall entsprechende Vorkehrungen getroffen und Anweisungen gegeben zu haben. Keine Frage, sollten seine Krieger unterliegen, wären die westlichen Länder verloren. Keiner, der mit den Inu-Youkai in Verbindung gestanden hatte, wäre in dieser Gegend dann noch seines Lebens sicher gewesen. "Ich bedaure es sehr, Euch nicht besser helfen zu können, Sesshoumaru-sama", sagte Kakeru plötzlich. "Es wäre mir eine Ehre gewesen, wie schon an der Seite Eures verehrten Vaters ebenso an Eurer Seite zu kämpfen. Doch nichts desto trotz werde ich natürlich dafür Sorge tragen, Euch von hier aus so gut es geht zu unterstützen, falls es notwendig sein sollte." "Ja. Ich weiß", entgegnete Sesshoumaru ruhig. Als er letztendlich an Kakeru vorbei schritt, um zur Tür zu gehen, berührte er ihn kurz und wie zum Abschied an der Schulter, dann verließ er das Zimmer. Kakeru hörte nur noch, wie die Tür sich wieder schloss, dann wurde es still. "Ich wünsche Euch viel Glück, Sesshoumaru-sama. Euch und auch allen anderen..." Auch Kagome und die anderen waren wie erwartet schon auf den Beinen und bereit für den bevorstehenden Kampf. "Das dürfte mit Abstand unsere bisher schwerste Herausforderung werden.", meinte Miroku ernst und schaute dabei auf seine rechte Hand. Ob sich Naraku in dieser Auseinandersetzung auch endlich zu erkennen geben würde? Und wenn ja, was würde er tun? "Geben wir einfach unser Bestes", sagte Kagome. "Wir haben immerhin schon so viele schwierige Kämpf hinter uns gebracht. Wenn wir zusammenhalten, dann schaffen wir auch das hier!" "Kagome-chan hat Recht!", pflichtete Sango, die sich bereits ihre Taijiya-Uniform angelegt hatte, ihrer Freundin bei. Auch Shippou wollte dem nicht hinterher stehen und hatte schon im Voraus angekündigt, dass er ebenfalls mitkämpfen wollte. Nur herumzusitzen, während sich seine Freunde in größte Gefahr begaben, kam für den kleinen Kitsune auf keinen Fall in Frage! Schließlich hatte er bisher auch immer mitgekämpft. "Gut! Dann nehmen wir die Sache mal in Angriff!", meinte Inu Yasha entschlossen, den Griff seiner linken Hand dabei fest um Tenseigas Schwertscheide geschlossen. Dann sollte er also beginnen... der letzte Kampf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)