Life is a Gamble von Yuugii (Jounouchi/Kaiba) ================================================================================ Kapitel 23: Kapitel 23 ---------------------- Sie stiegen die Stufen schweren Herzens hinab. Für den Fall der Fälle waren sie alle mit Schusswaffen und Messern ausgestattet, doch Jounouchi betete zu all den Göttern, die es auf der Welt gab, dass sie diese nicht benutzen mussten. Für einen Augenblick schaltete Big Johnny seine Taschenlampe ein, versicherte, dass sie weiter gehen konnten und dass die Stufen weitaus tiefer reichten, als sie angenommen hatten. Erleichterung machte sich in Jounouchi breit, als er endlich unten angekommen war. Er fragte sich, wie viele Meter sie sich unter der Erde befanden. 10 Meter? Vielleicht auch 20? Ob das hier wohl ein ehemaliger Schutzbunker aus dem zweiten Weltkrieg war? Big Johnny ging weiter. Seine Schritte hallten beängstigend in dem Korridor wider. Erneut schaltete er seine kleine Taschenlampe an. Ein schmaler, langer Gang befand sich vor ihnen. Überall Spinnweben und ein modrig feuchter Geruch lag in der Luft. In den Wänden befanden sich Risse und man hörte aus der Ferne Wasser, das beinahe rhythmisch zu Boden tropfte. Vermutlich waren die Wände vollgesogen mit Wasser, da die Feuchtigkeit hier unten nirgendwohin entweichen konnte. Weder Kaiba noch Mokuba ließen sich ihre Furcht ansehen und liefen tapfer hinter Jounouchi und vor den anderen beiden Soldaten her. Jounouchi fand, dass sie beide weitaus mutiger waren, als er angenommen hatte. Selbst Kaiba, der absolut dagegen war hier runterzugehen, hatte sich beruhigt und zeigte keinerlei Gefühlsregung. Nicht, dass das etwas Neues für ihn gewesen wäre. Kaiba war nur schwer zu ergründen und man wusste nie so genau, was er dachte. Dass er bis hierher mitgekommen war, deutete der Blonde jedoch so, dass tief in diesem arroganten Kerl doch ein menschliches, warmes Herz schlug und er sich vielleicht in ihm geirrt hatte. Dieses Monster, von dem Mokuba sprach, vielleicht war es einfach nur Kaibas Unvermögen sich auf seine eigenen Gefühle und die anderer einzulassen. Sein falscher Stolz, der ihn davon abhielt, ehrlich das zu sagen, was tief in seinem Herzen war. Was es auch war, was ihn so sehr geprägt hatte, in diesem Augenblick hatte es keine Kontrolle über ihn und Kaiba war bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um seinen kleinen Bruder zu schützen. Jounouchi hätte dasselbe für seine kleine Schwester Shizuka getan. Jeder seiner Freunde lag ihm am Herzen und für jeden von ihnen hätte er ohne zu Zögern sein Leben riskiert. Sein Atem ging stoßweise. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass die Luft hier unten weitaus dünner war und es wurde mit jedem Atemzug schwieriger für ihn, Luft in seine Lungen zu pumpen und konzentriert zu bleiben. Immer wieder musste er die Augen schließen und sich selbst motivieren, weiter zu gehen. Big Johnny bemerkte das und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. „Die Luft hier unten ist sehr dünn, Kleiner. Aber keine Angst, daran gewöhnt man sich schnell“, meinte er fürsorglich und der Jüngere nickte, versuchte sämtliche Furcht von sich zu schütteln. Irgendwie glaubte er, dass es sich so anfühlen musste, einen großen Bruder zu haben. Jounouchi hatte nur eine jüngere Schwester und er war es nicht gewohnt, dass jemand mit Sorge zu ihm blickte und ihn hilfreiche Ratschläge gab. Alles, was er wusste, hatte er sich selbst angeeignet. In der Schule wurde einem nicht beigebracht, wie man Rechnungen bezahlte oder wie man als Minderjähriger an Zigaretten und Alkohol kam, um den abhängigen Vater mit seinem Stoff zu versorgen. Zahlen, Schriftzeichen und anderer Mist, der ihm im echten Leben bisher so gar nicht weitergeholfen hatte. Nicht, dass er sonderlich gut schreiben, lesen oder gar rechnen konnte. Er verstand die japanische Sprache, aber hätte man ihn ein richtiges Buch lesen lassen, hätte er vermutlich viele Schriftzeichen nicht richtig verstanden und aus Frust das Buch irgendwann in die Ecke geworfen. Yuugis Mangas und Comics dagegen war immer gut zu verstehen, die las er sehr gern. Und bei Videospielen konnte Yuugi ihm etwas erklären, immerhin sah er ihm sehr oft beim Zocken zu und kam selten in eine Situation, wo er fragend zurückblieb, weil Yuugi seinen angestrengten Gesichtsausdruck richtig deutete und von sich aus ein Wort vorlas, sodass Jounouchi den Wortlaut hören und somit verstehen konnte. Aber lesen und schreiben zu können, brachte ihm in einem Kampf nicht weiter. Auch in seinen beiden Jobs als Bauarbeiter und als Kellner reichten seine einfachen Sprachkenntnisse aus. Algebra, Kurvendiskussion und andere mathematische Gleichungen hatte er bis heute nirgendwo anwenden können. Dass Big Johnny sich die Zeit nahm, ihn zu beruhigen und ein behütendes Auge auf den Neuling mit den schnellen Fäusten warf, baute Vertrauen in ihm auf. Irgendwann mussten sie sich schon begegnet sein und Jounouchi wünschte sich, dass er durch die getönten Scheiben des Helmes hätte hindurchschauen können, um endlich das Gesicht des Mannes zu sehen, der hier so mutig und furchtlos das Kommando übernahm und trotz des Stress ein wachendes Auge auf seine Kollegen hatte. Kaiba wurde langsamer. Etwas besorgt warf Jounouchi einen Blick nach hinten. Die beiden Brüder hatten weitaus größere Schwierigkeiten bei diesem Luftmangel geradeaus zu gehen. Nicht jeder Mensch ging gleich gut oder schlecht damit um, wenn der lebensnotwendige Sauerstoff plötzlich weniger wurde. Kaiba wollte sich keine Schwäche ansehen lassen, stützte sich mit einer Hand an der kalten, nassen Wand ab und ging laut keuchend weiter. „Bringen wir das schnell hinter uns...“, grummelte er und kämpfte um sein gutes Ansehen. Jetzt auf die Knie fallen? Schwäche zeigen? Doch nicht Kaiba. Der doch nicht. Jounouchi fand ja, dass sein falscher Stolz ihn nur belastete und dass es in Ordnung war, die Hilfe anderer anzunehmen, wenn es wirklich sein musste. Nicht, dass er selbst die Hilfe anderer angenommen hätte. In der Hinsicht war er ein Heuchler. Genau wie Big Johnny es gesagt hatte, gewöhnte er sich an die dünne Luft und sie folgten dem Gang, während das Licht der Taschenlampe ihnen etwas Sicherheit schenkte. Am Ende des Meterlangen Ganges – Jounouchi hatte das Gefühl, dass sie seit Stunden unterwegs waren – befanden sich drei große Stahltüren, die von rotem Rost durchzogen waren und wo die einstige Farbe, die man drauf gestrichen hatte, bereits abblätterte. Big Johnny versuchte ein Signal reinzukriegen, doch sein Funkgerät funktionierte nicht. „Jungs, ab hier sind wir auf uns gestellt. Bleibt wachsam! Good luck and don't die, guys!“, sagte er und legte seine großen Hände auf die Tür direkt vor ihm, drückte so stark dagegen, dass sie mit einem lauten, unheimlichen Geräusch knarrte und dann so laut quietschte, dass es ein Echo warf. Jounouchi schluckte. Jetzt ging es um Ganze. Jetzt durften ihnen keine Fehler unterlaufen. Jounouchi, Big Johnny und die beiden anderen Soldaten drängten sich durch die Tür in den Raum. Der Raum stand leer. Mit ihren Taschenlampen durchleuchteten sie die Gegend, mussten jedoch feststellen, dass niemand hier war. Massenweise Kisten und Fässer, aber keine Menschen. Man hörte das Fiepsen von Ratten, die wahrscheinlich nun panisch die Flucht ergriffen und zurück in die Löcher krochen, aus denen sie gekommen waren. Jounouchi musste zugeben, dass er kein großer Fan der Dunkelheit war und er hatte mehr und mehr das Gefühl, der Protagonist eines Horrorfilms zu sein, wo ihn jeden Moment paranormale Aktivitäten erwarteten und ihm plötzlich Gegenstände entgegenflogen, bevor ein Geist sein Leben mit einem lauten Kampfgeschrei beendete. Allein beim Gedanken erschauderte es ihn. Mann, ich hasse Geister und Gruselzeugs..., grummelte er gedanklich. Da waren ihm Gangster und schwer bewaffnete Yakuza doch lieber. Die konnte man wenigstens besiegen und ihnen ordentlich auf die Fresse hauen, wenn es sein musste, aber was machte man bei Geistern? Genau, die ließen einen gar nicht entkommen und stürzten sich wie ein gieriger Geier, der Wochenlang nichts zu Fressen bekommen hatte, auf einen und stahlen einem die Seele. Wenn man Pech hatte wurde man selbst zum Geist und verlor die Kontrolle über sich, verletzte sogar seine ehemaligen Liebsten. Oder aber, er hatte zu viele Gruselfilme mit Ryou geschaut, die ihn nachhaltig empfindlich für solche Dinge machten und seine vorher leicht ausgeprägte Angst in eine starke Phobie verwandelt hatten, sodass er selbst in seinem eigenen Zimmer manchmal schweißgebadet aufwachte, weil er glaubte, dass das Quietschen seiner Schranktür durch einen Geist verursacht wurde, der ihm an den Kragen wollte. Zum Glück kämpften sie hier „nur“ gegen ein paar Raritätenjäger und Gangster. Vermutlich hätte Kaiba ihn laut schallend ausgelacht, hätte er seine Gedanken gehört. Jounouchi glaubte an übersinnliche Dinge und Geister. Immerhin war er sehr lange mit einem Geist befreundet, also gab es genug Grund zur Annahme, dass es diese okkulten Dinge tatsächlich gab. Mit Logik und Formeln konnte man solche Dinge vielleicht nicht belegen, aber es musste sie einfach geben. „Bleib wachsam, Kleiner“, hörte er Big Johnnys mahnende Stimme, der an ihm vorbei stapfte und die nächste Tür öffnete, in denen auch nur Kisten und Fässer eingelagert waren. Sie machten sich gar nicht die Mühe, diese weiter zu untersuchen, da sie ziemlich alt und verfallen aussahen. Selbst wenn sie Karten und Merchandise, die mit Duel Monsters zu tun hatten, gestohlen und hier gelagert hatten, würde niemand ein solches Gefäß für solche Wertgegenstände wählen. Ein Fass, dessen Holzriemen schon beinahe auseinanderfielen und mit Wasser vollgesogen war, war wohl kaum die erste Wahl, wenn man gestohlene Waren verstecken wollte. Also blieb nur noch die dritte Tür. I hear voices, murmelte Big Johnny und hob eine Hand, als wollte er seine Kameraden und seinen neuen Schützling daran hindern weiter zu gehen. Er überlegte für einen Moment. Sollte er die Tür einfach aufstoßen, wie die anderen? Hatte er sich die Stimmen vielleicht nur eingebildet und es war nur der Wind, der geheult hatte und ihn unnötig ihn Alarmbereitschaft versetzt hatte? Sein Blick wanderte umher. „Mokuba-sama, Kaiba-sama, Ihr bleibt hier“, flüsterte er und sein Schutzhelm blitzte im Licht der Taschenlampe bedrohlich auf. Mokuba, der erneut protestieren wollte, wurde direkt abgehalten, denn Jounouchi packte ihn so fest an der Schulter, dass er glaubte, in den Boden gedrückt zu werden und in dem aufgeweichten Boden zu versinken. Jounouchi schüttelte den Kopf. „Du hast es also auch gehört, Kleiner“, flüsterte Big Johnny ihm zu und sie nickten sich wissend zu. „Vermutlich wissen sie schon, dass wir hier sind. Könnte sein, dass sie das Quietschen der Türen gehört haben und nur darauf warten, dass wir reingehen. Und das heißt, dass sie auf uns zielen werden“, erklärte Jounouchi und fühlte wie Big Johnny ihm anerkennend zunickte. „Auch mit der Schutzkleidung sind Verletzungen nicht ausgeschlossen. Kaiba-sama, Ihr seid der Firmenleiter der KC und es ist meine Pflicht, Euer Leben zu beschützen. Die Befreiung der Geisel ist unsere oberste Priorität, doch im Notfall werde ich meinen Befehl missachten und Euch zur Hilfe eilen. Damit das nicht geschieht, solltet Ihr hier bleiben. Wir dürfen nicht riskieren, dass Ihr ebenfalls als Geiseln genommen werdet“, erklärte Big Johnny leise, aber gut hörbar. Mokuba senkte den Blick, nickte, um damit zu zeigen, dass er verstanden hatte. Zufrieden war er nicht, das konnte Jounouchi spüren, aber auch er war der Ansicht, dass ein 14 Jähriger im Kampfgetümmel nichts zu suchen hatte. Auch Kaiba war kein Kämpfer. Dass dieser einen schnellen Haken nicht abwehren konnte und schnell zu Boden ging, hatte Jounouchi erst heute Vormittag selbst mitbekommen. Im Ernstfall waren die beiden Kaibabrüder nur Störfaktoren, weshalb es umso wichtiger war, dass sie so weit wie möglich vom Kampfgeschehen wegblieben und den Soldaten nicht im Weg standen. Jounouchi war unheimlich stolz, dass Big Johnny ihm zutraute, Seite an Seite mit ihm zu kämpfen. Diese Art der Anerkennung tat gut. Selbst Kaiba schluckte seine Argumente einfach runter, schnalzte zwar genervt mit der Zunge, weil sein Untergebener ihn behandelte wie ein hilfloses Kind, aber akzeptierte die Entscheidung des großgewachsenen Mannes, der kein Anzeichen von Angst verströmte, dafür aber einen festen Willen und mit seiner Courage glänzte. „Bob, du bleibst hier bei den Kaibabrüdern. Wir gehen zu dritt rein. Es dürfen keine Fehler gemacht werden. Habt ihr das verstanden? Wir gehen keine unnötigen Wagnisse ein“, meinte er dann und zückte seine Schusswaffe. Der Soldat, den er gerade als Bob bezeichnet hatte, nickte zustimmend wies die Brüder dazu an, ein Stück zurückzugehen, stellte sich schützend vor diese und zog ebenfalls überraschend schnell seine Waffe aus der Halterung. Einmal mehr wurde Jounouchi bewusst, dass diese Männer Profis waren und sich in ihrem Gebiet auskannten. Der dritte Soldat nickte ebenfalls zu. Noch immer kannte Jounouchi seinen Namen nicht. Nun, es war ja nicht so, dass sie sich nach dieser Aktion nochmal begegnen würden, also hatte er sich auch nicht weiter um diese Kleinigkeit gekümmert. In erster Linie war es wichtig, dass diese Soldaten ihren Befehle folgten und ihre Mission erfüllten. Jounouchi legte unsicher eine Hand auf seine Schusswaffe, schluckte. Er hatte noch nie eine Waffe in der Hand gehalten. Auch in seiner dunklen Vergangenheit war er glücklicherweise nie mit diesen Teufelsdingern in Berührung gekommen. Nur ein gezielter Schuss. Mehr brauchte es nicht. Eine einzige Kugel konnte über Leben und Tod entscheiden. Der Gedanke war beängstigend und wenn er ehrlich war, hatte er Schiss. Dass er sich selbst eingestehen musste, dass er wirklich Angst hatte, war unangenehm, doch seine Motivation einen Freund zu retten wog mehr als die Furcht, sein Leben zu verlieren. Die Waffe würde er nur im äußersten Notfall ziehen. Jetzt geht’s ums Ganze, beruhigte er sich und fokussierte seinen Blick auf die rostige Tür, die Big Johnny mit einer solchen Kraft aufstieß, dass der Blonde glaubte, dass Hulk höchstpersönlich hinter diesem Helm stecken musste. Niemand zeigte sein Ass zu Beginn, war doch logisch, dass sein mutiger Kollege noch weitaus mehr zu bieten hatte und das gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Als sie die Tür aufstießen und in den Raum hasteten, hatten die beiden Soldaten ihre Waffen nach vorne gerichtet, um für den Fall der Fälle direkt schussbereit zu sein und keine Sekunde zu verschwenden. Man hörte Schritte, aber keine Personen. Bob blieb unter den Türrahmen stehen, die beiden Brüder standen nun links und rechts von ihm und warfen ebenfalls neugierige Blicke in den Raum. Jounouchis Atem ging schwer. Ein Blick nach links, dann nach rechts. Nichts zu sehen. Dunkelheit. Er versuchte mit der Taschenlampe den Raum zu beleuchten, um sicherzugehen, dass sich niemand in den Ecken oder hinter den Fässern versteckte oder hinter der Tür heraussprang, um sie anzugreifen. Dann ein lauter, erschrockener Aufschrei und die Tür wurde zugestoßen. Noch ehe einer von ihnen reagieren konnte, fiel Kaiba vorwärts in den Raum, landete auf dem harten Boden und keuchte, während die Tür ins Schloss fiel. Aus der Dunkelheit des Raumes hallte ein lauter Schuss und Big Johnnys Taschenlampe fiel zu Boden, flackerte ein wenig und rollte durch den Raum, schaltete sich zum Glück jedoch nicht aus. Jounouchi wollte in seine Richtung leuchten, um zu sehen, was geschehen war und ob sein Gefährte Hilfe brauchte, doch irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er zurückweichen musste. Er hatte den Angriff weder kommen sehen, noch hatte er ihn gehört. Es war sein siebter Sinn, der ihn vor einer möglichen Attacke gewarnt hatte. Ein Messer fuhr nah an seinem Gesicht an ihm vorbei und er spürte, wie die scharfe Klinge seine Wange streifte und seinen Pony kürzte. Es waren nur wenige Millimeter gewesen, die ihn von der Waffe trennten. Blitzartig machte einen Ausweichschritt nach hinten, leuchtete in die Richtung, aus der der Angriff gekommen war, doch erkannte niemand. Big Johnny erhob sich nun und griff ebenfalls nach seiner Taschenlampe. “Have you gone crazy?!”, brüllte er so laut, dass Jounouchis Ohren schmerzten. Der Schuss hatte ihn nur am Unterarm gestreift. Seine Kampferfahrung und seine geschulten Reflexe hatten ihm dabei geholfen, diesem hinterhältigen Angriff auszuweichen und sein eigenes Leben zu retten. Der dritte Soldat, dessen Namen Jounouchi nicht kannte, hatte sich gegen sie gestellt und hatte immer noch die qualmende Waffe in die Luft empor gehalten. In nur wenigen Sekunden wurde Jounouchi klar: da musste noch jemand sein. Der Soldat, hatte ihn nicht mit dem Messer angegriffen. Seine volle Aufmerksamkeit lag bei Big Johnny, der diesen Verrat nicht hatte kommen sehen. Vielleicht war es eine Vorahnung oder aber seine Erfahrung, denn irgendetwas sagte ihm, dass er sich beeilen musste und er keine weitere Sekunde mit seinem großen Kollegen verschwenden durfte und dass, wenn er jetzt nicht handelte, etwas Schreckliches passieren würde. Sein Kopf wurde beherrscht von einem Gedanken: Kaiba war in Gefahr. Panisch drehte er sich um und erkannte die schemenhafte Gestalt, die sich auf den wehrlosen Kaiba stürzen wollte, der im Begriff war aufzustehen und vermutlich die Situation noch nicht erfasst hatte. Dieser Bob musste Kaiba geschubst und dann die Tür geschlossen haben, damit niemand ihm folgen konnte. Verdammte Scheiße! Das alles geschah so schnell, dass Jounouchi nicht einmal mehr die Zeit hatte, einen klaren Gedanken zu fassen. Stattdessen bewegte sich sein Körper wie von allein. Schützend stellte er sich vor den Brünetten und spürte im selben Augenblick wie eiskaltes Metall durch seinen Schutzanzug hindurch glitt und mit voller Wucht in seine linke Schulter gerammt wurde. Scharf sog er die Luft ein und griff rasch in die Richtung, aus der das Messer gekommen war, denn der Angreifer hielt es immer noch in der Hand. Mit einem festen Schlag mit seiner rechten Hand schaffte er es den Angreifer wegzuschlagen, sodass dieser gegen die Wand schmetterte und laut krachend in die dort abgestellten Fässer fiel. Man hörte, wie die hölzernen Fässer auseinanderbrachen. Der Angreifer keuchte und wollte erneut aufstehen, um den nächsten Angriff auszuführen, doch der Blonde war blitzschnell auf ihm zugekommen, nahm ihn in die Mangel und drehte seinen Arm auf den Rücken, während er ihn gegen die Wand presste und ihn bewegungsunfähig machte. „Du verdammter Wichser!“, brüllte er und verdrehte seinen Arm noch stärker. Das Messer steckte immer noch in seiner Schulter, doch er zeigte keinerlei Anzeichen von Furcht oder gar Zurückhaltung. Sein ganzer Körper war in Alarmbereitschaft versetzt und am liebsten hätte er vor Schmerzen geschrien, doch sein Stolz ließ das nicht zu, so auch sein unfassbarer Wille, der mit Waffen und Schmerz allein nicht zu brechen war. Ob Folter oder Feuer – Jounouchis Wille war nicht zu brechen. Auch ein Gott hatte ihn nicht töten können, denn seine Willenskraft forderte den Schöpfer selbst heraus und ließ sich nicht in Ketten legen. Er kämpfte für das, woran er glaubte. Und wenn er für etwas oder jemanden kämpfen musste und diese beschützen wollte, brachte ihn auch gesunder Menschenverstand nicht mehr von seinen Überzeugungen ab. Kaiba war derweil aufgestanden und starrte den Blonden fassungslos an, der den Angreifer in seiner Gewalt hatte und hätte man sein Gesicht sehen können, hätte man sein blankes Entsetzen gesehen. Er wusste nicht, was ihn mehr schockierte. Die Tatsache, dass Jounouchi sein Leben für ihn riskiert hatte oder dass er ohne zu zögern, den Angreifer kaltherzig an die Wand presste und dessen Flehen ignorierte. Big Johnny rannte drauf los und griff mit der bloßen Hand nach der Waffe seines ehemaligen Kollegen, doch dieser hob sein Bein und trat ihm in die Seite. Johnny keuchte, lockerte seinen Griff um die Mündung der Waffe dennoch nicht und versuchte seinen Gegenüber mit Gewalt zu entwaffnen. Ein paar Faustschläge und er warf seinen ehemaligen Kollegen zu Boden, hockte sich mit seinen Knien auf dessen Arme und hielt ihm seine geladene Schussaffe gegen die Kehle. Sein Finger lag bereits auf dem Abzug. Mit der anderen Hand riss er ihm den Helm vom Kopf, um ihm genau ins Gesicht zu sehen. “You bastard! I trusted you! You were like a brother to me and you dare to betray me? What has gotten into you?!” Jounouchi hörte Johnnys laute und alles einnehmende Stimme. Dessen Worte riefen ihn wieder zur Besinnung und er lockerte den Griff um den Arm des mysteriösen Angreifers. Dieser ächzte und flehte um Gnade, doch Jounouchi ließ ihn dennoch nicht gehen. Er wollte nicht so sein wie diese Kerle. Geblendet vor Zorn hatte er seine eigenen Prinzipien verraten und war selbst schockiert darüber, zu welch Grausamkeiten er imstande war, wenn sein eigenes Leben bedroht war. Ruckartig schubste er den Mann nach vorne, dieser fiel zu Boden und winselte weiter, flehte und erklärte mehrmals, dass er nur Befehle folgen würde. Kaiba war aufgestanden und packte den weinenden Kerl am Kragen, schüttelte ihn und verlangte auf der Stelle zu erfahren, was hier gespielt wurde. Kaiba war überfordert. Nicht mehr Herr seiner Sinne und die Dunkelheit um sie herum, die nur vom fahlen Licht ihrer Taschenlampen erleuchtet wurde, stimmte ihre Gemüter zunehmend trüber. Der Mann jammerte nur und Kaiba ließ ihn wieder los. Fassungslos ließ er seinen Blick im Raum umherschweifen, bis er die beiden Soldaten erkannte und sich sicher sein konnte, dass keine weiteren Angreifer mehr auf sie lauerten. Jounouchi versuchte die schwere Metalltür zu öffnen, doch sie bewegte sich kein Stück. Bob hatte sie von außen verriegelt. Scheiße... der Kerl hat Mokuba! Wir müssen hier raus! Doch wie nur? Er schlug mehrmals gegen die Tür, sodass seine Schläge metallisch in den Raum hallten und sowohl Kaiba als auch Johnny sich zu ihm umdrehten. „Alles in Ordnung, Kleiner?“, rief Johnny und ließ nicht locker von seinem ehemaligen Kollegen. Sie arbeiteten seit Jahren in dem Sondereinsatzkommando. Sie waren sich so nah gekommen und er hatte stets daran geglaubt, dass er Bob und James vertrauen konnte. Kaiba hatte sie angeheuert und gemeinsam hatten sie im Turm des Todes – auch Death-T – gegen die Widersacher der KaibaCorp gekämpft und sich geschworen, dass sie ihre neue Chance auf ein ruhigeres Leben gemeinsam ergreifen würden. Auch nachdem Kaiba ins Koma gefallen war, waren sie geblieben und übernahmen die Aufgabe der Überwachung der KaibaCorp. Drei Jahre arbeiteten sie für Kaiba und er konnte nicht fassen, dass seine beiden Kollegen, mit denen er so viel Zeit verbracht hatte, sich nun gegen ihren Chef stellten und diesen verrieten. Johnny hatte Treue geschworen. Er war Kaiba loyal ergeben und er hatte geglaubt, dass seine beiden Kollegen, die er als seine Freunde bezeichnete, genauso empfanden! James dicke Augenbrauen wanderten runter und er grinste. „Komm schon, du wirst doch deinen lieben Freund James nicht abknallen, oder?“, fragte er und versuchte sich nicht einmal zu befreien, wissend, dass Johnny nicht schießen würde. „Du verdammtes Schwein! Du spielst ein falsches Spiel! Sag mir auf der Stelle, was hier los ist!“, schrie er ihm entgegen und drückte die Mündung der Pistole fester gegen seinen Adamsapfel. Der Schwarzhaarige grinste nur und öffnete seinen Mund einen Spalt breit. „Hast du nicht auch langsam genug davon den Babysitter zu spielen? Wir sind Soldaten! Kämpfer! Stattdessen patrouillieren wir durch die Stadt und passen auf kleine Kinder auf, die sich mit ihren Karten bekämpfen. Diese Blagen sind verweichlicht und wissen nicht, was ein echter Krieg ist. Meinst du nicht auch?“ „Wie bitte? Willst du mir allen Ernstes sagen, dass du deinen Chef aus Langeweile verraten hast?!“ „Endlich passiert mal wieder was! Die Raritätenjäger wissen wenigstens, wo der Hase langläuft. Am Ende gewinnt der, der zuerst abdrückt. Diese dummen Kinder glauben ernsthaft, dass ihre Duelle mit einem echten Kampf zu vergleichen sind. Du, als ehemaliger Soldat, der in Irak und in Afghanistan gekämpft hat, sollte sich von einem Kind wie Kaiba doch beleidigt fühlen! Du musst mich doch verstehen, oder? Merkst du nicht, wie sie uns ins Gesicht rotzen und uns auslachen? UNS? Die wir für ihren Frieden gekämpft haben?!“ „Du spinnst doch! Komm zur Vernunft, James!“ „Kapierst du es nicht? Wie sie sich wie die Helden aufspielen und so tun, als wären sie erfahrene Kämpfer? Ignorant der wahren Welt und der Probleme spielen sie sich auf wie echte Soldaten und zeigen uns, den echten Kriegern, keinen Respekt! Ich habe genug davon, mir von einer Göre wie dem da ins Gesicht spucken zu lassen!“ „Was bringt es dir denn, dich gegen Kaiba-sama zu stellen? Wir verdienen gutes Geld und haben einen sicheren Job und du wirfst das alles einfach weg? Das hier ist unsere Chance auf ein normales Leben. James, bitte sag mir nicht, dass du wegen deines Egos alles aufgibst“, hauchte Johnny ihm entgegen. „In einem Krieg geht es immer darum, wer das größte Ego hat, aber hier geht es um weitaus mehr, mein Freund. Sobald die KaibaCorp aus dem Weg geräumt ist, werden wir über diese Stadt regieren und schon bald über die ganze Welt. Hier können wir unsere Talente wirklich nützlich einsetzen und bekommen die Anerkennung, die wir verdienen.“ „Geht es dir um Anerkennung? Verdammt, James! Das ist doch noch lange kein Grund sich mit den Yakuza zusammenzutun!“ „Hier verdienen wir echtes Geld, Johnny. Bist du echt so blöd zu glauben, dass du als Babysitter Aufstiegschancen hast? Dass du irgendetwas in deinem Leben erreichen wirst, wenn du weiterhin für Kaiba arbeitest? Was erwartet dich denn in der Zukunft? Willst du den Rest deines Lebens auf verwöhnte Gören aufpassen?! Sei klug und komm auf die Seite der Gewinner!“ „Kaiba-sama und Mokuba-sama sind beide äußerst gefragte Geschäftsmänner und ich glaube fest daran, dass das, was die Kaiba Corporation leistet, einen Wert für die Zukunft hat. Die Menschen werden auch noch in hundert Jahren darüber nachdenken, was Kaiba erreicht hat und seine Technologie wird diese Welt verändern! Niemand denkt über die Kriege der Vergangenheit nach, keiner will wissen, warum diese Kämpfe gefochten wurden und erst recht fragt niemand danach, wer auf dem Schlachtfeld gefallen ist. Als Krieger bleiben wir niemanden in Erinnerung, doch Kaiba-sama und seine Ideen wird die Zukunft dieser Welt positiv prägen und wenn ich dabei helfen kann, die Zukunft zu formen, ist das Grund genug für mich, ihm meine Treue zu schwören.“ „Kindischer Idealismus...“, lachte James, zuckte sogleich zusammen, als Johnny den Druck erneut verstärkte und danach fragte, wo sie Mokuba hingebracht hatten. James schwieg. Auch der andere Angreifer machte keine Anstalten etwas zu sagen und obwohl Kaiba ihn angeschrien hatte und ihn mit Blicken zu vernichten drohte, musste selbst der Brünette einsehen, dass es ihn keinen Schritt voranbrachte, wenn er sich mit diesem Handlanger weiter beschäftigte, der sehr wahrscheinlich keine Informationen bei sich hatte. Johnny fesselte seinen ehemaligen Freund und den anderen Angreifer, obwohl er sicherlich innerlich aufgewühlt war, verzog er keine Miene und seine Stimme war nach wie vor fest und unerschütterlich. Kaiba warf einen Blick auf Jounouchi. Er wagte es nicht, ihn anzusprechen. In seinem Kopf herrschte Durcheinander. Johnny brach die Metalltür auf und hob sie aus den Angeln, sodass sie mit einem lauten, dumpfen Knall zu Boden ging und sie das Gebäude verlassen konnten. Weder befand sich die Geisel, noch die gestohlenen Gegenstände hier und als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, wurden sie in einen Hinterhalt gelockt und von ihren eigenen Kameraden verraten. Die Stimmung war mies. Kaiba schien am Boden zerstört zu sein. Er sagte kein Wort und starrte einfach nur auf den Boden. Seine Welt schien sich aufzulösen und er hatte das Gefühl, dass die Erde bebte und er deshalb keinen Halt finden konnte. Nicht nur Yuugi hatten sie nun in ihrer Gewalt, sondern auch Mokuba. Er hörte noch Mokubas Worte in seinen Ohren widerhallen: „Muss erst jemand sterben, damit dir klar wird, was du an dieser Person hast?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)