Seydon von Linchan (2007er Version) ================================================================================ Kapitel 18: Halbinsel Dantiria ------------------------------ Nachdem sich die acht zwei Viererzimmer gemietet hatten, beschlossen sie aufgrund der Matsch-Aktion in Kesvitara am Vortag, ein Badezimmer aufzusuchen. Siana war damit voll und ganz glücklich. Da allerdings in jenem Hotel in Vinta jedes Zimmer ein eigenes Badezimmer hatte, mussten sie alle nacheinander ins Bad gehen – zu viert in einer Wanne wäre ein wenig voll. „Wer zuerst?“ fragte Nadaiya scherzhaft. Siana meldete sich freiwillig und war schon im Badezimmer verschwunden. Die drei anderen Mädchen sahen sich an. „Mmh, danke, dass du nach unserer Meinung fragst, aber naja...!“ gab Liona zu hören, und Siana antwortete aus dem Badezimmer: „Ihr habt doch zuerst gefragt!!!“ Bei den Jungs dauerte es etwas länger, bis derjenige gefunden war, der zuerst ging – Baden war noch nie ihre Lieblingsbeschäftigung gewesen. Zuerst standen alle vier im Badezimmer herum, bevor Zitan weise entschied, es einfach auszulosen – Vento wollte Kartenspielen, und wer gewinnen würde, müsste als erstes ins Bad gehen. Doch Zenta protestierte, weil dann ja er der Erste wäre, so entschieden sie sich für Ching-Chang-Chong. Doch da sie komischerweise fünf mal hintereinander alle vier dasselbe nahmen, gaben sie es auf, und Tiras kam mit einem Paket Streichhölzer, wer den Kürzeren ziehen würde, wäre zuerst dran. Doch Vento wollte nicht mitmachen, so zogen die drei anderen allein, und weil Tiras vergessen hatte, das eine lange Holz herauszunehmen, zogen alle drei ein langes. Danach schlug Vento vor, es mit Armdrücken auszuprobieren, doch das wiederum fand Zitan nicht komisch, dann wäre er ja der Erste. Schließlich fragte Tiras: „Sagt mal, was ist eigentlich so dramatisch daran, zuerst ins Bad zu gehen?? Sind wir denn total bekloppt??“ Die drei anderen sahen sich an. „Was bist’n du für’n Verräter, dann geh du doch freiwillig!!“ rief Vento und haute Tiras empört auf den Kopf. „Das tu ich auch!“ entgegnete Tiras, und die drei sahen sich an und zuckten mit den Schultern. Während die Jungen gerade den ersten Freiwilligen gefunden hatten, war Siana schon fertig, Liona war im Badezimmer. Sie zog ihre Handschuhe aus und betrachtete lange ihre Finger. Dann fuhr sie ihre Krallen aus und sah in den Spiegel. Gibt es denn wirklich keine Mesumanier mehr??... Es muss doch welche geben... ich werde sie finden-... ganz bestimmt-... irgendwann – irgendwo, weit, weit entfernt von hier-... aber ich werde sie finden!! Sie sah zu Boden und fing dann an, sich auszuziehen. Sehr erstaunlicherweise waren die Mädchen tatsächlich schneller fertig als die Jungen (was an den unzähligen Streitereien liegen mochte). Die acht trafen sich wieder auf dem Flur, um dann essen zu gehen. Im Restaurant des Hotels setzten sie sich um einen großen Tisch herum. „Okay!“ rief Vento gut gelaunt, „Und was gibt’s??“ „Zitronen!!“ antwortete Zenta und sah die Speisekarte grübelnd an, „Und zwar Zitronen in Massen!! – Zitronensuppe, Schnitzel mit Zitronenbeilage, Fisch in Zitronensoße, Zitronenpudding, Zitronenpizza-...“ Die anderen weiteten bei der Vorlesung immer mehr ihre Augen. „Uhuuuh, ein zitroniges Essen wird das!!“ quiekte Nadaiya aufgeregt. Zenta unterbrach sich kurz und schielte sie skeptisch an, bevor er fortfuhr: „Nudeln mit Zitronensoße, Fischstäbchen mit Zitronenpürree, Zitronenkuchen – Zitronensaft mit Kohlensäure, Zitronensaft ohne Kohlensäure, Zitronenwein, Zitronentee-... Zitronenschnaps-... ...Zitronencocktail-... ...“ Zenta blinzelte. „Ich habe noch nie ein so einseitiges Land gesehen, tut mir ja leid-... ...“ „Also, was nehmt ihr?“ fragte Osea und blinzelte ebenfalls. Die acht sahen sich an. „Also, was mich angeht – ich nehme lieber Wasser und Brot!“ murrte Siana. Zenta seufzte. „Sei nicht so ein verzogenes Biest, man isst, was auf den Tisch kommt, du Arschkrampe!!“ Die anderen sahen sich etwas ratlos an. Zenta zuckte mit den Schultern. „Okay-... – Herr Ober!!! Einen Zitronenschnaps für mich, und die anderen kriegen Wasser und Brot!!“ Sie entschlossen sich letztlich doch dazu, die Sunajanischen Gerichte zu probieren. Nach dem Essen waren sie garnicht so angewidert, wie sie erwartet hatten. „Sagt mal, ich hab eine bescheidene Frage,“ meinte Siana da plötzlich, und alle sahen sie an. „Warum konnte Kindarn zaubern?“ Liona hob ebenfalls den Kopf. „Ich hab es gespürt-... ... diese-... Aura-...“ Zitan unterbrach sie sofort: „Stopp, Liona!!!!“ rief er laut, und als ihn alle erschrocken ansahen, blinzelte er. „Nicht hier!!“ zischte er Liona dann zu, „Ich kann dir alles erklären – kommst du mit hoch??“ Sie sah ihn erstaunt an. „Ähm – ja, natürlich.“ Die zwei rannten die Treppen hoch ins Jungenzimmer. „Also?“ Liona sah Zitan fragend an, dann blickte sie sich im Zimmer um. „Was habt ihr denn hier für einen Saustall???“ „Ach – wir haben uns gestritten-... mh, ja. Also. Es ist so, dass die Königin Kaiyla von ihr kontrolliert wird. Und weil sie über Zauberkräfte verfügt, gibt sie diese an die Königin weiter. Und Kaiyla gibt sie an Kindarn und das Personal weiter. Verstehst du? – Deshalb muss Kindarn zaubern können!“ Liona sah ihn an. „Ich konnte eine dunkle Aura spüren, Zi-...tan – du heißt doch Zitan, oder?? Wer-... Wer ist sie?“ Zitan zögerte einen Moment, dann beugte er sich zu ihr herunter und flüsterte es ihr ins Ohr. Sie blinzelte erneut. „Sie hat was??!! – Bei Chinon!“ brachte die Magierin erschrocken hervor, und Zitan sah sie ernst an. „Verstehst du jetzt, was ich meinte, als ich sagte, dass ich dich nicht in unangenehme Angelegenheiten ziehen will??“ „Zenta!“ Zenta brummte, ohne sich zu bewegen. „Was??“ fragte er missgelaunt. Die acht hatten sich wieder in ihre Zimmer verzogen, das Essen war längst vorbei. Es war Nacht geworden. „Wohin gehen wir morgen?“ fragte Zitan, der auf seinem Bett saß und an seinem Handschuh herumknotete. „Nach Dantiria,“ sagte Zenta gelangweilt, „Wir gehen den Weg aus Sunaja raus, den wir gekommen sind, und machen einen Bogen nach Westen, dann gehen wir nördlich nach Dantiria. Übermorgen kommen wir nach Iciya, da fahren wir mit dem Schiff nach Minisira.“ Zitan gähnte. „Guter Plan, ich hab kein Wort verstanden, aber mach ruhig, wenn ich es nicht verstehe, ist es meistens gut-...“ Zenta schielte ihn an. „Tss...“ Nach und nach gingen alle schlafen. Es war stockfinster draußen. Es war schon Anfang Oktober – bald würde der Winter vor der Tür stehen. Am nächsten Morgen regnete es wie aus Eimern. Die acht wanderten, nachdem sie ihre Sachen gepackt hatten, runter zu ihren Kizayas, stiegen auf und galoppierten los, den Weg, den sie gekommen waren. Wieder machten sie unter dem Zitronenbaum Pause und machten sich ein Picknick aus dem Essen, dass sie zuvor in Vinta geklaut hatten. Liona bediente sich lieber mit Zitronen, während der Rest das normale Essen in sich hineinstopfte. Nach der Pause zog die Sippschaft weiter gen Süden. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie über die Grenze zurück nach Kesvitara kamen, dort bogen sie sofort nach Westen ab. Mit der Dämmerung erreichten sie schließlich die Grenze zu Dantiria. „Wisst ihr was, wir sind jetzt einmal auf ganz Divinasira herumgereist!“ stellte Siana fest. „Nicht ganz,“ korrigierte sie Zenta, „in Zayuta sind wir nicht gewesen, und Nuria haben wir auch ausgelassen.“ „Was sollen wir auch in Nuria, da ist alles kaputt!!“ rief Liona, „Die Menschen haben im Krieg alles, was von Mesumaniern erbaut worden war, zerstört!“ „Aber die Kirche steht noch!!“ platzte Zitan heraus, und alle sahen ihn an. Zitan blinzelte. „Ähm – die Kirche in Saria! – Ist ´ne Provinz im Süden gewesen-... Kizalos hat erzählt, die steht noch, aber keiner weiß, warum.“ Liona lächelte. „Ich kenne Saria-... ... ich komme zwar nicht aus Saria, aber ich war mal da, war ´ne hübsche Provinz! Aber alle sind ja tot...“ Liona senkte den Kopf. Zitan sah sie an. Woher weiß sie denn, dass von meiner Familie alle gestorben sind? Komisch... Schweigen. Stumm ritten die acht weiter. „Vier Jahre habe ich in Nuria gelebt,“ sagte Liona dumpf, „Ich bin dort geboren und hab dort meine Frühkindheit verbracht, dann flohen wir nach Kesvitara-... aber das ist ja eigentlich uninteressant. – He, Zenta, wann kommen wir nach Iciya?“ „Nach Iciya kommen wir frühestens morgen abend,“ sagte Zenta dumpf, „Dann übernachten wir da und fahren mit dem Schiff am nächsten Morgen nach Minisira rüber. Also sind wir etwa vierundzwanzig Stunden auf dem Schiff.“ Die acht gingen weiter nach Norden. Als die Dunkelheit hereinbrach, machten sie Feierabend und entzündeten ein Lagerfeuer im Wald. „Immer diese Übernachtungen im Freien,“ schimpfte Siana. „Mecker nicht!!“ murrte Zitan, „Gewöhn dich endlich dran, Siana!!!“ „Die verstehen sich heute aber gut,“ ironisierte Tiras kopfschüttelnd. Osea seufzte. „Ja, die Liebe...“ „Was heißt hier Liebe?!“ keifte Siana. Zitan biss sich unmerklich auf die Zunge. „Liebe fängt mit L an und hört mit iebe auf, okay?“ brummte Zenta, „Gehen wir schlafen, bevor die hier weiter rumzickt!!“ Also legten die acht Freunde sich schlafen, und nach wenigen Minuten schliefen alle wie die Murmeltiere – alle außer Liona. Es ist wirklich eine Erleichterung, dass ich nicht mehr allein herumreisen muss!! dachte sie bei sich und lächelte, Und warum sollte Vater darauf kommen, dass ich mich gerade mit einer Räuberbande abgebe?? Das wird er niemals spitzkriegen!! Im Morgengrauen wachten sie wieder auf. Es war über Nacht eiskalt geworden. Alles war nebelig und feucht von Tau. Die Decken der Kameraden waren buchstäblich durchgeweicht, das war eine widerliche Angelegenheit, da sie so auch wenig Wärme speicherten, sondern die Freunde eher etwas abkühlten. „Es ist verflucht kalt hier!“ fing Siana wieder an, zu meckern, als die acht auf ihre Kizayas sprangen, um weiterzureiten, „Wir sollten zusehen, dass wir uns bessere Decken besorgen!“ „Wasserdichte Decken am besten, dann kannst du ja gleich ein Regencape nehmen!!“ murmelte Zenta wie immer schlecht gelaunt, „Zid!! Was ist, gehen wir??!“ Zitan schnaubte. „Hör du bitte endlich mit deiner Schlechte-Laune-Phase auf, Zenta!! – Wir gehen, kommt!!“ Das ließen sich die anderen nicht zweimal sagen, und sie galoppierten los nach Norden. Den Tag über passierte nichts Aufregendes. Weder Kindarn noch kampfwütige Itaros oder komische Leute, die mitreisen wollten, begegneten ihnen. Gegen Abend erreichten sie Iciya, Dantirias Hauptstadt. Das würde ihre letzte Station auf dem Kontinenten Divinasira sein. 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