Remember the promise you made von Ulysses (San Francisco Love Stories) ================================================================================ Kapitel 21: Past imperfect -------------------------- Während er sein Hemd zuknöpfte, beobachtete David Jeremy im Schlaf. Der junge Mann lag nackt und in Fötushaltung zusammengerollt in seinem Bett, er hatte sich im Schlaf halb aufgedeckt und die Decke wie ein Kuscheltier in seinen Arm geknüllt. Der Anblick seines blanken Hinterns erweckte in David wohlige Erinnerungen an die letzte Nacht. Er gähnte, viel Schlaf hatte er nicht bekommen, aber noch einen Tag unangemeldeten Urlaub bzw. Krankfeiern konnte und wollte er sich nicht leisten. Er würde sich auf dem Weg ins Büro irgendwo einen Kaffee kaufen, um endlich munter zu werden. Jeremy schmatze leise im Schlaf. Unwillkürlich musste David lächeln, er war so süß. Oh Gott, was denk ich da?! Er ist nicht süß! Er kratzte sich am Kopf. Doch, er war süß, so wie er da lag. Am liebsten hätte er sich direkt wieder neben ihn gelegt. Aber das ging nun mal leider nicht. Er setzte sich vorsichtig neben ihn aufs Bett und strich ihm mit der Hand über den Rücken bis hinab an den Po. Als er den Steiß erreichte, zuckte der Tänzer zusammen. "Was'n los?" murmelte er. "Nichts, schlaf ruhig weiter. Ich muss zur Arbeit." Jeremy stemmte sich ein Stück hoch und sah David mit zusammen gekniffenen Augen an. "Soll ich... gehen?" "Nein, schlaf weiter." David gab ihm im Reflex einen Kuss auf die Stirn und erschrak deswegen fast selbst. Er stellte sich schnell wieder hin. Jeremy war schon wieder eingeschlafen. David band sich die Krawatte um, zog das Sakko über und verließ dann leise das Schlafzimmer. Im Auto wählte er Jasons Handynummer. Es klingelte ein paar Mal, dann flogen ihm beinahe die Ohren weg. Aus der Freisprechanlage ertönte ein unglaublich lautes Jaulen. "Jason?!" "Ja!" kam es lautstark aus dem Hörer. "Was ist denn da los?!" "Wir sind auf dem Weg zum Tierart, Batman muss geimpft werden!" brüllte Jason zurück. "... Batman... muss... geimpft werden...?" "Entschuldige! Unser Hund! Und er ist weder an Autofahren noch an das Klingeln eines Handys gewöhnt." "Euer Hund?!" "Den hat Jason mir geschenkt! Morgen, David!" mischte sich Chris ein. "Beruhige dich, Batman, ist ja alles okay, mein Kleiner." "Man kann euch auch keine zwei Minuten allein lassen, oder?!" David musste lachen. Er kam an eine rote Ampel und griff schnell nach dem Kaffee, der ziemlich wackelig auf dem Beifahrersitz wartete. Er verbrannte sich fast die Zunge, so heiß war das Getränk noch. "Wie war dein Date diesmal?" "Wunderbar! Wir haben gebadet, gevögelt... gevögelt... erwähnte ich, dass wir gevögelt haben?" "Habt ihr auch noch etwas Anderes gemacht?" lachte Jason. "Ja, wir haben geredet. Jeremy ist noch bei mir, ich hab ihn schlafen lassen." "Also war der Abend ein voller Erfolg?" Die Ampel schaltete auf grün und David gab wieder Gas. Er war eh schon spät dran und konnte sich jetzt schon lebhaft die Standpauke von Eve ausmalen. Seine Assistentin interessierte es herzlich wenig, dass er ihr Chef war, wenn sie ihm den Kopf waschen wollte weil er etwas ausgefressen hatte. "Kann man auf jeden Fall sagen. Ich bin wieder im Geschäft!" Er registrierte erst jetzt, dass Chris überhaupt nichts von seinen Potenzschwierigkeiten gewusst hatte, aber offenbar war Jasons Freund viel zu sehr damit beschäftigt Batman unter Kontrolle zu halten. "Und was hast du jetzt vor?" "Erst einmal arbeiten gehen und dann mal sehen. Ich hab ihm einen Zettel hingelegt, ob er vielleicht Lust hat, heute mit mir ins Kino zu gehen. Ich wollte schon immer mal im Kino einen geblasen kriegen!" "Dann hoff mal, dass Jeremy auch schon immer mal jemandem im Kino einen blasen wollte!" Jason lachte schon wieder. "Wir sind gleich da, ich muss aufhören. Bis dann!" "Bis dann, Sunshine! Bye, Chris! Bye... Batman..." Als wollte er ihm antworten, fing der Welpe schon wieder an zu Jaulen. Bevor ihm noch das Trommelfell platzte, beendete David lieber schnell das Gespräch. "Er tut es schon wieder!" Jason sah seinen Freund auf dem Rücksitz über den Rückspiegel hinweg an. Chris saß neben der Transportbox von Batman und der kleine Hund leckte ihm durch das Gitter die Hand ab. Chris schien eine beruhigende Wirkung auf den Welpen zu haben. "Was tut er?" "Er blockt schon wieder ab, Jason! Hör ihm doch nur mal zu. Er degradiert Jeremy zu einem Sexspielzeug." "Das siehst du zu eng." Jason hielt Ausschau nach einer freien Parklücke. "Tu ich das?" Batman winselte leise. "Ich finde nicht. Er erzählt nur vom Vögeln und warum will er mit ihm ins Kino? Weil es eine seiner Phantasien ist, sich dort einen blasen zu lassen, wie romantisch!" "Wir beide haben doch auch oft Sex... auch wenn ich mich davon sicher verabschieden kann, wenn du Batman weiter zu uns ins Bett lässt." "Aber er hat doch so geweint! Es ist ja nur für die eine Nacht gewesen!" rechtfertigte sich Chris. Jason lachte kurz und verächtlich auf. "Klar! Hast du schon mal "Susi und Strolch" gesehen? Susi soll auch nur für eine Nacht im Bett schlafen und Jahre später tut sie es immer noch." "Wenn ich mich recht erinnere, haben wir über David gesprochen.", grinste Chris. "Ist dir das Thema unangenehm? Etwa weil ich Recht habe?" Unüberhörbar schwang Triumph in Jasons Stimme mit. "Besserwisser! Heute schläft er in seinem Körbchen." "Ich werde dich daran erinnern." Jason hatte endlich eine Parklücke gefunden und lenkte hinein. "Außerdem sollte ich beleidigt sein." "Warum?", fragte Jason verdutzt. "Weil du unsere Beziehung mit Davids Fickmarathon vergleichst." "Na ja... so sollte das eigentlich nicht gemeint sein..." Jasons Satz verlor sich in resigniertem Schweigen. "Schatz, der Vergleich hinkt. Ich hab es ja schon fast kommen sehen. Hoffentlich nimmt das ein böses Ende, Jeremy hat es nicht verdient nur eine weitere Kerbe in Davids Bettpfosten zu werden. Er ist so ein lieber Kerl." Jason wusste nichts zu erwidern. Chris hatte ja schon Recht, David schien nur den sexuellen Aspekt an Jeremy zu sehen... oder wollte er nur diesen sehen? Es war bereits nach elf Uhr als Jeremy endlich aufwachte. Er blinzelte und schaute sich etwas verstört um, bis er realisierte, wo er sich befand. Davids Apartment. Er war allein... langsam kam die Erinnerung wieder. David war zur Arbeit gegangen und er hatte... war das Realität oder Traum gewesen? ... Hatte er ihn zum Abschied auf die Stirn geküsst...? Er stieg aus dem Bett und streckte sich. Sein Blick fiel auf den Spiegel. Er sah wirklich mies aus, total übernächtigt und die ungestüme Nummer in der Wanne hatte tatsächlich blaue Flecken hinterlassen. "Grober Ochse!", schimpfte er auf den Blonden. Aber eigentlich war die Erinnerung an diesen Moment wahnsinnig aufregend. Es war so unglaublich intensiv gewesen, er hatte in dem Augenblick gespürt, dass sich Davids gesamte Erregung, sein komplettes Verlangen, auf ihn konzentrierte und das war ein berauschendes Gefühl gewesen. Er ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche, nachdem er seine Blase von der Nacht entleert hatte. David sollte ruhig noch eine Ladung Wasser bezahlen, als Gegenleistung für die letzte Nacht. Er spürte jeden Knochen im Leib, dieser Mann hatte ein Durchhaltevermögen und einen sexuellen Appetit, das es einem direkt unheimlich werden konnte. Die Dusche erfrischte ihn und vertrieb endlich ein wenig die Müdigkeit aus seinem Körper. Er band sich ein Handtuch um die Hüften und trottete in die Küche. Auf dem Esstisch entdeckt er einen Zettel. Morgen, Schlafmütze! Na? Endlich aufgewacht? Wenn du Hunger hast, bediene Dich ruhig am Kühlschrank, es ist genug da. Bleib so lange du magst, gern auch bis ich wiederkomme. Hast du vielleicht Lust, heute mit mir ins Kino zu gehen? David "Er hat eine schöne Handschrift." Jeremy fand unter der Nachricht einen leeren Zettel und einen Stift. Er schrieb sofort eine Antwort. Vielen Dank, ich hab deinen Kühlschrank ordentlich ge- plündert. Allerdings musste ich nach Hause, schließlich brauche ich auch mal frische Klamotten. Aber ich würde gern mit dir ins Kino gehen. Bist du ein Kavalier und holst mich ab? Der Abend mit dir war toll! Jeremy Er widerstand im letzten Moment der Versuchung, ein Herz auf den Zettel zu malen. Das wäre doch etwas zu weit gegangen und er wollte sein Glück ja nicht überstrapazieren. David hatte einige Magnete an seiner Kühlschranktür hängen, er nahm einen davon und pinnte den Zettel damit an den Kühlschrank, bevor er mal hinein sah. Er fand einiges, unter Anderem auch mehrere Kartons mit chinesischem Essen, die er lieber nicht öffnete. "Er kann den Junggesellen nicht verleugnen!" grinste er. Schließlich begnügte er sich mit einem Apfel, morgens hatte er eigentlich so gut wie nie großen Hunger. Er schlenderte ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. Die Morgensonne fiel durch die Fenster hinein. Für einen Augenblick genoss der junge Mann ihre Wärme, dann nahm er das Telefon und wählte seine eigene Nummer. Nach ein paar Sekunden wurde abgenommen. "Thompson." "Hi, Abby!" "Jem! Wo bist du? Sag nicht, dass..." "Doch!" Er nickte eifrig, obwohl seine Freundin das ja nun nicht sehen konnte. "Ich bin bei David, hab hier übernachtet." "Und?" "Und was?" "Wie war es?! Jetzt spann mich nicht so auf die Folter. Du klingst ganz schön müde." "Ich bin auch müde. Du kriegst nicht viel Schlaf, wenn du dauernd jemanden in dir hast!" Er fing an zu lachen. "Du bist ein Ferkel!" kicherte Abby, "Gib gefälligst nicht so an." "Das ist mein Ernst! Wir haben es mindestens fünfmal getrieben! David ist einfach unglaublich und kann sehr überzeugend sein, wenn er dich rumkriegen will. Aber er ist auch so süß! Wir haben über Gott und die Welt gequatscht... wenn wir gerade nicht gevögelt haben. Ich bin so glücklich! Er will heute mit mir ins Kino." "Das heißt er hat auch Feuer gefangen?" Jeremy schaute aus dem Fenster in den blauen Himmel. Konnte er diese Frage beantworten? David hatte nicht durchblicken lassen, ob er mehr für ihn empfand. Er hatte ihn verteidigt und er war sehr nett zu ihm gewesen, aber sonst? "Ich weiß es nicht...", gab er ehrlich zu, "Aber er will mit mir Zeit verbringen, das ist schon mal etwas." "Sei vorsichtig, Jem. Verbrenn dich nicht an ihm." "Nicht so pessimistisch, Abby! Ich passe schon auf." "Na gut, wenn du das sagst. Wie war denn dein Casting?" wechselte Abby das Thema. "Es lief super... zumindest so lange, bis David den Regisseur angepöbelt hat. Aber selbst deswegen kann ich ihm nicht böse sein." "Das heißt, du hast den Job nicht? Das tut mir leid." "Schwamm drüber!" Jeremy winkte lässig ab. "Ich bin dafür ein ganzes Stück näher am Mann meiner Träume... denke ich. Bist du nachher da, wenn ich Heim komme? Dann kann ich mehr erzählen." "So gern ich auch alle schmutzigen Details hören möchte, ich bin gleich weg. Ich bin froh, dass du noch angerufen hast, sonst hätte ich dir einen Zettel liegen lassen müssen. Meine Mum ist krank, nichts schlimmes, aber mein Dad ist vollkommen mit dem Haushalt überfordert, ich muss hin." Jeremy musste plötzlich grinsen. Ob er wirklich so dreist sein konnte? Konnte er sich einfach für diese Zeit hier einquartieren? Erstens hasste er es allein zu sein und zweitens wäre das die Gelegenheit David näher zu kommen. Der Gedanke war herrlich. Ein paar Tage lang so oft es geht in Davids Nähe, mit ihm ins Bett gehen, mit ihm zusammen aufstehen. Wer weiß, vielleicht würden diese Tage schon ausreichen um dem Anwalt klar zu machen, dass er mehr für ihn empfand. "Jem? Bist du noch dran?" "Oh, ja! Klar! Ich war nur kurz in Gedanken." "Ich muss gleich los, mach ja keinen Unsinn!" "Ja, Mum!" "Spinner!", lachte sie. "Pass auf dich auf." Man hörte, dass sie lächelte. "Ich hab dich lieb." Jetzt lächelte auch Jeremy. "Ich dich auch. Und ich passe auf mich auf." "Gut zu wissen! Bye!" "Ach, Jem!", rief sie plötzlich, kurz bevor er den Hörer vom Ohr nehmen wollte. "Ja?" "Da hat wieder einer für dich angerufen, der seinen Namen nicht nennen wollte. Sag den Deppen vom Mighty bitte, dass wir nicht beim CIA sind, ja? Das ist hier ist kein Geheimdienst und wir unterliegen auch keiner Geheimhaltungspflicht! Wenn das so weiter geht, brauche ich bestimmt bald ein Codewort damit ich was erfahre." Sie klang etwas mürrisch. "Mach ich!" Jeremy lachte, doch wohl war ihm nicht dabei. "Okay, ich muss los! Bis dann, halt die Ohren steif... oder was anderes, das wird ja im Moment wohl mehr gebraucht!" "Und du nennst mich ein Ferkel! Bye, Süße!" "Bye!" Er legte auf und warf das Telefon neben sich. Schon wieder. Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger durch die Augen. Diese Geheimniskrämerei war wirklich unerträglich. Aber er wusste einfach nicht, wie seine Mitmenschen mit der Wahrheit umgehen würden. Bei Abby war er sich nicht sicher und David durfte es erst recht nicht erfahren. Er stand wieder auf und kehrte ins Schlafzimmer zurück, um sich erneut vor den Spiegel zu stellen. Langsam strich er mit den Fingern über seinen Bauch. Die blauen Flecken waren wirklich prachtvoll, sie waren in der Wanne dermaßen wild gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie hart er gegen den Wannenrand geprallt war. David war wirklich grob gewesen, er hatte regelrecht ausgehungert gewirkt, wie ein Raubtier, das lange keine Beute gerissen hatte... Die anderen Male im Bett waren anders gewesen, nicht weniger wild, aber nicht so ungestüm und hart. Eines musste man David lassen, er konnte auf einem Körper fast wie auf einem Instrument spielen. Da saß jeder Griff, jede Berührung, alles passte, man konnte es schon virtuos nennen. Er konnte mit seiner Zunge Dinge anstellen... Jeremy musste sich zusammenreißen und nicht weiterdenken. Lieber anziehen und zwar schnell. Er musste sowieso dringend Heim. "Und nicht nur das! Der Mix2000 kann noch viel mehr! Er mixt, hackt, schneidet, püriert und das alles in einem Gerät! Vergessen Sie andere, umständliche Küchenmaschinen! Der Mix2000 ist der Helfer für das neue Jahrtausend! Überraschen Sie ihre Familie doch mal mit..." Jeremy schaltete den Fernseher ab. Ihm war schrecklich langweilig. Die Zeit schien still zu stehen in Erwartung des Abends. Was sollte er auch tun? Um diese Uhrzeit war online kaum etwas los, im Fernsehen lief nur Schrott und er hatte kein Buch im Haus, das er nicht schon kannte, nicht einmal einen lausigen Comic. Aber soweit sich eine Dauerwerbesendung mehr als fünf Minuten anzusehen, war er auch nicht. Nicht einmal Abby war da, um ihr von den Erlebnissen der letzten Nacht zu erzählen. Es klopfte an der Tür. Jeremy setzte sich ruckartig auf. Konnte das sein? Vielleicht war David früher von der Arbeit weg, weil er Sehnsucht nach ihm hatte! "Einen Moment! Ich komme!" Er sprang auf, eilte zur Tür und riss sie ohne durch den Spion zu schauen auf. Im nächsten Augenblick hatte er eine Zunge im Mund. Jemand packte ihn und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Er torkelte in die Wohnung zurück und die Tür fiel ins Schloss. Ein paar Sekunden bekam er es mit der Angst zu tun einem Verbrecher ins Netz gegangen zu sein, bis er den "Angreifer" erkannte. Er drückte seine Hände gegen die Brust des Anderen und stieß ihn von sich. "Lass das! Verdammt noch mal, blöder Idiot!" "Was für eine Begrüßung!" lachte der andere Mann. Er war größer als Jeremy, schlank und scheinbar ein paar Jahre älter. Sein schwarzes Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, offen würde es sicher bis auf die Schultern fallen, es harmonierte mit seinen graugrünen Augen. Er war dunkel gekleidet, schwarze Lederhose, eine schwarzes Hemd, auch die Schuhe waren schwarz, wenn auch etwas abgenutzt. Im Ausschnitt seines Hemdes funkelte eine einfache silberne Kette. Das dunkle Outfit streckte seine Statur noch zusätzlich. Er sah attraktiv aus. "Schön dich zu sehen, Baby." "Nenn mich nicht so!" Er strich Jeremy sanft über die Wange. "Du hast doch aber immer noch dieses niedliche Babyface." Der Tänzer schlug seine Hand weg. "Verpiss dich, Alex!" "Jetzt sei doch nicht so unleidlich, Baby. Ich bin doch gerade erst gekommen." Er ging einfach an Jeremy vorbei in Richtung von dessen Zimmer. "Du kannst auch gleich wieder gehen! Was bildest du dir eigentlich ein?!" "Ich habe mir gedacht, ich besuche dich mal." "Ich kann mich nicht erinnern, dich herein gebeten zu haben!" "Und ich kann mich nicht erinnern, dein Einverständnis gefordert zu haben!" kontere Alexander grinsend. Er betrat Jeremys Zimmer und warf sich aufs Bett. Jeremy blieb in der Tür stehen. Der andere Mann behielt das anzügliche Grinsen im Gesicht und klopfte auffordernd neben sich. "Davon träumst du!" meinte der Rothaarige verächtlich. "Ja und zwar nicht selten, Baby. Das waren Zeiten..." "Ja genau! Das waren Zeiten! Die sind vorbei!" "Wirklich?" "Und wie! Die sind so etwas von vorbei, die findest du bald nur noch in Geschichtsbüchern! Allerdings unter "Die größten Dummheiten, die von der Menschheit begangen wurden. Kapitel eins: Jeremy Sumner fällt auf Alexander Stone herein.". Wird sicher ein Bestseller!" "Zu schade, dass du das so siehst..." Er stand wieder auf und kam auf den Tänzer zu. "Dabei warst du doch immer so cool, Ricky." Jeremy zuckte zusammen. "Lass das!" "Was?", fragte sein Gegenüber scheinheilig. "Nenn mich nicht Ricky!" "Der Name passte aber gut zu dir." "Ansichtssache!" Jeremy ließ ihn stehen und schaute aus dem Fenster. Alex trat hinter ihn und schloss ihn in die Arme. Er sprach leise, hauchte die Worte regelrecht in Jeremys Ohr. "Wir waren so ein gutes Team, die Stars der Szene. Wo sind diese Zeiten hin? Seit ein paar Monaten willst du ja nicht einmal mehr wahr haben, dass es mich gibt." "Sie waren wahrscheinlich vorbei nachdem ich eine Woche lang Todesängste ausgestanden habe, weil ich fürchtete, HIV-positiv zu sein! Und wo warst du noch gleich, als ich auf meine Ergebnisse gewartet habe? Ach ja, richtig! Nicht da! Da habe ich erkannt, was du für ein Arsch bist!" "Ach komm! Du bist doch gesund!" "Ja!" Jeremy war mittlerweile laut geworden. "Aber das ist nicht dein Verdienst! Eher im Gegenteil! Du warst es doch, der..." Weiter konnte er nicht sprechen, denn in diesem Moment zerrte ihn Alex zur Seite, so heftig, dass sie gemeinsam aufs Bett fielen und versiegelte seine Lippen dabei mit einem Kuss. Ungestüm riss er das Hemd des Tänzers auf, Knöpfe flogen durchs Zimmer. Jeremy drehte den Kopf zur Seite, um den Küssen zu entkommen und versuchte, sich unter dem Gewicht des Anderen hervor zu schieben. "Lass das, du blödes Schwein! Aua!" Alex hatte, ohne es zu merken, auf die Hämatome an Jeremys Bauch gedrückt. Er schien sie erst jetzt zu bemerken, weswegen er sich hochstemmte. Jeremy nutzte den Augenblick und gab ihm einen Stoß, der ihn beinahe vom Bett geworfen hätte. Der junge Mann erhob sich so schnell er konnte und stolperte ein paar Schritte weg. "Du hast sie doch echt nicht mehr alle!" Alexander stellte sich ebenfalls wieder hin und strich sich die Klamotten glatt. "Sag mir lieber, was das da ist! Wer hat dich so zugerichtet?!" Er deutete auf die blauen Flecken. "So bist du doch nicht zu gebrauchen!" "Was für eine herzerwärmende Formulierung! Es geht dich nichts an, woher ich die habe!" "Schlägt dich dein neuer Daddy?" "Was soll das denn nun schon wieder heißen?!" Alex verschränkte triumphierend die Arme vor der Brust. "Meinst du, ich bin nicht informiert? Es hat sich herum gesprochen, dass so ein alter Sack Dirk Bouvier zusammen gepöbelt hat und das alles für dich!" "Spionierst du mir nach?! Und David ist kein alter Sack! Er ist fünfunddreißig!" "Aber was denkst du denn von mir? Glaubst du im Ernst, ich würde meine Zeit damit verbringen, dein Leben zu überwachen?", spielte Alex die Sache runter. "Aber ich kriege so einiges mit. Du hast deswegen mal wieder kein Engagement bekommen." Er sah sich um. "Aber du hast ja immer noch deinen Nebenverdienst, wenn es nötig wird." "Das geht dich absolut nichts an!" "Hör zu, ich wollte dir eigentlich einen Job anbieten! Aber so wie dein neuer Lover dich zugerichtet hat, bist du dafür wohl auch nicht zu gebrauchen." "Woher dieses plötzliche Interesse an mir? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will! Außerdem brauche ich dich ganz sicher nicht, um Jobs zu bekommen." "Ja, das hast du, aber ich dachte, das, was wir hatten, würde vielleicht einen zweiten Versuch rechtfertigen." "Das was wir hatten?!" Jeremys Stimme überschlug sich fast. "Bist du jetzt total durchgeknallt?!" "Mir hat das etwas bedeutet!" Jeremy holte aus und verpasste Alex eine schallende Ohrfeige. "Widerlicher Heuchler! Wenn ich dir je etwas bedeutet hätte, dann hättest du das damals nicht mit mir abgezogen!" Alex hielt sich die Wange. "Komm schon, die Sache ist doch vorbei." "Vorbei?! Alex, du hast mich betrunken gemacht und mich dazu gebracht, mit diesem Kerl zu schlafen! Ohne Kondom! Und das nur, weil du dafür Geld bekommen hast!" "Sie wollten halt eine Nummer ohne Gummi!" "Und das rechtfertigt es, meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen?! Ich muss einen Schutzengel gehabt haben, dass ich mir bei dem Kerl nichts geholt habe! Denn wenn du dich erinnerst, kam wenig später heraus, dass er HIV-positiv war!" "Wahrscheinlich hat er sich das erst nach dir eingefangen!" "Wie beruhigend!" "Hör zu!" Alex Stimme war nun auch ziemlich ärgerlich. "Das war ein Fehler, okay?! Aber ich kann es auch nicht mehr ändern. Es tut mir leid, klar?! Aber ich vermisse dich... es ist nicht mehr dasselbe ohne dich. Und du tust es doch immer noch, also..." Er brach ab. Plötzlich musste Jeremy grinsen, ihm war ein Licht aufgegangen. "Daher weht der Wind! Es ist nicht mehr dasselbe ohne mich, so, so. Das heißt wohl, du kriegst keine Jobs mehr." "Nein... ja...", druckste sein Gegenüber herum. "So in der Art... sie wollten wohl immer dich oder... oder uns... aber allein... du hattest es einfach drauf..." "Weißt du was? Es interessiert mich einen Dreck, ob du Jobs bekommst oder nicht!" "Undankbares Miststück!" motzte Alex. "Ich war es, der dich damals mit der Szene bekannt gemacht hat! Ohne mich würdest du immer noch keinen Pfennig Geld haben und wahrscheinlich schon wieder aus San Francisco verschwunden sein! Aber nur weil du nicht mehr auf Partys gehst und es jetzt geheim hältst, hältst du dich wohl für was Besseres!" "Musst du ja wissen! Ich habe mich verändert, Alex! Ich mache das nur noch, wenn ich dringend Geld brauche, nicht mehr zum Vergnügen wie früher! Die Zeiten sind vorbei!" "Seit du deinen neuen Lover hast?!" "Seit du mein Leben aufs Spiel gesetzt hast, du Arschloch!" Alex sah ihn herausfordernd an. "Weiß dein Sugar Daddy eigentlich, dass sein Neuer ein Pornohengst ist?" "Soll das jetzt eine Erpressung werden?" fragte Jeremy kühl. "Weiter so, so findest du sicher einen Weg zu mir zurück. Und um es mal klar zu stellen: David und ich sind gar nicht zusammen... noch nicht. Und es würde ihn sicher nicht stören, dass ich Pornos gemacht habe." "Ach, dann sagst du es ihm? Und was heißt "gemacht habe"? Du tust es doch immer noch. Weil du diesen Kick einfach brauchst!" "Nein, weil ich das Geld brauche! Aber ich mache es nur zu meinen Bedingungen und nur dann, wenn es wirklich nötig ist, nicht mehr am Stück wie früher!" "Wie edel!" "Ich glaube, du solltest jetzt gehen, Alex." "Sonst was?" "Sonst rufe ich die Polizei, wenn du es genau wissen willst. Schon mal was von Hausfriedensbruch gehört?" "Jeremy..." Plötzlich klang die Stimme des anderen Mannes flehentlich. "Bitte... ich bin im Moment echt nicht gut drauf... ich brauche dich..." Der Tänzer schüttelte den Kopf. "Ja. Du hast mich immer gebraucht. Du brauchtest mich, wenn du mal wieder keinen Koks gekriegt hattest, wenn du mal wieder stockbesoffen warst, wenn du kein Geld mehr hattest. Aber weißt du was, ich brauche dich nicht mehr." "Das meinst du nicht so... Du kannst doch nicht wirklich so einen alten Sack mir vorziehen..." "David und dich trennen Welten, Alexander. Du könntest ihm nie das Wasser reichen, niemals!" "Du Mistkerl!" Plötzlich war Alex wieder ungehalten. "Du wirst noch sehen, was du davon hast!" "Lass die leeren Drohungen und bewahr dir wenigstens einen Rest deiner Würde! Wenn davon überhaupt noch etwas übrig ist!" Voller Wut wandte sich der Schwarzhaarige zum Gehen. An der Tür schaute er Jeremy noch einmal an, der Tänzer hatte die Hände in den Hüften und blickte ihn ohne eine Gefühlsregung im Gesicht an. "Du machst einen Fehler, Jeremy. Das wirst du noch sehen..." Damit ging er, wenige Sekunden später knallte die Wohnungstür lautstark ins Schloss. In diesem Augenblick sackte Jeremy regelrecht zusammen, all die Kraft die er eben noch demonstriert hatte, fiel von ihm ab, er schleppte sich regelrecht zum Bett und ließ sich darauf fallen. Er vergrub das Gesicht in den Händen und kämpfte gegen die Tränen an, die in seine Augen drängten. Alexander war ein Teil seiner Vergangenheit, den er am liebsten vergessen würde, doch mit einem Schlag war er wieder in seinem Leben präsent, obwohl er gemeint hatte, ihn vor ein paar Monaten endgültig daraus verbannt zu haben. Das Schlimmste war aber, dass Alex Recht hatte... Jeremy hatte wahnsinnige Angst, dass David hinter sein Geheimnis kommen könnte, obwohl es ja wirklich schlimmere Sachen gab... aber trotzdem war sich Jeremy nicht sicher wie der Anwalt so etwas aufnehmen würde und er war nicht Willens das zu riskieren. Nicht jetzt, nicht in dem Moment, wo er seinem Ziel, dem Mann seiner Träume, vielleicht näher war, als je zuvor in der Zeit, in der er ihn kannte. Er würde es schaffen, dass David ihn liebte... er musste einfach... Er sah die Menschen um sich herum, aber niemand nahm ihn wahr. Sie lebten ihr Leben und er war natürlich kein Teil davon. Er gehörte nicht dazu. Er war allein. Jeremy Sumner kannte dieses Gefühl in letzter Zeit nur zu gut. Zwar hatte er sich mit seiner Mitbewohnerin mittlerweile angefreundet, aber Abby hatte auch ihren eigenen Freundeskreis, mit dem sie ab und an was unternahm. Wenigstens störte sich jetzt niemand daran, dass er hier in dieser Bar hockte und trank, nachdem er schon zweimal seinen Ausweis hatte zeigen müssen. "Entschuldigen Sie, aber ich hatte nicht gedacht, dass Sie einundzwanzig wären." Diesen Satz konnte er schon auswendig. Er schaute in die Runde und nahm einen Zug aus einem Glas. Nichts erreichte seine Lippen, der vertraute alkoholische Geschmack blieb aus. Logisch, wenn das Glas leer war. Er zog seine Geldbörse aus der Tasche, aber diese hatte viel mit dem Glas gemeinsam. Jeremy seufzte und beschloss, einfach noch ein bisschen über seinen trüben Gedanken zu brüten und dann nach Hause zu gehen. Vielleicht war Abby ja schon wieder da und sie würde ihn etwas aufheitern können. Bald wurde die Miete fällig... natürlich konnte er die sich nicht leisten, er musste also auf jeden Fall seine Mum mal wieder um Geld anbetteln. Es war einfach frustrierend. Jetzt war er schon so lange in San Francisco und doch hatte er immer noch keine vernünftigen Engagements bekommen. "Sie tanzen sehr gut, aber sie sehen leider etwas zu jung aus, sorry." Auch diesen Satz konnte er schon auswendig. "Hi!" Jeremy blickte desinteressiert neben sich. Auf dem Barhocker nebenan hatte sich ein junger Mann mit langen dunklen Haaren niedergelassen. Er lächelte ihn an, das Gesicht lässig auf der rechten Hand abgestützt. Sah gar nicht schlecht aus, wie Jeremy feststellen musste. "Hi...," entgegnete er, trotz allem betont gleichgültig. "Bist du zum ersten Mal hier?" "Oh, bitte! Fällt dir kein besserer Anmachspruch ein?" "Wow, du bist ja bissig! Pass auf, dass man dir keinen Maulkorb verpassen muss." lachte der Andere, bevor er Jeremy die Hand entgegen streckte. "Alexander Stone, nett dich kennen zu lernen." Jeremy zögerte einen Moment, dann ergriff er sie. "Jeremy Sumner, ganz meinerseits. Und keine Angst, wenn ich beiße, dann nicht fest." Alexander stützte sich wieder auf seinen Arm, sein Gesicht ruhte auf seiner Handfläche, ab und an tippte er sich mit den Fingern gegen die Wange. "Ich würde mich sicher zu wehren wissen, notfalls kommst du an die Leine." "Jetzt wird die Hundeanalogie allmählich überstrapaziert!", grinste der Rothaarige. "Findest du? Oder sagst du das nur, weil dir kein Konter mehr einfällt. Übrigens ist dein Glas leer." "Was du nicht sagst. Hast du dir schon mal überlegt, mit deinem Talent das Offensichtliche festzustellen Geld zu machen?" Der junge Mann ignorierte die Bemerkung und deutete auf den Barkeeper. "Hey, John!" Er zeigte auf Jeremys Glas und streckte dann den Zeige- und den Mittelfinger hoch. Der Barkeeper nickte. "Hey, das war keine Aufforderung mir einen Drink auszugeben!" "Ich weiß!" grinste Alex. "Aber ich tue es trotzdem." Jeremy wusste nicht ob er angesichts dieser doch recht dreisten Anmache beleidigt oder geschmeichelt sein sollte. Aber was konnte daran schon so schlimm sein einen Drink mit einem hübschen Kerl zu trinken? "Aber nur unter einer Bedingung." "Okay, jetzt kommt also der Haken!" "Nein, kein Haken." Alex grinste. "Du musst nur meine Gesellschaft ertragen. Sonst nichts." "Das kann man gerade noch durchgehen lassen!" lachte Jeremy. Jeremy stand auf um sich aus der Küche etwas zu trinken zu holen. Die Erinnerung an diesen Abend war so klar wie schon lange nicht mehr. Mit einem Glas Milch kehrte er in sein Zimmer zurück und setzte sich wieder aufs Bett. Die Stille in der Wohnung war schon fast erdrückend. Immer noch kreisten seine Gedanken um Alexander. Er war damals so furchtbar nett gewesen, dazu sein gutes Aussehen... er hatte Jeremy sofort in seinen Bann gezogen. Seit er nach San Francisco gezogen war hatte er keine Beziehung gehabt und er hatte sich auch fest vorgenommen sein Privatleben hinter der Karriere zurück zu stellen. Diesen Vorsatz hatte er eisern befolgt, jedenfalls bis Alex alles zunichte gemacht hatte. Jeremy konnte sich an beinahe jedes Detail dieses ersten wundervollen Abends erinnern. Sie hatten über soviel geredet, soviel Spaß gehabt. Ob sein Leben anders verlaufen wäre, wenn er die Einladung des anderen Mannes ausgeschlagen hätte...? Irgendwann sah Alexander auf die Uhr. "Ganz schön spät." Jeremy tat es ihm nach, sagte aber nichts zu, sondern lächelte nur. Offenbar wusste er schon worauf sein Gegenüber hinaus wollte. "Hast du Lust noch woanders hinzugehen?" "Und wohin?" "Zu mir!", grinste der Andere. "Einen Kaffee trinken?" Jeremy erkannte sich selbst kaum wieder. Das Flirten mit Alex machte ihm Spaß und nicht nur das, je länger er darüber nachdachte umso mehr wollte er ihn. "Ja, genau." Alex stützte wieder sein Kinn auf. "Du hast wunderschöne Lippen.", stellte er völlig zusammenhanglos fest. "Ach ja?" "Ja,", nickte er, "ich stelle mir gerade vor wie sie wohl aussehen würden, wenn du mir einen bläst." Jeremy musste lachen. "Wie kommst du darauf, dass ich das tun würde?" "Eine Eingebung. Und dann werde ich..." Er beugte sich vor und flüsterte den Rest in Jeremys Ohr, wobei dessen Grinsen immer breiter wurde. "Du bist ein Schwein." Alex fuhr sich als Antwort nur mit der Zunge über die Lippen. "Na dann los! Mal sehen ob das mehr als nur heiße Luft war!", bestimmte der Tänzer. Er war wirklich ein Idiot gewesen. Triebgesteuert, so nannte man so etwas! Jeremy stellte das leere Milchglas auf seinen Nachttisch und legte sich auf den Rücken. Sein Blick wanderte über die Zimmerdecke. Waren Stockflecken eigentlich gesundheitsschädigend? Der Fleck oben in der Ecke des Zimmers war noch vom Vormieter übrig geblieben. Der Tänzer lächelte schief und rieb sich mit den Fingern durch die Augen. Als gäbe es keine größeren Sorgen als Stockflecken an der Decke. Der Abend war noch sehr gut verlaufen. Der Sex mit Alex war großartig, zumindest für sein damaliges Verständnis, aber wenn er ein wenig gesunden Menschenverstand gehabt hätte, wäre er wohl besser nach den folgenden Ereignissen auf Nimmerwiedersehen getürmt... "Gib mal her." Jeremy nahm Alex die Zigarette aus der Hand und genehmigte sich selbst einen Zug. Er lag, bis zum Bauch zugedeckt, im Bett seiner Zufallsbekanntschaft in dessen Arm. Die Wohnung war wirklich gemütlich und für einen allein auch ziemlich geräumig. Auch im Bett fanden locker zwei Leute Platz. Während er mit der einen Hand die Zigarette hielt, strich er mit der anderen unter der Decke über Alex' Oberschenkel. "Ich bin fix und alle." "Freut mich." Alex lächelte. "Magst du was zu Essen oder vielleicht ein Bier?" "Gern." Jeremy schob sich aus Alex' Arm, damit er aufstehen konnte. Der dunkelhaarige Mann verließ kurz das Zimmer (wobei Jeremy sich nicht beherrschen konnte, ihm auf den knackigen Hintern zu spannen) und kam dann mit zwei offenen Flaschen Budweiser und einer Schale mit Erdnüssen wieder. "Erdnüsse?", lachte Jeremy, "Das nennst du 'Etwas zu essen?', etwas minimalistisch!" "Ich bin nicht zum Einkaufen gekommen!" grinste Alexander. "Also sei nicht so anspruchsvoll!" Er reichte Jeremy das Bier. "Cheers." "Cheers!" Jeremy nahm einen großen Schluck. Alex setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und griff in die Schale mit den Nüssen. "Du erfüllst ja wirklich alle Klischees, was?" "Wie meinst du das?" "Nun, du siehst gut aus, bist Tänzer und dann auch noch schwul, das passt alles zusammen." "Ich bin nicht schwul." Alex legte den Kopf schräg und schlug die Augen nieder. "Süßer, du hattest eben deinen Schwanz in meinem Arsch, wenn das nicht schwul ist, was dann?" "Ich bin bi", grinste Jeremy. "Oh! Zweispurig befahrbar! Auch nett!" Er ging auf alle Viere, beugte sich über Jeremy und küsste ihn auf den Mund. Für einen Moment herrschte Stille, während sich ihre Zungen und Lippen umspielten. "Du gefällst mir", sagte er schließlich, als der Kuss endete. Er erntete nur einen misstrauischen Blick als Antwort. "Du hast so ein süßes Babyface, das so gar nicht zu deinem Verhalten eben passen will.", fuhr er fort. "Hör mir auf mit meinem Gesicht oder die Stimmung ist gleich dahin! Das ist doch schuld, dass ich keine Engagements kriege! Ich sehe zu jung aus!" "Dein Gesicht ist einfach süß, wenn die das nicht sehen, sind sie selbst schuld!" Jeremy wusste nicht genau, ob das ein ernst gemeintes Kompliment war oder nicht, aber es tat unglaublich gut. Alex war wirklich ein verdammt netter Typ. "Wann wirfst du mich eigentlich raus?" "Möchtest du gehen?", fragte Alex überrascht. "Nein! Aber ich meine, das hier war doch ein One-Night-Stand, oder nicht?" "Willst mich wohl loswerden, was?" grinste Alexander und strich ihm über die Brust. "Meine Güte, diese Tanzerei zahlt sich wohl wirklich aus." "Willst du was von mir? Ich meine, weil du mir soviel Honig ums Maul schmierst?" "Jeez, du bist aber misstrauisch!" "So bin ich eben." Jeremy zuckte mit den Schultern. "Ich will dir was zeigen." Alex stand auf und ging zu seinem Fernseher gegenüber des Bettes hinüber. Er drückte ein paar Knöpfe auf dem Videorekorder darunter, dann schaltete er den Bildschirm ein. Augenblicklich erklang leidenschaftliches Stöhnen aus den Boxen. Jeremy setzte sich auf um einen besseren Blick zu haben, was er sah hätte er nie erwartet: Sich selbst beim Sex mit Alexander. Die Perspektive war perfekt ausbalanciert um einen genauen Überblick über die Vorgänge im Bett zu haben. "Du hast... uns beim Sex gefilmt?" "Gefällt es dir?" "Ich sollte eigentlich ausflippen..." Alex setzte sich zu ihm aufs Bett und drehte das Gestöhne im Hintergrund mit der Fernbedienung etwas leiser. "Glaub nicht, dass ich das jedem zeige, den ich aufnehme." "Du machst das öfter?" "Immer!" grinste der Andere. "Irgendwie krank!" "Ach ja? Findest du?" Er nickte nach hinten. "Ist das krank? Wenn ja, warum kriegst du einen Ständer?" Jeremy lächelte verlegen und zog die Bettdecke über seinen Schritt. "Punkt für dich!" "Siehst du? Aber du bist der Erste, dem ich das zeige." "Warum?" "Weil du ein Naturtalent bist. Schau dich an. Du hast es drauf." "Ich weiß nicht ob mir die Richtung gefällt, die dieses Gespräch einschlägt..." "Du hast doch gesagt, dass du immer Geld brauchst. Ich hätte da eine Möglichkeit mit der du ruckzuck eine Menge Geld verdienen und dabei deine Talente voll ausspielen kannst." Jeremy verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn du mir jetzt vorschlagen willst auf den Strich zu gehen, dann..." "Gott bewahre, nein! So etwas meine ich doch nicht! Baby, ich rede von Pornos." Jeremy fragte sich langsam aber sich in was er da hinein geraten war. Natürlich konnte der Kerl der ihn abschleppte kein Normalo sein und auch kein 08/15 Perverser... nein, ein Pornofreak. "Wie du siehst, machst du dabei eine sehr gute Figur!" "Du meinst richtige Pornos?" Alex nickte eifrig. "Natürlich! Nicht diese lächerlichen "Ich-reib-mich-an-dir-und-tu-so-als-würde-ich-dich-nageln" Filmchen, richtige Hardcore Pornografie aus allen Perspektiven." "Und das ist wirklich dein Ernst?" Jeremy konnte es nicht so recht fassen, in was er da gerade hinein schlidderte. Aber er musste zugeben, dass ihn der Anblick des Videos antörnte. Es war scharf. Aber trotz allem blieben da Zweifel. "Natürlich. Es mach wirklich Spaß, ich spreche aus Erfahrung." "Du spielst da auch mit?" "Ja klar." Alex nickte. "Und ich glaube, zusammen könnten wir ganz groß rauskommen." "Ich weiß nicht... bist du also so eine Art Talentscout?" "Nein!" Sein Gegenüber lachte und strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. "Ich hab dich abgeschleppt, weil ich dich süß fand und das ist auch immer noch so. Aber ich will mehr Zeit mit dir verbringen. Und ich finde, dass du es verdienst, die Möglichkeit zu bekommen mehr Geld zu scheffeln. Das ist ja kein Vollzeitjob, du kannst trotzdem nebenbei noch deine Karriere als Tänzer verfolgen und wenn es mal nicht klappt, verschaffst du dir Kohle mit der besten Sache der Welt!" Jeremy rieb sich nachdenklich das Kinn. Was Alex da sagte klang logisch, wenn auch irgendwie zu einfach. Aber er schien wirklich von der Idee überzeugt zu sein. Außerdem war er einfach unglaublich süß und Jeremy verspürte den Drang ihn näher kennen lernen zu wollen, wer wusste schon was daraus noch werden konnte? Schließlich nickte er. "Na gut... ich schaue mir das mal an..." Konnte doch nicht so schwer sein! Wie naiv er doch damals gewesen war! Natürlich war das nicht leicht! Er hatte sich viel zu einfach von Alex überreden lassen und das war ihm spätestens vor der Tür in dem etwas schummerigen Hinterhof klar geworden, zu der ihn seine neue Bekanntschaft wenige Tage später gebracht hatte. Seine anfänglichen Zweifel, die Angst seine Selbstachtung zu verlieren, all das hatte Alexander unglaublich schnell zerstreut. Jeremy schloss die Augen und horchte in sich hinein. War er ein Materialist? Diese ganze Versprechungen waren so verlockend gewesen, die Aussicht auf Geld. Er schaute zu seiner Stereoanlage hinüber. Es hatte ihn mehrere Filme gekostet um sie sich leisten zu können, aber er war immer stolz darauf gewesen sie zu besitzen. Abby hatte ihm zum Glück seine Geschichte von der Erbschaft einer Tante geglaubt, ansonsten war er eher vorsichtig mit seinem Geld umgegangen um seine Mitbewohnerin nicht misstrauisch zu machen. Aber an all das hatte er zur Zeit seines "Vorstellungsgesprächs" überhaupt nicht gedacht. Er fragte sich ernsthaft, ob er überhaupt etwas gedacht hatte... Jeremys Herz schlug bis zum Hals, als sie das Büro der "Male Movie Productions" betraten. Allein das "Cum inside" unter dem Firmenschild am Eingang sprach Bände. Das Büro war geradezu tapeziert mit gerahmten Covern von Filmen, die in diesem Studio produziert wurden. Lauter muskulöse Kerle, meistens fast, bis ganz nackt und Titel, bei denen sich einem die Nackenhaare aufstellten, so pathetisch und gleichzeitig passend waren sie. Hinter einem monströsen Schreibtisch hockte ein etwas untersetzter Mann mit Halbglatze und einer dunklen Brille, eine Kombination die einen Hauch von Proletentum gemischt mit einem ungesunden Maß an Selbstüberschätzung verströmte. Er schien Alex zu kennen, denn er erhob sich und schüttelte ihm die Hand über den Tisch hinweg, Jeremy ließ er vollkommen links liegen. "Schön dich zu sehen, Jessie." Jeremy sah Alex verwundert an. "Jessie Blue, mein Name, den ich für die Videos benutze. Du wirst dir dann auch noch was einfallen lassen müssen", erklärte er lapidar. "Ach... ach so..." "Also, was gibt es, Jessie?" "Kannst ruhig Alex sagen, Archie. Ich hab eine Überraschung für dich: Dein neuer Star!" Er deutete auf Jeremy. "Soll das ein Witz sein?" Er betrachtete den Tänzer eingehend. "Wie alt bist du, Kleiner?" "Ich bin einundzwanzig." "Und wie alt bist du wirklich?" "Ich bin einundzwanzig!...Auch wenn ich vielleicht nicht so aussehe!" "Komm schon, Archie!" mischte sich Alex ein, "Jetzt mach keine Probleme. Jeremy ist genau der Typ für dich. Und du weißt, wie gut die Teen-Nummer ankommt und den kauft man ihm ohne Weiteres ab." Jeremy kam sich allmählich blöd vor. Er wusste überhaupt nicht was er hier machte. Die Beiden schienen ihn zeitweise völlig auszublenden und irgendwie hatte er das Gefühl, dass hier um ihn geschachert wurde. Der Kerl hinterm Schreibtisch nahm die Brille ab und wedelte etwas gelangweilt mit der Hand. "Also gut, dann zeig mal was du hast." "Was?" "Zeig deinen Schwanz, Junge! Meinst du, ich kaufe die Katze im Sack?" "Ich... was?" Archie schaute Alex genervt an. "Warst du betrunken, als du ihn aufgegabelt hast?" "Jetzt hör aber auf, Archie. Lass uns einen Moment." Er legte den Arm um Jeremy und führte ihn ein Stück vom Schreibtisch weg. "Baby, du ruinierst alles." "Ich ruiniere alles?" zischte Jeremy. "Der Kerl will, dass ich ihm hier meinen Schwanz zeige! Einfach so, hier vor seinem Schreibtisch. Ich bin doch kein Stricher!" "Süßer, das ist ganz normal. Dein Schwanz wird öfter im Bild zu sehen sein, als dein süßes Gesicht. Glaubst du nicht, dass sich Archie absichern muss? Ich hab das auch gemacht." "Du hast mir nicht gesagt, dass das so abläuft!" "Jetzt zier dich nicht so, du wirst es nicht bereuen. Das ist am Anfang immer etwas schwer, aber du kommst schon auf den Geschmack." "Wenn du das sagst...", seufzte Jeremy. Etwas widerwillig ließ er sich zum Tisch zurückleiten und noch widerwilliger öffnete er seine Hose und ließ sie hinab fallen. Er spürte wie seine Wangen heiß wurden. Diese Situation war einfach grotesk, er stand mit blankem Hintern mitten im Raum und wartete darauf, dass ein ihm völlig fremder Kerl sich ein Urteil über sein bestes Stück bildete. Das ganze hatte was von einer Fleischbeschau. Darf es ein bisschen mehr sein? Wäre ihm das ganze nicht so peinlich gewesen, hätte er glatt gelacht. Archie beugte sich etwas vor, ganz so als müsse er jedes Detail genau betrachten. "Nicht übel, nicht übel! Den Busch solltest du definitiv stutzen, der Trend geht zu weniger Behaarung, außerdem sieht dein Schwanz dann größer aus." Jeremy antwortete nicht, sondern fixierte Alex nur mit einem Blick der ihn auf der Stelle niedergestreckt hätte, wenn er hätte töten können. Das potenzielle Opfer grinste aber lediglich und zuckte mit den Schultern. "Dann los jetzt. Fang an." "Bitte?" "Jungchen, meinst du wirklich, es reicht, dass ich dich hier mit einem Hänger sehe? Du solltest dir zumindest mal einen von der Palme schütteln, damit ich einen Eindruck davon bekomme, was du zu bieten hast." "Ich soll...?" "Wichsen! Los jetzt!" Archie verdrehte die Augen. "Meine Güte, was für ein Mauerblümchen!" In diesem Moment schritt Alex ein. Er ging zum Schreibtisch hinüber, stützte sich darauf und beugte sich zu Archie. "Komm schon, Archie! Vertrau mir. Lass ihm etwas Zeit. Du hast mein Wort, er hat es drauf, auf jeden Fall. Ich war schon mit ihm im Bett, ich weiß wovon ich rede. Er hat eine Menge Potenzial, aber er muss sich erst ein wenig zurecht finden. Aber ich schwöre dir, er wird einer der ganz Großen!" "Hey! Ich bin im Raum!" meckerte Jeremy, allmählich ging ihm das ganze auf die Nerven. "Also gut", Archie schien seinen Einwand vollkommen zu ignorieren, "auf deine Verantwortung. Ich brauche noch jemanden für "Teen Boy Diaries 3: Fuck me, Teacher!", da kann er sich beweisen... Wenn er es gut macht, kann er einen Part in "Cock Raider" kriegen, der Dreh steht auch bald an. Da wolltest du doch auch dabei sein, oder?" "Du sagst es. Jeremy macht das schon. Du wirst es nicht bereuen!" grinste Alex. "Komm, wir gehen", meinte er dann zu Jeremy, der sich zumindest die Hose mittlerweile wieder hochgezogen hatte und ihm einfach hinterher trottete, er war noch vollkommen perplex über die Titel seiner ersten "Filme"... Von da an ging alles sehr schnell. Der erste Dreh war eine mittlere Katastrophe. Er sollte einen Schüler spielen, der sich dadurch vom Nachsitzen befreit, das er dem Lehrer einen bläst und sich dann von ihm ordentlich ran nehmen lässt, so formulierte es das eher spartanische Drehbuch mit den wenigen Textzeilen die er sich merken musste, bevor es zur Sache ging. Der "Lehrer" war nicht das Problem, er war groß, muskulös, gut aussehend und sehr gut bestückt, der typische Lehrer eben , aber die vielen Leute am Set, der Kameramann der ständig um sie herum huschte, all das nahm Jeremy schneller den Wind aus den Segeln als er "Ich war ein ganz böser Junge, Herr Lehrer!" sagen konnte. Retter in der Not war Alex, der Archie bat ihn in die Szene einzubauen. Angesichts der unglaublich dichten und epischen Storyline des Streifens erwies sich das nicht unbedingt als Problem, einen Referendar einzubauen, der dem Lehrer und dem Schüler Gesellschaft leistete. Alex brachte es fertig Jeremy die gesamte Umgebung vergessen zu lassen, der nächste Anlauf klappte wunderbar und wenig später hatte Jeremy seinen ersten Porno abgedreht. Nach den Startschwierigkeiten waren Archie und seine Regisseure immer begeisterter von Jeremy, besonders wenn er mit Alex im Doppelpack auftrat. Alexander führte Jeremy in die gesamte Szene ein, die aus weit mehr als nur Dreharbeiten bestand, allein die wilden Partys waren eine ganz eigene Welt. Mit der Zeit entwickelten sich die Beiden zu den ungekrönten Königen des Studios, es gab ganze Serien von Filmen mit Jessie und Ricky Blue, wie Alex und Jeremy sich nannten. Aus den Beiden war längst auch hinter der Kamera ein Paar geworden, sie unternahmen viel zusammen und Jeremy war sich sicher, noch nie im Leben so verliebt gewesen zu sein. Aber je mehr Erfolg sie hatten umso mehr veränderte sich Alexander. Anfangs war er noch liebevoll und fürsorglich Jeremy gegenüber, sie konnten über alles reden und nirgendwo fühlte sich Jeremy geborgener als in Alexanders Armen. Doch all dies änderte sich, langsam, schleichend, so dass der junge Mann es erst nicht einmal bemerkte, dann wollte er es nicht wahr haben allerdings wurde es irgendwann zu offensichtlich um es noch zu leugnen. Alex entwickelte regelrechte Starallüren. Er fing an zu trinken, er nahm Drogen, alles quer Beet was er in die Finger bekommen konnte. Meistens kokste er jedoch, etwas was in der Pornoszene weit verbreitet war. Jeremy hasste ihn dafür und hätte selbst niemals auch nur etwas von diesem Teufelszeug angerührt. Er stritt immer öfter mit Alexander und jedes Mal versprach er ihm wieder sich zu ändern. Mehr als leere Worte waren das aber nicht. Er verpasste schließlich sogar Drehtermine und Jeremy war derjenige, der den Ärger ausbaden durfte. Während Jeremy mit seinem Geld möglichst haushielt, so hoch waren die Gagen für einen Porno nun auch nicht, verprasste Alex sein Geld mit vollen Händen. Und eines Tages war es dann soweit... Die Zeiger der Uhr an der Wand näherten sich bereits der zwei, als Jeremy endlich den Schlüssel im Schloss hörte. Er war in Alexanders Wohnung und wartete, schon seit Stunden tat er nichts anderes. Sein Freund war mal wieder nicht zu erreichen, Handy ausgeschaltet, keine Adresse unter der man ihn finden konnte, fast ein Dauerzustand in letzter Zeit. Er hatte Abby gesagt, dass er bei Alex übernachten würde, seine Freundin wusste von ihm, allerdings nicht unter welchen Umständen ihre Beziehung begonnen hatte. Das sollte sie auch ganz sicher nicht erfahren. Jeremy kochte innerlich, diesmal war Alex eindeutig zu weit gegangen! Sein Freund betrat endlich das Wohnzimmer, seine Klamotten waren vollkommen durcheinander, die Haare strähnig. Er warf seine Jacke über das Sofa und ging in Richtung Bad ohne Jeremy auch nur eines Blickes zu würdigen. "Wo warst du?" Er blieb stehen und sah Jeremy teilnahmslos an. "Aus." "Und wo?" "Bin ich dir Rechenschaft schuldig? Wir sind nicht verheiratet." Er öffnete die Badezimmertür. "Bleib gefälligst hier, wenn ich mit dir rede!" Alex drehte sich vollkommen entnervt um. "Was ist?" "Ich muss mit dir sprechen." "Ich muss pissen, also lass mich in Ruhe." Er knallte die Badezimmertür hinter sich zu. Jeremy sprang von der Couch auf. So leicht würde er Alex nicht davon kommen lassen. Er folgte ihm ins Badezimmer. Sein Freund stand breitbeinig vor der Toilette. Er schwankte und verteilte den Großteil seines Urins eher um das Klo herum als in die Schüssel hinein. "Du bist ein Schwein!" zischte Jeremy. "Ach, lass mich in Ruhe!" Er verstaute seine Männlichkeit wieder in der Hose, ließ aber den Reißverschluss offen. "Wasch dir wenigstens die Hände!" "Ja, Daddy!" Er hielt die Finger kurz unter Wasser und wollte dann das Bad verlassen, aber Jeremy versperrte ihm den Weg. "Lass mich durch!" "Wir reden jetzt!" "Was willst du?" Jeremy stemmte die Hände in die Hüften. "Du bist angetrunken, schon wieder..." "Was willst du?", wiederholte Alex. "Wir müssen über Geld reden." "Oh, bitte nicht wieder diese alte Leier!" "Alexander, du warst an meiner Portemonnaie, oder?" "Wieso?" wollte Alex scheinheilig wissen. Er schien sich ertappt zu fühlen, mühte sich aber den selbstsicheren Eindruck zu bewahren. "Versuch gar nicht erst es zu leugnen! Du hast dir Geld aus meiner Brieftasche genommen! Meintest du wirklich ich merke das nicht?! Du hast mir Geld geklaut, du Mistkerl! Weißt du wie ich jetzt da stehe?! Das Geld war für die Miete diesen Monat! Jetzt habe ich so gut wie gar nichts mehr und Abby muss alles allein löhnen! Ist dir klar wie peinlich mir das ist?! Wie kommst du dazu mir Geld zu klauen?!" Jeremy redete sich immer weiter in Rage. "Wofür brauchtest du es wieder mal? Alkohol? Aufs falsche Pferd gesetzt?! Oder etwa schon wieder Koks?!" "Du gehst mir auf die Nerven, aus dem Weg!" Er wollte sich einfach an Jeremy vorbei drängen, doch dieser packte ihn am Arm. "Wag es ja nicht mich hier einfach stehen zu lassen!" "Lass mich los!" meckerte Alex. "Du bleibst hier!" "Du sollst mich loslassen, verdammt noch mal!" Alex holte aus, der Schlag kam viel zu überraschend als das Jeremy auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte sich zu wehren. Die Faust seines Freundes krachte in sein Gesicht und schleuderte ihn zu Boden. Jeremy stürzte und nur seine im Reflex nach oben gerissenen Arme bewahrten ihn davor mit dem Gesicht gegen den Rand der Dusche zu fallen. Für einen Moment sah er nur noch Sterne, alles drehte sich. Alex stand fassungslos hinter ihm. Seine Hände zitterten. "Jeremy...? Baby?" Er ging in die Knie und streckte die Hand aus. "Fass mich... an... und ich... bring dich um...", presste Jeremy hervor. "Wag es... ja... nicht... mich anzufassen!" "Baby, bitte..." Mühsam rappelte sich der Tänzer hoch. Vor seinen Augen flackerten immer noch Punkte, sein Kopf schmerzte und er schmeckte Blut an seinen Lippen. In diesem Augenblick war jegliches Gefühl von Liebe in ihm verschwunden, er empfand nur noch abgrundtiefen Hass für den anderen Mann. Am liebsten hätte er ihn umgebracht. Alex fuchtelte hilflos mit den Armen, er schien endlich realisiert zu haben, was er getan hatte. "Baby..." "Hör auf mit "Baby"! Es reicht mir! Endgültig! Du kannst mir gestohlen bleiben! Verschwinde aus meinem Leben, du widerlicher Mistkerl! Ich will dich nicht mehr sehen!" Jeremy stürmte an ihm vorbei ins Wohnzimmer. "Jeremy!" Alex hetzte hinter ihm her. Der rothaarige Mann riss seine Jacke von der Garderobe und wollte sofort gehen, aber sein Freund stellte sich vor die Haustür. Plötzlich war er überhaupt nicht mehr großkotzig, er schien sogar wieder nüchtern zu sein. Der Schock saß wohl tief. "Geh mir aus dem Weg oder diesmal schlage ich zu!" "Baby, bitte, ich..." "Nein! Spar dir deine billigen Ausreden!" "Bitte verlass mich nicht!" Alex war vollkommen verzweifelt, das hörte man seiner Stimme deutlich an. Tränen fingen an über seine Wangen zu rollen, er streckte die Arme in einer mehr hilflosen als ausdrucksstarken Geste aus, um die Tür vollkommen zu blockieren. "Bitte nicht!" Jeremy schüttelte den Kopf. "Ich wüsste nicht, warum ich bei einem, wie dir bleiben sollte!" "Aber wir sind doch ein Team, wir passen so gut zusammen!" "Du hast mich geschlagen, du Wichser! Erst beklaust du mich und dann schlägst du mich nieder! Wir haben wohl unterschiedliche Ansichten von Liebe!" "Aber ich liebe dich doch!" "Ich weiß...", entgegnete Jeremy ruhig, "aber ich glaube, meine Liebe reicht nicht mehr aus, um dein Verhalten zu tolerieren." "Nein!" Alex brach endgültig in Tränen aus. Seine Stimme versagte, er schluchzte immer heftiger, als er sogar auf die Knie fiel und sich an Jeremy klammerte. "Bitte... verlass mich nicht... ich brauche dich... verlass mich nicht... verlass mich nicht... verlass mich nicht..." Und wieder fing der ganze Kreislauf von vorne an. Als Alex so an ihm hing, hilflos wie ein kleines Kind, um seine Liebe bettelnd, da fiel die ganze Überzeugung von Jeremy ab. Er brachte es nicht fertig Alex einfach zu verlassen. Schließlich liebte er ihn doch... und jeder machte mal Fehler. Er strich sanft über den Kopf seines Freundes. "Ist ja gut..." Vorsichtig schob er ihn ein Stück von sich weg und ging selbst auf die Knie. Alex schluchzte immer noch. "Heißt das, du verlässt mich nicht?" schniefte er. Jeremy schüttelte den Kopf. "Nein, ich verlasse dich nicht, aber wehe so etwas geschieht noch einmal! Weder bestiehlst du mich, noch toleriere ich es, wenn du mich noch einmal schlägst!" "Das wollte ich nicht!" Alex fiel ihm in die Arme und presste sich an ihn. "Ich wollte das nicht... es tut mir leid... auch das mit dem Geld... ich höre auf mit dem Zeug, versprochen! Wir streiten nie wieder, ja?" "Spinner, als wäre das möglich...", flüsterte Jeremy. "Ich liebe dich so sehr... ich bin ein Idiot, ich weiß das..." "Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung." Jeremy konnte nicht anders, in diesem Augenblick war Alex wieder so wie früher, sein Alex, der älter war, aber eigentlich mehr auf ihn angewiesen als umgekehrt. So kniete er einfach da und hielt den wimmernden Mann fest. Und doch änderte sich nichts. Nach diesem Vorfall ging es einige Wochen gut, dann verfiel Alexander wieder in alte Muster. Und schließlich geschah die Sache mit dem Pornodreh, den Alex ohne Jeremys Zustimmung inszenierte. Das Ganze hatte Konsequenzen. Als Jeremy erfuhr, dass sein ihm aufgezwungener Partner HIV-positiv war brach für ihn eine Welt zusammen. Eine Woche konnte er kaum einen Bissen essen, weinte fast ständig, schlief so gut wie nicht und war mehrfach kurz davor sich etwas anzutun. Sein einziger Rettungsanker war Abby, der er natürlich nicht erzählte, woher er seine mögliche Infizierung hatte. Die ganze Woche, die er auf seine Ergebnisse wartete, bekam er Alex nicht zu Gesicht. An diesem Tag im Krankenhaus fühlte sich Jeremy so allein und so mies wie noch nie zuvor in seinem Leben. Als sein Name aufgerufen wurde, war er so sehr zusammengefahren, dass einige der Wartenden ihn verwundert ansahen. Auch der Arzt schenkte ihm einen mitleidigen Blick, als er sich an seinem Schreibtisch setzte. Der junge Mann erinnerte sich genau an die panische Angst, die er damals gehabt hatte. Es war der furchtbarste Tag in seinem Leben gewesen... "Sie sehen schrecklich aus, Mr. Sumner. Sie haben wohl in letzter Zeit nicht viel geschlafen." "Verdenken Sie mir das, Doktor?" Der Arzt schüttelte den Kopf. "Um Sie zu erlösen: Sie sind HIV-negativ." Die Worte brauchten einen Moment, bis sie Jeremys Verstand erreichten. Er war negativ. Er war gesund... wirklich gesund. Tränen schossen in seine Augen, er kam nicht dagegen an. Der Arzt reichte ihm ein Taschentuch. "Vielen Dank, Doktor." "Danken Sie nicht mir, danken Sie Ihrem Schutzengel." Er klappte seine Mappe zu. "Mr. Sumner, es ist obligatorisch, dass ich mit Ihnen jetzt ein Gespräch über Safer Sex führen muss." "Doktor,", wehrte Jeremy ab, "ich praktiziere grundsätzlich Safer Sex... nur dieses eine Mal..." Er brach ab. "Sind Sie vergewaltigt worden? Wenn ja müssen Sie das melden. Sie glauben nicht wie viele junge Mädchen hierher kommen und Angst haben, weil sie sich nicht trauen Hilfe zu suchen. Und auch ein Mann kann ja..." "Ich bin nicht vergewaltigt worden...", sagte Jeremy leise. "Ich war betrunken..." Jeremy schluckte. Hoffentlich ließ der Arzt es hierbei beenden. Natürlich war es quasi eine Vergewaltigung gewesen, er hatte sich nicht wehren können und war auch nicht mehr im Stande gewesen zu entscheiden ob er es wollte oder nicht. Selbst ohne das ihm Gewalt angetan worden war hatte man ihn vergewaltigt. Bei dem Gedanken daran, dass Alex dabei seelenruhig zugesehen hatte, keimte unendlicher Hass in ihm auf. Aber er wollte nicht, dass der Arzt die Sache aufbauschte. Es war ihm schrecklich peinlich es so hinzustellen als sei er einfach nur verantwortungslos gewesen, aber es war der einfachste Weg aus der Sache heraus zu kommen ohne sich aus einer Anzeige oder psychologischer Betreuung herausreden zu müssen. Der Arzt schien mit der Erklärung zufrieden. "Also, Mr. Sumner. Das wäre es dann. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben, stehe ich Ihnen natürlich zur Verfügung. Und seien Sie in Zukunft vorsichtig." Jeremy erhob sich. "Vielen Dank, Doktor. Auf Wiedersehen." "Das will ich nicht hoffen.", lächelte der Arzt. Jeremy brauchte kurz, um den Witz zu verstehen, er war immer noch wie betäubt. Er erwiderte das Lächeln und ging dann. Als er das Krankenhaus verließ und in die Sonne hinaus trat, wurde ihm schlagartig bewusst, dass er quasi gerade ein neues Leben geschenkt bekommen hatte. Und er würde diese Chance nutzen. Hier auf dem Parkplatz des Krankenhauses traf Jeremy die Entscheidung, sich endgültig von Alex zu trennen... Das Geräusch der Türklingel ließ Jeremy hochfahren. Benommen blickte er sich um. Draußen war es dunkel geworden. Er musste eingeschlafen sein. Wie lange hatte er geschlafen? Wann war Alex gegangen? Wieder klingelte es an der Tür. Jeremy sprang aus dem Bett und schlidderte auf Socken Richtung Wohnungstür. "Ich komme! Moment!" Er riss die Tür auf. Im Rahmen lehnte David, mit einem lässigen Lächeln auf den Lippen. "Fertig für's Kino? Offenbar nicht, wenn ich dich so ansehe." Jeremy blickte an sich hinunter. Seine Klamotten waren zerknitterte und er trug immer noch das Hemd ohne Knöpfe. Seine Haare waren ebenso zerzaust. "Ich...äh... ich mache mich fertig... gib mir ein paar Minuten! Komm doch rein!" Er schien einen Moment nicht zu wissen, was er tun sollte, dann trat er zur Seite und ließ David in die Wohnung. "Ich bin bald fertig." Er strich sich nervös durch die Haare. "Hast du was?" Jeremy sah David an, sein Lächeln, seine wundervollen blauen Augen, die Wärme, die in ihnen lag. Dann schüttelte er den Kopf. "Nein. Ich freue mich nur, dich zu sehen." Er beugte sich zu ihm hoch und drückte ihm spontan einen Kuss auf die Lippen. "Bin gleich wieder da." David nickte nur, auch wenn er etwas misstrauisch guckte. "Beeil dich." Jeremy eilte in sein Zimmer, als er außer Sichtweite von David war, fing er an zu grinsen. Das war seine Zukunft. Egal wie beschissen die Zeit mit Alex war, egal wieviel er durchgemacht hatte, das hier machte das alles wieder wett. David war seine Zukunft, mit ihm würde er endlich wieder vollkommen glücklich werden! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Wieder mal ein Kapitel rum ^^ Diesmal fiel es mir wieder etwas schwerer, aber ich glaube das liegt an der Wendung die ich eigentlich nicht geplant hatte und die meine bisherigen Pläne etwas über den Haufen wirft... eigentlich sollte Jeremy nämlich einfach "nur" Pornodarsteller sein... Alex war eine Figur, die gar nicht vorkommen sollte. Aber plötzlich gefiel mir die Idee mit dem Exfreund von Jeremy... wie das Ganze ausgehen wird weiß ich schon, mal sehen was bis dahin noch passiert und wie wichtig die Rolle von Alexander wird. Jeremy x David erfährt hier eigentlich so gut wie keine Entwicklung, obwohl David ja am Anfang schon ein bisschen was durchblicken lässt... trotzdem, hier steht noch viel Arbeit ins Haus *lol* Es ist vielleicht etwas überraschend hier dermaßen viel über die Vergangenheit Jeremys zu erfahren, aber das hatte den einfachen Grund das ich nicht wusste, was ich schreiben sollte! *lol* Meine Ideen stagnierten etwas und um den Rest des Kapitels zu füllen wollte ich dann ein bisschen was über Jems Hintergrund erzählen... und das ist dann dermaßen außer Kontrolle geraten, dass dieses Kapitel das längst ist, das ist bisher verfasste habe... 19 Seiten mit Nachwort. Allmählich ersticke ich in Handlungssträngen, aber ich denke mal es stört niemanden wenn das Ganze hier sich noch ein bisschen hinzieht *lol* *an den fingern abzähl* Jason, Chris, David, Jeremy, Sly, Ash, Alexander und *piep* (<- noch geheim!), das sind mittlerweile acht wichtige Charaktere plus Abby und Eve, sowie einer stets möglichen Rückkehr von Claire, das macht elf Charaktere... Ô_o Das hier sollte eigentlich eine Geschichte nur um Jason und Chris werden, selbst David war nur als Nebencharakter geplant *lol* Na ja, ich hab mir das Chaos selbst eingebrockt, jetzt löffele ich es auch aus ^^ Bei mir stehen die Semesterferien an und ich hoffe inständig, dass mich nicht wieder der Zeit-Effekt trifft *lol* Erklärung: Es ist ein natürliches Gesetz, dass ein mit seinem Laptop in Symbiose lebendes Ulysses im Falle von fehlender Zeit ein unbändiges Verlangen nach kreativer Schreibarbeit überkommt, setzt man selbiges Exemplar allerdings in eine angepasste Umgebung mit ausreichend Freizeit so verabschiedet sich die Lust an kreativen Ausbrüchen auf Nimmerwiedersehen. *lol* So war das vor Beginn meines Studiums, ich wollte damals noch möglichst viel von meiner Zelda-Geschichte schreiben und habe nicht ein Kapitel fertig gebracht *lol* Na ja, hier habe ich wesentlich mehr Antrieb, also denke ich nicht das ein Grund zur Sorge besteht und das KatoKira sich auf eine Menge Nachholbedarf freuen kann wenn sie wieder Internet hat *gggggggggg*... trotz meiner aufkommenden Sucht nach "Shin Megami Tensei: Lucifer's Call" *ggggg* In diesem Sinne bis zum nächsten Chap ^^ Euer Uly ^^ PS: Vielen Dank an Alaska, meine Retterin ;-) Ohne dich hätte das hier nicht geklappt. *knuff* Hosted by Animexx e.V. 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