Remember the promise you made von Ulysses (San Francisco Love Stories) ================================================================================ Kapitel 27: How Marcus got his groove back (Part 1 of 5) -------------------------------------------------------- "Jemand Zuhause?!" Marcus streckte den Kopf zur Haustür rein. Niemand antwortete ihm. Der Flur und das Wohnzimmer lagen in völliger Stille, nicht einmal Batman begrüßte ihn. Der Junge hängte seine Jeansjacke, draußen waren die für Januar vollkommen normalen sechzehn Grad, an einen Haken der Garderobe und ging dann in die Küche. Auch hier war niemand. "Chris? Jason?" Ein Blick in den Garten sowie den Wintergarten zeigte auch hier absolute Leere. Marcus seufzte und beschloss, nun im Obergeschoss nachzusehen. Er eilte die Treppe hinauf und betrat schnurstracks das Schlafzimmer der beiden Männer. Wieder Fehlanzeige. Waren die etwa Beide arbeiten? Letzte Chance: Das Badezimmer. Marcus drückte die Tür auf. "Jemand hier?" Er riss die Augen auf. "Ups!" Der Junge hob die Hand vors Gesicht. Vor ihm stand Jason, vollkommen nackt und noch nass vom Duschen. "Ich habe nichts gesehen! Na ja... fast nichts..." Er öffnete einen kleinen Spalt zwischen Mittel- und Ringfinger, doch Jason hatte sich schon ein Handtuch um die Hüften gebunden. Er funkelte den Jungen an. "Würdest du dann bitte raus gehen?" "Du hast doch jetzt was an." "Marcus!" Der blonde Teenager schnaufte übertrieben. "Wenn du meinst." Er öffnete die Tür. "Vielen Dank!" "Du musst dich aber wirklich nicht schämen, ich kenne doch sowieso schon fast alles von dir, auf das Bisschen mehr kam es doch jetzt nicht an." Er grinste breit, zog aber schnell die Tür hinter sich zu, als Jason mit einem wütenden Knurren ausholte und die Seife dagegen warf. Wenig später kam der Polizist aus dem Bad, jetzt voll angezogen. Marcus lag ausgestreckt auf dem Bett und grinste ihn an. "Na, Adonis?" "Na, Spargeltarzan?" "Das war gemein!" Marcus zog einen Flunsch. "Ich bin nun mal nicht so sportlich. Ich bin eher der schlanke, elegante Typ." "Und auch gar nicht von dir eingenommen", lachte Jason und rieb sich mit einem Handtuch die Haare trocken. "Wie bist du überhaupt rein gekommen?" "Chris hat mir einen Schlüssel gegeben, schon vergessen?" "Verdrängt." Jason warf das Handtuch aufs Bett und setzte sich an den Rand neben Marcus. "Hast du es bequem?" lächelte er. "Ja, euer Bett ist wirklich sehr gemütlich." Er setzte sich auf und stützte sich auf die Ellenbogen. "Was planst du zu Chris' Geburtstag?" "Wie kommst du darauf, dass ich etwas plane?" "Na komm schon! Chris hat bald Geburtstag, du willst mir nicht weiß machen, dass du das vergessen hast, oder? Sonst wärst du ein ganz schöner Trottel." Jason verschränkte mit einem gespielt beleidigten Gesichtsausdruck die Arme. "Wenn ich mich recht erinnere, hast du irgendwann mal Respekt, ja sogar Angst, vor mir gehabt, was ist damit geschehen?" Der Junge umarmte ihn und lachte. "Stimmt, aber mittlerweile habe ich gemerkt, dass du ein ganz lieber, freundlicher Bär bist. Sozusagen ein Knuddelbärchen." "Ich gebe dir gleich Knuddelbärchen!" Jason konnte ein Lachen nicht unterdrücken. "Stell dir mal vor, deine Eltern hören, wie du mich so nennst." "Sie sind nicht hier, oder?" "Zum Glück." "Ja...", sagte Marcus in einem Ton, der so gar nicht zum Rest des Schlagabtauschs passen wollte. Sein Grinsen löste sich auch in Wohlgefallen auf. "Was war denn das für ein ,Ja'? Das klang gar nicht gut. Hast du Stress?" Marcus stand auf und ging zur Kommode hinüber. Dort stand eine kleine silberne Dose, in der Chris seine Ringe aufbewahrte. Der Junge öffnete sie und spielte etwas gedankenverloren mit einem der Schmuckstücke. Jason sah ihm vom Bett aus zu. "Du hast mir noch nicht geantwortet, wegen Chris' Geburtstag." "Ich gebe eine Überraschungsparty für ihn, nur ein paar Freunde. David und Jeremy, Ash und Sly, Jim Mayer vom Department will vielleicht mit seiner Freundin vorbei kommen, ich weiß, Chris hat nicht allzu viel mit ihm zu tun, aber ich mag ihn und will, dass er merkt, dass ich nicht nur ein ranghöherer Cop bin, Jim war immer auf meiner Seite, auch nach meinem, Outing", erklärte Jason auf den fragenden Blick des Jungen hin. "Wenn sie es einrichten kann, will sogar Claire kommen. Ach ja und natürlich seine Familie, seine Schwester ist schon ganz heiß darauf, hierher zu kommen. Sie wird dich lieben, schließlich bist du schwul", beendete er seine Ausführungen mit einem schiefen Lächeln. "Das heißt, ich bin auch eingeladen?" "Marcus, das war jetzt die dümmste Frage des Jahrhunderts, gratuliere!", lachte Jason. "Hättest du was dagegen, wenn wir meinen Geburtstag mit dem von Chris zusammenlegen? Ich werde doch am 21. siebzehn. Und wenn wir zusammen feiern würden... hätte ich wenigstens eine Feier mit Freunden..." "Was soll das denn heißen? Was ist mit den Leuten aus der Schule? Du gehst doch schon einige Wochen wieder hin. Sind da nicht ein paar Leute, die du magst?" Marcus stieß die Luft auf. "Die Schule..." Er legte den Ring wieder in das Kästchen. "Nein, da ist niemand. Ich verbringe meine Zeit dort meistens allein." "Aber du bist doch ein lieber Kerl." "Trotzdem... die sind alle blöd... ich fühle mich einfach nicht wohl dort..." Er drehte sich zu Jason um. "Chris und du, ihr könntet nicht vielleicht mit meinen Eltern reden, oder?" "Wegen der Party?" "Nein, weil ich die Schule abbrechen will." Jetzt konnte Jason nicht anders, ihm blieb der Mund offen stehen. Jeremy riss die Wohnungstür auf und noch bevor Abby einen Pieps von sich geben konnte, zog er sie am Arm ins Apartment. "Gott sei Dank, bist du da! Na endlich!" "Schatz, du bist gut! Weißt du, was draußen für ein Verkehr herrscht? Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte." Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging dann weiter in die Wohnung hinein, während sie ihre Hochsteckfrisur wieder richtete, die durch Jeremys Aktion gelitten hatte. "Meine Güte, was für eine Bude! Jetzt verstehe ich, warum du Verräter mich andauernd allein in unserem schäbigen Apartment sitzen lässt!" Sie lachte ihn an und strafte damit den Verräter Lüge. Abby hatte sich riesig darüber gefreut, dass Jeremy wieder mit David zusammen war und noch mehr freute sich sie auf das Gesicht von Alex, wenn er wieder da war. Er war über Silvester zu seiner Familie gefahren, die irgendwo im tiefsten Utah hauste, schon bevor David Jeremy wieder für sich erobert hatte. Abby hoffte inständig, dass sie anwesend sein würde, wenn dieser Blödmann sein Fett weg kriegte. Ihr Blick blieb an dem Bild an der Wand hängen. "Ich fasse es nicht!" "Ich weiß, unglaublich, oder?" "Dieser Arsch sieht ohne Hose noch knackiger aus... Jem... ich hasse dich..." "Abby, könnten wir über etwas anderes als den Hintern von meinem Freund reden?" Er lächelte unvermittelt. Es tat wahnsinnig gut, von David als "mein Freund" zu reden, geradezu berauschend. "Wenn es sein muss!" lachte die junge Frau. "Ich habe ein Problem..." Sie schaute ihn überrascht an. "Bitte nicht. Was ist es diesmal? Kriegst du kalte Füße? Oder etwa wieder er?! Tut mir das nicht an! Ich will euch Beide zusammen sehen!" "Es ist doch gar nichts in der Richtung!" Jeremy hob die Hände. "Das Problem... ist im Badezimmer..." Unverständnis zeigte sich auf Abbys Gesicht. "Im Badezimmer?" Statt zu antworten, zeigte Jeremy in Richtung des Zimmers. Seine Freundin ging an ihm vorbei. "Oh, mein Gott! Jeremy!" Der rothaarige Mann folgte ihr mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck. Abby stand neben Davids Badewanne und hatte die Hände vor den Mund geschlagen. Die schneeweiße Wanne sah aus, als habe man darin einen Mord begangen oder zumindest ein mittleres Schwein geschlachtet. Überall waren dicke rote bis braune Flecken auf der Oberfläche. "Was hast du da gemacht?!" "Ich habe mir die Haare gefärbt... und dann ist das passiert." "Das Keramik hat die Farbe aufgenommen! Hat David denn gesagt, dass du dir die Haare über seiner Wanne färben sollst?!" "Nein...", gab Jeremy zu. "Aber sein Waschbecken ist so furchtbar unbequem, ich komme mit dem Kopf nicht unter den Wasserhahn und da dachte ich..." "Hast du David nicht gefragt?" "Nein..." "Jem!" "Ich weiß! Ich weiß!" Er gestikulierte hilflos mit den Armen. "Hilf mir! Ich will nicht, dass er mich raus wirft! Hilf mir, die Wanne wieder sauber zu kriegen! David ist auf Ordnung bedacht! Wenn er das sieht, dreht er durch!" "Okay, du suchst jetzt alle Scheuermittel, die du finden kannst. Wenn hier alles so ordentlich ist, hat er entweder eine Hilfe oder eine ganze Menge Putzmittel. Also los!" "Habe ich mich gerade verhört?! Du willst die Schule schmeißen?!" "Ja." "Spinnst du?!" Marcus stemmte die Arme in die Hüften. "Wie freundlich von dir! Gleich soviel Verständnis auf einmal!" "Na hör mal, was erwartest du von mir?! Begeisterung, weil du so eine Dummheit begehen willst?!" "Was ist daran dumm? Ich will nur selbst über mein Leben bestimmen!" Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche. "Und es ganz gemütlich ruinieren?! Was willst du denn tun?" Jason konnte es nicht fassen. Er schaute den Jungen vollkommen verständnislos an. "Ich will arbeiten. Ich habe sowieso schon einen Job... seit einer Woche..." "Du arbeitest?! Wo, um Himmels Willen?!" Marcus legte den Kopf schräg. "Das klingt ja so, als würdest du befürchten, dass ich wieder anschaffen gehe! Keine Panik, ich arbeite in einer Autowaschanlage. Ist nur ein Aushilfsjob. Wagen abwaschen und so weiter." "Und so stellst du dir deine Zukunft vor?" Jason versuchte es auf einem anderen Weg. Im ersten Moment war er schockiert und wütend auf Marcus gewesen, aber er merkte, dass er auf diesem Weg sicher nicht zu dem Jungen durchdringen würde. "Es ist ein Anfang, oder nicht?" "Was genau ist eigentlich dein Problem? Du warst doch so glücklich, dass sich dein Leben wieder normalisiert hat und jetzt machst du so etwas." Marcus ließ die Schultern hängen. "Mein Leben hat sich normalisiert ja... aber ich bin trotzdem nicht glücklich... ich glaube, es kommt daher, weil ich so lange das ausgelebt habe, was ich bin, Jason." Er wartete scheinbar auf eine Reaktion des Polizisten, doch als die ausblieb, fuhr er fort. "Ich will nicht sagen, dass die Zeit auf dem Strich schön war, ganz sicher nicht. Aber ich vermisse es, so zu sein, wie ich bin." "Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst." "Na darauf, dass ich schwul bin! Weißt du, wie beschissen das ist, wenn man die ganze Zeit so tun muss, als wäre man ein gottverdammter Hetero?!" "Ich kann es mir ungefähr vorstellen", untertrieb Jason maßlos. "Die Leute auf der Schule sind alle so dämlich! Ich kann mich mit niemandem anfreunden! Ich finde nun mal nicht, dass J-Lo einen geilen Arsch hat oder das Hillary Duff ein scharfes Luder ist!" Er gestikulierte wild mit den Armen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. "Ich stehe auf Keanu Reeves oder schwärme für Benjamin MacKenzie. Ich will nicht einen auf Hetero machen. Aber wenn ich mich outen würde, würde der ganze Albtraum von vorne beginnen. Deswegen bin ich ständig allein und..." Seine Stimme war mittlerweile leise geworden. "Habe eigentlich nur zwei Freunde..." Er lächelte Jason an. "Bei euch bin ich frei, da kann ich sagen, was ich denke. Da kann ich zugeben, dass die Bilder in deinem Kalender für Chris unglaublich scharf sind." Jason zog eine Augenbraue hoch, doch der Junge achtete nicht darauf. "Ich bin schwul und ich liebe es, schwul zu sein. Ich will nicht wieder in eine Verkleidung schlüpfen müssen... und wenn ich die Schule nicht verlassen darf, dann sorge ich eben dafür, dass ich fliege. Vielleicht zünde ich die Turnhalle an oder so!" Er schaute den Polizisten in Erwartung eines Lachens an. Als er die finstere Miene seines Gegenübers sah, biss er sich jedoch auf die Lippe. "Okay, das war nicht komisch..." "Nein, nicht wirklich. Aber dummerweise verstehe ich dich sonst sehr gut." "Siehst du? Also, was ist besser, als diesen ganzen Scheiß zu beenden und die Schule zu schmeißen!" "Du stehst doch aber kurz vor dem Schulabschluss." "Irrtum! Ich muss schließlich eine Klasse wiederholen. Ich hänge als einziger fast Siebzehnjähriger in einer Stufe voller Fünfzehnjähriger, die sich darauf freuen, endlich Sechzehn zu werden." Marcus setzte sich neben Jason aufs Bett und der Polizist folgte einem plötzlichen Reflex, den Jungen in den Arm zu nehmen, um ihn zu trösten. Manchmal erinnerte er schon auf unheimliche Weise an Chris. "Ich will doch nur ich selbst sein..." "Aber die Schule ist wichtig, Marcus. Das musst du einsehen. Willst du als Müllmann enden?" "Ich hörte, die verdienen nicht schlecht." "Du schaffst auch nur selten, länger als zwei Minuten ernst zu sein, oder?" Der Junge musste lachen. "Sei froh, dass ich noch Humor habe." Jason knuffte ihn in die Seite. "Hör zu, ich sage dir etwas. Du rufst deine Eltern an und fragst sie, ob du heute bei uns übernachten darfst. Schließlich ist heute Samstag. Wir bestellen uns Pizza zum Essen, leihen uns DVDs, machen uns einen gemütlichen Abend und schwärmen von süßen Jungs in den Filmen! Was meinst du?" Er lächelte Marcus aufmunternd an. Der Teenager lächelte zurück und nickte dann langsam. "Grillen wir Marshmallows in eurem Kamin?" "Wenn du möchtest." Marcus warf sich in Jasons Arme. "Ich danke dir!" Chris gähnte herzhaft. Was für ein langweiliger Tag, heute war ihm sämtliche Arbeit zuviel. Es waren kaum Kunden im Lokal und das Einzige, was ihn auf den Beinen hielt, war die Aussicht auf eine Mittagspause. In letzter Zeit war sein Leben herrlich ruhig, keine Katastrophen, keine Probleme, alles absolut ruhig. Seit Marcus in San Francisco wohnte, fühlte er sich hier noch wohler als vorher schon. Der Auftritt von Dave in Dallas war mittlerweile nur noch dunkle Vergangenheit. Jetzt würde auch bald das neue Semester an der Abendschule beginnen, an dem er teilnehmen wollte. Sly redete schon länger von nichts anderem mehr. "Das Essen für Tisch vier." Der blonde Mann drehte sich zur Küchendurchreiche um und nahm den Teller entgegen. Pfannkuchen mit Schokoladensoße und Sahne. Was für eine Kalorienbombe. Chris nahm den Teller entgegen und machte sich auf den Weg. Als er Tisch vier erreichte, blieb er verdutzt stehen. Ashton Tallman lächelte ihn an. Der Polizist sah so gut aus wie immer, er hatte seine blonden Haare mit etwas Gel nach hinten gebändigt und trug ein lockeres hellblaues Hemd, dass einen kleinen Blick auf seine muskulöse Brust freigab. Im Ausschnitt funkelte ein silberner Anhänger in Form eines japanischen Schriftzeichens, dessen Bedeutung Chris nicht kannte. "Hi, Chris." "Ashton. Schön dich zu sehen. Was machst du hier?" "Zunächst einmal würde ich gern das essen, was du da in der Hand hältst." "Oh, natürlich." Chris stellte ihm schnell den Teller hin und reichte ihm sein Besteck. "Vielen Dank." "Ich wusste gar nicht, dass du dich so ungesund ernährst." "Man gönnt sich ja sonst nichts." Irgendwie wurde Chris die Situation unangenehm. Er war so gut wie nie mit Ash allein, konnte sich nicht einmal mehr erinnern, ob und wann das jemals der Fall gewesen sein sollte. Er strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Dann lass es dir schmecken." Der junge Mann wollte gehen, doch Ash tat ihm den Gefallen nicht. "Chris?" "Ja?" "Hast du bald Feierabend?" "Nein", Chris schüttelte den Kopf. "Aber ich habe gleich Pause." "Können wir hier irgendwo reden?" Sein Gegenüber schluckte etwas nervös. Warum wollte Ash plötzlich mit ihm reden. "Äh... vielleicht hinter dem Lokal, auf dem Personalparkplatz? In zwanzig Minuten?" "Okay, ich komme hin." Chris rieb sich über die Oberarme. Er hätte doch seine Jacke anziehen sollen, die IHoP-Uniform war nicht unbedingt das geeignete Kleidungsstück bei gerade mal dreizehn Grad. Der Himmel war wolkenverhangen und trüb, wie seine Stimmung. Was konnte Ash nur von ihm wollen? Und warum war er so nervös? Schließlich bestand kein Grund dazu. Oder etwa doch? Hatte er etwas getan, was den Polizisten verärgern könnte? Nein. Wie auch? Sie hatten doch eigentlich kaum Kontakt. Wäre Jason nicht Jason, hätte Chris jetzt wohl Angst gehabt, dass der Partner seines Freundes ihm ihre Affäre unter die Nase reiben wollte, aber der junge Texaner hatte es schon längst aufgegeben, auf Ashton eifersüchtig zu sein. "Frierst du?" Chris zuckte zusammen, Ash war vollkommen lautlos hinter ihm aufgetaucht. "Nein, geht schon." "Deswegen zitterst du auch so, was? Hier." Er zog seine dunkle Lederjacke aus und legte sie Chris um die Schultern. Irgendwie war ihm diese Geste sowohl unangenehm als auch sehr willkommen, einmal war sie nämlich viel liebevoller, als er es je von Ash erwartet hätte, andererseits zeigte sie, dass man vor ihm sicher keine Angst haben musste. "Wie galant." "Tja, ich bin nicht so ein Klotz, wie du denkst." "Wie kommst du darauf, dass ich das von dir denke?!" "Ich habe eben manchmal das Gefühl, dass du mich nicht sonderlich magst", erklärte der blonde Polizist mit einem Lächeln. "Du wirkst auf mich immer ziemlich distanziert." "Das stimmt nicht!" Chris schollt sich selbst, eine dümmere Antwort hätte ihm auch nicht einfallen können, aber bei Ash mangelte es ihm ein wenig an Schlagfertigkeit. Zumindest dann, wenn er nicht gerade angetrunken war, wie damals in der Cowboy Bar. "Wenn du ehrlich bist, schon." "Ich habe dich vielleicht am Anfang nicht so leiden können, aber du warst eben eine potenzielle Bedrohung!" rechtfertigte der Texaner sich. "Schön, dass ich das war. Ich entnehme dem, dass du nicht mehr Angst hast, ich könnte dir deinen Jason angraben." "Sollte ich diese Angst haben?" "Nein!" lachte Ash und hob abwehrend die Hände. "Bei Leibe nicht! Jason ist ein cooler Typ, ein Kumpel, aber ich habe kein Interesse an ihm." "Über was willst du dann mit mir reden?" "Sly", war die knappe, aber aussagekräftige Antwort. "Was ist mit ihm? Ist ihm etwas passiert?" "Nein..." Ash fuhr sich durch die Haare. "Weißt du... ich will dir nicht zu nahe treten. Aber ich glaube, ich mache mir Sorgen, wegen dir und ihm." "Wegen mir und... was? Wir haben doch nichts miteinander." Ash lehnte sich an die Hauswand und schaute in den wolkigen Himmel. "Ist dir eigentlich klar, was du für eine Wirkung auf Männer hast?" Chris sah ihn verständnislos an. "Was soll das denn nun wieder heißen?" "Tu doch nicht so." Der blonde Mann verdrehte die Augen. "Ash! Komm auf den Punkt!" "Du weckst den Beschützerinstinkt! Das wirkt sich ja sogar teilweise auf mich aus. Ich habe bis heute nicht heraus gefunden, ob du das mit Absicht und Berechnung machst oder ob es einfach nur ein Teil deiner Ausstrahlung ist. Es ist alles an dir, man will dich beschützen, für dich da sein." "Ich frage mich gerade, ob ich das jetzt als Beleidigung auffassen soll." "Nein... versteh mich nicht falsch... ich will dich wirklich nicht beleidigen." "Habe ich wirklich so eine Wirkung?" Ash lächelte ihn an. "Ja, du hast diese Wirkung. Aber scheinbar machst du das wirklich nicht extra, oder?" "Nein..." Chris strich sich Strähnen aus dem Gesicht. Das was Ash da gesagt hatte, verwirrte ihn. War er tatsächlich so? Rief er immer Beschützerinstinkte wach? "Ich will dich nur bitten, aufzupassen. Ich meine wegen Sly. Du weißt, was er ist, oder?" "Ein Alkoholiker meinst du? Er hat mir das gesagt." "Dann weißt du ja Bescheid." Plötzlich war da etwas an Ash, was Chris so noch nie an ihm wahr genommen hatte. Der Polizist wirkte wie ein anderer Mensch, nicht mehr der Sunnyboy, sondern in seinen Augen lag eine tiefe Sorge. "Sly bedeutet mir wahnsinnig viel, selbst jetzt noch. Ich war dabei, als er noch trank, und ich war derjenige, der ihn Nacht für Nacht im Arm gehalten hat, schreiend nach Alkohol, als er auf Entzug war. Und ich lebe immer in der Angst, dass irgendetwas Sly wieder zum Trinker machen könnte..." Er sah an Chris vorbei auf einen unbestimmten Punkt des Parkplatzes. "Einmal wäre es fast geschehen... ein Kerl, mit dem er nach mir zusammen war, hat ihn beinahe wieder an die Flasche gebracht. Ich habe ihn krankenhausreif geprügelt." Chris wich einen Schritt zurück. Als Ash dies bemerkte, lachte er. "Keine Angst! Das war doch etwas völlig anderes!" "Du denkst also wirklich, dass ich eine Gefahr für Sly bin?" "Sei doch nicht so empfindlich. Ich will dir nur klar machen, was du Sly bedeutest. Er mag dich wirklich sehr, er schwärmt für dich... er würde mich umbringen, wenn er wüsste, dass ich dir das sage." "Eine Überraschung ist das nicht für mich." Ash trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Chris, ich erkenne Sly in letzter Zeit nicht wieder. Er trainiert wie ein Wilder im Fitnessstudio, er isst kaum noch etwas und wenn, dann nur extrem gesunden Kram. Und er redet von nichts Anderem mehr, als mit dir zur Schule zu gehen." Chris konnte sich gegen den Eindruck nicht wehren, dass ihm die direkte Berührung von Ash irgendwie unangenehm war. Und egal, was der Mann sagte oder wie freundlich er wirkte, diese Erzählung, was er mit dem Freund von Sly gemacht hatte, beunruhigte ihn zutiefst. "Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Einfach den Kontakt zu ihm abbrechen, weil er mich mag?" "Natürlich nicht, ich will nur, dass du vorsichtig bist. Pass auf, welch Signale du ihm gibst und wenn du nicht vorhast, in nächster Zeit Jason zu verlassen, dann mach ihm bitte keine falschen Hoffnungen." Plötzlich schaute er auf die Uhr. "Scheiße, ich wollte ihn ja abholen, wir wollten Klamotten kaufen." "Das ist alles? Du eröffnest mir das alles und dann lässt du mich stehen?" "Chris, ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten, dir drohen oder sonst was. Sly bedeutet mir viel und ich weiß, dass du ihn auch magst. Deswegen wollte ich mit dir reden. Versprich mir bitte, dass du daran denkst, wenn du mit Sly zusammen bist." "Okay", war alles, was Chris hervorbrachte. "Ich danke dir! Und sag Sly bloß nicht, dass ich mit dir geredet habe." "Klar..." "Gut, ich muss dann los. Grüß Jason von mir!" Ash verabschiedete sich, kam dann aber noch einmal zurück, denn Chris trug immer noch seine Jacke. Der Texaner gab sie ihm und schaute ihm dann verwundert hinterher. Soviel zum stressfreien, sorglosen Leben. Wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Wie eine Bestätigung, ging in diesem Moment ohne große Vorwarnung ein Platzregen auf San Francisco nieder, Chris konnte sich gerade noch ins Restaurant flüchten. Lange Zeit, um über Ash und die Tragweite seiner Worte nachzudenken, hatte der blonde Mann dann allerdings nicht. Kaum war er Zuhause gewesen, hatte er auch schon wieder los gemusst. Jason hatte ihn zur Seite genommen und ihm erklärt, was mit Marcus los war. Die Tatsache, dass sein "kleiner Bruder" die Schule schmeißen wollte, hatte Chris ganz schön mitgenommen. Er war sich mit Jason einig, dass man das unter allen Umständen verhindern musste. Und in dem Moment, als Jason das Auto in Richtung Videothek steuerte, um die Filme für den Videoabend zu besorgen, kam ihm genau der richtige Gedanke. "Marcus, könntest du schon rein gehen? Du kannst ja schauen, ob du bereits einen Film findest. Jason muss noch einen Parkplatz suchen", wandte er sich an den Jungen auf dem Rücksitz. "Warum? Da ist doch einer direkt vor der Videothek." "Da hat Marcus Recht", stimmte Jason zu und deutete auf die freie Parklücke vor dem Gebäude. Immer noch regnete es heftig. Chris knirschte mit den Zähnen und schlug seinem Freund auf den Oberarm. "Schatz! Sei doch nicht immer so schusselig! Da ist Parkverbot!" "Ich sehe gar kein Schild", merkte Marcus an. Jason öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dabei fiel sein Blick auf Chris' Gesicht und er schloss ihn wieder. Er klatschte sich stattdessen gegen die Stirn. "Ach ja, das hat ja so ein Idiot letztens umgefahren, gut, dass du mitdenkst, mein Engel." "Ja, nicht wahr? Ohne mich wärst du verloren. Also geh ruhig schon rein, Marcus." "Wenn ihr wollt..." Der Teenager zuckte etwas resigniert mit den Schultern, sprang dann aus dem Wagen und eilte mit der Hand über dem Kopf zur Tür der Videothek. "Und jetzt fährst du eine Runde um den Block", lächelte Chris süffisant. "Was hast du vor?" "Ein Experiment." "Ja, klar. Du willst Kuppelmutter spielen, mein Schatz! Du spekulierst darauf, dass Colin da ist, richtig?" "Du liest in mir wie in einem Buch, mein Geliebter!" kicherte Chris. "Na ja, in einem komplizierten Buch, du hättest es ja eben gerade beinahe versaut. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich dir ans Schienenbein getreten!" "Und du meinst wirklich, dass das was bringt? Ich meine, wir kennen Colin fast nicht, vielleicht hat er längst einen Freund." "Er hat mir damals gesagt, dass er solo sei. Du weißt schon, als er mir Jeremys Pornos gegeben hat." "Das ist lange her", gab Jason zu bedenken, "und er sieht nicht übel aus." "Jetzt hör endlich auf, du alter Miesmacher! Lass mir meinen Spaß und wenn es etwas wird, dann hat Marcus endlich eine Möglichkeit, seine Homosexualität auszuleben. Ich wette, dass es bei den Beiden funkt." Während er auf den Verkehr achtete, streckte Jason seinem Freund seine Hand entgegen. "Okay, ich halte die Wette. Und wenn nichts daraus wird? Was kriege ich dann?" "Dann lege ich für dich einen Strip hin, einen richtigen. Mit Lapdance." Chris zwinkerte ihm zu und fuhr sich dabei mit den Zunge über die Lippen. "Das ist keine Strafe für dich!" Jason wurde bei dem Gedanken bereits jetzt heiß. "Na ja, muss es doch auch nicht sein. Und wenn ich gewinne, strippst du für mich! So richtig wie in "9 ½ Wochen", zu "You can leave your hat on". Abgemacht?" "Abgemacht, die Wette gilt!", grinste Jason. "Übe schon mal, für deinen Auftritt." "Du bist dir deiner Sache wohl verdammt sicher. Na ja, selbst wenn sie sich nur anfreunden, ist das etwas. Auch wenn ich dann verloren habe." Jason konnte nicht anders als zu lächeln. Er beobachtete seinen Freund aus den Augenwinkeln, wie er sich am Spiegel des Sonnenschutzes die Haare etwas richtete und dabei die Melodie von "You can leave your hat on" summte. Chris war einfach zu gut für diese Welt. Colin Shephard langweilte sich tödlich. An solchen Tagen verfluchte er seine Arbeit. Den ganzen Vormittag ein einziger Kunde und der hatte dann noch nicht einmal etwas mitgenommen. Ansonsten nur gähnende Leere. Dann hatte es auch noch angefangen zu regnen und das ewig gleiche Stakkato der Wassertropfen an den Scheiben wirkt geradezu einschläfernd. Aber Schlafen durfte er nicht, wenn er dabei erwischt wurde, konnte er in Teufels Küche kommen. Schließlich hatte er seinen MP3-Player aus dem Rucksack gekramt und sich die Zeit mit Musik vertrieben. Er hatte sich seinen Lieblingssoundtrack überspielt, Dirty Dancing. Eben sang er lautstark sein Lieblingslied mit, "Hungry Eyes". Seine eigenen Augen hatte er geschlossen, die Fäuste geballt, legte er seine ganze Leidenschaft in die Stimme. "I look at you and I fantasize, you're mine tonight! Now I've got you in my sights with these Hungry eyes! One look at you and I can't disguise..." Während des folgenden "I've got" öffnete er seine Augen und sah sich im nächsten Moment einem blonden Jungen gegenüber, der sich auf die Theke lehnte und ihn amüsiert beobachtete. Dem jungen Verkäufer rutschte noch ein "hungry eyes" heraus, nur leise, dann verstummte er. Eric Carmen sang ihm weiter Texte über Augen voller Verlangen, Leidenschaft und Liebe ins Ohr, doch Colin entglitt für ein paar Sekunden die Realität. Alles, was er sah, waren die Augen seines Gegenüber, wunderschöne blaue Augen, umrahmt von einem attraktiven Gesicht und feucht schimmernden blonden Haaren. So etwas wie in diesem Augenblick war dem jungen Mann noch nie geschehen, plötzlich hatte er Herzklopfen. Der andere Junge legte den Kopf schräg und sagte etwas, was Colin natürlich nicht verstand. So schnell er konnte, zerrte er sich die Kopfhörer aus den Ohren und warf den MP3-Player in seinen geöffneten Rucksack hinter der Theke. "Oh, entschuldige..." Er lächelte verlegen. "Das ist jetzt etwas peinlich." "Nein, wieso? War doch eine nette Darbietung." "Ich dachte, ich wäre allein." "Das habe ich gemerkt!" kicherte der blonde Junge und sah dabei unglaublich niedlich aus. "Kann ich etwas für dich tun?" riss sich Colin mit aller Kraft zusammen. "Hm, mal sehen, vielleicht kannst du das sogar." Er lächelte und entblößte dabei seine weißen Zähne. Colin spürte, wie sich Schweißperlen in seinem Nacken bildeten. Was geschah da mit ihm? Er führte sich doch sonst nicht so auf. Aber dieser Junge warf ihn vollkommen aus der Bahn. Insgeheim hoffte er, dass er mit "Vielleicht kannst du das sogar" meinte, dass er eine Begleitung für ein Rendevouz suchte. "Videos." "Was?" "Ich möchte Filme leihen." Colin schloss die Augen und zählte bis drei. Er war ein Idiot. Er war ein Idiot. Er war ein kompletter Idiot. So was von einem Idiot. "Natürlich." Er lachte verlegen. "Hast du was bestimmtes im Auge?" "Eigentlich nicht... vielleicht was mit Keanu Reeves oder Johnny Depp?" Hieß das, dass er schwul war? Colin mahnte sich innerlich zur Vernunft. Nur weil man vielleicht Filme mit Keanu Reeves oder Johnny Depp gut fand, war man noch lange nicht schwul. Ansonsten wäre Matrix ein Segen für die Homogesellschaft gewesen. Beinahe hätte er gelacht. "Komm mal mit, mal schauen, was wir da haben. Kennst du "Fluch der Karibik"?" "Habe ich bisher nicht gesehen." "Na bitte, dann ist das doch was." Colin ging voraus. Aus den Augenwinkeln versuchte er abzuschätzen, ob der Junge vielleicht auf seinen Po schaute, schließlich hatte er heute eine seiner knackigsten Jeans an und hässlich war sein Hintern sicher nicht. Im gleichen Moment kam er sich total lächerlich vor. "Ich bin übrigens Colin." Falls ihn das überhaupt interessierte. "Marcus", lächelte der Blonde. Was für ein schöner Name. Der passte zu ihm. Colin musste sich zusammenreißen, um ihn nicht dauernd anzustarren. An ihrem Ziel, dem DVD Regal mit den Abenteuerfilmen, blieb er stehen und suchte nach der passenden DVD. Marcus stand nah hinter ihm. Trug er Parfum? Auf jeden Fall roch er gut. Endlich entdeckte er den Film und reichte die DVD an den Jungen weiter. Für einen Sekundenbruchteil berührten sich ihre Hände und Colin hatte das Gefühl, einen elektrischen Schlag zu kriegen, so kribbelte seine Haut daraufhin. Mitten in diesem Moment klingelte die Glocke über der Tür, die weitere Kunden ankündigte. Am liebsten hätte Colin laut "Raus hier!" gebrüllt, doch zu seiner Überraschung erkannte er bekannte Gesichter. "Hallo, Colin", grinste ihn Chris Fairgate an und stupste dabei unauffällig seinen Freund in die Seite, als würde ihn etwas amüsieren. "Chris, Jason, schön Sie zu sehen." Mehr oder weniger. "Hast du schon was gefunden, Marcus?" Colin schaute überrascht auf den Jungen, der gerade dabei war, die DVD zu mustern. "Ihr kennt euch?" "Was dagegen?" grinste Marcus. Und wieder ein Fettnäpfchen. Colin biss sich auf die Lippe. Aber hatte er das eben gesehen? Hatte der blonde Junge ihn angelächelt? War da so etwas wie Gefallen in seinem Blick? "Natürlich nicht." Er zeigt den Dreien noch weitere DVDs, schließlich entschieden sie sich neben "Fluch der Karibik" noch für "Constantine" mit Keanu Reeves und für "Spiderman 2". Colin schaffte es sogar, ab und an Chris und Jason, statt immer nur Marcus anzusehen. Als sie sich verabschiedeten, rasten Colins Gedanken mit Höchstgeschwindigkeit. Was sollte er jetzt tun? Diesen süßen Typen einfach gehen lassen? Ihn dreist nach seiner Nummer fragen? Aber vielleicht war er ja gar nicht schwul. Natürlich war er mit Chris und Jason befreundet, die ja eindeutig ein Paar waren, aber man musste ja nicht schwul sein, um mit einem Homopaar gut auszukommen. Dann war es zu spät. Die Tür des Laden fiel hinter ihnen ins Schloss und Colin war wieder allein. Der Regen trommelte gegen die Fenster. Plötzlich wurde die Tür erneut aufgerissen, aber die Hoffnung, Marcus würde sich jetzt in seine Arme werfen, machte der Anblick von Chris schnell wieder zunichte. Der blonde Mann hatte seine Jacke über den Kopf gehoben und ließ sie jetzt sinken. "Colin, ich glaube, ich habe mein Portmonee bei dir vergessen." Der dunkelhaarige Junge schaute sich um. "Nein, haben Sie nicht." "Ich weiß!" lachte Chris und zog es aus seiner Jackentasche. Er kam zur Theke hinüber. "Hast du einen Zettel und einen Stift?" Etwas verwundert reichte ihm Colin die gewünschten Gegenstände. Chris schrieb etwas darauf und schob den Block dann wieder zurück. Hillside Street acht, stand auf dem obersten Zettel. "Was soll das?" "Das ist unsere Adresse", erklärte sein Gegenüber. "Ich weiß, es klingt sicher total daneben, aber hättest du Lust, heute Abend bei uns vorbei zu kommen? Pizza essen und Videos schauen?" Er grinste verschwörerisch. "Marcus wird auch da sein." "Ich kann doch nicht einfach..." "Doch, kannst du. Marcus braucht etwas Gesellschaft in seinem Alter und du wärst dafür genau der Richtige. Tu mir den Gefallen." "Ich weiß nicht..." Und dann, aus heiterem Himmel, sagte Chris nur drei magische Worte, die Colins ganze Überzeugung in Wohlgefallen auflösten. "Er ist schwul." Der Verkäufer konnte nicht antworten, ihm blieb der Mund offen stehen. Chris grinste nur erneut. "Also heute um halb acht, sei pünktlich." Damit ging er und ließ einen vollkommen perplexen Colin zurück. Der junge Mann ließ sich auf den Stuhl hinter der Theke fallen und atmete tief ein. Dann, in der Einsamkeit des verlassenen Ladens, brüllte er aus vollem Halse: "YES!" Chris beobachtete Marcus über den Rückspiegel. Der Junge lehnte mit der Schulter an der Tür und sah auf die vorbeiziehende Stadt hinaus. Irgend etwas an seinem Blick war anders als zuvor. "Gefiel er dir?" Marcus schaute zu Chris hinüber, als würde er eben aus einem langen Traum erwachen. Er konnte nur die Augen des blonden Mannes im Rückspiegel sehen, aber das reicht ja. "Hm?" "Ob Colin dir gefallen hat?" "Er war sehr nett." "Und er sieht gut aus, oder?" "Ja, das kann man sagen", lachte der Junge. Chris lehnte sich im Sitz zurück und fing grinsend an, "You can leave your hat on" zu summen. Jason setzte die beiden "Brüder" am Anwesen ab und fuhr dann weiter, noch ein paar Getränke und Knabbereien kaufen. Nachdem sie die Jacken aufgehängt hatten, musste Batman erst einmal eine ausführliche Runde Streicheleinheiten bekommen. Der kleine Rüde war extrem anhänglich und obgleich er lernen musste, auch mal allein zu sein, reagierte er leicht eingeschnappt, wenn man ihn dann mal zurückließ. Dagegen half nur Bestechung in Form von Kraulen. Chris hatte den Jungen daraufhin zum Helfen in der Küche verdonnert, er wollte noch eine Salsa zum Dippen machen, die Zutaten hatte er glücklicherweise im Haus. Batman bekam sein Körbchen in die Küche geholt und rollte sich darin zusammen, schlief aber nicht fest. Immer mal wieder ging ein Auge auf, um zu kontrollieren, dass man ihn ja nicht wieder einfach allein ließ. Beim Tomaten schneiden hatte Chris dann endlich Zeit zum Reden. Marcus hackte neben ihm Peperoni klein. "Und? Was hältst du von Colin nun?" "Was soll ich von ihm halten? Ich habe ihn doch nur höchstens eine halbe Stunde gesehen." "Langweiler. Du weißt genau, was ich meine." "Er war niedlich. Und er hatte schöne Augen. Außerdem kann er singen, auch wenn er in dem Moment dachte, ihm hört keiner zu." "Was würdest du sagen, wenn ich dir verraten würde, dass Colin schwul ist." Marcus ließ das Messer sinken. "Echt?" "Keinerlei Zweifel. Wir haben ihn letztens sogar in einer Schwulenbar getroffen... na ja, eher erwischt, er hatte sich rein geschlichen." "Cool...", sagte Marcus voller Bewunderung. "Das lass nicht Jason hören!" Chris reichte ihm noch eine Peperoni, Jason liebte es scharf, daran hatte selbst die Wasabi-Katastrophe nichts geändert. "Wäre er nicht etwas für dich?" "Sag mal, kuppelst du gerade?" "Ach, ich doch nicht." Der blonde Mann vermied den Augenkontakt zu Marcus und konzentrierte sich voll auf seine Tomaten. "Na ja... ich weiß nicht...er ist schon süß, aber..." "Aber nicht Gary?" Damit war das Thema zum ersten Mal auf dem Tisch. Chris und Marcus hatten lange Zeit nicht mehr über Jasons Bruder gesprochen, über den Unfall und die Liebesnacht davor. Marcus legte das Messer zur Seite. "Natürlich ist er das nicht... aber ich weiß nicht, ob das wirklich das Problem ist..." "Hast du Kontakt zu ihm? Ich meine, du hast mich schon lange nicht mehr nach ihm gefragt." Der Junge schüttelte den Kopf. "Nein, kein Kontakt... es ist, wie ich es prophezeit habe, er hat sich nie gemeldet. Aber warum sollte er auch? Ich war es schließlich, der ihm seine Sportlerkarriere versaut hat, weil ich ihm unbedingt die Freuden der schwulen Liebe zeigen wollte..." "Machst du dir immer noch Vorwürfe?" "Ich weiß nicht, ob es wirklich Vorwürfe sind...", meinte Marcus leise. "Vielleicht ist es eher Reue. Ich bereue diese Nacht, ich bereue es, dass ich ihn geküsst habe..." "Du warst verliebt." "Und trotzdem immer noch allein... aber das Verrückte daran ist... vorhin in der Videothek... Er gefiel mir wirklich, aber das mit Gary ist gerade mal vier Monate her... ich kam mir mies vor, weil ich Colin attraktiv fand." "Marcus, du tust gerade so, als wärst du in Trauer. Gary ist nicht tot", gab Chris zu Bedenken, begleitet mit einem schiefen Lächeln. "Und außerdem wart ihr noch nicht einmal zusammen." "Trotzdem..." Jetzt legte auch Chris sein Schneidewerkzeug zur Seite. "Das muss eine Epidemie sein. Ich erzähle dir jetzt mal etwas. Du hast Angst. Angst davor, schon wieder verletzt zu werden. Du kennst doch Jeremy und David. Die Beiden sind jetzt endlich zusammen, aber davor sind sie beinahe endlos um einander herum getanzt, hin und zurück, hin und zurück, und das nur, weil David mal jemand so weh getan hat, dass er Angst vor Gefühlen hatte. Und jetzt bist du dabei, den gleichen Fehler zu machen. Du willst deine Homosexualität ausleben, aber dazu gehört mehr als ein Outing." "Mir wurde nicht nur einmal weh getan! Denk an den Jungen auf meiner alten Schule." Marcus sah auf seine Füße. "Marcus, das waren beides Heteros! Du hast dich einfach in die falschen Jungs verliebt. Aber du musst wieder in den Sattel steigen, wenn du vom Pferd fällst. Ich sage ja nicht, dass Colin der Mann fürs Leben ist, aber hab doch wenigstens ein bisschen Spaß." "Warum reden wir überhaupt darüber? Das ist doch sowieso alles nur graue Theorie. Schließlich war das Treffen mit Colin nur flüchtig." "Na ja, er kommt nachher hierher. Ich habe ihn eingeladen", grinste Chris. Marcus' Augen wurden groß. "Nein!" "Doch!" "Du alter Kuppler! Ich fasse es nicht! Schau dir doch an, wie ich aussehe!" "Ach, ist das nicht egal? Du willst doch nichts von ihm." "Du bist so gemein! Ich muss mich zumindest stylen! Darf ich euer Bad benutzen?" Mit diesen Worten rannte er aus der Küche, er hatte gerade noch so das Nicken des Texaners abgewartet, Chris hörte ihn die Treppe hinauf poltern. Vor einer Stunde kam der sicher nicht mehr aus dem Bad. Aber er hatte natürlich überhaupt kein Interesse an Colin. Chris schnitt weiter Zutaten und summte dabei die Melodie seines Triumphes. Colin fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und richtete seinen Scheitel. Er stand oben ohne vor seinem Badezimmerspiegel und musterte sich. Für seine Größe war er etwas zu dünn, dafür hatte er breite Schultern und recht kräftige Arme. So oft es seine Freizeit erlaubte, ging er ins Climb-X, eine Kletterhalle in der Innenstadt. Freeclimbing war für ihn etwas sehr Entspannendes. Der junge Mann drehte sich zur Seite und zog seinen sowieso kaum vorhandenen Bauch ein. Gar nicht schlecht. Er wusste selbst nicht genau, was er da tat. Er kannte Jason und Chris kaum und Marcus noch weniger und trotzdem freute er sich wie ein Schneekönig auf den Abend. An so etwas wie Liebe auf den ersten Blick hatte er nie geglaubt, aber der Gedanke an den blonden Jungen ließ Tausend Schmetterling in seinem Bauch tanzen. Nach einer Ladung Deo unter die Arme und ein paar Spritzern Parfum auf den Hals, nahm er sein Hemd von der Ablage und zog es über. Auf dem schwarzen Stoff waren einige feuerrote Tribalsymbole, die sich von der Brust über die Arme hinab zogen. Dazu eine einfache Lederkette mit einem silbernen Kreuz, seinem Glücksbringer. Colin war nicht sonderlich gläubig, aber darauf kam es ja auch nicht an. Es klopfte an der Badezimmertür. "Colin?" Der junge Mann atmete aus. "Mum. Was machst du hier?" "Ich wollte dich fragen, ob du mitessen möchtest. Dein Vater kommt gleich heim und ich habe Nudeln mit Käsesauce gemacht." Das beste Rezept seiner Mutter, sie war wirklich eine einzigartige Köchin, deren Kreationen teilweise Waffenscheinpflichtig waren. Aber immerhin konnte sie Nudeln mit Käsesauce sehr gut. "Nein, Mum, danke. Ich esse auswärts." Die Tür öffnete sich und Mrs. Shephard steckte ihren Kopf hinein. "Ach ja?" "Mum! Hast du mal daran gedacht, dass ich nackt sein könnte?!" "Ich bin deine Mutter, mein Schatz, nichts, was ich nicht schon gesehen hätte." "Aber nicht mehr, seit ich dem Kindergarten entwachsen bin! Ich sollte mir doch überlegen, dir den Schlüssel wegzunehmen." Kelly Shephard, eine resolute, etwas korpulente Frau in ihren Fünfzigern, stemmte die Hände in die Hüften. "Vergiss nicht, wo du hier wohnst, mein Sohn." Colin nickte. Er wohnte im selben Haus wie seine Eltern, hatte es aber erreicht, dass die oberste Etage für ihn ausgebaut worden war. Er hatte sein eigenes Bad, einen Wohn- und einen Schlafraum, sogar durch eine Wohnungstür vom Rest des Hauses getrennt, einziger Nachteil: Keine Küche. Colin liebte seine Familie, nicht nur seine Mutter Kelly, auch sein Vater Don und seine kleine Schwester Dana lagen ihm sehr am Herzen, aber manchmal wäre ihm eine eigene Wohnung doch lieber. "Hast du jemanden kennen gelernt?" "Mum..." "Sag doch mal." "Ja...", gab ihr Sohn zu. "Und du gehst heute mit ihm aus?" Colin hatte seinen Eltern gestanden, dass er homosexuell war und hatte, eigentlich nicht zu seiner Überraschung, viel Verständnis geerntet. Seine Mutter ging sogar so weit, ihn darauf anzusprechen, ob dieser oder jener Schauspieler im Fernsehen seine Kragenweite war, was dem jungen Mann ziemlich peinlich war. "So in der Art." "Mein Sohn, du bist wirklich sehr gesprächig." Sie verdrehte die Augen. "Wie heißt er?" "Marcus." Colin drehte sich um. "Mum, ich kann dir nicht viel sagen. Er ist etwas jünger als ich, blond und sehr lieb, soweit ich das bewerten kann. Ich habe ihn heute in der Videothek getroffen." Mrs. Shephard rückte ihrem Sohn den Kragen zurecht, was dieser mit einer etwas genervten Bewegung unterbrach. Er wandte sich wieder dem Spiegel zu, um das Endergebnis zu betrachten. Zusammen mit seiner schwarzen Jeans gab das Outfit ein ziemlich gutes Erscheinungsbild ab. "Du schützt dich doch, oder?" Der junge Mann wirbelte herum und sah seine Mutter vollkommen fassungslos an. "Mum!" "Colin, ich will doch nur, dass du vorsichtig bist." "Mum, ich bin neunzehn! Ich weiß, wie man mit einem Kondom umgeht. Hättest du auch solche Angst, wenn ich mit einem Mädchen ausgehen würde?" "Na ja, man hört schließlich so einiges." "Mum, ich gehe mit einem gepflegten, freundlichen Teenager aus und habe immer Kondome im Portmonee, also beruhige dich bitte." "Ist ja schon gut." "Ich muss gleich los." Colin bemerkte die Zerknirschtheit seiner Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Danke, Mum. Ich weiß, dass du dir nur Sorgen machst." "Nun geh schon!" lächelte seine Mutter. David steckte seinen Hausschlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Was für ein Tag. Er hatte einen Fall verloren und es gab kaum etwas, was ihn mehr wurmte. Walt Rogers hatte es tatsächlich geschafft, das einzige Beweismittel für die Unschuld seines Mandanten aus dem Verfahren ausschließen zu lassen, damit war alles dahin gewesen. Selbst Davids Plädoyer hatte nichts mehr genutzt. Aber eigentlich war es mehr die Niederlage gegen Rogers, die den Anwalt wurmte, denn in diesem Fall hatte er den Advocatus Diaboli spielen müssen, denn sein Mandant war eindeutig schuldig gewesen, die Menge seiner hinterzogenen Steuern war geradezu unverschämt und der erbrachte Gegenbeweis mehr als fadenscheinig. Aber er war einer der prestigeträchtigsten Klienten der Kanzlei gewesen und die Anweisungen der Partner waren deutlich. David hoffte inständig, dass diese Niederlage seiner Karriere nicht schadete. Jetzt gab es nur noch eines, was ihn auf den Beinen hielt: Ein inniger Kuss von Jeremy, ein gemütliches Essen vor dem Fernseher und dann... wer weiß. Wie schön es doch war, nach Hause zu kommen, wenn jemand dort wartete. Und Jeremy wartete tatsächlich schon. Für einen Moment war David sprachlos. Das Wohnzimmer war abgedunkelt, überall brannten Kerzen. Auf dem Tisch standen Gläser mit Wein, der Duft von chinesischem Essen lag in der Luft, leise drang "Tears in Heaven" aus den Boxen, der Song, zu dem Jeremy und er damals getanzt hatten. Jeremy selbst stand neben dem Tisch, sein weißes Hemd ein ganzes Stück geöffnet, um den Blick auf seine Brust frei zu geben. Er eilte auf David zu und warf sich in seine Arme. "Ich habe dich vermisst!" Und damit bekam der Anwalt den ersten Teil seiner Erholung von der Arbeit, den innigen Kuss. "Was ist das hier?" "Darf man dich nicht mal verwöhnen?" David legte den Kopf schräg und Jeremy lenkte ein. "Also gut. Das Essen geht auf dein Kundenkonto und den Wein hattest du im Schrank, aber ist es nicht der gute Wille, der zählt?" "Ja, das ist er!" lächelte David und hob seinen Freund hoch, um ihm einen weiteren Kuss zu geben. "Aber ich muss dich noch kurz vertrösten. Ich habe bei Gericht drei Tassen Kaffee getrunken und die Natur verlangt endlich ihr Recht." Der Tänzer wurde blass, zumindest schien es im Licht der Kerzen so. "Muss das sein?" "Jeremy, ich will doch nur kurz schiffen." David löste sich von ihm und ging in Richtung Badezimmer, sofort setzte Jeremy ihm nach und hielt ihn am Arm fest. "Geh doch bitte nicht da rein." David musste lachen. "Was soll das? Jem, ich kann ja wohl schlecht hier ins Wohnzimmer pinkeln und vom Balkon herab könnte als Erregung öffentlichen Ärgernisses gewertet werden, also bitte, ja?" Resigniert ließ Jeremy ihn los und beobachtete, wie sein blonde Freund im Badezimmer verschwand. Er schloss die Augen. "Drei... zwei... eins..." "JEREMY!" Mit hängenden Schultern trottete der junge Mann dem Anwalt hinterher. David stand neben der Badewanne, das Gesicht knallrot. Mit einer zornigen Bewegung deutete er auf die Badewanne, deren Flecke sich teilweise von rot in hellbraun verwandelt hatten, aber der Unterschied zu vorher war marginal. "Was ist das?! Erklär mir das!" "David..." "Was ist das?!" Die Adern am Hals des blonden Mannes trat deutlich hervor. "Ich... ich..." "Raus damit, jetzt stottere nicht herum!" "Hör auf, mich anzubrüllen... bitte..." Jeremy spürte, dass Tränen in die Augen stiegen. David atmete tief ein und strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Okay, dann bleibe ich ruhig. Jetzt erklär mir bitte, was los ist." "Ich habe mir die Haare gefärbt... dein Waschbecken ist so unbequem... und..." "Hast du einen Knall?!" David wurde wieder laut. "Schon mal was vom Überlegen gehört?! Oder fragen?! Wenn du auf diese grandiose Idee gekommen wärest, dann hätte ich dir sagen können, dass dieses teure Keramik sicherlich deine billige Haarfarbe nicht verträgt!" Jetzt fing Jeremy endgültig an zu weinen, die Tränen bahnten sich ihren Weg, sowohl aus Angst als auch aus Wut. "Tut mir leid, dass ich mich mit diesem Luxuskram nicht auskenne! Ich habe das nicht gewollt... vielleicht sollte ich wieder in meine billige Wohnung zurückgehen... ich habe ja gewusst, dass du mich rauswirfst!" Er kehrte ins Wohnzimmer zurück, nahm sein Weinglas vom Tisch und schüttete den Inhalt in einem Zug runter. David folgte ihm. "Glaubst du, dass ich dich deswegen rauswerfe?" "Was denn sonst...? Aber keine Angst, ich bezahle dir das verdammte Ding, irgendwie kriege ich das Geld schon zusammen." Der Anwalt trat hinter ihn und umarmte den jungen Mann. "Hältst du mich für so oberflächlich?" "Der Auftritt eben legt diesen Verdacht nahe..." "Es war ein harter Tag..." Er küsste den Tänzer sanft auf den Nacken. "Ich bin geschafft und ich bin manchmal ein Choleriker... es tut mir leid... Ich bin das noch nicht gewöhnt. Aber glaube mir, es ist ein schönes Gefühl, wenn jemand da ist, der auf einen wartet." "Und deine Badewanne ruiniert...", seufzte Jeremy. "Vergiss sie... es ist nur eine Badewanne. Und wer außer uns Beiden kriegt sie zu sehen? Irgendwann ersetze ich sie." "Ich habe den ganzen Tag Angst gehabt, dass du mich aus der Wohnung schmeißt... ich hatte echt Panik... Abby und ich haben alles versucht, um die Flecken raus zu kriegen, aber es hat nicht geklappt..." "Wie wäre es, wenn wir einfach essen und die Sache vergessen, hm?" Jeremy drehte sich in der Umarmung um. "Bist du das wirklich, David Vanderveer? Manchmal erkenne ich dich kaum wieder." "Tja..." David küsste ihn auf die Lippen. "Das wird wohl dein Einfluss sein." Colins Herz schlug bis zum Hals, als er an der Tür des hübschen Anwesens in der Hillside Street schellte. Er strich sich nervös übers Hemd, richtete zum mindestens zehnten Mal seinen Gürtel und zupfte sich etwas nervös an seinem silbernen Ohrring, eine Marotte von ihm. Für einen Moment hatte er überlegt, einen Blumenstrauß zu kaufen, aber er wusste nicht, ob das angebracht war, vielleicht blamierte er sich dann auch vor Marcus. Also hatte er sich um entschieden und eine Flasche Wein gekauft, die seinen Gastgebern hoffentlich schmeckte. Als die Tür geöffnet wurde, zuckte er beinahe zusammen. Chris Fairgate lächelte ihn erfreut an. "Da bist du ja." "Bin ich zu spät?" "Nein, genau richtig. Komm rein." Colin nickte, machte dann aber doch keinen Schritt. "Sind Sie sicher, dass das okay ist?" "Sonst hätte ich dich nicht eingeladen. Marcus freut sich schon." Das wirkte wie ein Zauberwort, Colin putzte sich die Schuhe ab und trat ein. Von Innen gefiel ihm das Haus noch besser. "Marcus! Colin ist da!" Kaum waren die Worte verklungen, erschien der blonde Junge in der Tür des Wohnzimmers. Er schien sich mächtig beeilt zu haben, doch dann bremste er ab und blieb etwas verschämt stehen. "Hi...", sagte er leise. "Hi..." "Na wunderbar, ein guter Anfang!" Chris musste grinsen. "Ach ja, das ist für Sie." Colin reichte dem Texaner die Weinflasche. "Ich hoffe, Sie mögen ihn. Ein kleines Dankeschön für die Einladung." "Oh, ein guter Jahrgang", meinte Chris mit einem Blick aufs Etikett, obwohl er von Weinen recht wenig verstand, wenn es nicht gerade um Wein ging, der an bestimmte Gerichte gehörte. "Er hat einen guten Geschmack!" lächelte er in Marcus Richtung und bevor Colin etwas dagegen sagen konnte, schob er den Jungen sanft zu seinem "kleinen Bruder" hinüber. "Macht es euch doch im Wohnzimmer bequem! Jason und ich kommen gleich, wir holen nur noch eben was aus der Küche." Damit ließ er sie allein. Jason schaute zu, wie Chris den Wein entkorkte. Der Polizist lehnte an der Küchenspüle und knabberte Erdnüsse. "Ein Gastgeschenk?" "Der Junge weiß eben, was sich gehört." "Du bist jetzt sein persönlicher PR-Mann, was?" lachte Jason. "Und ein Intrigant noch dazu. Wie soll ich denn noch Chancen haben, die Wette zu gewinnen, wenn du dich so ins Zeug legst?" Chris stellte Salzstangen in ein Glas und leerte dann eine Tüte Chips in eine Glasschüssel. "Heißt ja nicht, dass du untätig sein musst." "Scherzkeks! Als könnte ich dagegen arbeiten! Das wäre ja mies." "Das Leben ist eben unfair, Geliebter!" kicherte der blonde Mann hämisch. Jason half seinem Freund, die Knabbersachen auf ein Tablett zu räumen und holte dann die Cola aus dem Kühlschrank. "Glaubst du wirklich, dass das richtig ist?" "Soll Marcus sein ganzes Leben auf Gary warten? Dein Bruder hat sich doch nicht einmal mehr nach ihm erkundigt, oder?" "Ja...", gab Jason zu. "Nachdem er aus dem Krankenhaus raus war, hat er nie wieder etwas von Marcus gesagt oder nach ihm gefragt." "Na, siehst du. Also ist es das Beste, wenn Marcus vielleicht wieder neues Glück findet. Und selbst wenn es nur ein Abenteuer und etwas Spaß wird oder sie sich nur anfreunden, selbst das wäre etwas." "Wenn sie sich nur anfreunden, kriegst du aber keinen Strip, mein Engel!" grinste Jason. "Das werden wir ja noch sehen!" Marcus und Colin saßen sich im Wohnzimmer gegenüber. Über dem Raum hing betretenes Schweigen. Der blonde Junge kraulte etwas gedankenverloren den Beaglewelpen. "Ein niedlicher Hund." "Stimmt", meinte Marcus. Und wieder wurde es still. Colin zupfte an seinem Ohrring. "Okay... das ist jetzt etwas peinlich..." Marcus blickte auf. "Findest du?" "Du nicht? Wir sitzen uns hier gegenüber und wenn der Hund nicht wäre, dann hätten wir gar keinen Gesprächsstoff." "Stimmt, das ist peinlich!" Die Beiden sahen sich an und plötzlich zogen sich die Mundwinkel der beiden Jungen nach oben. Von einer Sekunde auf die andere, fingen sie an zu lachen. "Kommst du dir auch ein bisschen komisch vor? Ich habe das Gefühl, dass hier arg gekuppelt wird." "Nicht nur du." "Ist dir das unangenehm?" Marcus lächelte ihn an. "Nein, eigentlich nicht.", sagte er wahrheitsgemäß. Colin gefiel ihm von Minute zu Minute besser. Er sah umwerfend aus und hatte sich offensichtlich extra für ihn gestylt. Der junge Kalifornier versuchte auszumachen, ob sich unter dem modischen Hemd Muskeln verbargen, die breiten Schultern ließen den Rückschluss zu. "Wo schaust du hin?" Marcus zuckte zusammen. "Oh, ich schaue nur so rum." "Soll ich mein Hemd ausziehen?" Für einen Augenblick blieb dem Jungen der Mund offen stehen. Das hatte er nun nicht erwartet. Er spürte, wie seine Wangen rot wurden. "Ich wollte nicht dreist sein." Colin winkte ab. "Der Spruch tut mir leid. Ich wollte dich nicht beleidigen." "Leider hast du Recht, ich habe dich abgeschätzt." "Du weißt also, was du willst." "Ich bin aber nicht oberflächlich!" wehrte sich Marcus. "Aber empfindlich", war Colins Konter, allerdings mit einem entwaffnenden Lächeln. "Wie soll ich dich eigentlich nennen? Marcus? Oder lieber Marc?" "Marcus!" antwortete der blonde Junge etwas zu scharf. Zwar hatte Gary den Spitznamen nicht gepachtet, aber trotzdem war es ihm unangenehm, von Colin so genannt zu werden. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. "Also gut, dann Marcus", überging der Andere den unpassenden Tonfall. "Mich kannst du Coli nennen, wenn du magst, zumindest haben das welche auf der Schule getan." "Colin ist ein so schöner Name, den will ich nicht verstümmeln." "Danke für das Kompliment." Marcus wurde schon wieder rot. Wie blöd führte er sich hier eigentlich auf? Colin machte ihn nervös und gleichzeitig genoss er seine Anwesenheit. Das war ja schizophren. Zu seiner Rettung eilten in diesem Moment Chris und Jason, mit Tabletts voller Knabbereien, Cola und dem Wein von Colin. "Na? Amüsiert ihr euch?" "Ja, glänzend", lächelte Colin und stand auf, um Chris das Tablett abzunehmen. "Wow, Junge, leg dich nicht so ins Zeug, sonst werde ich noch eifersüchtig!" lachte Jason. "Wie ich sagte, er weiß, was sich gehört", grinste sein blonder Freund. "Aber du musst es wirklich nicht übertreiben, Colin. Ich bin groß und stark." Colin stellte das Tablett auf den Tisch und kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. "Entschuldigung, ich wollte..." "Schon gut, ich ziehe dich nur auf." Chris legte ihm die Hand auf den Oberarm. "Wollen wir jetzt den Videoabend anfangen?" Darauf gab es einheitliche Zustimmung. Der Abend war bereits weit fortgeschritten, als Batman plötzlich sein Körbchen verließ und unruhig zwischen seinen Herrchen hin und her tapste. Manchmal stupste er auch einem der Beiden gegen das Bein. Chris nahm ihn schließlich hoch. "Ich glaube, der Kleine muss noch einmal raus. Marcus, würdest du das tun?" Der blonde Junge sah ihn überrascht an. "Natürlich. Kein Problem." "Vielleicht könnte Colin ja mitkommen. Du könntest ihm den Garten zeigen." "Oh ja, er wird ihn lieben, der Garten hat so einen besondern Flair... im Januar und wenn es draußen stockdunkel ist." Chris drehte seinem Freund ganz langsam den Kopf zu. "Vielen Dank, mein Schatz!" zischte er durch zusammengebissene Zähne. "Da der Garten so einen besonderen Flair hat, wirst du ja auch kein Problem damit haben, heute dort zu schlafen!" Colin musste lachen und stand auf. "Ich werde sicher auch den Garten im Dunkeln schön finden." Die beiden Jungs holten ihre Jacken und gingen dann durch den Wintergarten in den Außenbereich. Batman konnte es gar nicht schnell genug gehen. Wie ein geölter Blitz schoss die kleine Fellkugel zwischen den Beinen der Beiden durch und verschwand im Garten, um gemütlich dem quälenden Ruf der Natur zu folgen. Colin und Marcus blieben auf der Terrasse stehen. Es war ziemlich kühl geworden und ihr Atem zeigte sich deutlich in der Nachtluft. "Die Beiden sind ja wirklich ein süßes Paar, wenn man sie mal so privat erlebt", stellte Colin fest. "Ja, sie sind das perfekte Paar, findest du nicht? Jason, der starke und verboten gut aussehende Beschützer und Chris, der nicht minder hübsche, ein wenig zerbrechliche, aber nichtsdestotrotz schlagfertige Gegenpart." "Wie in einem Manga!" lachte der dunkelhaarige Junge. "Du liest diese Dinger?" fragte Marcus überrascht. "Na ja, hier und dort. Es gibt da ein paar sehr nette Serien mit süßen Kerlen." Marcus sagte dazu nichts. Er betrachtete den Nachthimmel, der vollkommen schwarz war, die Lichter von San Francisco schluckten die Sterne völlig. Aber umso schöner war der Blick auf die Skyline der Stadt, den man über den hohen Gartenzaun hinweg erhaschen konnte. Von hier aus konnte man den beleuchteten Coit Tower auf dem Telegraph Hill sehen. "Das war ein schöner Abend", durchbrach Colin die Stille. "Ja, fand ich auch..." "Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut amüsiert und das, obwohl ich sämtliche Filme schon fast auswendig kannte." "Hm...", brummelte Marcus eine Zustimmung. "Darf ich dich küssen?" Der blonde Junge blickte ihn etwas schockiert an. "Was?!" Colin zupfte sich am Ohrring, er schien sehr nervös. "Tut mir leid... ich bin normalerweise nicht so... aber ich... ich meine... na ja... vergiss es besser..." Marcus musterte sein Gegenüber, sein Gesicht im Zwielicht des Gartens. Hier stand er nun, gerade mal vier Monate nach der Enttäuschung mit Gary. Was sollte er nun tun? Aber hatte Chris nicht Recht? Er war weder in Trauer, noch Gary in irgendeiner Weise verpflichtet, denn dieser hatte ihn nicht gewollt und nicht umgekehrt. Und Colin war so wahnsinnig lieb, so zuvorkommend und freundlich. Sein gutes Aussehen nicht zu vergessen. Irgendwas war da, schon die ganze Zeit, schon seit ihrem Treffen in der Videothek, das Chris, dessen war sich Marcus mittlerweile sicher, inszeniert hatte. Und mit einem Mal wusste er, was er wollte. Er trat vor, streckte sich hoch und küsste Colin sanft auf den Mund. Ihre Lippen trennten sich gerade einmal ein paar Millimeter, als er flüsterte. "Das heißt ja." Colin zog ihn an sich und diesmal küssten sie sich nicht nur auf die Lippen. Das Gefühl durchströmte Marcus wie ein elektrischer Schlag, sein ganzer Körper kribbelte, die Zeit schien für ein paar Sekunden einfach stehen zu bleiben. Und genau da wusste er, dass er sich richtig entschieden hatte. Chris und Jason standen im Schatten des unbeleuchteten Wintergartens und sahen hinaus. Selbst im Dunkeln konnte man deutlich erahnen, dass Chris breit grinst. "Mission beendet." "Du bist unheimlich...", stellte Jason fest. "Woher hast du das gewusst?" "Instinkt, mein Lieber." "Wer's glaubt! Das war ein Schuss ins Blaue, oder? Du hast einfach nur gehofft, dass das passieren würde." Chris lehnte sich an ihn, so dass Jason den Arm um ihn legte. "Mag sein. Na ja, das war wirklich Glück. Aber ich kenne Marcus gut genug, um schon zu wissen, dass ihm ein Typ wie Colin gefallen könnte. Und ich hoffe, dass er Marcus glücklich machen kann, das hat er sich nach der Pleite mit deinem Bruder echt verdient." "Erinnere mich nicht daran." Der blonde Mann lächelte und nahm seinen Freund bei der Hand, um ihn ins Wohnzimmer zu führen, damit Marcus und Colin sich nicht noch beobachtet fühlten. "Es ist wohl wirklich besser, wenn Marcus weiter zieht und Gary hinter sich lässt." "Und du hast ihm dabei geholfen, du kannst stolz auf dich sein." Chris räumte Gläser aufs Tablett, damit er sie in die Küche bringen konnte. "Ja, das bin ich auch. Aber glaube ja nicht, dass Komplimente dich davor bewahren, dass ich meine Wettschulden einfordere! Vergiss nicht, du darfst höchstens den Hut aufbehalten!" Lachend ließ er den Polizisten zurück und ging in die Küche. Jason ließ sich auf die Couch fallen und atmete gespielt schwer aus. Chris streckte den Kopf noch einmal ins Zimmer. "Und jetzt gehst du raus und fragst Colin, ob er heute hier übernachten will. Es ist schon spät und ich will nicht, dass Marcus und er sich schon verabschieden müssen." "Meinst du, dass so etwas den Eltern von Marcus gefallen würde? Das wir ihren Sohn mal einfach mit einem fremden Jungen ins Bett stecken?" "Dann übernachtet er eben auf dem Sofa und Marcus schläft oben im Gästezimmer, oder umgekehrt. Macht ihr das aus." Jason seufzte erneut. Wenn Chris sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war nichts mehr zu machen. Marcus drückte seinen Teddy an sich, das Stofftier war mittlerweile ziemlich abgegriffen. Seit Chris es ihm geschenkt hatte, hatte er ihn jeden Abend im Bett bei sich gehabt, außer in den Nächten in denen Gary neben ihm gelegen hatte. Gary... Er hatte schon lange nicht mehr so oft an ihn gedacht wie heute. Aber warum eigentlich? Fühlte er sich wegen des Kusses schuldig? Der Kuss... Ihm wurde heiß. Colins Lippen schmeckten angenehm süß. Dieser Kuss im Garten war einfach herrlich gewesen... sogar schöner als die Küsse von Gary. Ja, genau! Marcus setzte sich abrupt auf. Der Kuss war wirklich schöner gewesen! Langsam sackte er in die Kissen zurück und nahm seinen Bären in den Arm. Der arme Kerl hatte immer noch keinen Namen. Vielleicht sollte er ihn Colin nennen, dann konnte er sich immer vorstellen, mit ihm zu schmusen. Und dann lasse ich mich einweisen. Schlagzeile: "Junge in Nervenheilanstalt gebracht - Fünf Männer beim Versuch verletzt, ihn von seinem Teddy zu trennen". Traumhaft... und außerdem ist Colin sicher nicht so haarig... Er schloss die Augen. Colin lag jetzt unten im Wohnzimmer. Allein... ob er an ihn dachte? Vielleicht sogar an den Kuss? Oder war das nur ein Abenteuer für den Jungen gewesen. Klar, einer der so aussieht, gibt sich mit einem Kuss als Abenteuer zufrieden... Das war doch überhaupt eine Idee. Möglicherweise überlegte Colin schon, wie er sich hier hinauf schleichen konnte, um ihm mehr als nur einen Kuss zu rauben. Aber war er bereit dazu? Und dann auch noch mit Jason und Chris quasi in Hörweite. Die Vorstellung, mitten drin von einem der Beiden überrascht zu werden, hatte etwas beängstigendes. Als in diesem Augenblick die Tür geöffnet wurde, hätte der blonde Junge beinahe vor Schreck seinen Teddy durchs Zimmer geworfen. Er stemmte sich ruckartig auf. Durch den Lichtspalt, der zwischen den Gardinen klaffte, erkannte er den Eindringling als niemand anderen als Colin. "Hi..." "Was machst du hier?!" Oh, shit! Das klang jetzt anders als es sollte! "Soll ich wieder gehen?" "Nein!...Nein", sagte Marcus schnell. "Schon okay." Colin schloss so leise er konnte die Tür. "Ich habe so lange mit mir gerungen, ob ich nun hoch komme oder ob du vielleicht nach unten kommst... aber du hast schließlich das Bett, also war es nicht allzu wahrscheinlich, dass du es aufgibst." Der andere Junge musste lachen und erkannte sich dann selbst kaum wieder, als er auf die Seite neben sich klopfte. Colin griff nach dem obersten Knopf von seinem Hemd, erst jetzt fiel Marcus auf, dass er nur das und Shorts trug. "Stört es dich, wenn ich das ausziehe? Ich wollte nur nicht fast nackt über den Flur laufen." "Nein, kein Problem!" Nicht einmal im Entferntesten! Runter mit dem Ding! Marcus zwickte sich selbst unter der Decke in den Arm. Nicht übers Ziel hinaus schießen. Colin befreite sich von seinem Kleidungsstück und stieg dann ins Bett, bevor er sich jedoch hinlegen konnte, musste er sich schon wieder aufsetzen. "Was drückt denn da?" Mit Schrecken erkannte Marcus, dass Colin seinen Beinahe-Namensvetter in der Hand hielt, den der blonde Junge neben sich abgelegt hatte. "Ein Teddy?" Marcus antwortete nicht, er spürte, wie er rot wurde. "Gehört der dir?" "Ja...", gab er zu. "Peinlich..." "Ich finde das süß." "Echt?" "Ja. Ich hab auch noch eines meiner Kuscheltiere aus der Kindheit, einen Stoffhasen, Mr. Flippidi, ihm fehlt nur leider ein Auge, seit er mal in der Waschmaschine war... und ich glaube nicht, dass ich dir das gerade wirklich erzähle..." "Wahrscheinlich, damit es für mich nicht ganz so peinlich wird!" Marcus brach der Schweiß aus, schlimmer noch als damals bei Gary. Gleiches Bett, gleiche Entfernung, anderer Junge, nicht minder süß und sexy, aber in diesem Fall offenbar absolut an ihm interessiert. Er wagte einen Blick zur Seite. Das Licht der Straßenlaternen vor dem Haus fiel nur schwach auf Colin, aber es reichte aus, um ihn erkennen zu können, zugedeckt bis knapp unter die Brust, einen Arm hinter dem Kopf, das Gesicht ihm zugewandt. Da war wieder dieses umwerfende Lächeln und seine Brust war so... "Träumst du?" "Was?! Nein!" Marcus biss sich auf die Lippe, klar hatte er geträumt, aber ziemlich unanständig. Sollte er es wagen, den ersten Schritt zu machen? Vorsichtig rutschte er ein Stück näher und dann geschah es einfach so, als wäre genau diese Bewegung die stumme Zustimmung gewesen. Er sank in Colins Arme und sie küssten sich, noch länger und zärtlicher als im Garten. Marcus Hände glitten über die Brust des anderen Jungen und wie von selbst schob sich eine von ihnen unter die Decke. Es war beinahe schon Routine, Marcus wusste, was er zu tun hatte und wo ein Mann berührt werden wollte. Seine Finger fanden den Bund von Colins Shorts und in diesem Augenblick beendete der Ältere seine Exkursion und auch den Kuss. "Wow, du hast es aber eilig." Der blonde Junge zuckte zurück, schnell brachte er etwas Abstand zwischen sich und Colin. Klasse Leistung... jetzt hält er dich für ein Flittchen, am besten bietest du ihm noch einen Sondertarif! "Entschuldige." "Hoffst du auf einen Geschwindigkeitsrabatt?" "Ich dachte, du wolltest..." "Eine schnelle Nummer?" Er klang beleidigt. "Na ja... ich..." "Ich geh wohl besser wieder runter..." Colin schlug die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. "Nein!" stieß Marcus viel lauter als beabsichtigt hervor. Der andere Junge hielt in der Bewegung inne und drehte sich zu ihm um. "Ich meine... bitte nicht..." Marcus fuhr sich durchs Haar. "Es tut mir leid... ich wollte nicht... ich... ich versaue immer alles... das ist wieder typisch für mich..." Colin lächelte ihn an. "Okay, noch ein Versuch. Ich stelle dir zwei Fragen, sag einfach nur ja oder nein. Geht das?" Marcus nickte. "Erstens: Darf ich meinen ursprünglichen Plan wieder aufnehmen und dich in den Arm nehmen? Und zweitens: Darf ich dich wieder sehen? Vielleicht morgen Abend? Ich könnte dich ins Kino einladen." Beinahe hätte Marcus angefangen zu weinen. Dieser Junge war einfach wunderbar, wie hatte er das verdient? Er konnte nicht anders, als zu nicken, er hatte einen Kloß im Hals vor Rührung. Colin glitt zurück unter die Decke und zog Marcus in seinen Arm. Mit einem Mal befand sich der blonde Junge in der Wärme einer liebevollen Umarmung. Colin hielt ihn fest und gab ihm einen Kuss auf den Haaransatz. "Ich bin froh, dich kennen gelernt zu haben..." Marcus lächelte und drückte sich fester an ihn. Vielleicht war das hier seine Chance auf ein normales Leben. Endlich. "Ich auch...", sagte er leise. Am nächsten Morgen stand Chris bereits in der Küche, als Marcus herunter kam. Der blonde Mann nippte an seinem Kaffee und zog seine Augebraue hoch. "Gut geschlafen?" "Ja." "Und Colin?" "Der auch." "Auf der Couch." "Wo sonst?" Chris grinste. "Der Junge hat es echt drauf, er muss sich unsichtbar gemacht haben, als ich heute Nacht ein Glas Wasser in der Küche geholt habe." "Ein Glas Wasser?" fragte Marcus in eindeutigem Ton. "Na gut! Ich hab spioniert! Aber ich hatte Recht! Er war nicht auf der Couch, er war bei dir!" "Ertappt." "Und?" "Hm?" Marcus lächelte unschuldig. "Jetzt rück schon raus! Ich habe ihn gefunden, ich will Fakten!" "Wir haben gekuschelt." Chris stellte seine Tasse ab. "Mehr nicht?" "Nein, mehr nicht. Es war unglaublich. Er hat es nicht einmal versucht. Er war ein unglaublicher Gentleman. Er hat mich festgehalten, mich sogar auf die Stirn geküsst. Er ist so süß! Und so lieb! Und er will mit mir ins Kino, heute Abend! Ich bin so glücklich!" "Das freut mich." Chris legte den Arm um den Jungen und knuffte ihn in die Seite. "Ich muss dich aber trotzdem etwas fragen, was dir nicht gefallen wird: Was ist mit deiner Entscheidung, die Schule zu schmeißen?" Marcus seufzte und löste sich von dem älteren Mann. Er nahm sich eine Tasse aus dem Schrank und goss sich ebenfalls etwas Kaffee ein. "Ich werde die Schule nicht schmeißen... vorerst!" fügte er schnell noch hinzu. "Meine Eltern würden durchdrehen und vielleicht würden sie mir dann den Umgang mit Colin verbieten... oder noch schlimmer, mit euch... das kann ich nicht riskieren." "Sehr weise." "Ach, du hast das doch geplant! Du hast gehofft, dass die Begegnung mit Colin so etwas auslösen würde." "Schuldig im Sinne der Anklage. Aber ihr Beiden habt es mir auch furchtbar einfach gemacht. Ich hätte niemals geglaubt, dass es so leicht werden würde." "Ich danke dir...", lächelte Marcus. "Wofür?" "Das du immer dafür sorgen willst, dass es mir gut geht." "So etwas machen große Brüder." Chris zwinkerte ihm zu. "Frühstück?" "Gern, ich hole nur eben Colin." "Ich bin schon hier." Der dunkelhaarige Junge erschien im Türrahmen. Er hatte wieder sein Hemd an und bereits die Jeans über die Shorts gestreift, sogar seine Haare waren schon gerichtet. "Guten Morgen!" grinsten die beiden Blonden. Colin rieb sich über den Hinterkopf. "Störe ich?" "Nein, die sind immer so!" lachte Jason in diesem Moment, als er hinter Colin auftauchte. Er klopfte dem Jungen auf den Rücken. "Willkommen in meiner Welt." David knotete seinen Bademantel auf dem Weg zur Tür zu. Was sollte dieser Krach und das auch noch am Samstag? Irgendein dämlicher Idiot hämmerte ohne Unterlass gegen die Tür, wenn der so weiter machte, dann würden noch die Nachbarn rebellisch werden. David hatte im Gegensatz zu Jason keine Probleme mit seiner näheren Umgebung, es war im Haus allgemein bekannt, dass er schwul war und es wurde toleriert oder zumindest übersehen. Allerdings spürte er deutlich, dass viele Mitbewohner es gut hießen, dass er nun eine feste Beziehung führte und nicht ständig wechselnde Begleiter hatte. Der Anwalt öffnete die Tür und wurde im nächsten Moment zur Seite geschubst. Alexander Stone stürmte an ihm vorbei. "Wo ist er?!" "Erlaube mal! Was fällt dir ein, hier einfach rein zu marschieren?! Wie bist du überhaupt ins Haus gekommen?!" "Dein Portier war Pinkeln, denke ich! Aber das ist egal, du Arsch! Wo ist Jeremy?!" "Was geht es dich an?!" "Antworte oder ich schlag dir dein ach so hübsches Gesicht zu Brei, du Ratte!" "Versuch es und du wirst es bereuen!" David ballte die Fäuste. "Was geht denn hier vor?!" Jeremy stand in der Schlafzimmertür, nur in seinen Shorts. Ehe er überhaupt reagieren konnte, war Alex schon bei ihm und schlug ihn mit voller Wucht ins Gesicht. Seine Ohrfeige warf den Tänzer fast gegen den Türrahmen. Mit wenigen Schritten war David bei ihm, packte ihn am Arm und zerrte ihn so heftig von Jeremy weg, dass Alex stürzte. "Raus aus meiner Wohnung!" Er stellte sich zwischen seinen Freund und den wütenden Schwarzhaarigen. Alex rappelte sich auf und funkelte Jeremy an, ohne auch nur auf David zu achten. "Du widerliches Dreckstück! Ich war die ganze Zeit für dich da! Ich habe dich getröstet, als du wegen diesem Arschloch am Boden warst! Ich habe mich für dich geändert, bin sogar für dich auf Entzug gegangen! Und wie dankst du es mir?! Kaum bin ich ein paar Tage weg, lässt du dich wieder von ihm bumsen! Und ich muss es von Abby erfahren! Du bist doch das Allerletzte!" "Alex, ich habe dir nie Versprechungen gemacht..." "Du kotzt mich an, Jeremy! Du und dein ekelhafter Köter von einem Anwalt! Fahrt doch zur Hölle! Alle Beide!" Wutentbrannt ging er zur Tür. David rührte sich nicht von der Stelle, in Abwehrhaltung blieb er vor Jeremy stehen. Im Türrahmen blieb Alex noch einmal stehen und sah die Beiden an. "Das werdet ihr bereuen! Glaubt mir! Genießt eure traute Zweisamkeit so lange sie währt! Ihr kriegt, was ihr verdient!" Mit diesen Wort knallte er die Tür so fest hinter sich zu, dass mehrere Bilder daneben von der Wand fielen. Kaum war er weg, hatte David Jeremy schon im Arm und hielt ihn fest. Der Tänzer zitterte. Seine Wange war knallrot. "Ich hab Angst, David..." Der Anwalt sah auf die geschlossene Tür und schüttelte den Kopf. "Hunde, die bellen, beißen nicht. Mach dir keine Sorgen." Aber so richtig beruhigt war er auch nicht. Da war etwas Erschreckendes in Alexanders Augen gewesen, etwas geradezu Unmenschliches. Einen solchen Tobsuchtsanfall hatte er ihm niemals zugetraut, er hatte seit seiner Wiedervereinigung mit Jeremy noch nicht einmal mehr über ihn nachgedacht. Aber jetzt... er würde auf jeden Fall die Augen offen halten. Die Wochen vergingen und ehe man es sich versah, war der Februar in San Francisco eingekehrt. Der "harte" kalifornische Winter ging seinem Ende zu und bald würde der Frühling Einzug halten. Die Witterung in diesen Breiten versprach bereits zu diesem frühen Punkt des Jahres angenehme Temperaturen, auch wenn man mit dem einen oder anderen Schauer rechnen musste. Chris stopfte pfeifend Wäsche in die Waschmaschine. Er war glänzender Laune. Was auch sonst? Heute war sein Geburtstag und entgegen der schlechten Prognose, die er nach dem Besuch von Ash gemacht hatte, waren weitere Probleme ausgeblieben. Eher im Gegenteil. Die ersten Unterrichtsstunden hatten ihm wahnsinnigen Spaß gemacht und das obwohl er erst ein wenig verkrampft war, weil er Sly auf keinen Fall falsche Hoffnungen machen wollte. Aber irgendwann war ihm klar geworden, wie dumm er sich verhielt. Sly schien sehr gelöst, keinesfalls verbittert oder gar von Liebeskummer zerfressen und schon bald hatte Chris es aufgegeben, immer über Ashs Worte nachzudenken. Marcus' siebzehnter Geburtstag war doch schön geworden. Die Eltern des Jungen hatten es sich nicht nehmen lassen, den Lebensretter ihres Sohnes und seinen Freund zum Essen einzuladen. Marcus kam nebst Begleiter. Seit der Nacht in ihrem Haus waren Colin und er unzertrennlich, etwas, dass Chris ungemein erfreute, fast so sehr wie der wirklich gelungene Strip, den der Polizist für ihn hatte hinlegen müssen. Jason hatte Talent, kein Zweifel. Am Ende hatte er nicht weiter als eine Polizeimütze aufgehabt, was unglaublich heiß gewesen war. Einziger Wehmutstropfen war die Tatsache, dass sie alle, auch Marcus' Eltern, vorsichtig sein mussten, wenn es um die Vergangenheit ging. Marcus hatte noch nicht die Kraft gefunden, Colin über alles reinen Wein einzuschenken und besonders die Wahrheit über ihr Zusammentreffen vor fast einem Jahr, sollte unter allen Umständen geheim bleiben. Aber da diese dunkle Zeit sowieso längst vergessen sein sollte, fiel es keinem der Beteiligten schwer, sie nicht zu erwähnen. Chris schaltete die Waschmaschine ein und ging immer noch pfeifend nach oben. So fühlte man sich also mit neunundzwanzig. Heute Abend war die große Party und Übermorgen flogen Jason und er nach Dallas zu seiner Familie. Im letzten Moment hatten sie den Besuch in San Francisco absagen müssen, Chris' Stiefvater hatte sich den Fuß gebrochen. April redete am Telefon schon lange von nichts anderem mehr als ihrem Besuch. Endlich würde sie ihren Bruder live mit seinem Freund erleben, Chris konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie am liebsten bei ihnen im Bett schlafen würde, um ja nichts zu verpassen. Im Moment war sein Freund aber noch mit David in der Stadt. Es klingelte an der Tür. Beschwingt machte sich der blonde Mann auf den Weg. Er streichelte Batman über den Kopf, der beim Geräusch der Türklingel wie immer sehr aufgeregt wurde. "Ich komme schon!" rief er, bevor er die Haustür öffnete. Die Sonne schien für diese Jahreszeit sehr warm auf den Ghiradelli Square herab. Es war wenig los, weder in den Cafés noch in den Geschäften war viel Betrieb. Selbst die kleine Schokoladenfabrik mit ihrem wunderbaren Pralinenkreationen lockte kaum Kunden an. Es war Nebensaison und auch noch Arbeitszeit, also trieben sich nicht einmal viele Einheimische hier herum. Am Brunnen stand eine Gruppe Studenten, sie lachten und scherzten, eine völlig überlastete Mutter mit einem Zwillingskinderwagen und einem Hund hetzte ebenfalls über den Platz. Jason biss von seinem Hotdog ab, er war mit David unterwegs, um noch etwas für Chris' Geburtstag zu besorgen, besonders seine Lieblingspralinen. Er musterte seinen Freund von der Seite, David hatte die Sonnenbrille abgenommen und sah mit geschlossenen Augen Richtung Sonne. "Was grinst du so? Du strahlst ja wie ein Reaktorkern." "Sieht man das so deutlich?" "David, von deinem Dauerlächeln wird man fast blind!" "Ich bin eben gut drauf!" lachte sein Freund. "Das ist doch erlaubt, oder?" "Klar", antwortete Jason, nachdem er den Mund leer hatte, "es ist sogar klasse, vor allem nach den vielen Katastrophen in letzter Zeit." "Du hast Recht, aber in letzter Zeit läuft alles geradezu erschreckend glatt. Selbst dieser Knallkopf Alex ist aus meinem Leben verschwunden und ich habe zwei Prozesse hinter einander gewonnen, jedes Mal gegen Walt Rogers!" "Also waren die Drohungen von Jems Ex nur heiße Luft?" "Große Klappe, nichts dahinter!" stellte der Anwalt aus Colorado lachend fest. "Was anderes habe ich auch nicht erwartet." Jason warf das Papier, in welches das Hotdog verpackt gewesen war, in einen nahe stehenden Mülleimer. "Ihr seid dann heute Abend um halb acht da, nicht wahr?" "Pünktlich! Ich treibe die lahme Ente schon an!" Der Polizist musste lachen. David meinte Jeremy, der einen außerordentlichen Hang zur Verspätung hatte, im Gegensatz zu seinem Freund, der ein absoluter Pünktlichkeitsfanatiker war. "Wer kommt eigentlich jetzt alles?" Jason rieb sich das Kinn. "Claire, wenn sie es schafft, Ash und Sly, Abby und dann noch Marcus mit seinem Schatten." "Hat der Kleine jetzt also doch endlich die Liebe gefunden?" "Ja, Chris hat ja auch gekuppelt wie ein Irrer. Aber Marcus scheint wirklich einen Glücksgriff gemacht zu haben. Die Beiden sind unzertrennlich und wenn Marcus mal allein ist, hat er nur ein Thema: Colin." "Hach, die junge Liebe...", seufzte David theatralisch. "Dich mal von der Liebe schwärmen zu hören... das Armageddon ist nahe!" "Tja, das ist der neue, verbesserte David." "Er gefällt mir!" lachte Jason. Rose DeBois hatte es eilig. Seit ihre Firma bankrott gegangen war, suchte sie händeringend eine neue Stelle als Sekretärin. Und nun endlich hatte die junge Farbige einen Job in Aussicht und was geschah? Sie verschlief. Rose trat in die Pedale ihres Fahrrads und beschloss, die Abkürzung über den Ghiradelli Square zu nehmen. Rose DeBois war spät dran... und sie hatte keine Ahnung, dass sie an diesem Tag Schicksal spielen würde... "Hast du noch Lust auf einen Kaffee?" "Ja, gern. Aber nur auf die Hand. Jeremy wartet auf mich." Jason stöhnte gespielt auf. "Na bitte, es geht schon los. Kaum hat er eine Beziehung, bin ich abgemeldet." "Als könnte ich meinen Sonnenschein vergessen." "War ja auch nur Spaß!" grinste der New Yorker. "Ich bin wirklich froh, dass du soviel Zeit mit ihm verbringst." "Ich hätte nie gedacht, dass ich an einer Beziehung wieder Spaß haben könnte, aber Jeremy ist wundervoll. Sunshine, ich habe allmählich wirklich den Eindruck, ein neuer Mensch zu sein. Wenn man sich auf ihn einlässt, wirbelt dich Jeremy ordentlich durcheinander und man genießt es." "Das klingt tatsächlich kaum noch nach dem David, den ich kannte. Aber der Neue ist viel besser, glaub mir. Sozusagen die Deluxe Edition." "Hör auf zu schleimen!" lachte David. "Aber ich habe wirklich beschlossen, mein neues Leben zu genießen. Ich war schon immer auf dem Standpunkt, dass das Leben viel zu kurz ist. Es kann jeden Moment vorbei sein. Zack! Und deshalb sollte man jede Minute auskosten!" Kaum hatte er den Satz beendet, preschte Rose DeBois auf ihrem Fahrrad heran. Sie klingelte wild, weil sie beim Blick auf die Uhr die beiden Männer übersehen hatte. David musste aus dem Weg springen, er stolperte gegen Jason, der zur Seite taumelte. Im gleichen Augenblick hallte ein Knall über den Platz. Ein Schwarm Tauben stob auf und stieg in die Luft. Rose dachte, ihr sei ein Reifen geplatzt, aber ihr Fahrrad fuhr ohne Schwierigkeiten weiter. Die junge Frau trat in die Pedale und gab Gas, ihrem neuen Job entgegen. "Blöde Kuh!" fluchte Jason wenig galant hinter ihr her. Er wandte sich wieder David zu. "So was! Die hat noch nicht einmal darauf geachtet, wohin sie fährt!" David antwortete nicht. Er starrte Jason an, dann sank sein Kopf langsam nach unten, der Blick zu seiner Körpermitte. Sein Freund tat es ihm nach und erstarrte. Der Anwalt hatte seine Hände ein Stück unter seiner Brust, sie zitterten furchtbar und waren voller Blut. Sein himmelblaues Hemd färbte sich an dieser Stelle immer stärker rot. Tropfen seines Lebenssaftes waren bis auf Jasons Kleidung gespritzt. Plötzlich war dem New Yorker klar, was er gehört hatte. Einen Schuss. All das geschah in wenigen Sekunden, aber sie schienen wie eine Ewigkeit. David schaute ihn wieder an, die Augen immer noch in stummem Entsetzen aufgerissen. Er öffnete den Mund. "Alles... so... rot...", waren die einzigen Worte, die er herausbrachte. Dann fiel er vornüber und brach in Jasons Armen zusammen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Endlich geschafft... das Ende gefällt mir sogar *lol* Wäre Remember the promise you made eine Fernsehserie (eine wirklich tolle Vorstellung, da könnte ich mich Inszenierungstechnisch noch besser austoben. ^^), so würde dieses Kapitel wahrscheinlich als "Filler" bezeichnet werden. Und viel mehr ist es auch nicht, eine Füllepisode. Ich brauchte Stoff, um den Platz zu füllen, der zwischen dem letzten Kapitel (ich bin immer noch fix und alle, wie gut es ankam...) und dem Schuss auf David klaffte, der ohne Zweifel ein Cliffhanger werden musste. Also gab es eine kleine Episode aus dem neuen Leben von David und Jem und ich konnte den losen Faden des letzten Kapitels (Alex) aufgreifen, sowie Ash einen Auftritt gönnen, Jasons Partner kam ja in letzter Zeit etwas kurz. Ja und dann ist da eben Marcus. Kaum wieder da, steht er schon im Mittelpunkt. Zugegeben, seine miese Stimmung vergeht sehr schnell und noch schneller kommt er mit Colin zusammen, nachdem er ja mit Gary ziemlich lange gerangelt hat. Aber ich wollte hier erstens zeigen, dass es vor allem von Colins Seite Liebe auf den ersten Blick war. Colin steigt mit diesem Kapitel in den Main Cast auf, von ihm und Marcus wird man noch einiges zu sehen bekommen, womit ich auch endlich Teenagerliebe in der Story hätte ;-) Gary-Fans mögen mir verzeihen ^^ Chris Kuppelei läuft schon fast zu glatt, aber das hatte einen einfachen Grund: Ich brauche Colin und Marc als Paar für die nächsten Ereignisse, ich konnte ihnen nicht mehr Zeit gewähren. Also freuen wir uns einfach mal für die Beiden ;-) Mit diesem Kapitel beginnt einer der Höhepunkte der Geschichte, auf den ich mich schon lange freue. Es werden einige Veränderungen auftreten, die den Status Quo nachhaltig wandeln werden, was nie verkehrt ist, um die Story frisch zu halten (die letzte große Änderung, der Umzug und das neue Leben von Jason und Chris, liegt ja schon etwas zurück). Und da diese Geschichte noch längst nicht an ihrem Ende angekommen ist, wird es mal Zeit für eine kleine Frischzellenkur. ^^ Also viel Spaß beim Warten auf das nächste Kapitel *lacht diabolisch* Besonders KatoKira wird mich sicher lynchen wollen, denn ich weiß noch, dass ich sie mal fragte: "Was würdest du sagen, wenn ich David umbringen würde?". Um die Spannung zu halten: Ich habe die Geschichte wie gesagt grob bis zum Ende im Kopf und nicht jeder Chara wird dieses Ende erleben, soviel ist sicher. Bis zum nächsten Kapitel ^^ Euer diabolischer Uly ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)