Herzschlag I von DieJESSYcA (Miss Paine) ================================================================================ 003 – Sündenfall ---------------- Wir sprachen nicht darüber, als wir uns am nächsten Morgen zum Frühstück trafen. Doch ich spürte ihre Blicke, die auf mir ruhten. Konnte sehen, wie sie scheinbar grundlos lächelte. Nie hatte ich erwartet, dass Schwester Christina, die allen irdischen Versuchungen entsagt hatte, als sie ins Kloster eingetreten war, etwas für mich übrig haben könnte. Es war sündhaft und ich war mir nicht sicher wer die größere Verfehlung begangen hatte. Ich, weil ich eine Nonne küsste, oder Christina, weil sie es nicht unterbunden hatte? Es spielte keine Rolle. Niemand würde davon erfahren und dass Gott es mir nicht verzeihen würde, dass ich seine Dienerin liebte, konnte ich nicht glauben. "Was tust du da?" Christinas Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah sie überrascht an. Schwester Maria, die mir schräg gegenüber saß, lachte herzhaft. "Sie starrt wieder Löcher in die Luft." "Wieso wieder?" "Weil du das ständig tust", gab die kleine Frau mit ihrer feinen Stimme zur Antwort. "Tatsächlich?" Diesmal wandte ich mich an Christina. Es war mir nicht in geringster Weise bewusst. Schwester Christina nickte lächelnd. "Oh ... Entschuldigt, das merke ich gar nicht" Ich versuchte mich auf mein Essen zu konzentrieren. "Ich wollte wissen, was du tust, wenn du die Luft durchbohrst", wiederholte Christina. "Denken", antwortete ich, ohne sie dabei anzusehen, "Ich denke über verschiedene Dinge nach." "Verstehe", sagte sie unerwartet leise. Sie wusste, was mich beschäftigte. Nichts anderes kreiste in meinem Kopf umher, als die vergangene Nacht und bei ihr konnte es nicht anders sein. Ich fühlte es in der eigenartigen Spannung, die zwischen uns lag. Auch sonst sprachen wir während des Essens nicht viel, doch diesmal war es anders. Christinas zweiter, holpriger Versuch, ein Gespräch zu beginnen, war die Frage nach meinen heutigen Aufgaben. "Einkaufen und Fegen." "Das ganze Haus?" "Soweit ich komme. Den Rest dann morgen", antwortete ich, "Da ich nach dem Abendessen noch zu tun habe, werde ich heute sehr wahrscheinlich nicht fertig." Sie nickte und beendete damit die kurze Unterhaltung. Eigenartig, dass man sich plötzlich so fern war, obwohl man sich zuvor doch so nah gekommen war. Es blieb dabei. Wir schwiegen uns an, jedes Mal, wenn wir uns begegneten. Tagelang. Sie fragte nicht nach neuen Kapiteln, oder wie es mir ging und ich blieb ebenso still. Ich fürchtete mich vor ihrer Antwort, deshalb fragte ich nicht was los war. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie mich endgültig von sich wies. Doch mit jedem Sonnenuntergang, der einen weiteren ergebnislosen Tag beendete, wurde ich zorniger. Hatte ich ihre Reaktion in der Bibliothek falsch gedeutet? Wollte sie es einfach nur vergessen? Stundenlang wälzte ich mich mit diesen Gedanken in meinem Bett herum. Ich war mir längst nicht mehr sicher, ob die Ungewissheit oder die Angst vor ihrer Zurückweisung mein größtes Problem war. Eine weitere Woche verging, bis der Wunsch nach einer Antwort zu zermürbend wurde und ich nicht mehr anders konnte, als meine Befürchtungen in den Wind zu schlagen. Ich klopfte an ihre Türe, als ich am Abend aus der Kapelle kam. Kreidebleich und zum Zerreißen gespannt, wartete ich, dass sie mir öffnete. Ihre Schritte näherten sich leise. Mit jedem Auftreffen ihrer Sohlen wurde mir schlechter. Ich wollte mich übergeben. Verschwinden und so tun, als wäre ich nie hier gewesen, doch ich war wie erstarrt. Schwester Christina öffnete die Türe. Sie lächelte. "Megan!", sagte sie überrascht, "Was gibt es?" Meine Augen waren regungslos auf ihre perfekten Lippen geheftet. "Komm doch herein", fuhr Christina fort, als ich ihr nicht antwortete. Sie klang ruhig und gefasst. Nicht den kleinsten Hauch von Nervosität konnte ich in ihrer Stimme oder ihrem Verhalten erkennen. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben ihrem Kleiderschrank und versuchte jeglichen Augenkontakt zu vermeiden, indem ich auf den Fußboden starrte. Mein Herz flatterte wie ein junger Vogel. "Ich wollte auch schon mit dir sprechen", brach Christina die Stille. Und wieso hast du es nicht?! Ich nickte nur. "Du hast mich in eine recht unangenehme Lage gebracht", erklärte sie und nahm auf der Kante ihres Bettes Platz. "Das tut mir leid", erwiderte ich so leise, dass ich nicht sicher war, ob sie mich verstanden hatte. In diesem Moment wurde mir klar, warum sie bisher nichts gesagt hatte: Schwester Christina wollte mich nicht verletzen. Sie war niemand, der einem die Wahrheit eiskalt ins Gesicht schlug. "Ich habe lange überlegt, wie und ob ich mit dir darüber sprechen sollte", fuhr sie fort, "Dafür möchte ich mich nun entschuldigen. Und ich möchte es dir erklären." Ich schüttelte leicht den Kopf: "Du musst mir nichts erklären." Mein Magen hatte sich zusammengezogen und ein unsichtbares Band schnürte mir die Kehle zu. Ich wollte ihre Begründungen nicht hören. Ich wusste es, auch ohne Christinas Worte. Sie war eine Nonne und Nonnen führten keine solchen Beziehung. Und wenn dieser Grund nicht längst Erklärung genug war, so war ich zu allem Überfluss eben auch eine Frau. Zwei Sünden, für die man mich vor ein paar hundert Jahren wohl noch als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätte. Zumindest dahingehend brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. Trotzdem fühlte es sich an, als stünde ich in Flammen. Ich kämpfte mit meinen Gefühlen, die aus mir herauszubrechen drohten. Heiß und kalt lief es mir über den Rücken, meine Unterlippe vor Anspannung beinahe zerbissen, mahnte ich mich, die Fassung beizubehalten. "Hörst du mir überhaupt zu, Missy?", Schwester Christina hatte sich vor mich auf den Boden gehockt und ihre Hände auf meine Knie gelegt. Ich öffnete die Augen und sah sie unsicher an. Missy? Wieso nannte sie mich so? "Was sagtest du?", meine Stimme klang rau, als brütete ich eine Erkältung aus. Wieder lächelte sie mich sanft an, als wäre alles in bester Ordnung. Es machte mich wütend. "Wir müssen es geheim halten", wiederholte sie ihre Worte, die mir zuvor entgangen waren, "Aber ich möchte, dass du immer weißt, dass du für mich etwas Besonderes bist, auch wenn ich es nicht immer zeigen kann. Deshalb möchte ich dir diesen Kosenamen geben. Damit du trotz allem sicher sein kannst, dass es mir ernst ist." ... Was? Wo war ich mit meinen Gedanken gewesen? Wie hatte ich zweifeln können? Christina wies mich nicht ab! Noch immer war ich nicht der Worte mächtig, die ich hätte sagen wollen. Von der einen zur anderen Sekunde war ich vom Rand der Hölle bis zur Himmelspforte aufgestiegen. "Also, was sagst du?", fragte sie mich. Hitze strömte durch meine Adern und aus jeder Faser meines Körpers floss dieses unfassbare Gefühl hin zu meinen Lippen, als ich ihr antwortete: "Ja."     Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Das Hohelied der Liebe, 1. Korintherbrief, 13. Kapitel   Sie küsste mich. Lang und zärtlich, bis ich nicht mehr weinte. Ich fühlte mich schwindelig vom wilden Auf und Ab meiner Gefühle, doch ich war glücklich, endlich am Ziel angekommen zu sein. Nichts würde uns je wieder trennen können.   —   So distanziert die letzten beiden Wochen gewesen waren, so warm und herzlich gingen die nächsten ins Land. Nur noch wenige Tage bis Weihnachten und es gab keinen Ort, an dem ich lieber sein mochte, als bei Christina. Es störte mich nicht einmal, dass mein Vater mir seit nun vollen sechs Monaten nicht mehr geschrieben hatte. Auch die anstehenden Feiertage schienen ihn nicht dazu bewogen zu haben, doch das alles interessierte mich überhaupt nicht. Ich schrieb ihm dennoch meine alljährlichen Feiertagswünsche und es waren die dankbarsten und aufrichtigsten Worte, die er je von mir erhalten hatte. Ich ließ ihn meine Halbgeschwister herzlich grüßen. Einzig die Zeilen an Elizabeth fielen mager aus. Ich ließ sie nur beiläufig in meinen Text mit einfließen. Das war mehr als üblich. Ich glaubte nun zu verstehen, was mein Vater gemeint hatte, als er einst schrieb, dass ich bei ihm nicht hätte glücklich werden können. Er hatte sich damals entschieden mich wegzugeben, was ich ihm stets übel genommen hatte, doch hätte er es nicht getan, wäre ich Christina nie begegnet. Und auch sonst konnte ich nicht klagen, mein Leben war nahezu perfekt. Zufrieden seufzend legte ich meinen Füller beiseite und faltete das Papier ordentlich zusammen, um es in den Umschlag zu stecken. Auf dem Weg in die Stadt wollte ich ihn zur Post bringen. Die letzten paar Tage vor Weihnachten verbrachten die meisten Nonnen mit Spendendosen in der Stadt, genau wie ich. Zu dieser Zeit waren die Menschen spendabler und wir konnten es uns nicht leisten, darauf zu verzichten, also war das Kloster tagsüber oft sehr verlassen. Ich putzte mich also heraus, flocht meine Haare in einen langen, seitlichen Zopf, zog mein Sonntagskleid an und warf mich in den entsprechenden Mantel. Ich wollte nicht nur Spenden sammeln, ich wollte auch Geschäfte machen. Meine Geschichten verkaufen. Dabei konnte ich die Aufmerksamkeit gut gebrauchen, die ich im Gegensatz zu den eher unscheinbaren Nonnengewändern, mit dieser Aufmachung erzeugen konnte. Da ich die einzige im Kloster war, die ihre weiblichen Reize so unverhüllt der Öffentlichkeit zeigen durfte, erntete ich von meinen Schwestern einige verwunderte und auch einige neidische Blicke. Sicher lästerten ein paar von ihnen, doch das berührte mich nicht. Meine Begleitung war natürlich Schwester Christina. "Schön siehst du aus", sagte sie, als wir uns am Ausgang des Klosters trafen, um gemeinsam aufzubrechen. "Danke. Ich möchte ein paar Geschichten verkaufen", erklärte ich meinen Aufzug. "Ohne Bibeln diesmal?", fragte sie schmunzelnd. Ich nickte: "Ja, ohne Bibeln. Ich denke jetzt vor Weihnachten funktioniert es auch so." Sie nickte zuversichtlich und wir verließen das Gelände des Klosters. Der Weg in die Stadt nahm einiges an Zeit in Anspruch und der Wind blies uns hartnäckig entgegen. Es war kalt und ich zog meinen Mantel fester zusammen, bis wir die ersten Häuser erreichten, die den Wind ein wenig abschirmten. Wir gingen zum Marktplatz, an dem die Bevölkerung sich heute der singenden Knabenchöre erfreute und besinnlich zwischen den Ständen umherschlenderte, an denen eifrige Frauen und Männer ihre Waren anpriesen. Es war eine wunderbare Abwechslung zum ruhigen Leben hinter den Klostermauern. Christina begann sofort die Passanten um Spenden zu bitten, wie wir es gelernt hatten: Höflich, unaufdringlich, aber auf das schlechte Gewissen der Leute abzielend. Jeder mochte sich vor Weihnachten noch mit Güte und Großzügigkeit schmücken. Ich holte einige kleine Heftungen aus meiner Tasche und bot sie zum Kauf an. Kleine Liebesgeschichten, Geschichten über Mut und über Helden. Tragödien und Komödien, Märchen und  Fabeln, alles wofür ich mich begeistern konnte. Für jeden Geschmack hatte ich etwas in meiner Tasche. Die Menschen, die mich kannten, kamen ohne zu zögern und blätterten sich durch mein Angebot. Jene, denen ich fremd war, ließen sich vom Andrang locken, den ich nach nur wenigen Minuten ausgelöst hatte. "Megan! Hast du endlich unsere Romanze zu Papier gebracht?", ein junger Mann mit lockigen, dunklen Haaren war hinter mir aufgetaucht. Ich rollte die Augen, als ich mich zu ihm umdrehte: "Nein Michael, aber wenn es soweit ist, wirst du es als erster erfahren." Er grinste nur und ließ mich weiter arbeiten. Es gab natürlich keine Romanze. Außer vielleicht in seinen Träumen. Michael war der Sohn des Schusters, der hier am Marktplatz ansässig war. Er kam oft zu mir, wenn ich in der Stadt war, um Geld fürs Kloster einzunehmen, und unterhielt mich, wenn die Kundschaft ausblieb. Er war immer nett und höflich, brachte mir gelegentlich kleine Naschereien mit und mochte mich offenbar mehr, als ich das erwidern wollte. "Kann ich dich noch für einen Tee begeistern, bevor du verschwindest?", fragte er, nachdem die Interessenten sich einige Zeit später wieder dezimierten. "Tee?", gerne hätte ich einen Tee  getrunken, um mich aufzuwärmen, "Vielen Dank, aber nein, ich muss zeitig wieder zu Hause sein." Es war nicht einmal gelogen, doch entsprach es der Wahrheit nicht gänzlich. Der junge Mann war enttäuscht, auch wenn er es mit einem verständnisvollen Lächeln zu überspielen versuchte. Ich wollte es richtig stellen und wand mich ihm wieder zu: "Michael, bitte versuche nicht mehr, mich von deinen Qualitäten als Ehemann zu überzeugen", er machte große Augen, "Ich mag dich, aber ..." "Aber du bist nicht interessiert", beendete er meinen Satz, nachdem ich ins Stocken geraten war. Er seufzte: "Ja, verstehe schon." "Es tut mir leid", fügte ich leise hinzu. Es tat mir wirklich leid. Michael hatte es nicht verdient, dass man ihn zurückwies. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich nun fühlte, doch ich hatte mich bereits für jemand anderen entschieden. "Schönen Guten Tag, Michael", grüßte ihn Christina, als sie zu uns herüber kam. "Guten Tag, Schwester", er nickte ihr höflich zu und nutze die kurze Unterbrechung, um sich zu verabschieden. Ich sah ihm nach, als er eilig das Weite suchte. "Alles in Ordnung?", fragte sie, als ihr mein missmutiger Blick auffiel. "Ja ...", antwortete ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Christina, "Ich habe ihm gesagt, dass er nicht weiter um mich werben braucht." "Ah, achso", sie wirkte überrascht, "Aber er ist ein hübscher Junge." "Wie bitte?!", ich sah sie fassungslos an, "Er interessiert mich aber nicht! Du interessierst mich!" Ich war lauter geworden und Christina fuhr zusammen. Sie sah mich erschrocken an und zischte, dass ich still sein solle. Es machte mich wütend, dass sie so etwas sagte. "Es war nur eine belanglose Einschätzung", erklärte sie sich, "Beruhige dich bitte wieder, Missy." Ein gut getarntes Ich liebe dich, das mich augenblicklich wieder entspannte. "Entschuldige ...", ich seufzte leise, "Ich hätte nicht laut werden sollen." Und wieder führte sie mir deutlich vor Augen, welches Glück ich hatte, dass dieser Engel an meiner Seite war: Sie legte ihre Hand auf meine Schulter, lächelte und vergab mir ohne wenn und aber. "Meine Spendendose ist bereits voll", wechselte sie mit Leichtigkeit das Thema, "wie sieht es bei dir aus?" "Fast", antwortete ich und zeigte ihr meine gesammelten Spenden, die neben dem Verkauf der Geschichten zusammengekommen waren, "und 38 Dollar für meine Verkäufe." Sie staunte und ich wäre vor Stolz beinahe einige Zentimeter gewachsen. Es war das erste Mal, dass ich an einem einzigen Tag über 30 Dollar gekommen war und diesmal hatte ich sogar zusätzlich noch Spenden erbeten. Es war also doppelt bemerkenswert, dass so viel Geld zusammengekommen war. "Ich denke, dann können wir uns wieder auf den Rückweg machen", entschied Christina mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht, "Wir sind sicher die Ersten, die ihr Soll erfüllt haben." "Davon ist auszugehen", bestätigte ich ihre Vermutung. Nun konnten wir uns auf ein warmes Bad freuen, wenn wir zu Hause waren, während die anderen Schwestern noch durch die Stadt wanderten. Sicher war ich die Einzige, die eine gewisse Schadenfreude empfand, doch auch Christina schien sich darüber zu freuen, dass wir das Kloster vorerst für uns alleine hatten. Wir beeilten uns auf dem Rückweg. Ich nahm ihre Hand, als wir hinter den schützenden Klostermauern verschwunden waren, sah mich kurz um, küsste sie flüchtig und warf ihr einen neckenden Blick zu, dass sie mir schnell nach oben folgen sollte. Die Aufregung schlich sich zurück in meinen Körper, als ich als erste den Waschraum betrat, einen Kessel mit Wasser auf den Ofen stellte und etwas Holz nachlegte. Ich wollte sie endlich berühren, wollte ihre Haut spüren und jetzt war der Moment gekommen, in dem es mir gestattet sein würde. Die Türe öffnete sich und Christina trat ein. Ihr schwarzes Haar fiel wellig über ihre Schultern, als sie einen ordentlich zusammengefalteten Stapel Kleidung auf einem schmalen Tisch drapierte. "Du darfst zuerst baden", verkündete ich entschieden, um ihr keine Möglichkeit der Widerrede zu geben. "In Ordnung", fügte sie sich meiner Entscheidung, auch wenn sie wahrscheinlich für eine andere Reihenfolge plädiert hätte, "Vielen Dank." Sie half mir, einige Eimer Wasser in die Wanne zu kippen, ehe ich das Zimmer verließ, um mir ebenfalls ein paar andere Kleidungsstücke aus meinem Zimmer zu holen. Etwas Schlichteres, das sich besser für den Küchendienst eignete, der mir später wieder bevorstand. Der letzte Abend meiner Wiedergutmachung für das Beschmutzen der Heiligen Schrift. Als ich alles beisammen hatte und wieder in den Waschraum zurückkehrte, goss Christina gerade das kochende Wasser der Wanne hinzu. Ich legte meine Sachen ab und spürte einen harten Schlag in meiner Brust, als sie sich aus ihrer Kleidung schälte. Gebannt beobachtete ich jede ihrer Bewegungen. Ich hatte sie bereits einige Male in Unterwäsche gesehen, doch niemals völlig nackt. Sie sah genau so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Makellos. Alles an ihr war perfekt. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und kam zu ihr hinüber, als sie sich im warmen Wasser niedergelassen hatte. Wortlos kniete ich mich hinter sie und nahm Schwamm und Seife von einem kleinen Hocker, um ihren Rücken zu waschen. Christina beugte sich nach vorne, damit ich mehr Platz hatte, doch ich zögerte. Lange, schmale Narben zogen sich quer über ihren Rücken. Das war mir nie aufgefallen. Ohne, dass ich ihr diese Frage stellte, beantwortete Christina sie mir: "Mein Vater hat viel getrunken. Er ist Schmied und schlug mit glühenden Eisenstangen nach mir, wenn ich nicht gehorsam war." Mir fehlten die Worte. Wie konnte ein Vater seine Tochter so misshandeln? "Bist du deswegen hier?", fragte ich, während ich mein anfängliches Zögern überwand und begann ihren Rücken zu waschen. "Ja, zum Teil", erklärte sie, "Ich wollte von zu Hause fort und es gab keinen Mann, bei dem ich mich sicher gefühlt hätte, also entschied ich mich für Gott." "Bereust du es? Dass du dich gegen eine eigene Familie entschieden hast?" "Meine eigene Familie ist hier. Die Schwestern und du, das ist meine Familie", sie drehte sich mit ihrem sanften Lächeln zu mir um, "Ich bin sehr glücklich." Ich erwiderte ihr Lächeln und wusste genau was sie meinte. Wir empfanden gleich, für die Schwestern und füreinander. Es war wie ein wunderbarer Traum, nur dass wir nicht schliefen und jede Berührung echt war. Ich konnte beobachten, wie ihre Brust sich hob und wieder senkte, während ich den Schwamm über ihre Haut führte. Wir schwiegen und ich hörte ihren Atem. Meine Fingerknöchel streiften sanft ihre weichen Formen entlang, noch immer den Schwamm umklammernd, der mir ein wenig Sicherheit gab. Wie wild waren meine Träume gewesen und wie ängstlich stellte ich mich nun an, da es Realität war? Diese beiden Welten waren nicht im Geringsten vergleichbar, doch so war es meist. In meiner Fantasie konnte ich alles tun und alles sagen, doch die Wirklichkeit stellte mich jedes Mal vor Hürden und Barrieren. Ich wusste genau, dass ich den Schwamm niederlegen wollte, doch meine Finger gaben ihn nicht frei. Wovor fürchtete ich mich nur so sehr? Sie würde nicht schreiend aufspringen und aus dem Zimmer stürzen, wenn ich ... Christina griff nach meiner Hand. Sie nahm den Schwamm und ließ ihn ins Wasser fallen. Dann sah sie mich an und zum ersten Mal dachte ich nicht, dass sie ein Engel war. Ihre Hände griffen gierig nach mir. Sie erhob sich ein Stück und zog mich zu sich, als wollte sie mich nie wieder freigeben. Brennende Hitze schoss durch mich hindurch, ich zitterte ohne zu frieren und sog jede Sekunde dieses Moments in mir auf, als sie mich an ihren nackten Körper presste. Ihre Lippen waren genauso weich wie beim letzten Mal, als ich sie küsste, doch die Unschuld, die auf ihnen gelegen hatte, war hinfort. Ich ließ mich von ihr leiten und tauchte immer weiter in diese neue Erfahrung ein. Ich hatte mich völlig der fesselnden Begierde hingegeben, die mein sündiger Engel verströmte. Ich wand meine Arme um ihre Hüften, sie vergrub die Finger in meinen Haaren und wäre ich ebenfalls nackt gewesen, so wären wir augenblicklich verschmolzen. Nur ein dünnes Stück Stoff trennte uns. Ich spürte ihr Herz an meiner Brust und fiel mit ihr hinab ins Wasser. Mein Kleid durchtränkt mit verschlingender Lust, lag ich halb im Wasser, halb auf ihr. Pauken schlugen laut in meinen Ohren und unter meinen Rippen. Mein Kopf war voller Nebel, ich konnte keinen einzigen Gedanken mehr fassen nur das überwältigende Verlangen mit dieser Frau eins werden zu wollen. Ein Paradies auf wackligen Säulen, die in sich zusammenbrachen und uns mit sich rissen, als das Scheppern eines Blecheimers von den Fliesen widerhallte und uns gewaltsam zurück auf die Erde zwang. Ich sah auf und wollte augenblicklich sterben. Schwester Maria stand mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund in der Türe, der Eimer war ihrem Griff entglitten. In ihrem Gesicht stand ohne jeden Zweifel ganz deutlich ein Wort geschrieben, dass mir das Blut in den Adern gefrieren ließ: Sünder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)