Zwischen Hölle und Hölle von abgemeldet ================================================================================ | vier | Es war gerade mal früher Nachmittag und trotzdem fühlte ich mich schon wie mehrmals überfahren. Nach einem recht ruhigen Vormittag mit Kai hatte ich mich hinausgewagt in die große, fremde Stadt. Immerhin musste ich pünktlich zu meinem Vorstellungsgespräch kommen. Der Brünette hatte mir noch erklärt, welchen Weg ich nehmen musste und welche Straßenbahn, und mit einem positivem Gefühl war ich losmarschiert. Zu Hause gab es zwei Bushaltestellen in der ganzen Stadt, hier sogar mehrere Bahnhöfe nur in der Nähe. Tausende Menschen hatte ich zu Gesicht bekommen, drei Straßenlaternen über den Haufen gerannt, war über unzählige Hundeleinen gestolpert, hatte mich mehrmals verlaufen und war fast in der Bahn zerquetscht worden, aber nun stand ich völlig fertig vor dem richtigen Gebäude. Schon von außen drang mehrstimmiges Geschrei an mein Ohr und ich fragte mich kurz, ob es wirklich die richtige Wahl gewesen war. Ich sammelte meinen gesamten Mut, stieß die mit bunten Buchstaben beklebte Tür auf – und hatte schon ein kleines Kind an mir kleben. Ja, es war ein Kindergarten. Laut Anzeige suchte man hier eine Aushilfe, einen Betreuer, der kurzfristig einspringen konnte und sich den Job zutraute. Nun, warum nicht? Ich mochte Kinder, auch wenn ich nicht wirklich viel mit ihnen zu tun gehabt hatte bisher. »Wer bist du denn?«, fragte das Mädchen im rosa Kleid an meinem Knie und schaute mich mit großen, braunen Augen an. »Ich bin Aoi, und du?«, fragte ich zurück, schaute mich unauffällig um. Wo war denn hier das Büro? Der Flur hatte bemalte Wände, ein paar Spielsachen lagen herum und aus mehreren Türen hörte ich Kinderstimmen. Besonders groß schien der Kindergarten nicht zu sein, bis zum Ende des Flurs gab es genau fünf Türen, eine davon grau und trist, der Rest mit Basteleien beklebt. »Ich bin Nanami«, meldete sich die Kleine zu Wort und ich sah wieder nach unten. »Nanami, weißt du, wo hier das Büro ist?« »Büro?« Sie sah mich fragend an. »Ja, das … ist so ein Raum mit Schreibtischen und Telefonen, die ständig klingeln«, versuchte ich zu erklären. Schon wurde ich an der Hand gepackt und mitgezogen. Das Mädchen führte mich an den bunten Türen vorbei, stoppte vor der grauen und zeigte darauf. Ich lächelte sie an und klopfte. »Herein!«, tönte eine Stimme, die ich als Ishida-san wiedererkannte, die Frau am Telefon. Schluckend versuchte ich die Nervosität zu verdrängen, immerhin wartete noch das Vorstellungsgespräch auf mich, und öffnete die Tür, trat ein. Dass Nanami immer noch an meiner Hose hing, bemerkte ich erst, als ich einer zierlichen Frau gegenüberstand und die Tür hinter mir schloss. »Guten Tag, Sie sind Shiroyama-san, nicht wahr? Ich bin Ishida-san, die Direktorin hier. Setzen Sie sich doch bitte.« Ishida-san wies auf einen Stuhl, auf dem ich mich niederließ. Sofort kletterte Nanami auf meinen Schoß und machte es sich gemütlich. »Wie ich sehe, haben Sie bereits eines unserer Kinder kennengelernt«, lächelte mich die Frau an. »Er sagt, er heißt Aoi! Und er ganz lange nach dem Büro gesucht!« Ich spürte, wie ich rot wurde. Das musste nun wirklich nicht jeder erfahren. Zum Glück überging Ishida-san die Worte. »Sie möchten also den Job übernehmen und als Aushilfe hier arbeiten. Haben Sie schon Erfahrungen mit Kindern? Nachhilfe gegeben, Praktika absolviert, Gruppen begleitet?« Irgendwie sah ich in diesem Moment meine neue WG vor Augen. Die chaotischen und teils kindischen Mitbewohner. Aber mit ›richtigen‹ Kindern … »Ähm … Also nicht so viel«, gab ich zu. »Und Geschwister?« »Nur ältere.« »Ich hab auch Geschwister! Aber die sind doof, die nehmen mir immer meinen Ball weg!« Ich musste lächeln, als Nanami beleidigt die Arme verschränkte und aussah wie eine schmollende, rosafarbene Kugel. »Dann versteck deinen Ball doch irgendwo, wo sie ihn nicht finden.« »Meinst du echt?« Und schon hatte ich das erste Kind zum Strahlen gebracht. »Sie können offenbar gut mit Kindern umgehen, das ist sehr wichtig. Wie sieht es aus mit anderen Dingen? Können Sie singen oder ein Instrument spielen?« Singen? Oh Gott. Na ja, Kindern war es wahrscheinlich egal, ob es gut klang oder nicht. Hauptsache, die konnten mitgrölen. »Ich kann Gitarre spielen«, antwortete ich und registrierte das zufriedene Nicken mir gegenüber. »Sie trauen sich den Job also wirklich zu, ja? Sie müssen Stress aushalten können, Probleme lösen und sehr einfühlend sein. Außerdem brauchen Sie gute Sprachkenntnisse, da viele der Kinder hier noch Schwierigkeiten damit haben.« Ishida-san wühlte in einer Schublade und förderte einen Berg Papier zutage. »Sie machen einen guten Eindruck. Wenn Sie einverstanden sind, probieren wir es.« ♦ Nach einer ganzen Stunde wurde ich endlich entlassen. Also aus dem Büro, nicht aus dem Job. Den hatte ich. Und eine neue Freundin namens Nanami, die am liebsten mit mir nach Hause gegangen wäre. Ishida-san hatte mich zur Märchenwald-Gruppe zugeordnet. Wenn ich mich richtig erinnerte, gab es noch die Kleeblattzwerge, die Butterkekse und die Schneckensammler. Wer dachte sich solche Namen eigentlich aus? Jedenfalls hatte ich dann gehen dürfen, morgen um acht würde mein erster Tag beginnen. Nun saß ich wieder in der überfüllten Straßenbahn. Die Stadt zog an mir vorbei, es schien gar kein Ende zu geben. Die Sonne war schon teilweise hinter den hohen Gebäuden verschwunden, der Abend rückte näher. Mit jeder Station wurde es voller und ich stand auf, drängte mich schon mal Richtung Tür, damit die Bahn nicht weiterfuhr, bevor ich ausgestiegen war. Schon bald erreichte ich den Bahnhof, an dem ich am frühen Nachmittag eingestiegen war. Nach dem Ausstieg und dem Labyrinth der Bahnhofsgänge würde ich mich noch durch die Straßen kämpfen müssen, um den Supermarkt zu finden. Reita würde es wahrscheinlich wieder vergessen, einkaufen zu gehen, und so hatte ich Kai am Morgen angeboten, den Gang zum Supermarkt zu übernehmen. Mit einem Quietschen kam die Bahn zum Stehen. Ich quetschte mich durch die Menschen, ploppte hinaus auf den Bahnsteig wie ein zusammengedrückter Schwamm und machte mich auf den Weg. Ich konnte mein Ziel nach längerer Suche schon sehen, ein grell beleuchteter Supermarkt in dieser schattigen Nebenstraße, als ein schrilles Pfeifen neben mir erklang. Oder eher über mir. Verwirrt sah ich nach oben, entdeckte meinen honigblonden Mitbewohner. Über mir. Auf einem Baugerüst. »Na, Süßer? Hast du schon Sehnsucht?« Akrobatisch hangelte er sich hinab, baute sich in Blaumann, schweren Stiefeln und gelbem Helm direkt vor mir auf. Verdattert starrte ich ihn an. Uruha arbeitete als … Bauarbeiter? »Woher wusstest du, dass ich heute auf dieser Baustelle arbeite?« »Ich … Also …«, stotterte ich, immer noch leicht geschockt. »Also … Ich war … auf dem Weg zum … Super… Supermarkt …« »Super-Supermarkt? Na, so toll ist der auch wieder nicht. Hm, schon fast fünf Uhr. Also ist es bald sechs Uhr. Hey, ich hab gleich Feierabend! Weißt du was? Ich mach einfach ein bisschen früher Schluss heute und komme mit, Schatz.« Ächzend zog sich der Honigblonde die Gartenhandschuhe von den Händen, warf sie auf den Boden und preschte davon. Kaum war die Staubwolke verschwunden, tauchte er wieder auf, eine pinke Tasche geschultert. »Ich ziehe mich zu Hause um. Na komm!« Und schon wurde ich wieder mitgezerrt. »Hast du einen Einkaufszettel von Kai bekommen?« Wir schlenderten durch die Regale, umfuhren Kinderwägen und wichen Rollatoren aus. Überall hasteten Menschen an uns vorbei, rammten uns mit ihren Einkaufswagen. Dazwischen standen Angestellte, die ihre überteuerten Produkte, getarnt als Sonderangebote, verkaufen wollten und den Weg versperrten. Ganz schön voll hier. In meiner Erinnerung waren Supermärkte Orte, in denen man sich erschreckte, wenn ein anderer plötzlich um die Ecke bog, weil man sich so allein fühlte zwischen Konserven, Obst und Reissäcken. »Ja, hier …« Ich wühlte den zerknitterten Zettel aus meiner Tasche hervor, faltete ihn auf. Sofort riss ihn mir Uruha weg. »Wir müssen unbedingt in die Kosmetikabteilung, Kai hat den Nagellackentferner vergessen. Du ahnst ja nicht, was mir gestern auf der Baustelle passiert ist!«, stöhnte er theatralisch, griff sich an den Kopf. »Dir ist ein Nagel abgebrochen?« »Ganz genau! Heute Morgen hab ich erst mal sehr lange gesucht, bis ich endlich Handschuhe gefunden habe. Kann ja nicht sein, dass die Jungs meine Nägel in diesem desaströsen Zustand sehen, der mittlere ist kürzer als der Rest!« »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es denen völlig egal ist.« »Mensch, und ich hab gestern nicht genug gefeilt, was meinst du wohl, was da heute passiert ist?« Tief durchatmend umkurvte ich eine übergewichtige Frau und steuerte auf die Gemüseabteilung zu, ließ meine Augen über das Angebot schweifen. »Ganz genau! Ich bin hängengeblieben. Und beim Versuch, meinen Nagel zu retten, bin ich gegen das Gerüst gelaufen und hab mir an der anderen Hand den Nagellack abgekratzt. Das sah vielleicht schrecklich aus. Aber die Jungs waren so nett und haben mir noch einen zweiten Handschuh besorgt.« Ich packte das von Kai gewünschte Gemüse in den Einkaufswagen und schob selbigen weiter. »Und dann war auch schon Mittagspause. Verrückt, ich hatte noch nicht einmal angefangen zu arbeiten!« Nach und nach wanderten Brot, Reis, Kaffee und Tee in den Einkaufswagen, ebenso Klopapier und Vogelfutter. Offenbar hatte Reita wirklich einen Vogel. Also einen echten. Mit Federn. Wie hieß der noch? Keiji? »Aber am Nachmittag hab ich dann den Mörtel auf die Steine geschmiert. Und dann kamst auch schon du. Verrückt, wie schnell so ein Tag umgeht. Hey, nicht da entlang!« Die blubbernde Stimme hielt inne, zog mich in die andere Richtung. Weg vom Klopapier und zur Kosmetikabteilung. »Wo ist denn das Parfüm?«, murmelte er, griff nach kurzer Suche zu und sprühte sich erst mal von oben bis unten ein. »Das mache ich jeden Tag nach der Arbeit. Das Zeug ist aber auch unverschämt teuer, da sollen die sich mal gar nicht wundern, wenn die Probefläschchen immer leer sind!« Leer war der Flakon wirklich, als Uruha ihn wieder wegstellte. Eine sichtbare Parfümwolke umgab ihn, als er kreischend weiterrannte und eine Packung aus dem Regal zog. »Hier, das brauchst du unbedingt, Schatz! Das funktioniert gut, benutze ich auch. Damit sind deine Haare ganz blond!« Er hielt mir Bleichmittel unter die Nase. »Nein danke. Ich bleibe lieber bei Schwarz.« »Ach komm schon, du würdest so unverschämt heiß aussehen, Süßer!« »Nein.« »Na los, ich helf dir auch!« »Nein.« »Ist auch gar nicht teuer und hält ewig!« »Nein!« »Komm schon, Schatz, färb deine Haare!« »NEIN, VERDAMMT!« Das Stimmengewirr um uns herum erstarb, ebenso die Wrestlingkämpfe um die Ware. Stattdessen glotzten alle in unsere Richtung. Aber wenn ich gehofft hatte, Uruha würde nun peinlich berührt die Packung weglegen und sich aus dem Staub machen, dann hatte ich mich getäuscht. »Hey, da ist ein Verkäufer! Huhu, Sie da! Sagen Sie ihm, dass ihm blonde Haare viel besser stehen!«, brüllte er quer durch den Laden. Und schon suchte mein Rest an guter Laune im Keller die Falltür. Wo war nur das berühmte Loch, wenn man mal verschwinden wollte? »Komm endlich!«, zischte ich den Honigblonden an und zerrte ihn mit mir Richtung Kasse. ♦ Nach gefühlten tausend Jahren – in Wahrheit nur wenige Minuten, da der Supermarkt recht nah war – schloss Uruha schnatternd die Wohnungstür auf, während ich keuchend und beladen danebenstand. Natürlich hatte der Andere keine der schweren Tüten tragen können, immerhin gab es ja mindestens einen desaströsen Nagel zu beschützen. Schweigend folgte ich ihm hinein, schüttelte meine Schuhe ab und schlurfte Richtung Küche, während der Honigblonde zeternd im Bad verschwand. Kaum hatte ich die Tür aufgeschoben, schlug mir ein köstlicher Duft entgegen. Ganz egal, was Kai da kochte, es roch unheimlich gut! Meine Laune hob sich wieder. »Hey, Aoi! Warte, ich helf dir!« Sofort nahm ein mir göttlich erscheinender Kai in Schürze ein paar der Tüten ab und verfrachtete sie auf den Küchentisch. »Was kochst du denn da?«, fragte ich neugierig und schielte zu den Töpfen. »Nichts Besonderes, nur Curry. Hast wohl Hunger, was?« Der Gott des Essens lächelte mich an und widmete sich dem Wegräumen der eingekauften Nahrungsmittel. »Wie war dein Vorstellungsgespräch?« »Ganz gut, die Direktorin hat mich eingestellt. Morgen früh geht's los.« »Hey, das ist ja toll!« Ich fühlte mich wie zu Hause. Während ich half, den Tisch zu decken, erzählte Kai mir von seiner Arbeit und kochte. Fast wie eine Mutter. Und als dann noch die anderen dazukamen und wir gemeinsam aßen, war ich mir sicher, dass diese WG der beste Platz zum Wohnen in ganz Tokyo sein musste. Zumindest so lange, wie das Essen dauerte. »Und, hat es euch geschmeckt?«, fragte der Koch erwartungsvoll, als wir satt und zufrieden auf den Stühlen hingen. Uruha und Ruki brummten nur und Reita schüttelte den Kopf. »Ich fand es sehr lecker, Kai«, gab ich kund und wurde glücklich angestrahlt. »Reita, du stehst auf dem Plan«, wagte der Brünette zu erwähnen. Grummelnd kratzte sich der Blonde hinter den Ohren. »Welcher Tag ist denn heute? Ist die Woche nicht schon um?« »Nein, sie hat gerade erst angefangen.« »Ich bin mir sicher, dass sie um ist!« »Du bist sogar zu blöd, um einen Kalender zu lesen«, kicherte Uruha und zog eine Nagelfeile hervor. Das war das Startzeichen. »Ach ja? Und du bist zu blöd, um die Uhr zu lesen!« »Wieso das denn?« »Wer kommt denn hier jeden Tag zu spät zur Arbeit?« »Woher willst du das denn wissen?!« »RUHE!« Kai faltete die Hände, schien sich zu sammeln. »Bevor das hier wieder in so einen Streit wie letzte Woche ausartet, spüle ich lieber selbst!« Zufrieden lehnte sich Reita zurück und nickte. Uruha zuckte nur gelangweilt die Schultern. Ruki streichelte unbeeindruckt die Luft. Und ich war einfach nur entsetzt. Die überließen alles Kai. Einfach so. »Kai, ich kann auch …« »Nein, brauchst du nicht«, wurde ich abgewimmelt. Der Brünette ließ Wasser in die Spüle laufen. »Ach, Ruki. Du hast noch kein Haushaltsgeld für diesen Monat abgegeben.« »Mach ich gleich«, wisperte der Kleine neben mir und schielte mich von der Seite an. »Sag, Aoi-chan, hast du deinen Job bekommen?« Perplex starrte ich ihn an. Woher wusste er davon? »Job ist ein gutes Stichwort«, mischte sich Reita ein. »Wann gehst du eigentlich mal arbeiten, Giftzwerg?« »Das geht dich ja wohl gar nichts an! Sieh lieber zu, dass du nicht gefeuert wirst, du Penner!« »Dämlicher Vorgartenzwerg!« »Dummsack!« »Ausgekotzte Zwergpygmäe!« Ruki schnappte empört nach Luft, stand ruckartig auf und blitzte mit kurzsichtigen Augen quer über den Tisch. »Das ist unter meinen Niveau, ich muss mich regenerieren!« Und schon war er weg. »Der Kleine sollte sich mal einen neuen Spruch überlegen«, kommentierte Uruha gelangweilt den Abgang und gähnte. »Als ob du bessere auf Lager hättest«, knurrte der Blonde, schien immer noch nicht genug zu haben. »Bessere als du auf jeden Fall.« »Du kriegst es doch nicht mal hin, dir einen Nagel richtig zu feilen, dann schaffst du es an deiner Sprache erst recht nicht!« »Ach ja? Wenigstens weiß ich, wofür so eine Feile ist und versuche nicht Holz damit zu zersägen!« »Weil du so weiblich bist!« »Und du bist so männlich, wenn du Blähungen hast, röhrt der Rhythmusteil von ›Highway to hell‹ aus dem Bad!« »Ein bisschen Po-esie muss sein.« »Was soll denn jemand denken, der zu Besuch kommt? Oder Aoi?« »Den Penner stört das nicht!«, brüllte Ruki aus dem Flur. »Der lässt sich einfach gehen, Aoi-chan gehört doch jetzt zu uns, da bleibt alles in der Familie!« Während Kai mit einem Lachanfall kämpfte und ich tiefrot unter dem Tisch versank, stürmten auch Reita und Uruha aufgebracht aus der Küche, ließen lautstark ihre Türen knallen. Die darauffolgende Stille war schon fast unheimlich, nur das Klappern des Geschirrs war zu hören und das unterdrückte Lachen Kais. »Ist … Sind die immer so?«, brachte ich dann doch noch heraus, starrte den Brünetten an. »Mach dir nichts draus. Am besten gewöhnst du dich dran, das passiert jeden Tag.« »Aoi-chan?« Ruki kam wieder herein. »Hast du denn den Job bekommen?« Er setzte sich auf die Tischkante und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Hat er. Ab jetzt ist er Kindergärtner!«, erzählte Kai und grinste. »Das ist schön, Aoi-chan. Hoffentlich macht es dir Spaß.« Ich war noch immer verwirrt. Eben noch Geschrei und Gezeter, jetzt saßen wir hier friedlich und der Kleine flüsterte mit ruhiger Stimme. Vielleicht war er schizophren. »Ich gehe dann schlafen. Gute Nacht, Aoi-chan und Kai-chan.« Ruki rutschte wieder hinunter, schlich in den Flur. »Verdammt, geh mir aus dem Weg, du blöder Penner!«, hörte ich ihn noch schreien. ♦ Hustend öffnete ich die Badezimmertür und trat hinaus in den Flur. Nach einer zehnminütigen Folter im Bad schwor ich mir, nie wieder nach Uruha die Nasszelle zu benutzen. Abgesehen von seinen pinken Utensilien, die alle vorhandenen Ablagen, Regale und Flächen überfluteten, hatte er außerdem die Fliesen mit bunten Blumen beklebt und schien jedes Mal Unmengen Parfüm zu benutzen, wenn er darin herumwütete. Meine arme Lunge, ich hatte das Rauchen doch aufgegeben. Wer hätte ahnen können, dass derartige Duftstoffe genauso im Hals kratzten? Ich wollte gerade eine Tür weiter mein Zimmer betreten, als ich den Lichtschein unter der Wohnzimmertür bemerkte. Leise schlich ich hin, darauf bedacht, nicht allzu viel Lärm zu machen. Irgendjemand schien noch vor dem Fernseher zu sitzen, Stimmen drangen aus dem Raum. Vorsichtig öffnete ich die Tür und erblickte den Blonden, der genau wie gestern auf dem Sofa lag. Er wirkte ruhig, gar nicht mehr so wie vorhin. Aus dem wurde ich einfach nicht schlau. Waren Uruha oder Ruki in der Nähe, schrie er herum, als gäbe es kein Morgen. Allein schien er jedoch eher friedlich zu sein. War ein anderer im Raum, saß er besitzergreifend und herrisch auf seinem Platz, ließ niemanden an sich heran. So jedoch sah er … fast schon schwach aus. Zerbrechlich. Zumindest war das mein Eindruck nach so kurzer Zeit. Plötzlich bemerkte ich den Blick Reitas. Er hatte bemerkt, dass ich hier stand und sah mich stumm aus dunklen Augen an, hatte mich beim Beobachten erwischt »Äh … Ich wollte nur … Gute Nacht sagen«, stammelte ich ertappt und spürte, wie ich rot wurde. Reita sagte nichts, wandte nur den Blick wieder zum Fernseher. Unsicher trat ich zurück, schloss die Tür wieder und ging in mein Zimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)