out of time von Morwen ((but in the right place)) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Vom Flugzeug aus ist von den Zerstörungen des Kampfes fast nichts mehr zu sehen. Von manchen Gebäuden sind zwar fast nur noch Trümmer übriggeblieben, aber die Aufräumarbeiten sind in vollem Gange und vielerorts hat bereits der Wiederaufbau begonnen. Steve berührt geistesabwesend das Fensterglas, als die Maschine in einem Bogen über die Stadt fliegt und zur Landung auf dem John F. Kennedy International Airport ansetzt. Eine außerirdische Macht greift New York an und fordert unzählige Menschenleben, denkt er, und die Stadt reagiert darauf, indem sie das tut, was sie schon immer getan hat – einfach weitermachen, wie zuvor. Ob die New Yorker damals nach dem Weltkrieg einen ähnlichen Eifer an den Tag gelegt hatten, als die siegreichen Truppen aus Europa zurückkehrten? Vermutlich. Er weiß es nicht, aber er wäre gerne dabei gewesen. Das Flugzeug landet, und Steve reiht sich geduldig in die Schlange derer ein, die auf ihr Gepäck warten. Hin und wieder bekommt er neugierige Blicke zugeworfen, aber er tut so, als würde er sie nicht bemerken. Noch erkennen ihn die meisten Leute nicht ohne seinen Anzug und Schild, aber er weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das ändern wird. Als er den Terminal durchquert, wird er zweimal gefragt, ob er ein Autogramm geben kann. Steve, der zu höflich ist, um bei solchen Dingen nein zu sagen, lächelt und nickt und unterschreibt, aber er lässt sich in kein Gespräch verwickeln, denn er ist müde und er will... Er will... Nach Hause, eigentlich, aber das ist siebzig Jahre entfernt, und eine Rückkehr ist unmöglich. Dann muss er wieder an sein letztes Gespräch mit Tony denken und an die Nachricht, die er ihm geschickt hat, und neue Entschlossenheit erfasst ihn. Ihm ist immer noch der Avengers Tower geblieben, und Stark hat deutlich gemacht, dass er dort stets willkommen ist. Und wenn Steve ehrlich ist, weiß er auch nicht, wo er sonst hin soll, also warum das Angebot ablehnen...? Die schwülwarme New Yorker Luft erschlägt ihn fast, als er das Flughafengebäude verlässt. Er blinzelt mehrmals ins grelle Sonnenlicht, dann finden seine Finger die Sonnenbrille in der Brusttasche seines Hemdes und er setzt sie schnell auf. „Captain Rogers! Schön, Sie wiederzusehen!“ Steve dreht sich verwirrt in die Richtung um, aus der die Stimme kam, und kann den Sprecher in der Menschenmenge nicht gleich ausmachen. Doch dann entdeckt er die unscheinbare, in ein einfaches Hemd und helle Hosen gekleidete Gestalt, die mit einem Lächeln auf ihn zukommt. „Doktor Banner!“, erwidert er und schüttelt dem anderen Mann lächelnd die Hand. „Die Freude ist ganz meinerseits.“ „Bitte, Bruce reicht völlig aus“, erwidert der andere Mann. „Sie haben mich halbnackt und in grün gesehen, ich glaube, wir können uns die Formalitäten sparen.“ Steve lacht. „Einverstanden. Aber nur, wenn Sie Steve zu mir sagen.“ „Ich glaube, das kriege ich hin“, meint Banner mit einem Lächeln und führt Steve dann zu den Parkplätzen. „Tut mir leid, dass das Empfangskomitee etwas mager ausfällt“, sagt Banner, während sie laufen. „Stark ist momentan leider sehr beschäftigt. Außerdem hätte sein Erscheinen am Flughafen einen ziemlichen Medienrummel ausgelöst. Er ist wie eine Ein-Mann-Boyband, es ist manchmal wirklich kaum zu ertragen.“ Steve versteht den Vergleich nicht, aber er begreift, was der andere Mann damit zum Ausdruck bringen will, und winkt nur ab. „Das ist kein Problem, wirklich“, meint er, auch wenn er für einen Moment tatsächlich ein wenig enttäuscht war, dass Tony nicht mitgekommen ist. „Wie war die Reise?“, fragt Bruce, als sie ins Auto steigen – ein Mietwagen, wie Steve beruhigt feststellt, und zum Glück keines der auffälligen und sündhaft teuren Automobile aus Tony Starks Privatsammlung (obwohl dieser Bruce zweifellos eines davon geliehen hätte, wenn Banner ihn danach gefragt hätte). „Stark erzählte mir, dass Sie- entschuldige, dass du in Europa warst.“ „Das war ich“, erwidert Steve und seine gute Laune verfliegt wieder etwas. „Mein Aufenthalt dort war leider sehr ernüchternd.“ Banner schenkt ihm einen mitfühlenden Blick, während er den Wagen aus der Parklücke lenkt. „Das tut mir leid.“ „Das muss es nicht“, entgegnet Steve mit einem Lächeln, das seine Augen nicht ganz erreicht. Dann wechselt er das Thema. „Können wir vielleicht einen kleinen Umweg machen, bevor wir zum Tower fahren?“, fragt er. „Ich muss etwas abholen. Etwas, was mir sehr wichtig ist...“ *~*~* „Du hast deinen Schild in der Bank einschließen lassen, während du weg warst?“ Clint steht mit vor der Brust verschränkten Armen im Türrahmen von Steves altem Zimmer und starrt ihn an. Steve zuckt nur mit den Schultern, während er seine Tasche weiter auspackt. Viel ist es nicht, denn er ist noch den Drill aus seiner Zeit in der Armee gewohnt und hat darum sehr effizient gepackt und nur das Nötigste mitgenommen. „Was ist daran so unverständlich?“, entgegnet er und legt die unbenutzte Kleidung ordentlich zusammen, bevor er sie im Kleiderschrank verstaut. „Ich war als Steve Rogers in Europa, nicht als Captain America. Außerdem habe ich mich vorher genau belesen, und bei den hohen Sicherheitsvorkehrungen, die heutzutage Standard zu sein scheinen, hätte ich den Schild niemals mit ins Flugzeug nehmen können.“ Steve hatte sich nur ungern von ihm getrennt, doch er weiß, dass er damit das Richtige getan hatte. Trotzdem verschwindet der ungläubige Ausdruck nicht von Clints Gesicht. „Und was hast du gesagt, als du ihn abgegeben hast?“, fragt Barton weiter. „‚Guten Tag, ich bin Captain America, hier ist mein Schild, passen Sie bitte darauf auf‘?“ „In etwa, ja.“ „Unfassbar!“ Clint kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Mein Gott, Rogers, du bist wirklich ein Unikat.“ Steve runzelt die Stirn und blickt auf. „Ich verstehe nicht, wieso dich das so amüsiert.“ „Glaub mir, sobald du erst einmal gemerkt hast, wie die Menschen heutzutage ticken, wirst du es verstehen“, meint Clint. „Zum Glück hast du deinen Schild bei der vermutlich einzigen Bank in New York abgegeben, die noch nicht vollkommen korrupt ist, denn sonst hättest du ihn vielleicht nicht mehr zurückbekommen.“ „Ich finde, du übertreibst etwas“, erwidert Steve stur. „Ich kann nicht glauben, dass die Menschen von heute so schlecht sind.“ „Als ich klein war, wollte ich das auch nicht glauben“, sagt Clint. „Und heute arbeite ich für SHIELD. Was sagt dir das?“ Steve kann ihm keine Antwort darauf geben, und der andere schenkt ihm nur ein schiefes Lächeln und verlässt dann den Raum. *~*~* Zwanzig Minuten später hält Steve es nicht mehr in seinem Zimmer aus und geht in die Küche, um etwas zu essen. Er hat nicht wirklich Hunger – das Essen im Flugzeug war zwar scheußlich gewesen, aber Steve stammt noch aus einer Zeit, in der man eine warme Mahlzeit nicht verschmäht hat – doch er weiß nicht, was er sonst machen soll, und er hofft, vielleicht einen seiner Mitstreiter dort anzutreffen. Banner hatte sich mit einer Entschuldigung in sein Labor zurückgezogen, nachdem sie angekommen waren, aber Clint treibt sich sicher noch irgendwo im Gebäude herum, ganz zu schweigen von Tony Stark. Es ist jedoch niemand da, und so gießt Steve sich ein Glas Milch ein und nimmt sich einen Apfel und stellt sich dann ans Fenster, um die Aussicht zu genießen. Vor seiner Reise hat er oft hier gestanden und von der Spitze des Stark Towers aus das moderne New York bewundert. Und obwohl Tony ihm dabei jedes Mal einen amüsierten Blick zugeworfen hat, als er die Küche betrat, hat er nie etwas gesagt und sich jeglichen Kommentar verkniffen, wofür Steve ihm dankbar gewesen war. Während er einen Schluck von seiner Milch nimmt, meldet sich plötzlich eine leise, unaufdringliche Stimme mit britischem Akzent zu Wort. „Guten Tag, Captain Rogers. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mr. Stark und die anderen haben mir ja schon so viel von Ihnen erzählt.“ Steve dreht sich überrascht um, doch es ist niemand zu sehen. „Wer ist da?“, fragt er misstrauisch und stellt das Glas auf den Tisch. „Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie so überrumple, Sir, ich wollte Sie ganz gewiss nicht erschrecken“, fährt der fremde Sprecher fort, dessen Stimme aus der Wand oder der Decke zu kommen scheint. Aber so sehr Steve auch Ausschau danach hält, er kann keine Lautsprecher entdecken. „Keine Sorge, das werde ich, wenn du dich zu erkennen gibst“, erwidert er ruhig, obwohl ihm die ganze Sache langsam unheimlich wird. „Das würde ich gerne, Sir, aber ich befürchte, das ist nicht möglich.“ „Warum?“, verlangt Steve zu wissen. „Weil ich keine physische Form habe, Sir“, entgegnet die Stimme geduldig. „Mein Name ist JARVIS, ich bin die künstliche Intelligenz dieses Hauses. Mr. Stark hat mich erschaffen, und ich arbeite schon seit vielen Jahren für ihn.“ „Stark hat dich... erschaffen?“ Die Liste der kuriosen Dinge, denen Steve seit seinem Erwachen begegnet, scheint nie enden zu wollen. „Ja, Sir. Leider hat er das neue Sicherheitssystem des Towers inklusive meiner Wenigkeit erst nach Ihrer Abreise installiert, sonst hätte ich bereits früher Ihre Bekanntschaft machen können, Captain Rogers.“ „... ah“, macht Steve und denkt angestrengt nach. „Das heißt, du bist eine Art... Computer? Ist das das richtige Wort?“ „Nicht ganz, Sir“, erwidert JARVIS höflich. „Aber es kommt dem, was ich bin, schon sehr nahe.“ „Ich verstehe“, sagt Steve, wenn auch mehr aus Gewohnheit, denn er hat eigentlich keine Ahnung, wovon JARVIS spricht. Aber er scheint nett zu sein, und Steve will seine Gefühle nicht verletzen... oder seine Schaltkreise, oder wie auch immer man das bei einem Computer bezeichnen soll. „Und worin genau besteht deine Aufgabe?“, fragt er dann. „Ich bin das zentrale Sicherheits- und Überwachungssystem des Towers, Sir. Ich protokolliere alles, was in diesem Gebäude vor sich geht, und kontrolliere und reguliere zudem den Großteil der elektronischen Anlagen. Wann immer Sie etwas brauchen oder Hilfe benötigen, zögern Sie bitte nicht, nach mir zu rufen. Ich bin in jedem Zimmer installiert und stets zu Ihren Diensten.“ „Das ist, uhm, großartig“, sagt Steve, dem die Tatsache, immer und überall von JARVIS beobachtet zu werden, alles andere als behagt. Stark mag es gewohnt sein, tagtäglich von seinen Maschinen umgeben zu sein, aber Steve gefällt es nicht, so überwacht zu werden. „Bitte verzeihen Sie mir die Aufdringlichkeit, Sir, aber ich entnehme Ihrer stockenden Atmung und beschleunigten Herzfrequenz, dass all diese Informationen Sie im Moment etwas überfordern“, teilt JARVIS ihm mit. „Bitte glauben Sie mir darum, wenn ich sage, dass ich Sie in Zukunft nicht mit meiner Anwesenheit belästigen werde, wenn Sie es nicht wünschen. Sie werden bald nicht mehr bemerken, dass ich überhaupt existiere.“ Steve atmet mehrmals tief durch, in der Hoffnung, dass sich sein Herzschlag wieder etwas beruhigt. Na gut, vielleicht ist diese ganze Sache ja doch nicht so schlimm, wie er anfangs dachte. JARVIS ist nur ein Computer, der dazu programmiert wurde, den Bewohnern des Towers zu helfen. Mehr noch, er wurde von Tony erschaffen, und Steve glaubt nicht, dass der andere Mann mutwillig etwas installieren würde, das die Sicherheit seiner Freunde gefährden könnte. „Danke, JARVIS“, entgegnet er schließlich, und fügt dann schnell hinzu: „Ich meine: danke für deine Hilfe. Ich bin mir sicher, dass ich sie noch oft in Anspruch nehmen werde.“ „Es soll mir eine Ehre sein, Ihnen weiterzuhelfen, Sir.“ Und das war’s, denkt Steve, während er seinen Apfel isst. Du hast soeben Freundschaft mit einem künstlichen Verstand geschlossen. Willkommen in der Zukunft. Er hat gerade sein Glas abgewaschen und ordentlich zurück in den Schrank gestellt, als Tony Stark die Küche betritt. „Steve!“, ruft er erfreut aus. „Wunderbar! Endlich ein vierter Mitspieler für unsere Mario-Kart-Abende! Clint hat sich schon beschwert, dass Pepper so selten Zeit hat.“ „Ich habe keine Ahnung, wovon du spricht, aber ich freue mich auch, dich zu sehen“, erwidert Steve und lacht, und dann umarmen sie sich für einen Moment. „Wow. Du bist wirklich gekommen“, meint Tony, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst haben, und fährt sich grinsend mit einer Hand durch die Haare. „Ich hatte schon Angst, du würdest meine Einladung nicht annehmen.“ „Einladung?“ Steve hebt eine Augenbraue. „Du hast mir ein Flugticket geschickt, Tony. Für mich war das eine deutliche Aufforderung.“ „Ach, komm“, winkt Tony ab und geht dann zur Espressomaschine, um sich einen Kaffee zu machen. „Als könnte ich Captain America vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hat.“ „Nun ja, du hattest mich bei unserer letzten Unterhaltung gebeten zu kommen, also bin ich gekommen“, erwidert Steve. Dann wird seine Stimme etwas leiser. „Außerdem gab es in Europa nichts mehr, wofür es sich gelohnt hätte, zu bleiben.“ Tony wirft ihm einen Blick zu, doch er sagt nichts, aber das ist okay, denn Steve erwartet auch keinen Kommentar. Stattdessen wechselt er das Thema: „Aber genug zu mir... Was hast du in den letzten Wochen so gemacht, Tony? Bruce hat mir erzählt, du hast viel zu tun.“ Und wenn er sich die dunklen Ringe unter Tonys Augen und sein wirres Haar ansieht, dann fällt es Steve auch nicht schwer, das zu glauben. „Oh ja, sehr viel“, meint Tony und nippt an seinem Kaffee. Seine Augen leuchten. „Ich arbeite gerade an einer neuen Version des Iron Man. Einer, mit der ich auch im Weltraum überleben und arbeiten kann, ohne dass gleich alle Systeme versagen. Du weißt schon, falls sich mal wieder ein Wurmloch öffnet oder so.“ Steve denkt an den Moment zurück, als Tony im Portal der Chitauri verschwand und die Bombe kurz darauf auf der anderen Seite detonierte, und ihm wird plötzlich ganz anders. Er hat in seinem Leben schon vieles erlebt, doch dieser ungewisse Moment, in dem er zu dem Loch im Himmel emporgestarrt und gebetet hatte, dass Tony es doch noch schafft, dass er nicht tot ist, war die mit Abstand nervenaufreibendste halbe Minute seines Lebens gewesen. Er hätte es sich nie verziehen, wenn Tony an jenem Tag gestorben wäre und Steve keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, sich bei ihm zu entschuldigen und ihm zu sagen, dass er sich in ihm geirrt hat, und dass Tony zwar nervtötend und arrogant und unausstehlich sein mag, aber dass er das Herz eines Helden hat. „Sir“, meldet sich auf einmal JARVIS zu Wort. „Meinen Berechnungen zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, dass wir in den nächsten fünf Jahren von einer außerirdischen Lebensform angegriffen werden und Sie im Weltraum operieren müssen, derzeit bei 0,1563%, weshalb ich eine Modifikation wie diese nicht für sinnv-“ „Danke für deinen Input, Darling“, unterbricht ihn Tony. „Aber mir ist alles, was über 0% liegt, zu viel, und ich will auf jedes mögliche Szenario vorbereitet sein, egal wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass es jemals eintrifft.“ „Aber Sir-“ „Shush!“ macht Tony. „Aus! – Ehrlich, JARVIS, mein Teuerster, wir haben diese Diskussion schon zwanzigmal durchgekaut und ich sage dir: ich bleibe bei meinem Entschluss.“ Dann scheint ihm wieder einzufallen, dass sie nicht allein sind. „Oh, hey, Steve, kennst du eigentlich schon JARVIS? Wenn nicht: Steve, das ist JARVIS. Er ist mein Mädchen für alles. JARVIS, das ist Steve. Er ist unser, äh, Steve. – Seid nett zueinander, Kinder.“ Steve kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, und ihm wird in diesem Moment bewusst, wie sehr er Tonys zerstreute Art zu reden vermisst hat, auch wenn er manchmal kein Wort von dem versteht, was der andere sagt. „Ich hatte bereits die Ehre, die Bekanntschaft von Captain Rogers zu machen, Sir“, sagt JARVIS. „Tatsächlich?“, fragt Tony und Steve nickt. „Na, das ist doch wunderbar! Dann kennen sich ja jetzt alle.“ Er trinkt seinen Kaffee aus und füllt sich neuen nach, dann winkt er Steve, ihm zu folgen. „Wo hast du deine Sachen untergebracht, wenn ich fragen darf?“ „In meinem alten Zimmer“, antwortet Steve, und macht eine verwirrte Miene, als Tony ein missbilligendes „Tss!“ von sich gibt. „Tut mir leid, wenn ich voreilig war“, entschuldigt er sich. „Ich weiß, ich hätte dich zuerst fragen sollen...“ Jetzt ist es an Tony, ein verwirrtes Gesicht zu machen. „Wovon redest du?“ Dann versteht er, und er schüttelt den Kopf und lacht. „Unsinn, Steve, es geht doch nicht um dein altes Zimmer! Ich dachte, ich hätte deutlich klar gemacht, dass der Avengers Tower von nun an euch allen zur Verfügung steht und du hier wohnen kannst, so lange du willst. ‚Mi casa es tu casa!‘ – Nein, worauf sich meine Äußerung bezog war die Tatsache, dass die Reparaturen beendet sind und das Penthouse fertiggestellt ist und von nun an jeder von euch seine eigene Suite hat, du musst also nicht weiter in der Besenkammer wohnen.“ Steve weiß nicht, ob er Tony darauf hinweisen soll, dass seine „Besenkammer“ größer ist als die Wohnung, in der er früher mit seiner Mutter gelebt hat, aber er lässt es dann doch lieber bleiben, denn Tony hätte nicht gewusst, was er darauf erwidern soll, und Steve will nicht, dass er sich wegen seiner Bemerkung schlecht fühlt. Die nächste Stunde verbringen sie damit, einen Rundgang durch die oberen Etagen des Gebäudes zu machen, das von nun an das offizielle Hauptquartier der Avengers sein wird. Tony zeigt ihm ihre neuen Unterkünfte, und Steve staunt nicht schlecht, als er durch die Zimmer der Wohnung geht, die in Zukunft ihm gehören soll. Noch nie in seinem Leben hat er so viel Platz für sich allein gehabt. „Keine Sorge, wenn du dich darin verläufst, ruf einfach nach JARVIS, er wird dich wieder hinausführen“, meint Tony, als er Steves Gesicht sieht, und grinst. Als nächstes zeigt er ihm die Räumlichkeiten, die allen Avengers gleichermaßen zur Verfügung stehen sollen. Die Küche und das Wohnzimmer kennt Steve bereits von seinem letzten Aufenthalt. Hinzugekommen sind ein Fitnessraum, eine Trainingsarena, ein Schwimmbad, ein kleines Kino („Warum Unsummen für einen Flachbildfernseher ausgeben, wenn eine Leinwand es auch tut?“, sagt Tony schulterzuckend. „Außerdem hat ein Kino mehr Stil.“), ein mit Stimmerkennungsmechanismus gesicherter Raum für ihre Ausrüstung, eine Werkstatt für Reparaturen und ein Hangar für den Quinjet im Keller, den sie zwar nicht besuchen, der mit dem Fahrstuhl aber in zwanzig Sekunden zu erreichen ist, wie Tony ihm mitteilt. Die Bauarbeiten an all diesen Räumen sind größtenteils abgeschlossen, nur die Trainingsarena befindet sich noch im Rohbau. „Und hier kommst du ins Spiel“, sagt Tony und nickt ihm zu. „Du bist von uns allen derjenige mit der größten Kampferfahrung, und du siehst am ehesten die Fehler, die wir machen. Deshalb möchte ich dich darum bitten, einen Trainingsplan zu erstellen, mit dem wir an unseren jeweiligen Schwächen arbeiten können. Was auch immer du an Übungsgeräten brauchst, sag es mir, und ich werde es beschaffen.“ Er denkt kurz nach. „Es sei denn, du willst eine Fallgrube mit Krokodilen drin, da müsste ich mich erst mal erkundigen, ob der Tierschutz das genehmigt...“ Steve schüttelt lächelnd den Kopf, dann schreitet er die Trainingsarena einmal der Länge nach ab. Der Raum ist groß, sehr groß, und Steve teilt ihn gedanklich schon mal in verschiedene Areale ein. Parkour-Bereich dort drüben, Schießstand hier... oh ja, und ein Boxring kann sicher auch nicht schaden. Ihr Team besteht aus sehr speziellen Leuten mit sehr speziellen Fähigkeiten, und für jeden eine Trainingsmethode zu finden, die ihn nicht über- oder unterfordert und die gleichzeitig abwechslungsreich ist, wird nicht leicht werden, das erkennt Steve schnell. Aber er hat sie alle im Kampf gesehen, und jeder, der nicht Halbgott oder großes, grünes Wutmonster ist, kann definitiv noch Training gebrauchen. Er dreht sich zu Tony um und verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich denke, mir werden ein paar Sachen einfallen“, versichert er ihm. „Sehr schön“, meint Tony zufrieden. „Und ich kann dir jetzt schon versprechen, dass wir hier noch viel Zeit miteinander verbringen werden“, fährt Steve fort. Der andere Mann blinzelt. „Was?“ Steve seufzt. „Tony, mit deiner Rüstung bist du so gut wie unbesiegbar, das haben wir alle gesehen. Aber du kannst dich nicht immer auf deine Rüstung verlassen. Du magst zwar der Klügste von uns sein-“ „Ha! Endlich jemand, der es zugibt.“ „- aber gerade weil du der Klügste bist und wir alle auf dich angewiesen sind, ist es wichtig, dass du dich auch verteidigen kannst, wenn dir deine Rüstung mal nicht zur Verfügung steht“, fährt Steve unbeeindruckt fort. „Und darum werde ich dich persönlich im Nahkampf unterrichten, bis du jede Angriffsbewegung und jede Abwehrhaltung im Schlaf beherrschst.“ „Oh“, sagt Tony und seufzt dann. „Mit dir kann man echt keinen Spaß haben, oder?“ Steve runzelt die Stirn. „Tony, das ist wirklich wichtig. Ich will nicht, dass-“ „Steve, ich hab’s doch nicht so gemeint“, unterbricht ihn der andere und lächelt. „Mir ist klar, dass das wichtig ist, und es freut mich, dass du dir so viele Gedanken darüber machst.“ Dann wendet er sich ab. „Na gut, der Rundgang ist an der Stelle erst mal beendet“, sagt er. „Wir haben zwar die Labore ausgelassen, aber die sind noch immer da, wo sie das letzte Mal auch schon waren. – Lust mitzukommen?“ „Ich, äh...“ „Weil ansonsten werde ich dich für den Moment erst mal verlassen. JARVIS hat in der letzten Stunde ein paar Systemtests für mich durchgeführt, aber er müsste jetzt damit fertig sein, und ich muss noch dringend die Iron-Man-Software an das neue Modell anpassen, und das ist eine sehr langweilige Arbeit, das kann ich dir versichern.“ „Nun, ich...“ Steve zögert. „Ich will dich nicht bei deiner Arbeit stören, vor allem nicht bei etwas so wichtigem.“ „Unsinn, du störst mich nicht“, erwidert Tony. „Das Betriebssystem zu programmieren ist nicht schwer, es dauert nur sehr lange. Und es ist nett, sich bei der Arbeit mal mit jemand anderem zu unterhalten, als mit JARVIS – nichts für ungut, JARVIS – also, was sagst du?“ Tony sieht ihn an und seine braunen Augen leuchten, und Steve bringt es nicht übers Herz, nein zu sagen, also nickt er und lächelt. „Sehr gerne.“ *~*~* Tonys Werkstatt ist noch chaotischer, als beim letzten Mal, als Steve hier war, und er traut sich nicht, mehr als fünf Meter weit in den Raum hineinzugehen, aus Angst, auf irgendetwas draufzutreten. Überall stehen Tische und Regale, auf denen sich Monitore und Konstruktionszeichnungen und Bauteile von Maschinen stapeln, von denen Steve nicht einmal den Bruchteil benennen könnte, geschweige denn erraten, wozu sie überhaupt dienen. Doch Tony bewegt sich mit der gleichen Sicherheit durch das Chaos, wie ein erfahrender Kapitän durch gefährliche Untiefen auf See, und bevor Steve sich versieht, ist er bereits auf der anderen Seite des Raumes angelangt, wo an zahlreichen Ketten und Kabeln die Iron-Man-Rüstung von der Decke hängt. Zögerlich folgt Steve ihm, wobei er bei jedem Schritt genau aufpasst, wo er seinen Fuß hinsetzt. „Tadaaa!“, ruft Tony und breitet voller Stolz die Arme aus. „Na, was sagst du zu meinem neuen Baby?“ Steve, der ihn mittlerweile auch erreicht hat, geht langsam um den Anzug herum und ihm fallen sofort ein paar Unterschiede auf. „Die Panzerung ist dicker“, stellt er fest. „Und das Material wirkt stabiler.“ „Gut beobachtet.“ Tony nickt anerkennend. „Wie gesagt, ich will sie für den Raumflug ausstatten.“ „Aber wirkt es sich nicht auf deine Reaktionsgeschwindigkeit aus, wenn die Rüstung so massig ist?“, fragt Steve. „Etwas, ja“, erwidert der andere. „Darum habe ich die Mechanik an den Gelenken etwas verfeinert, sie reagiert nun besser und schneller, als vorher, das gleicht das Ganze wieder aus.“ „Ich verstehe...“ Steve streckt die Hand aus und berührt die Brustplatte des Panzers an der Stelle, an der sich für gewöhnlich der ARC-Reaktor befindet. „Die Fassung ist anders“, stellt er fest. „Japp“, erwidert Tony. „Damit er den Bedingungen im luftleeren Raum standhält, habe ich eine neue und etwas widerstandsfähigere Version des ARC-Reaktors entwickelt. Leider ist sie auch etwas größer, darum musste ich die Rüstung entsprechend anpassen...“ Er klopft sich mit den Fingerknöcheln gegen die Brust, und Steve kann ein leises Klimpern hören. Er wirft Tony einen Blick zu und sieht den Reaktor in einem schwachen blauen Licht unter seinem Hemd leuchten. Abgesehen von dem Moment nach ihrem Kampf gegen die Chitauri, in dem Tony reglos am Boden gelegen hatte und Steve dachte, sie hätten ihn für immer verloren, hat er ihn noch nie aus der Nähe gesehen. Tony bemerkt seinen Blick, und als könnte er seine Gedanken lesen, fängt er auf einmal an, sein Hemd aufzuknöpfen. „Nur keine Scheu“, sagt er und lächelt. „Du kannst ihn gerne mal anfassen.“ Steves Wangen werden rot, denn Tony sagt solche Dinge immer in einem Tonfall, der sie zweideutiger klingen lässt, als sie eigentlich gemeint sind. Langsam streckt er die Hand aus und berührt mit den Fingerspitzen vorsichtig das dicke Glas, das den Reaktor schützt. Er spürt es unter seinen Fingern sacht vibrieren und fragt sich, wie es wohl ist, sein ganzes Leben lang mit solch einer Apparatur im Körper umherzulaufen, zu essen, zu duschen, zu schlafen... Er kann es sich nur schwer vorstellen. „Er ist kühl“, stellt er dann erstaunt fest. „Ich dachte, er wäre... nun ja... wärmer.“ „Der ARC-Reaktor ist ein Kaltreaktor“, erklärt Tony, während er sein Hemd wieder zumacht. „Er basiert auf einer Technologie, die sich in den meisten Ländern der Welt noch im Entwicklungsstadium befindet. – Selbst Amerika wäre noch Jahre davon entfernt, wenn ich nicht so ein gottverdammtes Genie wäre.“ Er grinst. Steve schüttelt den Kopf über diese Bemerkung. „Bescheidenheit ist wirklich nicht deine Stärke, oder?“ „Und macht nicht genau das auch meinen besonderen Charme aus?“, erwidert Tony und schenkt ihm ein Lächeln, das es Steve schwer macht, wirklich böse auf ihn zu sein. Dann lässt sich Tony lässig in seinen Drehstuhl fallen und greift nach dem Tablet-PC auf seinem Schreibtisch. Direkt neben ihnen leuchtet in der Luft auf einmal ein virtuelles Display auf, und bald rasen Zahlen und Buchstaben und Symbole in atemberaubender Geschwindigkeit darüber, als Tony anfängt zu tippen. Fasziniert beugt sich Steve über Tonys Schulter und sieht dabei zu, wie seine Finger über die Tastatur fliegen. Und erst in diesem Moment wird ihm zum ersten Mal wirklich bewusst, dass Tony tatsächlich ein Genie ist. Es ist schwer zu glauben, wenn man ihn in der Öffentlichkeit erlebt oder seine Gespräche mit anderen Menschen mit anhört. Man vergisst dabei schnell, dass Tony bereits als kleines Kind Maschinen zusammengeschraubt hat, dass er schon mit fünfzehn an einer der renommiertesten Universitäten Amerikas studiert hat und dass er aus einem Haufen Gerümpel seine erste Iron-Man-Rüstung gebaut hat. Doch hier in seiner Werkstatt mit den überall herumliegenden Schrauben und alten Platinen und Motoren – erst an diesem wohl einzigen Ort auf der Welt, an dem Tony ganz er selbst sein kann – erkennt Steve auf einmal, was für ein einzigartiges Genie hinter seiner Milliardär-Playboy-Wohltäter-Fassade steckt. Und sein Respekt vor Tony Stark ist größer, als je zuvor. *~*~* Es bereitet Tony tatsächlich keine Schwierigkeiten, sich gleichzeitig mit Steve zu unterhalten und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, wie der andere schnell merkt. Steve, der aus einer Zeit stammt, in der ein einfacher Computer noch ein halbes Zimmer eingenommen hat, ist beeindruckt von den komplizierten Programmen, die Tony schreibt. Er stellt ihm hin und wieder Fragen über seine Arbeit, und Tony versucht ihm auf leicht verständliche Art zu erklären, was ein Betriebssystem ist und wie es funktioniert, wie das Interface des Iron Man aufgebaut ist und was für Änderungen er beim neuen Modell vornehmen will. Steve nickt, obwohl er nur die Hälfte davon versteht, aber er prägt sich das, was er begreift, gut ein, denn eines Tages wird dieses Wissen vielleicht noch von Nutzen sein. Dann stellt Tony ihm seine Roboter vor, und Steve lächelt über die fast schon väterlich-gutmütige Art, mit der der andere Mann Dummy behandelt, egal, wie tollpatschig sich der Roboter manchmal auch anstellen mag. „Er war mein erster, musst du wissen“, erzählt Tony mit nostalgischer Miene. „Er hat mich begleitet, seitdem ich ein Teenager war. Klar, aus heutiger Sicht mag er primitiv und hoffnungslos veraltet erscheinen, aber ich bring’s einfach nicht übers Herz, ihn zum Altmetall zu werfen.“ Dummys Greifhand öffnet und schließt sich mehrmals schnell hintereinander, was wie ein nervöses Blinzeln aussieht, und Tony lächelt und tätschelt ihm beruhigend den „Kopf“. „Keine Sorge, Kumpel, ich gebe dich schon nicht weg. Aber wehe, du stößt noch mal meine Kaffeetasse um, dann gibt es eine Woche lang kein Schmieröl mehr, hast du verstanden?“ Dummy lässt traurig seinen Greifarm sinken, und der Anblick ist so herzerweichend, dass Steve fast schon Mitleid mit dem Roboter bekommt. Nach fast vier Stunden hat Tony seine Arbeit schließlich beendet und wendet sich seiner Rüstung zu, um das neue Betriebssystem auf den internen Datenspeicher zu überspielen. Dabei fallen ihm noch mehrere kleine Fehler in der Mechanik auf, und er bewaffnet sich mit einem Schraubenzieher, um sie zu korrigieren. Da diese Art von Feinarbeit seine volle Konzentration erfordert und Steve ihn dabei nicht stören möchte, entschuldigt er sich bald und kehrt in den Wohnbereich zurück. Dabei trifft er Miss Potts, die soeben von der Arbeit heimgekehrt ist. Steve ist ihr bisher erst wenige Male begegnet, und das meistens nur für einen kurzen Moment, weshalb er bislang noch keine Gelegenheit hatte, sich mit ihr zu unterhalten. Pepper hat gerade ihre Schuhe ausgezogen und es sich mit einem Glas Wein in der Hand auf der Couch bequem gemacht, als Steve das Wohnzimmer betritt. Überrascht sieht sie auf. „Oh, hallo Steve!“, sagt sie mit einem müden Lächeln. „Tony hat mir erzählt, dass du kommst. Schön, dass du wieder da bist!“ „Die Freude ist ganz meinerseits, Miss Potts“, sagt er, und deutet eine Verbeugung an. „Und ich möchte mich noch einmal dafür entschuldigen, dass ich Sie vor ein paar Tagen nachts aus dem Schlaf gerissen habe, das war rücksichtslos von mir.“ „Ach, mach dir darum keine Gedanken“, winkt sie ab. „Und bitte, nenn mich doch Pepper. Das tun alle anderen hier auch.“ „Na gut“, erwidert Steve und lächelt. „... Pepper.“ Er setzt sich zu ihr auf die Couch, und sie unterhalten sich über ihren Tag, und nach einer Weile auch über Peppers Arbeit und Steves Reise. Pepper ist klug und humorvoll und ihm auf Anhieb sympathisch, und Steve begreift schnell, wieso sie Tony so wichtig ist. Bevor Tony die Avengers getroffen hat, war Pepper die einzige Verbindung zwischen ihm und dem Rest der Welt. Sie war eine der wenigen Personen, die seine verdrehte Art zu denken wirklich verstanden hat, und die ihm stets dabei geholfen hat, einen halbwegs seriösen Eindruck in der Öffentlichkeit zu machen. Sie ist seine Assistentin, seine Managerin und gleichzeitig seine beste Freundin, und sie hält zu ihm, egal, wie exzentrisch er sich manchmal auch aufführt. Steve ist beinahe neidisch auf Tony, denn Pepper ist genau die Art von Freundin, die er sich immer gewünscht hat, was vielleicht auch daran liegt, dass sie ihn in vielerlei Hinsicht an Peggy erinnert. Zumindest vermutet er, dass das der Grund ist, weshalb es ihm so leicht fällt, sich mit ihr zu unterhalten, denn Frauen sind für ihn immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Bevor sie sich versehen, ist es schon später Abend, und erst, als sie ein leises Räuspern von der Tür her hören, sehen sie von ihrem Gespräch auf. Tony steht im Türrahmen, eine Schweißerbrille auf dem Kopf, und sieht sie an. „Freut mich zu sehen, dass ihr zwei euch so gut versteht“, sagt er und grinst. „Sollte ich mir Sorgen machen?“ „Hey, Tony“, begrüßt ihn Pepper und steht auf, um ihm einen Kuss zu geben. Dann rümpft sie die Nase, einen missbilligenden Ausdruck auf dem Gesicht. „Tony, wie lange warst du heute wieder in der Werkstatt?“ Tony nimmt die Brille ab und fährt sich mit der Hand durch die verschwitzten Haare, wobei er Steve über Peppers Schulter hinweg ein schiefes Lächeln zuwirft. „Und was ist das – klebt dir etwa noch Motoröl an der Wange?“ Pepper schüttelt den Kopf. „Oh nein, mein Lieber, so läufst du mir nicht rum. Komm, ab unter die Dusche.“ „Nur, wenn du mitkommst“, sagt Tony. „Das hatte ich vor“, erwidert Pepper, und Tony grinst. Sie nimmt ihn an der Hand und zieht ihn in Richtung Flur. Dort dreht sie sich noch einmal zu Steve herum und wirft ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Tut mir leid, dass wir unser Gespräch an dieser Stelle beenden müssen, es hat mir wirklich großen Spaß gemacht“, sagt sie. „Aber wir können uns gerne nachher beim Abendessen weiter unterhalten, wenn du Lust dazu hast.“ „Gerne doch“, erwidert Steve und nickt. „Ich freue mich schon darauf.“ Pepper schenkt ihm ein Lächeln, dann sind sie und Tony verschwunden. *~*~* Später am Abend stoßen auch Bruce und Clint zu ihnen, und zu fünft sitzen sie dann in der Küche und unterhalten sich beim Dinner und trinken Wein und lachen viel, und es ist der beste Abend, den Steve hat, seitdem sie damals zusammen im Schawarma-Restaurant waren. Und als er später zum Schlafen in sein Zimmer zurückkehrt, fühlt er sich das erste Mal, seitdem er in dieser neuen, hektischen und verwirrenden Zeit aufgewacht ist, fast wieder wie zu Hause. Kapitel 2: ----------- Anmerkungen: Dieser Teil enthält ein kurzes „Fantastic Four“-Crossover, weil die Comics langsam auf mich abfärben, und weil beide Teams in der gleichen Stadt wohnen und operieren. :) (Ihr müsst die FF-Comics oder Filme nicht unbedingt kennen, um es zu verstehen, aber ich kann sie sehr empfehlen. :D) Und glaubt mir nach diesem Kapitel noch irgendjemand, wenn ich sage, dass das weiterhin kein Slash ist? Nein...? Schade... Ich glaub’s nämlich auch langsam nicht mehr. 8D P.S.: Ich kann Thor nicht schreiben. So gar nicht. Also seid gewarnt. *hust* *~*~* Die Tage vergehen. Tony verleiht seiner neuen Rüstung schon bald den letzten Schliff und macht erste Testflüge. Steve ist darüber sehr froh, denn nun dröhnt nachts kein AC/DC mehr aus der Werkstatt und Tony sieht auch wieder etwas gesünder aus, jetzt, da er wieder mehr Schlaf bekommt. Er selbst kommt gut mit dem Bau der Trainingsarena voran, und bereits eine Woche später stehen er und Tony sich zum ersten Mal im Ring gegenüber. Da der andere mehrere Monate Kampfsportunterricht genommen hat, beherrscht er bereits grundlegende Griffe und vermeidet typische Anfängerfehler, aber es bereitet Steve dennoch keine Schwierigkeiten, ihn in wenigen Sekunden auf den Boden zu befördern. Anschließend zeigt er ihm seine Fehler auf und bringt ihm dann neue und effektivere Angriffstechniken bei. Er zeigt ihm auch, wo noch Lücken in seiner Verteidigung sind, worauf beim Kampf gegen mehrere Angreifer zu achten ist und wie man am besten bestimmte Waffen abwehrt, ohne dabei selbst zu großen Schaden zu nehmen. Am Ende ihrer ersten Unterrichtsstunde lässt Tony sich schließlich erschöpft auf die Matte plumpsen, während Steve aus dem Ring klettert und mit einer Flasche Wasser und einem Handtuch zurückkehrt, die er beide dem anderen Mann überreicht. „Danke“, sagt Tony atemlos, bevor er die Flasche halb austrinkt und sich den Rest über den Kopf gießt. Dann schüttelt er ihn, so dass die Tropfen in alle Richtungen fliegen, und schenkt Steve ein breites Grinsen. „Und wie war ich?“, fragt er. „Gar nicht so schlecht für unser erstes Mal, oder?“ Steve verdreht innerlich die Augen, denn es ist schon wieder dieser Tonfall, und da er Tony nicht zu weiteren Kommentaren dieser Art ermuntern will, ignoriert er die Bemerkung nur und entgegnet: „Deine Abwehr lässt noch sehr zu wünschen übrig, aber deine Attacken sind nicht schlecht. Du bist ein guter Beobachter und findest schnell die Schwächen deines Gegners.“ „Ja“, meint Tony und kratzt sich am Nacken. „Tut mir leid, das mit deinen Rippen, ich hoffe, es hat nicht zu sehr wehgetan...“ Doch Steve schüttelt nur den Kopf. „Wenn ich Angst hätte, dass du mir ernsthaft wehtun könntest, würde ich dir keine Gelegenheit geben, mich zu treffen.“ „Was soll das denn heißen?“, fragt Tony entrüstet. „Hast du etwa mit Absicht deine Verteidigung vernachlässigt?“ „Tony...“ Steve seufzt. „Ich habe während des Weltkriegs Jahre auf den Schlachtfeldern Europas verbracht, und hätte ich damals nicht meine Nahkampffähigkeiten perfektioniert, wäre ich jetzt tot und dieses Gespräch würde nicht stattfinden. Darum nimm es mir bitte nicht übel, aber ja – ich habe dir einen Vorteil verschafft.“ Er streckt Tony eine Hand hin und der andere ergreift sie und lässt sich auf die Beine ziehen. „Du hast dich heute aber wirklich gut geschlagen. Ich hoffe, wir können unser Training bald fortsetzen.“ Tony erwidert seinen Blick offen. „Das hoffe ich auch.“ *~*~* Steve versucht zweimal, Bruce im Nahkampf zu unterrichten. Beim ersten Mal demoliert der Hulk die halbe Arena und beim zweiten Mal ist Bruce so damit beschäftigt, seinen „Mitbewohner“ unter Kontrolle zu halten, dass er sich kaum auf ihren Kampf konzentrieren kann, und Steve sieht schnell ein, dass das Unterfangen sinnlos ist. Stattdessen entwickelt er ein Spezialtraining für den Hulk, das von diesem Geduld und Präzision erfordert, da Steve der Meinung ist, dass simples Draufhauen manchmal nicht alles ist. Mit Banners zweitem Ich zu kommunizieren ist nicht immer ganz einfach, aber Hulks Respekt vor Steve ist groß genug, um ihn nicht gleich zu Brei zu schlagen, und in etwa zwei Dritteln aller Fälle tut er, worum Steve ihn bittet, und das ist zumindest schon mal ein Anfang. *~*~* Steve liebt das Sparring mit Clint und Natasha. Einzeln ist jeder von ihnen bereits eine Herausforderung, doch zusammen ergänzen sie sich perfekt, und als er einmal den Fehler begeht, ohne seinen Schild gegen beide gleichzeitig anzutreten, findet er sich innerhalb weniger Minuten auf der Matte wieder. „Whoo!“, ruft Clint aus und stemmt grinsend die Hände in die Hüften, während er demonstrativ einen Fuß auf Steves Brust setzt. „Wir haben Amerika zu Fall gebracht!“ Natasha verdreht nur die Augen, während Steve Clints Fuß packt und ihn so herumdreht, dass der andere Mann auf dem Boden landet. „Du bist ein sehr talentierter Kämpfer, Clint Barton“, sagt er, als er wieder aufsteht. „Aber leider bist du auch immer so damit beschäftigt, alles zu kommentieren, dass du deine Verteidigung schnell vernachlässigst.“ „Das war... nicht fair“, ächzt Clint, dem der Aufprall die Luft aus den Lungen getrieben hat. „Aber er hat Recht“, meint nun auch Natasha und sieht ungerührt dabei zu, wie sich ihr Partner langsam wieder hochrappelt. Während Clint eine kaum verständliche Antwort vor sich hinmurmelt, sieht Natasha Steve einen Moment lang mit einer Miene an, die er nicht genau identifizieren kann. Dann lächelt sie auf einmal, und Steve ist für einen Augenblick so irritiert, diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen, dass er nicht weiß, wie er reagieren soll. Doch dann erwidert er ihr Lächeln, und sie nickt ihm zu, und Steve spürt, nein, er weiß, dass sich in diesem Moment etwas grundlegend Wichtiges zwischen ihnen verändert hat. *~*~* Er trifft Natasha in der folgenden Zeit häufiger im Tower an, und er wird das Gefühl nicht los, dass er etwas damit zu tun hat. *~*~* Steve entwickelt die Angewohnheit, mit seinem tragbaren Telefon – oder ‚Smartphone‘, wie Tony es nennt, und der Name passt irgendwie, denn das Gerät hat mehr Funktionen, als Steve jemals beherrschen wird – von allen Objekten, die er nicht identifizieren kann, und allen Gebäuden, die in seiner Zeit noch nicht existiert haben, Fotos zu machen. Später, wenn er dann wieder im Tower ist, zeigt er Tony die Bilder, die er tagsüber gemacht hat, und lässt sie sich von ihm erklären. Er weiß, dass er auch einfach JARVIS fragen oder vieles im Internet nachschlagen könnte (Steve weißt mittlerweile, was das Internet ist, und kann ganz gut mit Google umgehen, worauf er sehr stolz ist), aber er mag Tonys Art, Dinge zu erklären, und es scheint Tony auch viel Spaß zu machen, Steve all seine Fragen zur modernen Welt zu beantworten. So wie auch an diesem Abend, als sie nach dem Training zusammen in der Küche sitzen. „Und was ist das?“ „Das? Hm... sieht aus wie ein Verteilerkasten. Er enthält Sicherungen und teilt den Strom verschiedenen Nutzern zu. Siehst du das Symbol mit dem Blitz an der Seite? Daran erkennst du so einen Kasten. Lass am besten die Finger von den Dingern, es sei denn, du bist Elektriker. Oder Thor. Oder ich natürlich.“ „Verstehe... und das? Ich habe es bei einem Straßenhändler gesehen...“ „Das? Ich... wow. Ich habe absolut keine Ahnung. – Pepper, weißt du vielleicht, was das darstellen soll?“ „Das? Das ist ein Wasserkocher, Tony.“ „Ein Wasserkocher? Ernsthaft? Es sieht aus wie ein V-“ „Es ist ein sehr einfacher Wasserkocher. Ich glaube, man sagt auch Tauchsieder dazu. Ich hatte damals auf dem College so einen. Und ja, ich weiß, wonach er aussieht, Tony, hör auf so zu grinsen, wie alt bist du, fünf?“ „Wovon redet ihr? Wonach sieht er denn aus?“ „Tony, wehe du sagst ihm-!“ „Sorry, Cap, dafür bist du noch zu jung. Oder schon zu alt, je nachdem, wie man es betrachtet...“ „Sehr witzig, Tony, wirklich.“ „Tut mir leid. Aber glaub mir, gewisse Dinge willst du gar nicht wissen.“ „Hat es schon wieder was mit Sex zu tun?“ „Japp.“ „Dann will ich es tatsächlich nicht wissen.“ „Sag ich ja.“ „Gut. Danke. ... Okay, weiter... Was ist das hier für ein Gebäude? Es sieht sehr... interessant aus.“ „Ah, das Guggenheim-Museum! Sehr faszinierende Architektur, nicht wahr? Wenn du Lust hast, können wir ja mal zusammen hingehen, dort hängen viele Gemälde, die dir vielleicht gefallen könnten.“ „Gerne! Ich mochte Kunst schon immer sehr. Zwischen den Einsätzen im Krieg habe ich sogar selbst oft ein bisschen gezeichnet...“ „Ich weiß, mein Vater hat die meisten deiner Bilder aufbewahrt. Er hat sie damals sogar bei uns im Salon aufgehängt...“ „... hat er?“ Steve sieht Tony überrascht an, und der andere zuckt nur mit den Schultern. „Was soll ich sagen?“, meint er. „Mein alter Herr mochte dich nun mal sehr, sag nicht, da überrascht dich das.“ „Ich...“ Steve starrt auf das Telefon in seiner Hand. „Nein, vermutlich nicht... Es ist nur... ich weiß auch nicht. Ich meine, wir waren gute Freunde, das schon. Und dann war ich... tot, zumindest für den Rest der Welt. Aber dass Howard all diese Dinge von mir aufbewahrt hat... Es fühlt sich seltsam an, und sehr... persönlich, irgendwie. “ „Er war dein größter Fan“, sagt Tony gleichmütig. Steve weiß, dass er es hasst, über seinen Vater zu reden, aber außer Tony kann ihm niemand Antworten auf seine Fragen über ihn geben, und Steve ist ihm darum in diesem Moment sehr dankbar. „Nach heutigen Maßstäben ist das relativ normales Fanverhalten. Und hey, immerhin hat er dir keinen Schrein gebaut oder so...“ „Ich hab mal gelesen, dass Howard Stark das Captain-America-Denkmal auf Liberty Island mitfinanziert hat“, bemerkt Clint wenig hilfreich, der in die Küche gekommen ist, um sich ein Bier zu holen. Tony wirft ihm einen finsteren Blick zu, während Steve Barton mit offenem Mund anstarrt. „... ein Denkmal?“, bringt er schließlich hervor. „Für mich? Auf Liberty Island? – ... Wieso?“ Tony verdreht die Augen. „Keine Ahnung, aber es könnte vielleicht daran liegen, dass du, na ja, New York vor der totalen Zerstörung bewahrt hast?“ Und Tony hat Recht, Steve weiß, dass er Recht hat. Er muss nur an Coulsons Sammelkarten zurückdenken, damit ihm wieder bewusst wird, wie wichtig Captain America damals für viele Menschen war. Und doch war er für Steve immer ein Symbol der Vergangenheit und einer weit zurückliegenden Ära. Ein Relikt, so wie Steve Rogers selbst, dazu geschaffen, den Krieg zu beenden, um danach wieder in Vergessenheit zu geraten. Dass Captain America jedoch die Zeit überdauern würde und auch heute noch, fast siebzig Jahre später, längst nicht vergessen ist, ist ein Gedanke, an den Steve sich immer noch nicht so recht gewöhnen kann. „Tut mir leid, Steve“, sagt Tony dann, dieses Mal in einem etwas versöhnlicheren Tonfall, als er Steves Gesichtsausdruck bemerkt. „Du bist nun mal der Held der Nation. Du hast nie aufgehört, es zu sein.“ „Ich bin nur ein Junge aus Brooklyn“, murmelt Steve. „Tony hat Recht“, meint nun auch Pepper und legt Steve eine Hand auf den Arm. „Und sieh es mal von der positiven Seite – du hast viele Menschen inspiriert, auch lange nach dem Krieg noch. Du solltest die Rolle, die du für sie spielst, nicht als Bürde oder Verantwortung betrachten, Steve, sondern als Chance. Denn du bist jemand, der...“ Sie sucht einen Moment lang nach den richtigen Worten. „... der die Menschen um sich herum besser macht. Das hat in den letzten Wochen jeder von uns hier gemerkt.“ Tony und Clint nicken, ebenso Bruce, der die ganze Zeit in einem medizinischen Fachmagazin gelesen und sich bisher nicht an dem Gespräch beteiligt hat. „Und das liegt nicht daran, dass du Captain America bist, sondern es liegt an dir, Steve, weil das dein Wesen ist“, fährt Pepper fort. „Das ist der Grund, weshalb die Menschen dich immer bewundert haben – und weshalb sie bis heute nicht damit aufgehört haben.“ Steve spürt auf einmal ein Brennen in den Augen und senkt den Kopf, damit die anderen sein Gesicht nicht sehen können. „Danke“, sagt er mit heiserer Stimme. „Wisst ihr, ich habe früher oft darüber nachgedacht, wie es wäre, nach dem Krieg mein Leben als Steve Rogers fortzusetzen. Ich hatte nie vorgehabt, den Schild und die Uniform ewig zu tragen, ich wollte einfach nur, dass der Krieg endlich zu Ende war und die Menschen wieder in Freiheit leben konnten. Doch dann erwachte ich in dieser Zeit und sah all die Ungerechtigkeit in dieser Welt und all die Kriege, die es immer noch gab, und mir wurde klar, dass ich nicht einfach tatenlos daneben stehen konnte. Erst kam mir der Gedanke furchtbar selbstgerecht vor, doch dann bin ich immer wieder Menschen begegnet, Menschen wie Coulson... die mir gezeigt haben, dass es okay ist, dieses alberne Kostüm auch heute noch zu tragen.“ Er wischt sich schnell mit dem Handrücken über die Augen und sieht dann mit einem Lächeln wieder auf. „Sieht also aus, als würdet ihr mich nicht so schnell loswerden.“ „Hey, unseren Segen hast du, Cap“, meint Tony. „Und ganz ehrlich, es wäre auch viel zu viel Arbeit, wieder jemanden zu finden, der diesen Anzug tragen kann, ohne darin vollkommen lächerlich auszusehen...“ Die anderen grinsen und nicken zustimmend. Steve hat ein warmes Gefühl im Bauch, als er sie der Reihe nach ansieht, und er fragt sich, womit er sie eigentlich verdient hat. Schließlich räuspert er sich verlegen und blickt auf das Telefon in seiner Hand hinab. „Okay, wo war ich stehengeblieben...?“ *~*~* Und dann ist da die Sache mit der Popkultur. In den 40ern konnte Steve sich nicht vorstellen, wie die nächste Stufe der musikalischen Evolution nach dem Swing aussehen würde. Für ihn war der Bebop immer das höchste der Gefühle gewesen. Doch dank seiner Mitbewohner merkt er schnell, dass die Entwicklung damals noch lange nicht ihr Ende erreicht hatte. Tony macht ihn mit der Welt des Hard Rock und Heavy Metal vertraut. Steve wird regelmäßig damit beschallt, wenn er ihn in der Werkstatt besuchen kommt, und obwohl er die lauten E-Gitarren und dröhnenden Bässe anfangs noch als unangenehm und nervtötend empfindet, gewöhnt er sich nach einer Weile daran. Er wird Tonys Liebe zu Black Sabbath oder Iron Maiden zwar niemals wirklich teilen, aber er bezeichnet sie auch nicht länger als Lärm, und das nicht nur, weil er Tonys Gefühle nicht verletzen will, sondern auch, weil er eine gewissen raue Schönheit in den kreischenden Männerstimmen erkennt, die in ihren Songs der Welt mit unverblümten Worten ihr Herz ausschütten. „Die 60er, in denen diese Musik aufkam, waren eine Ära des kulturellen und gesellschaftlichen Umbruchs“, erzählt Tony, während er am Motor eines seiner Automobile herumschraubt. „Selbst ich hätte sie gerne miterlebt. Die Friedensbewegungen, der Wunsch nach Freiheit und Gleichheit, die sexuelle Revolution...“ Sein Gesicht bekommt einen leicht verträumten Ausdruck. „Mann, das müssen Zeiten gewesen sein.“ „Teil einer Generation zu sein, die auf jede nur erdenkliche Weise gegen ihre Eltern und den Staat rebelliert hat...? Ja, ich glaube gerne, dass dir das gefallen hätte“, meint Steve schmunzelnd. „Du tust so, als wäre das was Schlimmes gewesen“, erwidert Tony unbeeindruckt. „Dabei hat der Staat diese Veränderungen bitter nötig gehabt. Sonst wäre der Stock in seinem Arsch noch länger geworden und er wäre umgekippt und vollkommen in sich zusammengestürzt.“ Trotz der etwas rüden Ausdrucksweise begreift Steve, was der andere damit sagen will, und seine Worte geben ihm noch tagelang zu denken. *~*~* Bruce‘ Musikgeschmack sagt ihm schon eher zu. Folkmusik und Country geht mehr in die Richtung der Musik, die Steve von früher vertraut ist, und sie sitzen abends oft im Wohnzimmer und unterhalten sich, während sie sich Bruce‘ Lieblingsplatten anhören. Pepper hingegen steht mehr auf Rock’n’Roll und etwas, was sie als Indiepop bezeichnet. Es klingt wie eine harmlosere und melodischere Form von dem, was Tony immer hört, und Steve findet großen Gefallen daran, insbesondere an der Gruppe, die sich die Beatles nennt, ein Name, der Steve immer wieder aufs Neue zum Lachen bringt. Mit Clints Musikgeschmack kann er so gar nichts anfangen. Wo die Musik von Tonys Lieblingsband AC/DC noch eine gewisse Harmonie besitzt, klingt beim Punkrock für ihn alles gleich, und Steve kann sich nicht mehr als fünf Minuten davon anhören, ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Als Clint ihn eines Abends einlädt, mit ihm zusammen auf ein Punkkonzert zu gehen, lehnt er darum mit einer Entschuldigung ab. Natasha bevorzugt keine bestimmte Musikrichtung. Sie hört russische Volksmusik ebenso gerne, wie Techno oder Funk oder Hip-Hop (für Steve die eigenartigste Form moderner Musik), und bei ihr merkt Steve am stärksten, wie sehr sich die Musik im Laufe der Zeit eigentlich entwickelt hat. *~*~* Ähnlich wie mit der Musik verhält es sich mit Filmen. Filme zu kennen ist vielleicht sogar noch wichtiger, denn sie haben die Kultur und den Sprachgebrauch stark mitgeprägt, wie Steve jedes Mal erneut feststellt, wenn Tony und Clint Witze reißen, die auf Filmdialogen basieren und die er nicht versteht, weil ihm das Hintergrundwissen fehlt. Seine Verwirrung fällt auch den anderen bald auf, und Tony beschließt, dass sie von nun an jede Woche einen Filmabend machen, an dem sie sich mit Steve einen der Klassiker anschauen. Und so treffen sie sich freitags immer in dem kleinen Kino im Penthouse und machen es sich mit Popcorn auf den Sofas und Sesseln gemütlich, während von Psycho über Der Pate über Star Wars, Jurassic Park und Toy Story bis hin zu Titanic ein bedeutender Film nach dem anderen über die Leinwand flimmert. Danach sitzen sie noch oft bis spät in die Nacht beisammen und unterhalten sich über die jeweiligen Filme. Steve ist besonders von der Moral der Jedi-Ritter sehr angetan und diskutiert mit Tony stundenlang Vor- und Nachteile der „Macht“, bis selbst Clint die Augen verdreht und sich mit einem „Gute Nacht, ihr Geeks!“ ins Bett verabschiedet. *~*~* „Dein Outfit“, sagt Tony eines Tages, „ist vollkommen unakzeptabel.“ Steve sieht an sich herab, weil er denkt, er hat sein T-Shirt falsch herum angezogen, doch es ist alles so, wie es sein sollte. Verwirrt sieht er den anderen Mann an. „Was meinst du?“, fragt er. „Ernsthaft, Steve? Alles an dir schreit nach ‚Schwiegermutterliebling‘, das meine ich“, erwidert Tony, während er um Steve herumgeht und ihn von oben bis unten mustert. „Für dich mag es okay sein, nur zwei verschiedene Arten von Oberteilen in zwei verschiedenen Farben zu besitzen, aber als Avenger und dein Freund bin ich der Meinung, dass die Öffentlichkeit etwas mehr verdient hat. Immerhin bist du unser Aushängeschild, und da ich derjenige bin, der uns größtenteils finanziert, bestehe ich darauf, dass du ein bisschen kamerafreundlicher herumläufst.“ Er bleibt vor Steve stehen und verschränkt demonstrativ die Arme vor der Brust. „Wir gehen einkaufen.“ *~*~* Da Steve etwas bange dabei ist, allein mit Tony shoppen zu gehen – der Mann kann in zehn Minuten mehr Geld ausgeben, als andere in zehn Jahren verdienen – bittet er Natasha, sie beim Einkauf zu begleiten. Tony, der ihr noch immer nicht besonders traut, ist davon nicht sehr begeistert, aber er und Natasha scheinen seit dem Kampf gegen Loki eine Art Waffenstillstand geschlossen zu haben, und der Nachmittag verläuft erstaunlich friedlich. Einkaufen zu gehen ist für Steve jedes Mal ein überwältigendes Erlebnis. Das Angebot ist riesig; immer wieder entdeckt er Alltagsgegenstände, Lebensmittel oder technische Gerätschaften, die er noch nie zuvor gesehen hat. Viele Dinge, für die die Menschen früher stundenlang anstehen mussten, sind heute leicht zu bekommen, und es gibt nichts, was nicht im Überfluss vorhanden ist. Er fühlt sich jedes Mal ein bisschen wie im Wunderland, wenn er ein Einkaufszentrum betritt. Während Tony ihm zeitgemäße Hemden, Hosen und Schuhe besorgt – letztere ausschließlich italienische Handarbeit, Tony lässt da auch nicht mit sich diskutieren – gehen Steve und Natasha Anzüge anprobieren, wobei sie einen hervorragenden Geschmack beweist. Als Steve im perfekt sitzenden Smoking und mit Fliege aus der Umkleidekabine tritt, sieht sie ihn mit zufriedenem Lächeln an und selbst Tony kann sich ein anerkennendes Pfeifen nicht verkneifen. „Nicht schlecht“, meint er. Und zu Natasha: „Gute Arbeit, Agent Romanoff.“ „Ich weiß“, entgegnet sie nur, als stünde diese Tatsache für sie außer Frage. „Sich geschmackvoll kleiden zu lernen gehört zur Grundausbildung eines jeden Undercoveragenten.“ „Warum überrascht mich das nicht?“ „Weil Sie mit James-Bond-Filmen großgeworden sind, Mister Stark“, entgegnet sie, und Steve muss lächeln, denn er hat die Anspielung verstanden. „Wäre das dann alles?“, fragt Natasha, und Tony, dem zur Abwechslung keine geistreiche Antwort einfällt, nickt nur. „Sehr schön“, meint sie und wendet sich dann ab. „Ich denke, das wichtigste dürften wir haben. Ich werde mich noch mal ein wenig in der Dessous-Abteilung umsehen, wenn  ihr nichts dagegen habt. Bitte entschuldigt mich.“ Sie nickt Steve kurz zu und verlässt dann die Herrenabteilung. Tony seufzt und sieht ihr nach, die Hände in den Hosentaschen vergraben. „Wenn ich nicht genau wüsste, dass sie mir die Finger brechen würde, hätte ich schon längst mein Glück bei ihr versucht“, sagt er. „Diese Frau ist tödlicher, als ein Piranha im Goldfischteich... Ich frage mich, wie Barton es nur geschafft hat, bei ihr zu landen.“ Steve vermutet, dass es daran liegt, dass Clint über Qualitäten verfügt, die Natasha einfach mehr ansprechen, aber er behält seine Gedanken für sich, denn es würde den anderen nur verletzen. „Der Smoking steht dir wirklich gut“, meint Tony dann und Steve spürt, wie seine Wangen rot werden. „Genau das richtige Outfit für die Spendengala am Wochenende“, fährt Tony fort und Steve sieht ihn überrascht an. Der andere lacht nur. „Keine Sorge, es klingt aufregender, als es ist. Aber es wäre die perfekte Gelegenheit für dich, mal ein paar neue Leute kennenzulernen. Also, was sagst du? Nur du und ich und Pepper und die High Society von New York...“ „Ich weiß nicht“, meint Steve. „Ich fühle mich auf solchen Veranstaltungen immer fehl am Platz...“ Tony nickt verstehend. „Kein Problem. Ich will dich zu nichts zwingen. Aber vielleicht ein andermal...?“ „Ein andermal“, bestätigt Steve und lächelt. „Versprochen.“ *~*~* Es ist Donnerstagabend, als aus der Küche plötzlich ein lauter Klirren zu hören ist. Sofort sind alle auf den Beinen, und selbst Pepper, die kurz zuvor schlafen gegangen war und darum nur ein Nachthemd anhat, gesellt sich mit Pfefferspray bewaffnet zu ihnen. „Was ist los?“, flüstert sie mit weit aufgerissenen Augen, während sie zu viert langsam in Richtung Küche vorpirschen (Clint und Natasha sind in dieser Woche wieder im Auftrag von SHIELD unterwegs). Bruce‘ Wangen haben einen leichten Grünstich bekommen und ihm ist anzusehen, dass der Hulk nur darauf wartet, herausgelassen zu werden. Steve hofft jedoch, dass sie nicht auf seine Hilfe zurückgreifen müssen und mit ihrem nächtlichen Gast auch auf andere Weise fertig werden. Er entspannt sich wieder, als sie schließlich die Küche erreichen und eine breitschultrige, ihnen sehr vertraute Gestalt erblicken. „Thor?“, fragt er überrascht. „Was machst du denn hier?“ Der Donnergott, der mit seinem Umhang versehentlich ein paar Teller vom Tisch gefegt hatte, die noch vom Abendessen übriggeblieben waren, dreht sich um und schenkt ihnen ein breites Lächeln. „Meine teuren Freunde!“, ruft er. „Es tut gut, euch wiederzusehen!“ „Wie bist du hierhergekommen?“, fragt Bruce und rückt seine Brille zurecht. Steve stellt erleichtert fest, dass das Grün wieder aus seinen Wangen verschwunden ist. „Ich dachte, die Brücke zwischen den Welten wäre zerstört...“ „Das war sie auch“, entgegnet Thor und nickt. „Doch nun, da sich der Tesserakt wieder an seinem angestammten Platz in den Schatzkammern von Asgard befindet, konnte der Allvater den Bifröst mit seiner Hilfe wieder herstellen.“ „Also kannst du von jetzt an jederzeit in unsere Welt überwechseln?“ Pepper lächelt. „Ich bin mir sicher, Jane wird begeistert sein.“ „Meine holde Jane ist in der Tat sehr angetan“, sagt Thor. „Sie habe ich als erstes besucht.“ „Tatsächlich“, meint Tony nur. „Und wieso bist du jetzt hier? Wie bist du hier überhaupt reingekommen?“ „Der verehrte JARVIS hat mich eingelassen“, sagt Thor. „Ist er euer Hausgeist? Wenn ja, könnt ihr stolz auf ihn sein, er ist ein sehr anständiger Dämon. In Asgard gibt es auch welche wie ihn, aber sie sind für gewöhnlich schwer zu fangen und noch schwerer zu trainieren...“ „Nein, Sir, ich bin nur ein Computer“, teil JARVIS ihm mit. „Und sehr geschmeichelt von Ihrem Lob.“ „Ihr habt es verdient, Freund JARVIS“, entgegnet Thor, und Steve kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Doch um deine andere Frage zu beantworten...“, fährt Thor dann fort. „Ich bin auf Janes Geheiß hierhergekommen. Sie hat eine...“ Er denkt einen Moment lang nach. „... Fluk-tu-a-tion einer unbekannten Energie in dem Gebiete von New York entdeckt, und mir aufgetragen, dich und Banner davon in Kenntnis zu setzen und euch zu unterstützen, sollte es zu einem Kampf kommen.“ Plötzlich sind Tony und Bruce hellwach. „Wovon redest du?“ – „Was ist passiert?!“ Sie bestürmen ihn mit Fragen, wann und wo und wie es zu dieser Fluktuation kam, und Thor versucht, sie ihnen nach besten Möglichkeiten zu beantworten. Während die drei den Flur entlang in Richtung der Labore verschwinden, lässt Pepper sich mit einem Seufzen auf einem der Stühle nieder. „Ich werde nie ein normales Leben führen, oder?“, fragt sie und stützt das Kinn in die Hand. „Nicht an Tonys Seite, nicht an diesem Ort, nicht bei all den Wahnsinnigen und Halbgöttern und Möchtegern-Weltherrschern, die uns umgeben...“ Steve sieht sie voller Mitgefühl an und setzt sich auf den Stuhl neben sie. „Auch wenn ich mir manchmal das Gegenteil wünsche... ich glaube nicht, nein“, entgegnet er, und hebt überrascht eine Braue, als Pepper ihm ein müdes Grinsen schenkt. „Gut“, sagt sie. „Alles andere wäre auch furchtbar langweilig.“ Sie streckt die Hand aus, und er ergreift sie und drückt sie sacht. Lächelnd sehen sie sich an. „Ja“, erwidert Steve. „Das wäre es vermutlich.“ *~*~* Gemeinsam können Bruce und Tony bald die Quelle der Energieschwankungen ausmachen, von denen Thor erzählt hat, und Steve geht vorsorglich schon mal seinen Schild holen und zieht sich um. Sie treffen sich zu viert auf dem Dach, wo Bruce seinen Computer und mehrere Messinstrumente aufgebaut hat. „Die Quelle scheint sich im Baxter Building zu befinden“, sagt er. „Das heißt also, wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Reed Richards etwas damit zu tun hat“, meint Tony, der mittlerweile ebenfalls seine Rüstung anhat. „Reed Richards?“, fragt Steve, dem der Name bekannt vorkommt, der ihn jedoch auf Anhieb nicht zuordnen kann. „Auch bekannt als ‚Mr. Fantastic‘“, erklärt Tony. „Ein genialer Wissenschaftler und einer der klügsten Männer der Welt“, fügt Bruce mit unverhohlener Bewunderung hinzu. „Weil er bescheißt“, meint Tony nur. „Dank seiner genetischen Veränderung kann er sein Gehirn so manipulieren, dass er Daten wesentlich schneller erfassen und verarbeiten kann, als normale Menschen. Kein Wunder also, dass er klüger ist, als die meisten anderen Leute auf diesem Planeten.“ „Höre ich da einen Anflug von Neid?“, fragt Steve, weil die Versuchung einfach zu groß ist. „Nein“, erwidert Tony ohne mit der Wimper zu zucken. „Solange ich ihn noch jedes Mal beim Schach besiege, gibt es nichts, worauf ich neidisch sein muss.“ Er setzt seinen Helm auf, den er bisher unter dem Arm getragen hat, und nickt Thor und Steve zu. „Wir werden uns das näher ansehen“, sagt er. Und an Bruce gewandt: „Reine Kampfkraft wird uns hier nicht weiterbringen. Ich glaube, es ist besser, wenn du hierbleibst und die Energieschwankungen im Auge behältst. Sag uns Bescheid, wenn sich was verändert.“ „In Ordnung“, meint Bruce. „Aber zögert nicht, Bescheid zu sagen, wenn ihr Hilfe braucht.“ „Machen wir“, entgegnet Tony, dann stellt er sich neben Steve und legt einen Arm um seine Taille. Verwirrt sieht Steve ihn an. „Tony, was soll-?“ „Sorry, Cap, aber du kannst als einziger von uns nicht fliegen, und wir haben es eilig. – Gut festhalten!“ Er richtet seine freie Hand gen Boden und seine Handfläche beginnt leise zu summen. „Tony?!“ Steve findet das Ganze überhaupt nicht witzig. „Tony, nein...!“ Ihm bleibt für einen Moment die Luft weg, als der andere die Repulsor-Schubdüsen aktiviert und abhebt. Erschrocken klammert Steve sich an ihn, doch Tony lacht nur und verstärkt seinen Griff. „Keine Sorge, ich hab dich“, sagt er, während sie über die Dächer von Manhattan dahinfliegen. „Aber lass deinen Schild bloß nicht fallen.“ „Uhn“, macht Steve, der damit rechnet, jeden Moment abzustürzen. Doch Tony hält ihn sicher in seinem Arm und so entspannt sich Steve nach einer Weile wieder etwas und wagt sogar einen Blick hinab auf die Straße, die sich gut hundertfünfzig Meter unter ihnen befindet. „Du hättest mich vorwarnen können“, ruft er über den Gegenwind hinweg. „Warum, hast du Höhenangst?“, fragt Tony. „Darum geht es überhaupt nicht!“ „Wo liegt dann das Problem? Im Ernst, Steve, wenn dir eine bessere und schnellere Möglichkeit einfällt, an unser Ziel zu kommen, dann sag es mir bitte.“ Steve gibt ein Seufzen von sich. „Tony, du-“ „Was für ein merkwürdiger Zauber ist das?“, ruft Thor plötzlich aus, der neben ihnen herfliegt. Steve hebt den Kopf und obwohl seine Augen im Wind tränen, kann er mehrere Straßenblöcke entfernt ein hohes Gebäude erkennen, dessen obere Etagen von einer Art leuchtender Sphäre umschlossen zu sein scheinen, die langsam immer größer wird. „Was zum Teufel...?“, murmelt Tony. Plötzlich hört Steve ein Knistern in der Leitung und eine männliche, ihm unbekannte Stimme meldet sich zu Wort, die immer wieder von lautem Rauschen übertönt wird. „-mich jemand? Irgendjemand? Hier ist Reed Richards und ich ... momentan in der 24. Etage des Baxter Buildi- ... einen Laborunfall, durch den ... Sphäre breitet sich aus und hat bereits zwei unserer Leute- ... könnten dringend Hilfe ... mich irgendjemand?“ „Reed Richards, hier spricht Captain America“, entgegnet Steve, und bemüht sich, möglichst laut und deutlich zu sprechen, damit seine Worte trotz der schlechten Verbindung durchdringen. „Iron Man und Thor sind bei mir, und wir sind gerade auf dem Weg zu euch.“ Tony ist weniger förmlich. „Reed!“, ruft er gut gelaunt. „Was hast du dieses Mal schon wieder angestellt?“ „Ich, äh...“ Etwas knackt in der Leitung, dann ist Reed auf einmal klar und deutlich zu hören. „... ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher. – Aber es hat Sue und Ben erwischt!“ Richards klingt ziemlich verzweifelt, und Steve bekommt Mitleid mit dem Mann. Auch wenn er der Auslöser von dem Chaos zu sein scheint, er ist mit den Nerven gerade völlig am Ende und hat überdies noch zwei seiner Teamkollegen verloren. Und wie sich das anfühlt, das weiß Steve sehr gut aus eigener Erfahrung. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass es eine schlechte Idee ist, in deinem Wohnzimmer Dimensionsportale zu öffnen?“, stichelt Tony weiter. „Spar dir deinen Spott, Stark, und hilf uns!“, meldet sich eine zweite Stimme zu Wort. „Johnny-Boy, bist du das?“, fragt Tony. „Wer sonst, Schlaumeier?!“ „Wem gehören all diese Stimmen in meinem Kopf?“, fragt Thor, der sich immer noch an den Kommunikator in seinem Ohr gewöhnen muss. „Oh, äh... sorry. – Thor, das sind Reed Richards und Johnny Storm, Mitglieder der Fantastic Four ... oder vielmehr Fantastic Two, jetzt, wo der Rest ihrer Gruppe von einer Energiekugel verschlungen wurde. – Fantastic Two, das ist Thor, Gott des Donners.“ „Heil euch, Reed Richards und Johnny Storm!“ „Äh... heil?“, erwidert Reed. „... ich schwöre dir, Stark, wenn all das vorbei ist...!“ „... dann wirst du mir auf Knien danken, dass ich geholfen habe, deine Schwester zu retten, Johnny, also bleib locker. – Bruce, was sagt der Computer?“ „Der Energiepegel steigt weiter an. Wenn er innerhalb der nächsten fünfzehn Minuten nicht sinkt und die Sphäre nicht kleiner wird, dann-“ „Boom?“ „So ungefähr, ja.“ „Das klingt nicht gut“, meint Steve. „Okay, Richards, irgendwelche Ideen, wie wir die anderen zurückholen können...?“ „Mehrere sogar“, erwidert Reed. „Leider bin ich bei jeder einzelnen davon auf die Geräte in meinem Labor angewiesen, und das wurde mittlerweile von der Sphäre verschluckt.“ „Sieht also aus, als müssten wir improvisieren“, stellt Tony fest. „Zum Glück bin ich gut im Improvisieren.“ Dann wird seine Stimme plötzlich ernst. „Keine Sorge, Reed, wir werden Susan und Ben schon irgendwie zurückbekommen, das verspreche ich dir.“ Sie erreichen das Baxter Building und Tony setzt Steve vorsichtig auf dem Dach des gegenüberliegenden Gebäudes ab. Als Steve in die Straße hinunterschaut, kann er sehen, dass der Bereich um das Gebäude herum bereits komplett von der Polizei abgesperrt worden ist. Sehr gut. Zumindest besteht nun vorerst keine Gefahr, dass Zivilisten bei dieser Sache zu Schaden kommen. Dann sieht er wieder auf. Die Sphäre im oberen Teil des Baxter Buildings erstreckt sich mittlerweile über fast zehn Stockwerke und nähert sich allmählich den benachbarten Wolkenkratzern. „Okay, das sieht überhaupt nicht gut aus“, sagt Tony leise, und Steve spürt, dass der andere ebenso ratlos ist, wie er selbst. In einer der unteren Etagen zersplittert plötzlich ein Fenster und eine hell leuchtende Gestalt kommt auf sie zugeflogen. „Ein Feuerdämon!“, ruft Thor erstaunt und hebt abwehrend seinen Hammer, als die Gestalt kurz darauf neben ihnen auf dem Dach landet. „Johnny?“, fragt Tony. „Wo ist Reed?“ „Noch drin“, erwidert der andere, dessen Flammen langsam kleiner werden, bis sie schließlich gänzlich in sich zusammenfallen und einen jungen Mann in einem blauen Anzug enthüllen. „Er versucht, von der ursprünglichen Apparatur zu retten, was noch zu retten ist.“ „Ist er wahnsinnig?! Warum denn das? Ich dachte, er kann die Sphäre nicht-!“ „Die Sphäre ist nicht das Problem“, teilt Richards ihnen über Funk mit. „Ich habe eine Möglichkeit gefunden, das Portal in ihrem Zentrum zu schließen und zu verhindern, dass es weiterhin jede Masse um sich herum aufsaugt. Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, wie wir vorher unsere Leute rausholen sollen, denn der Druck innerhalb der Sphäre ist gewaltig. Jeder, der hineingerät, wird unweigerlich zerquetscht werden.“ Na das sind ja erfreuliche Aussichten. „Wenn das so ist, wie weiß er dann, dass seine beiden Teamkollegen überhaupt noch am Leben sind?“, fragt Steve leise an Tony gewandt. „Susan Storm kann Kraftfelder erzeugen, und ich bin mir sicher, dass sie genau das gerade tut“, erwidert der andere ebenso leise. „Zumindest hoffe ich es, denn wenn nicht, kommt jede Rettungsaktion für sie und Ben zu spät.“ Dann fährt er mit etwas lauterer Stimme fort: „Hoher Druck, sagst du? Kein Problem. Ich habe meiner Rüstung erst letztens das entsprechende Upgrade verpasst...“ Johnny und Steve starren ihn ungläubig an. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, fragt Steve. Du kannst mir das nicht noch mal antun. „Er hat Recht, Tony, das ist Wahnsinn!“, stimmt auch Reed ihm zu. „Ich meine, es könnte klappen... aber es ist trotzdem Wahnsinn.“ Doch Tony zuckt nur mit den Schultern. „Es gefällt mir genauso wenig wie euch, aber es ist die einzige Möglichkeit, die mir einfällt“, entgegnet er. „Entweder das, oder die beiden werden sterben, und das kann ich nicht zulassen.“ Er will sich gerade auf den Weg machen, doch Steve packt ihn am Arm und hält ihn fest. Er weiß, dass es keinen Sinn hat, mit Tony zu argumentieren, aber er kann ihn auch nicht einfach so gehen lassen. Nicht noch einmal. Tony seufzt, dann dreht er sich zu ihm herum und schiebt die Maske seiner Rüstung nach oben. Einen Moment lang starren sie sich wortlos an. „Bitte lass mich gehen, Steve, wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagt Tony schließlich. „Und ich bin der einzige hier, der es rein und wieder rausschaffen kann.“ „Aber das weißt du nicht genau...!“ Steve fühlt sich hilflos, und er hasst es, hasst es. „Warum werde ich dann das Gefühl nicht los, dass du genau das Gleiche tun würdest, wenn du könntest?“ Der andere Mann hat Recht und Steve weiß es, dennoch sieht er Tony noch einen Moment lang stumm an, bevor er ihn wieder loslässt. „Wusste ich’s doch“, meint Tony, aber sein Tonfall ist sanft. Dann nickt er Thor zu. „Bitte pass gut auf unseren Captain auf und sorg dafür, dass er nichts Dummes anstellt“, sagt er zu ihm. „Aye“, erwidert der Donnergott. „Viel Glück, Metallmann!“ „Viel Glück auch von mir, Tony“, sagt Bruce. „Ich hoffe doch sehr, du kommst wieder, sonst kann nicht mal der Hulk Pepper daran hindern, dich zurückzuholen.“ Tony grinst und salutiert zum Abschied, dann klappt er die Maske wieder herunter und aktiviert die Repulsor-Schubdüsen. „Alles oder nichts“, murmelt er, als er abhebt. Steve muss die Augen zusammenkneifen, denn die Sphäre leuchtet mittlerweile in einem so hellen Licht, dass er kaum erkennen kann, wie Tony auf sie zufliegt und in ihr verschwindet. „Ganz schön mutig, dein Freund“, sagt Johnny neben ihm, den das grelle Licht nicht sonderlich zu stören scheint. Dann wirft er Steve einen Blick zu und macht ein besorgtes Gesicht. „Hey, alles okay bei dir?“ Steve nickt nur, weil sein Hals in diesem Moment zu trocken ist, als dass er irgendein Wort hervorbringen könnte. „Sorge dich nicht, Steven Rogers“, meint Thor und legt eine Hand auf seine Schulter. „Wenn es jemand schaffen kann, dann Stark.“ Steven zwingt sich zu einem Lächeln und betet, dass Thor Recht behält. *~*~* Er soll tatsächlich Recht behalten, auch wenn zu diesem Zeitpunkt schon jeder außer Steve die Hoffnung aufgegeben hat. Die Minuten verstreichen, ohne dass sie irgendeine Nachricht von Tony oder den anderen bekommen, und nach einer Weile liegen nicht nur Steves Nerven blank. Johnny umkreist ungeduldig den Turm wie ein kleiner Satellit, und Reed fragt alle zwanzig Sekunden, ob irgendeiner von den anderen schon wieder aufgetaucht ist, eine Frage, die Steve jedes Mal mit immer schwerer werdendem Herzen verneint. Doch schließlich – nur wenige Minuten, bevor die Sphäre den Punkt erreicht, an dem sie unter ihrer eigenen Masse kollabiert – meldet Tony sich wieder zurück. „Okay, ich hab sie!“, ruft er. „Reed, mach das Ding zu!“ Richards befolgt seine Anweisung unverzüglich und schließt das Portal, und die Sphäre schrumpft langsam in sich zusammen und löst sich schließlich auf. Von den oberen fünfzehn Etagen des Baxter Buildings ist nichts mehr übriggeblieben und einige der Nachbargebäude haben durch die Sphäre über mehrere Etagen hinweg die Außenwände eingebüßt. Doch es wurde niemand verletzt und die Freude ist groß, als Reed und Johnny ihre beiden Teamkollegen endlich wieder in die Arme schließen können. Tony nimmt seinen Helm ab, während er der Wiedervereinigung zusieht, ein erschöpftes, aber zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Steve kann nur mit Mühe den Drang unterdrücken, ihn in eine Umarmung zu ziehen und nie wieder loszulassen. „Du hast es tatsächlich geschafft“, sagt er leise. Tony sieht ihn an, ein Funkeln in den dunklen Augen. „Hast du jemals daran gezweifelt?“ „Ich...“ Steve zögert. „Nun... einen Moment vielleicht.“ Er blickt kurz zu Boden und sieht Tony dann offen ins Gesicht. „Mach das nicht noch mal, hast du verstanden? Bitte. Ich... ich weiß sonst nicht, was ich Pepper sagen soll.“ Tony senkt den Blick. „Du brauchst ihr gar nicht zu sagen, Steve. Sie kennt mich. Sie wird es verstehen.“ „Trotzdem“, meint Steve. „Dann tu’s wenigstens für mich, okay? Ich weiß nicht, ob mich das Serum auch vor Herzanfällen schützt, und ich habe keine Lust, es durch dich herauszufinden.“ Tony sieht ihn an und ein Lächeln spielt um seine Lippen. „Okay“, sagt er. „Keine Selbstmordaktionen mehr in diesem Monat.“ „... der Monat ist fast zu Ende, Tony.“ „Verdammt! Gut, dann... keine Selbstmordaktionen mehr in dieser Woche?“ „Das hoffe ich doch. Ich werde JARVIS bitten, ein Auge auf dich zu haben.“ „Du willst meine eigene künstliche Intelligenz gegen mich verwenden? Hältst du das für klug?“ „Ich werde alles tun, was ich für nötig halte, um dich davon abzuhalten, dich selbst umzubringen.“ „Na dann viel Erfolg.“ Sie grinsen sich an. „Stark!“, ertönt plötzlich eine tiefe Stimme, und Thors Hand landet schwer auf Tonys Schulter. Der Donnergott zieht ihn in eine feste Umarmung, die ihm sicher ein paar Rippen brechen würde, hätte Tony in diesem Moment nicht seine Rüstung an. „Wieder einmal hast du dich als furchtloser Kämpfer erwiesen!“, lobt ihn Thor. „Welch mutige Heldentat!“ „Ah, aua... ... äh, danke!“, bringt Tony ächzend hervor, bevor Thor ihn wieder absetzt. „Im Ernst, Stark“, meldet sich nun auch Bruce über Funk zu Wort. „Du hast den Tag gerettet. – Wie wär’s, wenn ihr zurück nach Hause kommt, damit wir das gemeinsam feiern können?“ „Guter Plan“, stimmt Steve ihm zu. Der Abschied von den anderen ist kurz, aber sehr herzlich (Thor wird rot, als Susan ihm einen Kuss auf die Wange gibt, und murmelt ein paar unverständliche Worte in seinen Bart), und dann stehen sie am Rande des Dachs und Tony hält Steve seine Hand hin. „Bereit für den Rückflug?“, fragt er. Und Steve lächelt und ergreift sie, denn dieses Mal weiß er, was ihn erwartet, und er hat keine Angst. „Bereit“, entgegnet er. Und zusammen fliegen sie heim. ~ Ende ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)