Find your own way von Kokoro-Tamashi ================================================================================ Kapitel 23: Geschwisterliebe ---------------------------- Man denkt immer, Geschwister wären etwas Selbstverständliches und manchmal verletzt man sie schrecklich. Das kann schlimmere Folgen haben, als der Streit mit Fremden. aus "W Juliet" von Emura   *.: 。✿*゚‘゚・✿.。.:*Hikari*.:。✿*゚’゚・✿.。.:*   „Keru, lass das!“, ermahnte Hikari ihren Freund lachend und versuchte sich spielerisch aus seinen Griffen zu befreien. Sie lagen auf ihrem Bett in ihrem Zimmer und der blonde junge Mann saß auf seiner Freundin und kitzelte sie bereits seit zwanzig Minuten bedingungslos durch. „Ich kann nicht mehr, bitte.... Denk an das Baby...“, seufzte die Braunhaarige und sah ihn mitleidig an. Mit diesen Worten ließ der Blonde dann doch von seiner Freundin und Mutter seines zukünftigen Kindes ab, aber nicht ohne ihr noch einen Kuss auf ihre Stirn zu schenken. „Hmmm...Na gut, aber nur, weil ich nicht möchte, dass Little you irgendwas passiert“ „Little You?“, hakte die Braunhaarige irritiert nach. „Ja...so nenne ich es, bis ich weiß was es wird, wobei ich mir sicher bin, dass es ein Junge wird“ klärte er die Brünette auf. „Tzz... es wird auf jeden Fall ein Mädchen“, entgegnete sie prompt und streckte ihm die Zunge aus. „Wir werden es ja hoffentlich bald wissen, jetzt wo du bald die kritische Phase überstanden hast, sagen wir es dann auch den Anderen?“ hakte der blonde Oberschüler bei seiner Freundin nach, während er sich aufrichtete und nach der Flasche Wasser griff, die auf dem Nachtschränkchen lag. „Ja, heute kommt Taichi vorbei, denn werde ich es ihm sagen und dann auch den Anderen“, murmelte die Jüngere, als sie ebenfalls nach der Flasche griff, die Takeru ihr angeboten hatte. „Hmmm...Ich hoffe er lässt mich leben...“, nuschelte der Blonde. „Das sollte er besser, wobei ich nervöser bei ihm bin, als ich es bei meinen Eltern war...Ich hab Angst, dass er von mir enttäuscht sein könnte...“   Hikari sprach mit ihren Eltern vor zwei Wochen, kurz nachdem sie ihr erstes Ultraschallbild von ihrem Würmchen in den Händen hielt. Sie war so aufgeregt und wusste kaum wie sie die Worte über ihre Lippen bringen sollte, doch nachdem sie es dann fertigbrachte, war sie erleichtert es wenigstens ausgesprochen zu haben. Erst lag ein entsetzlicher und geschockter Ausdruck in den Gesichtern ihrer Eltern. Sie schwiegen eine ganze Stunde lang, doch dann stand Yuuko vom Stuhl des Esstisches auf, umarmte ihre Tochter und vergewisserte ihr, dass sie das schon alles irgendwie hinbekommen würden. Auch Susumo umarmte seine Tochter und versprach sie immer zu unterstützen. Die Braunhaarige war glücklich, sie hatte tolle Eltern und auch Takerus Mutter, war ganz auf der Seite der Teenager. Sie begann bereits zu stricken und Hikari konnte sie nicht wirklich davon abhalten, genauso wenig wie sie ihre Mutter davon abhalten konnte täglich neue Babybreis auszuprobieren. Gott – das arme Kind sollte doch leben, aber sie wollte ihrer Mutter auch nicht vor dem Kopf stoßen.   Auch heute hatte sich Yuuko wieder an einem Rezept aus dem Internet versucht. Stolz berichtete sie ihrer Tochter von dem leckeren Apfel-Möhren Kompott, der Gesund und Vitaminreich war. Zumindest stand es so im Internet. Als sie fertig mit dem Babybrei war, sollte Hikari probieren kommen, doch sie war noch nicht hungrig, erst als ihre Mutter später zum einkaufen die Wohnung verlassen hatte, fiel ihr wieder der Brei ein. Misstrauisch beäugelte sie die orangene Substanz und probierte dann doch – zu ihrer Überraschung schmeckte es ihr wirklich gut und sie aß fast alles auf. Takeru konnte kaum glauben, wie schnell sie den Brei verschlang, daher griff er sicherhaltshalber selber nach einem Löffel und wollte den Brei probierien, immerhin ging es auch um sein Kind, da musste er einfach auf Nummer sicher gehen. Kaum hatte der Apfel-Möhren Brei seinen Gaumen erreicht, musste er unwillkürlich sein Gesicht verziehen, mühsam schluckte er den Brei – oder was immer es war- herunter und nahm Hikari augenblicklich die Schüssel weg. „Also ab jetzt bin ich dein Vortester...und du isst nur noch Sachen die ich vorher freigegeben habe“, murmelte er, während er ein Glas Wasser an seinem Mund ansetzte und den ekligen Geschmack in seinem Mund loszuwerden. „Warum...so schlecht war das doch gar nicht“, argumentierte sie verständnislos. Doch musste sie zugeben, dass sich ihr Geschmack seit der Schwangerschaft zunehmendes veränderte. „Na, vielleicht hast du Recht. Sicher ist sicher...“, kicherte sie dann doch und streichelte behutsam ihren kleinen Bauch. „Ich will ja schließlich, dass es IHR gut geht“ erwiderte sie und streckte ihm die Zunge raus. „Du meinst IHM! Ich mache mich dann langsam mal auf dem Weg. Ich habe gleich noch Basketballtraining“ erinnerte sich der Blonde. Hikari nickte „Gut...meldest du dich dann später?“, hakte sie bei ihrem Freund nach. „Natürlich Hikari-chan“, entgegnete er prompt. Die Braunhaarige begleitete ihren Freund noch bis zur Wohnungstür und verabschiedete sich mit einem langen Kuss bei ihm. „Und schon könnte ich wieder...“, flötete sie verführerisch in sein Ohr und spielte mit dem Kragen seines Hemdes. „Jaja...seit der Schwangerschaft bist du wirklich rund um die Uhr scharf, eine Entwicklung die mir sehr gefällt“, gluckste der blonde Oberschüler und küsste sie auf die Nasenspitze, ehe er seine Hand auf ihren Bauch ablegte. „Und pass gut auf Mami auf Little you, und ärgere sie nicht so sehr...“, erwiderte er zum Abschied und verließ die Wohnung der Yagamis. Leise schloss sie die Haustür und sah sich in der Wohnung um.   Sie wollte alleine mit Taichi sprechen, deshalb würde Yuuko nachdem Einkauf, noch zu einer Freundin gehen, damit die Geschwister genug Zeit hatten um in Ruhe über alles zu reden. Sie wurde richtig nervös, spielte mit ihrem Fingern, während sie auf der Couch saß und eher desinteressiert dem Fernsehprogramm lauschte. Sie nahm erst wieder richtig etwas war, als sie hörte wie jemand vor der Wohnungstür stand und am Schlüsselloch verhakte. Obwohl Taichi mittlerweile in der Chaos-WG gemeinsam mit Yamato und Koushiro wohnte, hatte er dennoch seinen Wohnungsschlüssel zu seiner alten Wohnung behalten. Immerhin war er auch hier jederzeit Willkommen und in der letzten Zeit ließ sich der Ältere immer öfter blicken und schlief auch des Öfteren auf der Couch. „Hallo Hikari-chan“, begrüßte der Ältere seine kleine Schwester, schlüpfte gleich aus seinen Schuhen raus und stelle sie auf der Fußmatte ab. „Hallo Taichi-kun“, erwiderte die Braunhaarige, stand von der Couch auf, ging auf ihren Bruder zu um ihn mit einer Umarmung zu begrüßen. „Geht‘s dir besser?“, fragte der Ältere gleich nach. Auch er machte sich Sorgen um seine kleine Schwester, da es ihr in den letzten Wochen wirklich nicht besonders gut ging. „Ja...mir geht es viel besser, Danke der Nachfrage“, erwiderte die Jüngere lächelnd. „Okay, weiß man denn was dir gefehlt hatte?“, hakte er gleich interessiert nach. Oh weia sogleich hatte er ins Schwarze getroffen. Manchmal hatte er wirklich eine Gabe dafür. „Ähm...na ja...komm doch erst mal an. Möchtest du was essen?“ Taichi sah sich in der Küche um. „Hat Mama gekocht?“, fragte er misstrauisch nach und ging zum Kühlschrank. „Ja, aber ich habe schon alles aufgegessen...“, erwiderte die Oberschülerin unbeeindruckt. Taichi schlug die Kühlschranktür wieder zu, drehte sich zu seiner Schwester um und sah sie irritiert an. „Hä?“ Hikari schüttelte den Kopf „Ähm...ich meine ich habe schon alles weggeschmissen, das konnte man wirklich nicht essen, dieses Mal hatte Mama Salz und Zucker verwechselt...“, seufzte die Jüngere und wisch seinem Blick aus. „Aha! Ja, das klingt schon eher nach Mama“, murmelte er, während er einen Stuhl zurückschob um sich kurz darauf auf diesem niederzulassen.   Hikari stand etwas unbeholfen im Flur und wusste nicht so recht wie sie das Thema am besten an ansprechen und Taichi die Nachricht beibringen sollte. Irgendwie fühlte sie sich gar nicht mehr so gut. „Ist wirklich alles in Ordnung?“ hakte der Ältere besorgt nach. Hikari wand ihren Blick vom Fußboden ab und sah zu ihrem Bruder. Nervös spielte sie am Saum ihrer Bluse. „Ich...ich...“, doch mehr bekam die Jüngere nicht heraus, stattdessen spürte sie erneut die Übelkeit in ihr hochkommen. Schnell lief die Brünette ins Badezimmer und übergab sich in die Toilette. „Nicht schon wieder diese würgen“ murmelte der junge Mann und versuchte nicht mehr an jenem Abend zurück zu denken. „Sicher, dass du nicht doch von Mamas essen gegessen hast?“, scherzte der Ältere. „Das ist überhaupt nicht lustig Taichi-kun“, brüllte sie durch das Badezimmer. Hikari kämpfte sich hoch, ging zum Waschbecken, spülte ihren Mund mit Wasser aus, wusch sich ihre Hände und ging zurück zur Küche. „Weißt du eigentlich wie viel Mühe Mama sich mit dem essen macht, immer überlegt sie womit sie uns eine Freude machen kann, steht Stundenlang in der Küche und kocht für uns…und du...du machst dich immer nur lustig... das ist so gemein von dir!“, jammerte die Braunhaarige und schniefte. „Was ist denn mit dir los?“, zischte der Ältere und sah seine Schwester verständnislos an. Die Jüngere versuchte sich zu beruhigen. Verdammt diese blöden Schwangerschaftshormone gingen mal wieder mit ihr durch. „Ähm...nichts...“, nuschelte die Jüngere. „Hikari-chan willst du mir nicht endlich mal sagen, was mit dir los ist?“ setzte der Ältere ernst an. Unsicher sah die Jüngere zu ihrem großen Bruder. „Was meinst du?“ „Ich bitte dich, ich kenne dich schon dein ganzes Leben, meinst du wirklich ich bemerke nicht, dass es dir nicht gut geht?“ Tränen sammelten sich in den Augen der Jüngeren und sie begann erneut zu weinen. Schon wieder übermannten sie ihre Gefühle. Sie fragte sich wirklich, wie Takeru es schaffte sie zu ertragen. Taichi sprang von seinem Stuhl auf und ging gleich auf seine Schwester zu „Hikari-chan, was ist denn los?“ fragte der Ältere einfühlsam nach. „Ich...du...ach...ich weiß nicht...Du wirst sicher wütend werden“, murmelte die Brünette niedergeschlagen. „Versprochen werde ich nicht“, erwiderte der junge Mann. „Du solltest vorsichtig mit deinen Versprechen sein...“ Taichi ließ seine Schwester wieder los und sah sie eindringlich an. „Sag mir bitte was mit dir los ist. Ich mache mir wirklich Sorgen.“ „Okay...“ Hikari drehte sich komplett zu ihrem Bruder um und sah Taichi tief in die Augen. Sie holte einmal tief Luft, schloss kurz ihre Augen, als sie ihre Augen wieder öffnete erwiderte sie zeitgleich   „Ich bin schwanger!“   Taichi ging drei Schritte zurück und sah kritisch zu seiner kleinen minderjährigen Schwester. „Schwanger? Wie konnte das denn passieren?“ „Soll ich dir wirklich erklären wie das geht?“, versuchte sie die Situation runter zu spielen, doch erkannte sogleich an seinem Blick, dass er nicht gerade nach scherzen zu Mute war. „Das ist nicht witzig Hikari-chan, du bist 18 Jahre alt und Takeru-kun...“ Der Braunhaarige hielt kurz inne „Wo ist er?“, knurrte er. „Na wo soll er denn bitte sein? Beim Training, außerdem lass ihn in Ruhe... und ich weiß das wir noch jung sind, aber wir bekommen das schon hin“, versuchte die Jüngere ihren Bruder zu beschwichtigten. „So, wie ihr das mit der Verhütung hinbekommt?“, gab er bissig von sich. „Wir haben verhütet. Ich habe die Pille immer genommen“, schrie sie hysterisch heraus und stemmte ihre Hände an ihre Hüfte. „Wenn es so wäre wärst du ja jetzt nicht schwanger geworden, außerdem sollte man immer auch zusätzlich mit Kondom verhüten“, belehrte Taichi seine jüngere Schwester. Hikari rollte nur genervt mit ihren Augen. „Als würdest du immer ein Kondom benutzen.“ „Darauf kannst du einen lassen, niemals ohne Gummi. Immerhin kenne ich die Mädchen ja nicht und weiß nicht ob sie anderweitig verhüten“, stellte er aufgebracht klar. „Das ist was Anderes. Takeru-kun und ich sind in einer festen Beziehung, vielleicht solltest du das auch mal versuchen, anstatt Nacht für Nacht durch fremde Betten zu hüpfen, nur, weil du ein ganz bestimmtes Mädchen nicht bekommst. Denn dann würdest du auch nicht doppelt und dreifach verhüten...aber halt...stimmt ja, das warst du ja noch nie, also kannst du auch gar nicht wissen wie das ist!“, pfefferte sie zurück und entgegnete ihn ebenso angriffslustig. „Tja...mag sein, dafür habe ich wenigstens meine eigene Zukunft nicht zerstört und die meines Freundes gleich mit!“   „RAUS HIER!“ schrie sie ihn wütend an und zeigte mit ihrem Zeigefinger zur Haustür.   „Bitte...wollte sowieso gerade gehen, als würde ich mir länger deinen scheiß anhören“, knurrte er aufgebracht, drehte sich herum, zog sich an und verschwand aus der Wohnung. Gleich fing Hikari bitterlich zu Weinen an, sie versuchte sich zu beruhigen, während sie eine Hand schützend an ihren Unterbauch hielt. Sie hasste es, wenn sie mit ihrem großen Bruder im Streit war. Die Beiden waren nicht einfach nur Geschwister – sie waren Freunde. Sie konnte ihm immer alles sagen und er vertraute auch ihr. Natürlich zankten sie sich und wurden hier und da mal lauter, alles vollkommen normal unter Geschwister, aber noch nie hatten sie sich so angeschrien und sich gegenseitig solche Gemeinheiten an den Kopf gebrüllt, wie sie es heute getan hatten. Sie wusste doch wie empfindlich Taichi in diesem bestimmten Thema war und sie stichelte direkt in die Wunde. Dann die Nachricht mit ihrer Schwangerschaft, kein Wunder das auch er austeilte. Sie wischte sich mit ihrem Handrücken ihre Tränen weg und zitterte aufgewühlt. Sie wollte gerade nach ihrem Handy suchen um Takeru anzurufen, als sie erneut hörte wie jemand die Türe hereinkam. „Taichi-kun?“, wimmerte die junge Frau. „Hikari-schatz“, sagte Yuuko und sah traurig zu ihrer Tochter. „Ist Taichi-kun schon weg? Ich hätte dich doch nicht alleine mit ihm reden lassen sollen. Es ist wohl nicht so gut gelaufen was?“ „Mama“, seufzte die Braunhaarige, gleich schritt die junge Yagami zu ihrer Mutter „Du kennst doch deinen Bruder, der beruhigt sich schon wieder.“ Hikari ließ ihre Tränen weiterlaufen und ließ sich von ihrer Mutter trösten. Hoffentlich würde Taichi nicht so lange auf sie wütend sein, sie brauchte doch ihren großen Bruder und das Baby seinen Onkel. Sie musste einfach wissen, dass er hinter ihr stand, alles andere würde sie nicht verkraften.     *.: 。✿*゚‘゚・✿.。.:*Makoto*.:。✿*゚’゚・✿.。.:*   Es war so ein angenehmes, warmes Gefühl, endlich dieses zierliche Geschöpf in seinen Armen fühlen zu können. Als er vor zwei Jahren Amerika und somit seiner Familie den Rücken zugewendet hatte, hatte er auch seiner kleinen Schwester jeden Halt genommen. Gott. Er fühlte sich so schrecklich damit. Nicht nur mit ihren Eltern, sondern auch mit diesem Arschloch Michael hatte er sie alleine gelassen, nur, weil er unbedingt gegen seine Eltern und deren Ansichten ankämpfen wollte. Die Resultate lagen klar vor seinen Augen. Sie hatte sich komplett verausgabt, versuchte es ihren Eltern Recht zu machen und war dabei zusammengebrochen. Es wunderte den Tachikawa nicht, dass Michael die Gunst der Stunde nutzt und Mimi die Drogen untermischte. Von Beginn an war offensichtlich, was der Blonde wirklich wollte. Geld und Macht. Das Imperium der Tachikawas, verbunden mit dem seines Vaters. Besser konnte es für ihn gar nicht laufen. Dafür brauchte er nur Mimi. Seine kleine Schwester. Makoto war so wütend auf Michael. Aber noch wütender war er auf sich selbst. Er hatte sie alleine gelassen. In der wohl miestesten Umgebung, die er hätte für sie auswählen können. Hass auf sich selbst machte sich in ihm breit, während er die Kleinere näher an sich drückte. Ihr Schluchzen klang schmerzlich an sein Ohr und rutschte bis tief in sein Herz. Mit jedem Laut, welches sie von sich gab, war die Verzweiflung immer deutlicher zu vernehmen.   „Es tut mir so leid… Ich hätte dich niemals alleine lassen sollen…“, flüsterte er in die Haare der Tachikawa. Diese jedoch erwiderte nichts. Was sollte sie darauf auch sagen? Mimi konnte ihm nicht widersprechen. Nicht, dass sie ihn für die gesamte Misere verantwortlich machte. Aber sie brauchte ihn. Wahrscheinlich hätte er nicht alles verhindern können. Wahrscheinlich wäre auch Michael in ihr Leben getreten, selbst wenn er bei ihr war. Doch Makoto hätte dafür Sorge getragen, dass er niemals die Gelegenheit bekam, seiner kleinen Schwester weh zu tun. Etwas, was er komplett versäumt hatte, indem er das Land verlassen hatte. „I-Ich…schon gut… Du bist ja jetzt da…“, gluckste die Jüngere und schmiegte sich mehr an den Körper des Älteren.   Bestimmt an die zehn Minuten befanden sich die beiden in einer innigen Umarmung. Mimi konnte nicht anders, als den Moment gänzlich auszukosten. „Du solltest vielleicht ans Telefon gehen… Ich gehe davon aus, dass sich Koushiro-kun Sorgen macht…“, hauchte Makoto sanft in ihr Ohr. Mimi nickte nur zaghaft und löste sich widerwillig von ihrem großen Bruder. Dieser ließ seine Hände in der Hosentasche verschwinden, während die Jüngere ans Telefon ging und mit Koushiro sprach. Er ließ seinen Blick durch das sterile Zimmer streifen. Erleichterung machte sich in ihm breit, als er bemerkte, dass Mimi nicht alleine war. Ein Einzelzimmer würde sie nur noch mehr runterziehen. Makoto hoffte nur, dass sich ihre Zimmernachbarin benahm. Natürlich wurde er davon unterrichtet, dass sich Mimi zwar auf dem Weg der Besserung befand, aber trotzdem noch nicht gesund war. Das sah selbst der Ältere. Unauffällig musterte er den Körper von Mimi. Sie hatte abgenommen und wirkte allgemein sehr blas. Mimi war so schon immer ein heller Hauttyp, doch diesmal wirkte sie einfach nur ungesund.   „Oh, sie müssen Tachikawa-san sein“, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihm, die ihn zum Zusammenzuckte brachte. Er drehte sich verwirrt um und sah in die blauen Augen der blonden Krankenschwester. „Ähm ja… das bin ich wohl…“ „Es freut mich, dass sie Mimi-chan besuchen konnten. Sie braucht jemanden, der für sie da ist. Leider konnten wir ihre Eltern nicht erreichen“, erklärte die Pflegerin. „Sie sieht nicht besonders gut aus. Sind sie sicher, dass sie auf den Weg der Besserung ist? Was wird hier mit ihr gemacht?“, entgegnete er ihre Aussage direkt mit einer Frage. Über seine Eltern wollte er nun wirklich kein Gespräch führen. „Wollen wir kurz?“, fragte sie an und führte den jungen Mann aus dem Zimmer, nachdem dies Mimi mit einem Nicken bestätigte. „Mimi-chan hat letzte Woche eine Überdosis Heroin genommen und ihr Körper hat entsprechend reagiert. Wir konnten sie noch rechtzeitig reanimieren. Aber es war wirklich sehr eng. Danach haben wir einen kalten Entzug eingeleitet. Es war nicht leicht für sie und natürlich hat sie einige Zeit wirklich gelitten. Doch ihre kleine Schwester war wirklich tapfer. Dass sie heute schon aus dem Bett raus darf, freut selbst uns. Ihr Körper wird einige Zeit beanspruchen, bis er sich wieder regeneriert“, erklärte die Schwester einfühlsam. Makoto konnte sich vor Schock kaum rühren und sah nach wie vor fassungslos die Krankenschwester an. „Das ist ein Scherz, oder? Sie hat noch nicht mal gewusst, dass sie Drogen konsumiert! Und jetzt erzählen sie mir, dass sie beinahe gestorben wäre?“, fragte er aufgebracht. Doch auch er verlor jede Kontrolle und feuerte seine Faust gegen die Wand.   Mit einem Zähneknirschen fuhr er sich durch die Haare. Der Blick gesenkt, konnte er es nach wie vor nicht fassen. Wo war sie da nur reingeraten? Wie hatte es Michael geschafft, Mimi derart abhängig zu machen. Koushiro erzählte ihm, dass Mimi die gesamte Zeit angenommen hatte, Tabletten auf Grünteeextrakt-Basis zu nehmen. Sie hatte nicht einmal gemerkt, was sie wirklich nahm. Ihr musste es ihn Amerika wirklich schlecht ergangen sein. Mimi war nicht das Mädchen, welches einfach Drohen konsumierte, um an ihr Ziel zu kommen. Jedes Mal kämpfte sie. Wann würde das sein Ende finden? Makoto bereute im Moment nichts mehr, als seine kleine Schwester im Stich gelassen zu haben. Er biss sich auf die Unterlippe, wusste nicht, was er sagen sollte. „Sie sollten sich keine Vorwürfe machen. Manchmal kommen junge Menschen mit Stresssituationen nur schwer zurecht“, erklärte sie. Makoto nickte stumm. Wie recht sie doch hatte. Doch es wäre anderes verlaufen, wäre er für Mimi dagewesen. Sie war nicht nur von ihren Freunden getrennt, sondern im Nachhinein auch von ihrem großen Bruder. Er fühlte sich schrecklich, hatte er sich doch geschworen, sie immer zu beschützen. Und nun hatte er so dermaßen versagt. Das würde ihn sicherlich nicht noch mal passieren. „Ist noch mit weiteren Komplikationen zu rechnen?“, fragte er zerknirscht. Die Krankenschwester schüttelte den Kopf. „Ein Entzug ist nie einfach. Aber sie hat das Schlimmste hinter sich. Hier wird ihr geholfen, das Geschehene zu verarbeiten und sich an ein Leben ohne illegale Substanzen zu gewöhnen… allerdings…“ „Allerdings was?!“, fragte Makoto eindringlich.   „Machen sie ihr klar, dass es okay ist, auch mal unglücklich zu sein.“   Makoto kam nicht dazu, etwas auf die Worte der Älteren zu antworten. Denn bereits im nächsten Moment kam Mimi aus der Türe heraus und lächelte ihren Bruder fröhlich an. Es war kaum zu glauben, dass sie nach wie vor lächelte, obwohl sie bereits so viel hatte durchmachen müssen. „Michiru-san. Darf ich mit meinem Bruder in den Park raus?“, fragte sie an die besagte blonde Frau. Diese sah lächelnd zu Mimi, dann aber suchte sie den Blick ihres Bruders. Sanft nickte sie ihm zu. „Natürlich. Aber nur eine Stunde. Dann ist die Besuchszeit auch vorbei“, erklärte sie. Mimi nickte. „Was ist eigentlich mit Rei?“ Die Jüngste im Bunde wusste schließlich, dass ihre neu gewonnene Freundin heute Einzeltherapie hatte. „Alles okay. Wenn du wiederkommst, wird sie sicher auch da sein“, erwiderte die Blonde mit einem Lächeln.   „Supi! Dann zieh ich mich nur schnell um!“, trällerte Mimi dann fröhlich und verschwand für wenige Minuten nochmal in ihrem Zimmer. Makoto wartete unterdessen auf die Jüngere und ließ das vorangegangene Gespräch nochmal Revue passieren. Er musste dringend mit ihren Freunden über das Geschehene reden. Vor allem wollte er Michael zur Rechenschaft ziehen. Dieser Mann hatte dafür gesorgt, dass Mimi die Hölle ihres Lebens durchmachen musste. Makoto wusste, dass seine Handlungen an Körperverletzungen grenzten. Es wäre dem Tachikawa am Liebsten, Michael das Genick zu brechen. Doch er sollte büßen, für das, was er seiner kleinen Schwester angetan hatte. Diese Woche war der blanke Horror für Makotos kleine. Für das, was Michael ihr angetan hatte, gab es keine Entschuldigung. Sie war am Boden angelankt und wieder aufzustehen brachte sie fast wieder um. Durch ihren unüberlegten Rückfall war alles in sie hereingebrochen. Wie ein Kartengerüst zerfiel ihr Leben. Die gesamte Zeit musste sie kämpfen. War es gegen ihre Eltern, gegen Michael, gegen das Schicksal oder gegen die Drogen. Bisher hatte sie noch keinerlei Ruhephase bekommen. Mimi kannte es nicht, unglücklich zu sein. Stattdessen war sie die Fröhlichkeit in Person. Tagein und tagaus. Immer spielte sie das glückliche Mädchen. Nicht nur vor ihren Eltern oder vor Michael. Auch vor Taichi, Koushiro und den anderen. Es war für sie ein Schock, dass ihre lebhafte und fröhliche Art mit dem Konsum illegaler Substanzen lag. Heute konnte sie sich gut daran erinnern, wie es begonnen hatte. Nicht mit der ersten Tablette, sondern mit dem Tag, als sie ihr Bruder verlassen hatte. Er war es, der ihr in Amerika Halt gab. Als er sich gegen ihre Familie wandte, verlor auch sie ihn. Makoto könnte sich eine runterhauen für sein egoistisches Handeln. Er begann sich selbst zu hassen.   „Nii-san! Hallo?! Ist da jemand drin?“ Die quirlige Stimme seiner kleinen Schwester riss den Älteren aus den Gedanken. Geschockt sah er sie an, nickte dann aber. „Ist alles okay bei dir?“ „Ja, natürlich! Komm, lass und rausgehen!“, sagte er schnell und griff nach der Hand der Jüngeren. Sie folgte ihm verwirrt. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie im Park angekommen war. Dort zeigte sich der Sommer noch immer von seiner schönsten Seite. Glücklich schritt Mimi durch das hohe Gras und genoss es, den Geruch des Sommers in sich aufnehmen zu können. Sie atmete tief ein und durch. „Herrlich! Ich war seit einer ganzen Woche nicht mehr draußen“, trällerte sie glücklich, während sich Makoto auf einer der Bänke niederließ. Mit einem Lächeln sah er zu Mimi, der es sichtlich guttat, wieder an der frischen Luft zu sein.   Nach weiteren fünf Minuten ließ sie sich neben ihrem Bruder nieder. Noch immer mit einem Grinsen auf den Lippen fixierte sie ihren Bruder. Langsam ging es ihm auf die Nerven. Er kannte Mimi ja, wusste, dass sie meist lächelte, anstatt zu weinen und Schwäche zuzulassen. Aber warum bei ihm? Warum war sie nicht einfach ehrlich und weinte? Es lagen inzwischen sicher tausend Steine auf ihrem Herzen. Wahrscheinlich schämte sie sich für ihren unbeabsichtigten Konsum, wahrscheinlich vermisste sie ihre Freunde und hatte Sehnsucht zu ihrer großen Liebe. Womöglich war sie sogar wütend auf ihn, doch nichts davon kam über ihre Lippen. Sie beschwerte sich nicht über die Situation, obwohl sie eindeutig nichts dafür konnte hier zu sein. Stattdessen nahm sie alles hin, ohne zu meckern. Dabei wirkte sie so müde und erschöpft. Makoto konnte hinter ihr Lächeln blicken, erkannte, dass es ihr schlecht ging und sie hier nicht sein wollte. Mit der Situation hatte sie sich abgefunden. Fuck. Sie hatte sich mit dieser verdammten Scheiß-Situation abgefunden. Makotos Hände krallten sich in den Stoff seine Jeans.   „Nii-san…? Was hast du?“, fragte sie einfühlsam nach und legte die Hand auf seine Schulter. In seiner Rage sah er die Jüngere nur wütend an. Diese wich sofort ein wenig zurück. „Verdammt Mimi! Hör auf damit!“ „W-Was meinst du?!“, fragte sie erschüttert. Hatte sie was falsch gemacht? Sie verstand nicht, was sie falsch machte. Warum er so wütend war. So kannte sie ihren Bruder gar nicht. „Damit! Mit diesem ganzen Schmierentheater. Hör auf mir vor zu machen, die ginge es gut! Dir geht es alles andere als gut! Das seh‘ ich dir doch an! Warum versuchst du mir vorzumachen, dass alles gut ist? Warum machst du mir keine Vorwürfe?!“ Die Verzweiflung brannte tief in der Seele des Älteren. Er biss sich auf die Unterlippe, während er in die verletzten Augen seiner Schwester sah. „Warum sagst du sowas? Ich mache dir nichts vor…“, flüsterte sie, nun mit einer etwas traurigeren Stimme und senkte dabei den Blick. „Dir geht es also gut?“, fragte er nach. „Ja, verdammt!!! Was soll ich denn bitte machen?! Ich kann doch gar nichts an der Situation ändern, wenn ich jetzt Trübsal blase! Außerdem bin ich das nicht!“, schrie sie ihn nun an, während ihre Stimme immer brüchiger wurde. Die Mauer wurde brüchiger. Das bemerkte er sofort. Dieses Mädchen war innerlich schon gebrochen. Es brachte nichts, wenn sie ein falsches Lächeln auf die Lippen legte. Sie musste weitergehen und eingestehen, dass auch sie mal traurig sein durfte. „Du musst nicht immer so tun, als wärst du stark! Verdammt.“ „Ich hab nie gesagt, dass ich stark bin. I-Ich…“, und dann kamen ihr die Tränen, „…ich…ich will stark sein. Die letzten Wochen waren schrecklich und ich war in Amerika furchtbar einsam. Aber…aber ich kann nicht der Mittelpunkt eines jeden sein. Ich kann mich doch nicht immer auf andere verlassen. Ich muss auch mal alleine durch etwas durch. I-Ich…ich will einfach nicht…, dass man sich Sorgen um mich macht…“, schluchze die Tachikawa dann. Die Tränen flossen über ihre geröteten Wangen, während ihr gesamter Körper bebte.   Makoto ertrug es kaum, seine kleine Schwester so zu sehen. Sofort griff er nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich. Sanft umschloss er die Jüngere mit seinen Armen, während er spürte, dass ihre Hände sich in den Stoff seines Hemdes klammerten. „Du bist nicht alleine… Wir sind alle für dich da. Deine Freunde, genauso wie ich! Wir helfen dir dabei…“ Mimis Schluchzen wurde lauter. Sie schaffte es nicht, ihm zu antworten. Stattdessen gab sie sich einfach ihren Tränen und dem brennenden Schmerz in ihrem Inneren hin. Makoto streichelte ihr dabei behutsam über den Kopf. „…wir helfen dir dabei, ehrlich stark zu sein…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)