the more deceived (Ophelia & Hamlet) - Seite 1

Die Handlung unserer Bilderreihe darf als ein selbsterdachter Epilog zu Shakespeare's "Hamlet" verstanden werden, dessen Fokus auf Ophelia, Hamlets ehemaliger Verlobten, liegt.

Im Original zeigten sich die ersten Knospen des Wahnsinns Ophelias beim Tode ihres Vaters Polonius, den sie sehr liebte.
Ophelia ist als eine Figur geschrieben worden, die reine, selbstlose Liebe und Unschuld symbolisieren sollte; behütet aufgewachsen und unberührt von den Staatsaffären, verbrachte sie ihre Tage mit Blumenpflücken und Sticken.¹ Ihre Liebe und Treue galt dabei vor allem ihrer Familie (Bruder Laertes & Vater Polonius) und natürlich ihrem Geliebten Hamlet, der ihr während des Stückes so viel emotionalen Schmerz zufügt, bis es unerträglich für sie wird. Und dennoch kann sie nicht anders, als ihm weiterhin mit Zuneigung zu begegnen. Der Ursprung ihres Wahnsinns kann also gewissermaßen in genau dieser selbstlosen Liebe gesehen werden, gegen die sie sich selbst nicht wehren kann.¹ Der Wahnsinn erblühte dann vollends, als sie erfuhr, dass Hamlet für den Tod ihres Vaters verantwortlich war. Daraufhin stürzte sie sich ins Wasser, um sich das Leben zu nehmen. Erwähnenswert ist hierbei, dass Ophelia weder im Wahnsinn noch im Tode an Schönheit einbüßte.²


Und hier setzt unser Epilog ein.
Ophelia‘s Liebe hält selbst nach ihrem Ableben noch an – genau wie ihr Wahnsinn und ihre Verblendung; so sehr klammert sie sich an die Erinnerungen ihrer Liebe für Hamlet. Diese Emotionen gehen so tief, dass ihre Seele selbst nach ihrem körperlichen Tod nicht weiterwandern kann und so verkommt sie, außer Stande tatsächlich zu sterben, über die Jahrhunderte langsam zu einer Sumpfnymphe – Darbend, suchend und nach wie vor wunderschön, wenn auch auf eine düstere Art und Weise, die nur entfernt an ihr strahlendes, engelhaftes Aussehen zu Lebzeiten erinnert. Unfähig die Gewässer zu verlassen, kann sie nichts anderes tun, als ihre Sehnsucht und ihren Kummer in die Welt zu singen, hoffend, dass ihr Lied ihren geliebten Hamlet erreicht und er sie endlich findet.
Und tatsächlich scheint ihr Gesang ihn immer wieder anzulocken und in diesen Stunden könnte ihr Herz vor Freude zerspringen. Doch sobald sie ihn in ihre Umarmung zieht und innig küsst, verschwindet er wieder und hinterlässt nur rote Spuren im Gewässer und blanke Knochen auf dem Grund.
Und immer und immer muss sie suchen und singen …
… und immer wieder verlässt er sie …
und sie verbleibt ewig suchend und darbend.


In ihrem Wahnsinn kann Ophelia nicht erkennen, dass es in Wahrheit nicht Hamlet ist, den sie in inniger Umarmung an sich drückt, sondern ein Jüngling, den ihr Gesang gelockt hat. In dem Glauben, Zärtlichkeiten mit ihrem Geliebten auszutauschen, zieht Ophelia ihn unter die Wasseroberfläche und verschlingt ihn.
Ophelia ist somit ist zu einer ewigen Suche verdammt, bei der sie das Gesuchte niemals finden oder festhalten kann.


Fussnoten:
¹ http://www.shakespeare-online.com/plays/hamlet/opheliacharacter.html

²[…]Her clothes spread wide;
And, mermaid-like, awhile they bore her up:
Which time she chanted snatches of old tunes;
As one incapable of her own distress,
Or like a creature native and indued
Unto that element: but long it could not be
Till that her garments, heavy with their drink,
Pull'd the poor wretch from her melodious lay
To muddy death.
LAERTES Alas, then, she is drown'd?
QUEEN GERTRUDE Drown'd, drown'd.
– Act IV, scene VII